VGH München, Urteil v. 26.09.2022 – 15 N 21.3023
Titel:
zur Unwirksamkeit eines Bebauungsplans wegen Ausfertigungs- und Bekanntmachungsmängeln
Normenketten:
VwGO § 47
GG Art. 14 Abs. 1 S. 2
BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3, § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 2, § 10, § 13b, § 214 Abs. 4
BauNVO § 18 Abs. 1
BayGO Art. 26
Leitsätze:
1. Ein Verstoß gegen Art. 26 Abs. 2 GO liegt vor, wenn eine Planfassung eines Bebauungsplans ausgefertigt wird, die inhaltlich nicht mit der vom Satzungsbeschluss umfassten Planfassung übereinstimmt. (Rn. 35 – 36)
2. Eine Bekanntmachung ist fehlerhaft, wenn eine gemeindliche Satzung verkündet wird, die inhaltlich nicht vom Satzungsbeschluss gedeckt ist und so nicht vom Gemeinderat beschlossen wurde. (Rn. 41)
Schlagworte:
Niederschlagswasserbeseitigung als abwägungsrelevanter Belang, Ausfertigung und Bekanntmachung eines Bebauungsplans, Divergenz zwischen planerisch Gewolltem und tatsächlich Beschlossenem, unzulässige inhaltliche Korrektur eines Bebauungsplans durch die Gemeindeverwaltung ohne Beteiligung des Gemeinderats, Bestimmtheit von Festsetzungen zur Wandhöhe, Normenkontrollverfahren, Ausfertigungsfehler, Bestimmtheitsgrundsatz, unzulässige inhaltliche Korrektur eines Bebauungsplans, Korrektur eines Redaktionsversehens, Festsetzungen zur Wandhöhe
Fundstellen:
BayVBl 2023, 773
DÖV 2023, 221
BeckRS 2022, 25910
LSK 2022, 25910
Tenor
I. Der am 9. Dezember 2020 als Satzung beschlossene und am 2. August 2021 erneut bekannt gemachte Bebauungsplan mit integrierter Grünordnung Baugebiet „B. Am …“ der Antragsgegnerin ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Antragsteller wenden sich gegen den im beschleunigten Verfahren gem. § 13b BauGB aufgestellten und am 2. August 2021 erneut bekannt gemachten Bebauungsplan mit integrierter Grünordnung Baugebiet „B. Am …“ der Antragsgegnerin.
2
Die Antragsteller sind (in Gütergemeinschaft) Eigentümer der nordwestlich außerhalb des Geltungsbereichs des streitgegenständlichen Bebauungsplans gelegenen Grundstücke FlNrn. … … der Gemarkung B. (im Folgenden genannte Flurnummern betreffen dieselbe Gemarkung) mit insgesamt sechs Fischteichen, für deren Anlage / Nutzung dem Antragsteller zu 1 wasserrechtliche Gestattungen des Landratsamts R. erteilt wurden (Plangenehmigung vom 18. Juni 1993, Änderungsbescheide vom 10. Juli 1997 und vom 4. Mai 2012).
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Der Geltungsbereich des streitgegenständlichen Bebauungsplans grenzt an seiner Ostseite unmittelbar an den Geltungsbereich des am 12. März 2019 als Satzung beschlossenen und am 25. März 2019 bekannt gemachten Bebauungsplans „B. straße“, mit dem ebenfalls ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt wurde. Nördlich der Geltungsbereiche beider Bebauungspläne sowie im Bereich der Teichgrundstücke der Antragsteller verläuft - teilweise über einen Kanal verrohrt - der B.bach (auch „B.bächl“ genannt) in Fließrichtung von Ost nach West. Im Rahmen eines notariellen (Tausch-) Vertrags vom 1. April 1982 mit notariellem Ergänzungs- / Nachtragsvertrag vom 12. Dezember 1985 (mit teilweise ersetzenden Regelungen) wurde die Weiterbenutzung der bestehenden Kanalrohre durch die Antragsgegnerin auf dem heutigen Grundeigentum der Antragsteller geregelt. In einem weiteren schriftlichen Vertrag zwischen den Antragstellern und der Antragsgegnerin vom 26. April 1995 wurde schuldrechtlich gegen finanzielle Entschädigung ein Rohrverlegungs- und Kanalbenutzungsrecht zugunsten der Antragsgegnerin im südlichen Bereich der FlNr. …, d.h. südlich und im Unterlauf der bestehenden Fischweiher vereinbart, um von dort zukünftig Abwasser abführen zu können. Am 28. Juni 1995 wurde in Umsetzung „gemäß Bewilligung vom 1. Juni 1995 (UrkNr. 747 Notar Dr. M., N.*)“ im Grundbuch ein „Kanalrecht“ für die Antragsgegnerin bezogen auf die FlNr. … eingetragen.
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Das Gelände fällt vom Plangebiet nach Norden hin in Richtung des B.bachs ab. Aus dem von der Antragsgegnerin nicht bestrittenen Vortrag der Antragsteller ergibt sich, dass für die Beseitigung u.a. des im Planbereich des Bebauungsplans „B. straße“ anfallenden Niederschlagswassers das Landratsamt Regensburg eine wasserrechtlich gehobene Erlaubnis vom 21. November 2019 erteilt hat und dass für die Umsetzung der Niederschlagswasserentsorgung für das Plangebiet des streitgegenständlichen Bebauungsplans sowie für weitere angrenzende bebaute Flächen ein weiteres wasserrechtliches Genehmigungsverfahren anhängig ist.
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Der streitgegenständliche Bebauungsplan setzt am nördlichen Ortsrand des zentralen Bereichs des Hauptortsteils der Antragsgegnerin ein allgemeines Wohngebiet mit Einzelhäusern in offener Bauweise fest, das durch eine „Perlschnur“-Festsetzung (Planzeichen Nr. 15.14. der Anlage zur PlanzV) in ein nördliches Teilgebiet 1 und ein südliches Teilgebiet 2 aufgeteilt ist. Gestaltungsfestsetzungen und Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung sehen für Gebäude unterschiedliche Variationen von Bautypen mit differierenden maximalen Wand- und Firsthöhen vor. Letztere knüpfen gem. Nr. 6 der planlichen Festsetzungen hinsichtlich ihres unteren Bezugspunkts an die jeweiligen Höhen der Erdgeschoss-Fertigfußbodenoberkanten („E FFOK“) an, die über einzelne Höhenbezugspunkte mit definierten Maximalhöhen in Meter über Normalnull (üNN) in der Planzeichnung bestimmt werden sollen (vgl. auch Nr. 4 der planlichen Festsetzungen). Im nordöstlichen Bereich des Plangebiets ist ein Regenrückhaltebecken („RRB“) als „Fläche für die Entsorgung von Niederschlagswasser“ resp. als „natürlich gestaltete Fläche mit Regenrückhaltefunktion“ festgesetzt. In der zugehörigen planlichen Festsetzung Nr. 14 heißt es hierzu, dass die „genaue Ausgestaltung nach Entwässerungsplanung“ erfolge. § 14 der textlichen Festsetzungen („Satzung“) gibt vor, dass die Entsorgung von Schmutzwasser und unverschmutztem Niederschlagswasser über eine Trennkanalisation erfolgen soll. In den Schmutzwasserkanal darf hiernach nur häusliches Schmutzwasser eingeleitet werden. Das anfallende Niederschlagswasser soll in ein neu herzustellendes Regenrückhaltebecken eingeleitet werden.
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Auch in der Planbegründung wird unter „5.5. Ver- und Entsorgung“ zum Thema Abwasserbeseitigung ausgeführt, dass für die Entwässerung der Privatflächen im Baugebiet eine Trennkanalisation vorgesehen sei. In den Schmutzwasserkanal dürfe nur häusliches Schmutzwasser eingeleitet werden. Im Baugebiet herrschten voraussichtlich bindige Deckschichten in unterschiedlicher Mächtigkeit vor, die eine Versickerung in den einzelnen Bauparzellen nicht zuließen. Eine dezentrale Versickerung des anfallenden Niederschlagswassers sei zwar wünschenswert, könne aber aus den vorgenannten Gründen nicht gesichert hergestellt werden. Daher sei eine Ableitung - dem natürlichen Geländegefälle folgend - nach Nordosten in ein neu herzustellendes Regenrückhaltebecken vorgesehen. Das Becken sei entsprechend der Einleitungsmenge zu bemessen. Ggf. sei eine wasserrechtliche Erlaubnis zu stellen und beim Wasserwirtschaftsamt einzureichen.
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Ausgangspunkt der vorliegend streitgegenständlichen Planung waren Schreiben einer privaten Investorgesellschaft vom 25. Juli und 18. November 2019, in denen diese unter Mitteilung ihrer Planungsabsichten mitteilte, die Niederschlagswasserbeseitigung solle wie beim benachbarten Plangebiet „B. straße“ über ein Regenrückhaltebecken in den B.bach erfolgen. Das Verfahren der Bauleitplanung wurde sodann formell durch einen Planaufstellungsbeschluss des Gemeinderats der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2019 eingeleitet. Für die Beteiligung der Öffentlichkeit (§ 3 Abs. 2 BauGB) sowie der Behörden und Träger öffentlicher Belange (§ 4 Abs. 2 BauGB) billigte der Gemeinderat durch Beschluss vom 24. Juni 2020 eine „Planfassung 26.05.2020“. In den vorgesehenen planlichen Festsetzungen dieses Planentwurfs werden unter Nr. 6 - differenziert nach Bautypen - maximal zulässige Wandhöhen von 4,50 m und 6,25 m angegeben.
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In einer E-Mail vom 12. August 2020 erläuterte die Investorgesellschaft gegenüber der Antragstellerseite den damaligen Stand der Planung für die Niederschlagswasserableitung. Hiernach würden die angeschlossenen Straßen und Baugrundstücke über einen separaten Regenwasserkanal gefasst und über einen neuen Sedimentationsschacht in ein neues Regenrückhaltebecken eingeleitet. Die Ableitung aus diesem erfolge gedrosselt in das in Umsetzung des bestehenden Baugebiets „B. straße“ errichtete Regenrückhaltebecken „RRB 1“ und von dort gedrosselt in den B.bach. Die Planung hierzu erfolge durch ein Ingenieurbüro in Abstimmung mit den Fachbehörden und der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin werde vermutlich wie bei der Planung zum Bebauungsplan „B. straße“ diese Planung von einem weiteren Ingenieurbüro gegenprüfen lassen.
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Die Antragsteller erhoben im Verfahrensabschnitt der Bürgerbeteiligung gem. § 3 Abs. 2 BauGB mit Schreiben vom 25. August 2020 diverse Einwendungen, wobei sie auf ihre Betroffenheit insbesondere bei Starkregenereignissen als Unterlieger mit Blick auf ihre Fischteiche und ihr privates Verrohrungssystem hinwiesen. Die Dimensionierung der vorhandenen privaten Verrohrung des B.bachs sei nicht für größere Ableitungsmengen und damit verbundene Überlastungsereignisse ausgelegt. Ferner wären Unterhalts- und ggf. notwendige Instandsetzungsmaßnahmen hinsichtlich der privaten Verrohrungen zu klären. Im Rahmen der Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange (§ 4 Abs. 2 BauGB) äußerten sich neben dem Wasserwirtschaftsamt (WWA) Regensburg (Stellungnahme vom 29. Juli 2020) auch das Sachgebiet „Natur und Umweltschutz“ des Landratsamts R. (Stellungnahme vom 18. August 2020) zur Niederschlagswasserbeseitigung. Das Sachgebiet 41 (Bauleitplanung) des Landratsamts empfahl in einer Stellungnahme zur Planung vom 2. September 2020 mit Blick auf die Bestimmtheit der festgesetzten Höhenbezugspunkte zudem, konkrete Baugrenzen für jede einzelne Parzelle festzusetzen.
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Mit E-Mail vom 29. Oktober 2020 übermittelte das von der Antragsgegnerin mit der Planung beauftragte Ingenieurbüro einen überarbeiteten Entwurf zum Bebauungsplan mit Vorschlägen zur Abwägung. Laut Begleittext seien im Entwurf Änderungen nach Maßgabe der Abwägungsvorschläge bereits eingearbeitet worden. Im Planungsordner der Antragsgegnerin ist im unmittelbaren Anschluss (bei einer zeitlichen Abheftungsreihenfolge im Ordner von hinten nach vorne) unter der handschriftlich markierten Ordnungsrubrik „Planungsentwurf 11.11.2020“ ein Bebauungsplanentwurf „Planfassung 11.11.2020“ abgeheftet. In diesem sind die Änderungen im Vergleich zur ausgelegten Entwurfsfassung („Planfassung 26.05.2020“), die in den Abwägungsvorschlägen des Planungsbüros thematisiert werden, durch Textmarkierung hervorgehoben. Unter Nr. 6 der planlichen Festsetzungen dieser „Planfassung 11.11.2020“ sind - abweichend von der „Planfassung 26.05.2020“ und ohne dass diese Abweichung von den Abwägungsvorschlägen erfasst und farblich hervorgehoben ist - maximal zulässige Wandhöhen von 6,75 m und 9,375 m angegeben.
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In den folgenden Sitzungen nahm der Gemeinderat der Antragsgegnerin zu den im Rahmen der Beteiligungen gem. § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 2 BauGB eingegangenen Stellungnahmen und Einwendungen mit Beschlüssen vom 11. November 2020 sowie (insbesondere zu der zunächst in der Novembersitzung nicht abschließend beratenen Stellungnahme „07 Zweckverband zur Wasserversorgung LKr. Regensburg-Süd“) vom 9. Dezember 2020 eine Schlussabwägung vor. Zum Einwendungsschreiben der Antragsteller stellte der Gemeinderat darauf ab, dass nach dem Wasserhaushaltsgesetz die Einleitung in ein oberirdisches Gewässer über eine Kanalisation ebenso wie eine ortsnahe Versickerung oder Verrieselung eine regelkonforme Art der Niederschlagswasserbeseitigung darstelle. Für eine Beurteilung der Aufnahmefähigkeit (Sickerfähigkeit) des Untergrundes seien durch ein Ingenieurbüro am 11. Oktober 2018 Felduntersuchungen durchgeführt worden, wonach eine dauerhaft wirksame und ausreichende Versickerung nicht möglich sei. Als Vorflut stehe der unmittelbar angrenzende B.bach zur Verfügung. Die Planung berücksichtige die Belange von Unterliegern. Für die schadlose Entsorgung seien Regenrückhaltemaßnahmen vorgesehen. Zum Schutz gegen Verunreinigungen würden Maßnahmen nach dem „Merkblatt DWA-M 153 (Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Regenwasser)“ vorgenommen. Für die Benutzung des B.bachs zur Niederschlagswassereinleitung werde eine gehobene wasserrechtliche Erlaubnis beantragt. Hierbei würden die für die Einleitung sicherzustellenden Bedingungen (z.B. Rückhalte- und Drosseleinrichtungen, Sicherheitseinrichtungen) nach den geltenden Vorschriften bewertet und festgelegt. Ein überschwemmungsgefährdetes Gebiet liege nicht vor. Die vorgesehenen Maßnahmen seien dafür geeignet, alle aus dem Baugebiet einwirkenden, nachteiligen Ereignisse in ausreichendem Maß zu kompensieren.
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Ähnliche Erwägungen finden sich in der Schlussabwägung zu dem im Rahmen der Behördenbeteiligung mit Stellungnahme vom 29. Juli 2020 abgegebenen Hinweis des WWA Regensburg, es sei „auf Grund der bekannten Problematik im Zuge der Niederschlagswasserbeseitigung (siehe BBP B. straße)“ die diesbezügliche Planung „frühzeitig zu erstellen“ und mit der Fachbehörde abzustimmen. Zu den vom Landratsamt - Sachgebiet „Natur- und Umweltschutz“ - mit Stellungnahme vom 18. August 2020 gegebenen Hinweisen auf Überflutungsgefahren bei Starkregenereignissen und deren Folgen (Vernässung und Verschlammung von Gebäuden, Verkehrsflächen und Grundstücksflächen, Bodenabtrag, Überlauf der Kanalisation etc.) sowie zum dort geäußerten Gebot, dass rechtzeitig in einem Wasserrechtsverfahren abzuklären sei, „ob die abwassertechnische und -rechtliche Erschließung so möglich“ sei, heißt es in der Schlussabwägung, eine „genauere Erläuterung“ sei „im Bebauungsplan nicht notwendig“, es werde „ein Wasserrechtsverfahren (…) parallel durchgeführt“. Soweit das Landratsamt empfohlen habe, Baugrenzen für jede einzelne Parzelle festzusetzen, bleibe es bei den bisherigen Regelungen: Die einzelnen festgesetzten maximalen Fußbodenoberkanten unterschieden sich pro Parzelle um 20 - 50 cm. Sollte sich wirklich eine Teilung bzw. eine andere Aufteilung der Grenzen ergeben, könne der Bezugspunkt trotzdem bestimmt werden.
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In seiner Sitzung am 9. Dezember 2020 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin sodann den Bebauungs- und Grünordnungsplan „B. Am …“ in der „Fassung vom 11.11.2020 (…) als Satzung“. Im Planungsordner befindet sich eine vom Ersten Bürgermeister am 16. Dezember 2020 unterschriebene Bekanntmachungsverfügung, auf deren Rückseite mit Unterschrift eines Gemeindemitarbeiters oder einer Gemeindemitarbeiterin vom 16. Dezember 2020 die ortsübliche Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses durch Amtstafelanschlag für den folgenden Tag (17. Dezember 2020) bestätigt wird. Im unmittelbaren Anschluss ist im Planungsordner eine vom Ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin am 16. Dezember 2020 ausgefertigte Fassung des Bebauungsplans mit der Angabe „Planfassung 11.11.2020“ (mit angegebenen Wandhöhen von 6,75 m bzw. 9,375 m) abgeheftet. Diese enthält auf der ersten Seite der Ringheftung ohne Datumsangabe und Angabe der korrigierenden Person den - offensichtlich nachträglich - handschriftlich ausgebrachten Vermerk in roter Schrift „UNGÜLTIG - falsche Höhenangaben -“.
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Mit E-Mail vom 25. Januar 2021 teilte das beauftragte Planungsbüro der Antragsgegnerin mit, dass „soeben im Bebauungsplan ein Fehler aufgefallen sei“; im Planteil seien die Wandhöhen falsch dargestellt. Mit Schreiben vom 28. Januar 2021 übermittelte das Ingenieurbüro der Antragsgegnerin eine neue Fassung des Bebauungsplans („Planfassung 27.01.2021“) mit angegebenen festgesetzten Wandhöhen von 4,50 m und 6,25 m. Es habe sich „in der Beschlussfassung im Planteil ein redaktioneller Fehler eingeschlichen“. Die Wandhöhen seien falsch dargestellt gewesen. Die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange sei aber mit den richtigen Wandhöhen erfolgt. Die Wandhöhen seien im Planteil nun wieder auf 4,50 m bzw. 6,25 m korrigiert worden. Diese neue Planfassung wurde vom Ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin unter dem 1. Februar 2021 erneut ausgefertigt. Dieses ausgefertigte Exemplar („Planfassung 27.01.2021“) mit Unterschrift des Ersten Bürgermeisters enthält den Hinweis, dass der Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan bereits am 17. Dezember 2020 ortsüblich bekannt gemacht worden sei. Auf der ersten Seite der Ringheftung dieser ausgefertigten Fassung des Bebauungsplans ist ebenfalls ohne Datumsangabe und ohne Angabe der korrigierenden Person handschriftlich in roter Schrift vermerkt: „- UNGÜLTIG -“.
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Im Anschluss wurde eine erneute Fassung des Bebauungsplans erstellt, bei der die festgesetzten Wandhöhen laut Nr. 6 der planlichen Festsetzungen mit 4,50 m und 6,25 m angegeben sind und die auf der ersten (= Eingangs-) Seite der Ringheftung des Bebauungsplans das Fassungsdatum „11.11.2020“ trägt. Diese Fassung des Bebauungsplans wurde unter dem 30. Juli 2021 vom Ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin ausgefertigt, wobei der Ausfertigungsvermerk folgenden Zusatztext enthält: „Aufgrund redaktioneller Druckfehler nach dem Satzungsbeschluss wurde der Bebauungs- und Grünordnungsplan in der Fassung vom 11.11.2020 korrigiert und neu ausgefertigt.“ Am 2. August 2021 wurde der Satzungsbeschluss vom 9. Dezember 2020 erneut bekannt gemacht. Der Bekanntmachungstext enthält ebenfalls die Erklärung, dass der Bebauungsplan „in der Fassung vom 11.11.2020“ aufgrund „redaktioneller Druckfehler nach dem Satzungsbeschluss (…) korrigiert und neu ausgefertigt“ worden sei. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 214 Abs. 4 BauGB solle der Bebauungsplan mit der erneuten Bekanntmachung „rückwirkend zum 17. Dezember 2020 in Kraft“ treten.
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Mit ihrem am 8. Dezember 2021 erhobenen Normenkontrollantrag machen die Antragsteller unter ergänzendem Verweis auf ein Rügeschreiben ihrer Bevollmächtigten an die Antragsgegnerin vom 14. September 2021 die Unwirksamkeit des Bebauungsplans geltend. Sie rügen u.a. eine nicht regelkonforme Ausfertigung sowie mit Blick auf in Bezug genommene DIN-Normen eine nicht ordnungsgemäße Verkündung des Bebauungsplans. Der Satzungsbeschluss sei ohne gebotene Wiederholung durch den Gemeinderat am 2. August 2021 erneut ortsüblich bekannt gemacht worden, obwohl im Rahmen der erneuten Ausfertigung und Bekanntmachung inhaltliche Bestandteile der Satzungsregelung ausgetauscht worden seien. Die Festsetzungen zur Wandhöhe erfüllten nicht die gesetzlichen und rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen. Die Voraussetzungen des § 13b BauGB für das beschleunigte Verfahren der Bauleitplanung lägen nicht vor; eine Umweltprüfung sei rechtswidrig unterlassen worden. Es lägen hinsichtlich des Niederschlagswasserbeseitigungskonzepts der angegriffenen Planung Abwägungsfehler bzw. ein gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB relevanter Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB vor. Das Gebot der Konfliktbewältigung sei zu ihren Lasten verletzt worden. Ihre Grundstücke FlNrn. … und … mit den Fischteichen lägen deutlich tiefer als die Flächen im Geltungsbereich des Bebauungsplans. Sie seien deshalb durch die Planung in ihrem Grundeigentum verletzt. Es komme künftig mehr abgeleitetes und kontaminiertes Niederschlagswasser in den verrohrten B.bach hinzu. Die Planung sehe faktisch eine Oberflächenentwässerung unter Einbeziehung des östlich an die streitgegenständliche Planung angrenzenden Geltungsbereichs des Bebauungsplans „B. straße“ sowie eines seit langem bestehenden (Alt-) Baugebiets in den B.bach vor. Hinsichtlich der geplanten Form der Niederschlagswasserbeseitigung werde nicht nur eine Überdimensionierung der Wasserzuführung auf die bestehende Kanalleitung befürchtet. Mit Blick auf die strikt zu befolgenden Regeln bei der Fischproduktion führe die Umsetzung der Planung aufgrund der Abführung von Oberflächenwasser aus dem Plangebiet in den Oberlauf des B.bachs zu einer Kontamination ihrer Fischteiche. Ihre durch die wasserrechtliche Plangenehmigung abgedeckten Nutzungsrechte an den Teichanlagen seien daher durch die Planung nachteilig betroffen. Für die Fischproduktion gälten strikt zu befolgende Regeln der Sauberkeit. Durch die ausfallende Fischteichnutzung drohe ein hoher finanzieller Schaden. Bei Realisierung der von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Oberflächenentwässerungsplanung müssten sie - die Antragsteller - für das Verrohrungssystem künftig zudem höhere Unterhaltungslasten tragen. Eine sich als konfliktlösende Planungsalternative aufdrängende Oberflächenwasserentsorgung über eine Kanalleitung nördlich des Baugebiets und südlich der Fischteichgrundstücke sei trotz ihrer Hinweise und Einwendungen im Verfahren der Bauleitplanung wohl aus Kostengründen nicht geprüft und in Betracht gezogen worden.
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Die Antragsteller beantragen,
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den Bebauungsplan „B. Am …“ für unwirksam zu erklären.
19
Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie verteidigt die Planung und trägt vor, dass die Ausfertigung nicht zu beanstanden sei, weil eine von der Rechtsprechung für problematisch gehaltene lose Verbindung der regelnden Bestandteile des Bebauungsplans bei der vorliegenden Ringheftung nicht vorliege. Die Bekanntmachung sei wiederholt worden und mit dieser der Bebauungsplan gemäß § 214 Abs. 4 BauGB rückwirkend zum 17. Dezember 2020 in Kraft gesetzt worden, weil sich in der Planfassung vom 11. November 2020 hinsichtlich der Wandhöhen ein redaktioneller Fehler eingeschlichen habe. Hierauf sei in der letzten Bekanntmachung hingewiesen worden. Ein neuer Satzungsbeschluss sei nicht gefasst worden, da die Identität des in der Sitzung vom 9. Dezember 2020 beschlossenen Bebauungsplans nicht verändert worden sei. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das beschleunigte Verfahren gem. § 13b BauGB hätten vorgelegen. Soweit hinsichtlich Bezugnahmen auf DIN-Normen ein Bekanntmachungsfehler vorliege (was in der mündlichen Verhandlung seitens des Bevollmächtigten der Antragsgegnerin mangels Drittschutzbezugs der in Bezug genommenen privaten Regelwerke infrage gestellt wurde), läge jedenfalls ein im ergänzenden Verfahren heilbarer formeller Mangel vor. Im Bebauungsplan seien alle zehn Bauparzellen konkret mit Bemaßung dargestellt, sodass die Einwände hinsichtlich der Unbestimmtheit der Festsetzungen zur Wandhöhe unbegründet seien. Schließlich werde darauf hingewiesen, dass es den Antragstellern mit dem vorliegenden Normenkontrollantrag in der Sache um eine mit einem Anwaltsschreiben vom 3. September 2021 geforderte „Nachverhandlung“ zu den Verträgen vom 1. April 1982 und 12. Dezember 1985 mit Blick auf eine „entschädigungsrechtliche Begleitregelung (Unterhaltsentlastung u.a.)“ gehe. Die Angriffe gegen die streitgegenständliche Bauleitplanung würden in der Sache stellvertretend geführt, nachdem die Durchsetzung eines von den Antragstellern behaupteten Anspruchs auf Nachverhandlung keine Erfolgsaussichten habe (vgl. hierzu auch das von der Antragsgegnerin vorgelegte Schreiben ihrer Anwälte vom 21. Oktober 2021, Bl. 159 ff. der VGH-Akte).
22
Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich nicht am Verfahren beteiligt. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegten Planungsakten der Antragsgegnerin sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 23. September 2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag hat Erfolg. Der angegriffene Bebauungsplan ist im Ganzen für unwirksam zu erklären.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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a) Er wurde am 8. Dezember 2021 fristgemäß innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses zum Bebauungsplan gestellt, § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob für den Fristbeginn auf die erste Bekanntmachung am 17. Dezember 2020 oder auf die zweite (und letzte) Bekanntmachung am 2. August 2021 abzustellen ist.
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b) Die Antragsteller sind gem. § 42 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt.
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Nach dieser Norm kann den Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Da die Grundstücke der Antragsteller nicht im Geltungsbereich des streitgegenständlichen Bebauungsplans liegen, kommt es darauf an, ob diese eine mögliche Verletzung des in § 1 Abs. 7 BauGB normierten Abwägungsgebots geltend machen können. Das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Es verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend abgearbeitet werden. Benennt ein Antragsteller einen privaten Belang, der für die Abwägung beachtlich war, kann er sich im Rahmen von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO darauf berufen, dass seine abwägungsrelevanten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden (BVerwG, B.v. 28.5.2019 - 4 BN 44.18 - ZfBR 2019, 689 = juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, U.v. 15.3.2022 - 15 N 21.1422 - juris Rn. 23 m.w.N.; B.v. 6.5.2022 - 15 NE 22.849 u.a. - BayVBl 2022, 525 = juris Rn. 40). An die Geltendmachung einer - möglichen - Rechtsverletzung sind dabei keine höheren Anforderungen zu stellen als an die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Es genügt, dass ein Antragsteller substantiiert Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen (BVerwG, U.v. 24.9.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 = juris Rn. 8; U.v. 16.6.2011 - 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41 = juris Rn. 12).
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Gemessen hieran ist die Antragsbefugnis zu bejahen. Die Antragsteller haben als Plannachbarn hinreichend substantiiert eine mögliche Gefährdung ihres Eigentums an den beiden zum Plangebiet nahe gelegenen Grundstücken FlNrn. … und … vorgetragen. Die von ihnen vorgetragenen Umstände lassen es zumindest denkbar erscheinen, dass die Problematik der Oberflächen- und Niederschlagswasserbeseitigung im Bebauungsplan zu ihren Lasten nicht ausreichend gelöst ist. § 1 Abs. 7 BauGB verlangt, dass der Bauleitplanung eine Erschließungskonzeption zugrunde liegt, nach der das im Plangebiet anfallende Niederschlagswasser so beseitigt werden kann, dass Gesundheit und Eigentum der Planbetroffenen - auch außerhalb des Plangebiets - keinen Schaden nehmen. Die Abwasserbeseitigung gehört damit zu den Belangen, die regelmäßig in die nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotene Abwägung einzustellen sind (vgl. (BVerwG, U.v. 21.3.2002 - 4 CN 14.00 - BVerwGE 116, 144 = juris Rn. 13 ff.; U.v. 4.11.2015 - 4 CN 9.14 - BVerwGE 153, 174 = juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 13.4.2018 - 9 NE 17.1222 - juris Rn. 24; U.v. 29.10.2021 - 9 N 21.1232 - juris Rn. 15; U.v. 15.3.2022 - 15 N 21.1422 - juris Rn. 24, 31). Für die Antragsbefugnis ist es grundsätzlich schon ausreichend, dass die Antragsteller - wie hier - geltend machen, der Boden sei im Planungsgebiet nicht versickerungsfähig und das benachbarte Planungsgebiet liege im Verhältnis zu ihrem Grundstück erhöht (vgl. hierzu auch z.B. BVerwG, U.v. 4.11.2015 - 4 CN 9.14 - BVerwGE 153, 174 = juris Rn. 13 m.w.N.; BayVGH, B.v. 14.12.2021 - 1 NE 21.2369 - juris Rn. 15). Das muss vorliegend unabhängig von allgemeinen Überflutungsgefahren für den betroffenen „Trockenbereich“ der Antragstellergrundstücke auch und gerade mit Blick auf die Fischteichanlagen der Antragsteller gelten, die im Unterlauf des B.bachs auf Basis bestehender wasserrechtlicher Gestattungen und damit i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG - abwägungsrelevant - rechtlich geschützt betrieben werden (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 14.12.2009 - 1 N 09.1654 - juris Rn. 28 ff.; B.v. 6.5.2022 - 15 NE 22.849 u.a. - BayVBl 2022, 525 = juris Rn. 41, 46 ff.; U.v. 10.5.2022 - 15 N 21.2929 - juris Rn. 11) und bei denen eine Beeinträchtigung im Falle einer Oberflächenentwässerung des streitgegenständlichen Baugebiets über den B.bach durch womöglich vermehrt und / oder kontaminiert einfließendes Wasser nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint.
29
Die Antragsgegnerin hat diese Belange im Rahmen des Planaufstellungsverfahrens und ihres abschließenden Abwägungsvorgangs zwar grundsätzlich gesehen und gewürdigt, indem sie eine Konfliktlösung auf das anschließende wasserrechtliche Genehmigungsverfahren verlagert hat. Es kann dabei dahinstehen, ob diese planerische Zurückhaltung mit dem Abwägungsgebot vereinbar ist. Jedenfalls ist nach Aktenlage sowohl mit Blick auf den Vortrag der Antragsteller in ihren Einwendungsschreiben im Planungsverfahren und im vorliegenden Normenkontrollverfahren als auch unter Berücksichtigung der im Rahmen der Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange (§ 4 Abs. 2 BauGB) eingegangenen Stellungnahmen des WWA Regensburg vom 29. Juli 2020 und des Sachgebiets „Natur und Umweltschutz“ des Landratsamts vom 18. August 2020 die Möglichkeit der Verletzung des Abwägungsgebots zulasten der Antragsteller nicht auszuschließen. Ob die Antragsgegnerin im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Abwägung der betroffenen privaten und öffentlichen Belange die Interessen der Antragsteller hinsichtlich des zugrunde gelegten Niederschlagswasserbeseitigungskonzepts im Spannungsfeld zwischen planerischer Konfliktbewältigung und planerischer Zurückhaltung (hierzu vgl. z.B. BayVGH, U.v. 15.3.2022 - 15 N 21.1422 - juris Rn. 24, 30 ff. m.w.N.) tatsächlich fehlerhaft oder fehlerfrei gewürdigt hat, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Normenkontrollantrags.
30
2. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.
31
Bei einem Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO handelt es sich um ein objektives Rechtsbeanstandungsverfahren. Der angegriffene Bebauungsplan ist daher auch auf Mängel zu überprüfen, die keinen Bezug zu einer subjektiv-rechtlichen Betroffenheit der Antragsteller aufweisen (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 14.12.2016 - 15 N 15.1201 - VGHE 69, 220 = juris Rn. 38 m.w.N.; U.v. 24.6.2020 - 15 N 19.442 = juris Rn. 21).
32
Dem Bebauungsplan haften ein Ausfertigungsfehler sowie ein Bekanntmachungsmangel an [im Folgenden a) ]. Ferner verstößt er hinsichtlich der Festsetzungen zu den Wandhöhen gegen § 18 Abs. 1 BauNVO bzw. den allgemeinen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz [Gebot der Normenklarheit, vgl. unten b) ]. Diese Fehler, auf die die Planerhaltungsvorschriften gem. §§ 214, 215 BauGB keine Anwendung finden, begründen die Gesamtunwirksamkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplans (s.u. 3.).
33
a) Der Bebauungsplan leidet als Satzung an einem Ausfertigungsmangel sowie an einem Bekanntmachungsmangel und verstößt deshalb gegen Art. 26 Abs. 2 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung - GO) und § 10 Abs. 3 BauGB.
34
Durch Fehler bei der Wiederholung von Ausfertigung und Bekanntmachung im Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB ergeben sich hier formelle Mängel. Die Antragsgegnerin hat vorliegend ein ergänzendes Verfahren durchgeführt, weil sie davon ausging, dass die zunächst ausgefertigte und am 17. Dezember 2020 bekannt gemachte Fassung des Bebauungsplans hinsichtlich des festgesetzten Wandhöhen nicht diejenige sei, die als Satzung beschlossen wurde. Im ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB wird das Verfahren der Bauleitplanung an die Stelle zurückgesetzt, an der der aus Sicht der planenden Gemeinde zu korrigierende Fehler unterlaufen ist, und ab da die betroffenen Verfahrensabschnitte ersetzend und wiederholend fortgesetzt (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 3.8.2022 - 15 N 21.1291 - juris Rn. 41). Abzustellen ist mithin vorliegend nicht auf den zwischenzeitlichen Heilungsversuch der Antragsgegnerin über die Neuausfertigung der „Planfassung 27.01.2021“ unter Verweis auf die bereits erfolgte Bekanntmachung am 17. Dezember 2020 (zumal dieses Vorgehen schon wegen der falschen Reihenfolge von Ausfertigung und Bekanntmachung am Maßstab von Art. 26 GO, § 10 BauGB verfahrensrechtlich unzulässig war, vgl. BVerwG, B.v. 9.5.1996 - 4 B 60.96 - NVwZ-RR 1996, 630 = juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 25.2.1993 - 23 B 90.931 - NVwZ 1994, 88 = juris Rn. 19 f.; U.v. 10.5.2022 - 1 B 19.362 - juris Rn. 23 f.; HessVGH, U.v. 18.3.2021 - 4 C 2335/17.N - ZfBR 2021, 674 = juris Rn. 31; OVG NW, U.v. 6.9.2018 - 7 D 10/16.NE - BauR 2018, 1974 = juris Rn. 31), sondern auf die zuletzt im ergänzenden Verfahren durchgeführten Maßnahmen der am 30. Juli 2021 durch den Ersten Bürgermeister erfolgten erneuten Ausfertigung der zum Datum 11. November 2020 nachträglich korrigierten Planfassung sowie der erneuten Satzungsbeschlussbekanntmachung am 2. August 2021.
35
aa) Der Bebauungsplan ist unter Verstoß gegen Art. 26 Abs. 2 GO ausgefertigt worden, weil die Ausfertigungsunterschrift des Ersten Bürgermeisters am 30. Juli 2021 auf eine Planfassung gesetzt wurde, die inhaltlich nicht mit der vom Satzungsbeschluss vom 9. Dezember 2020 umfassten Planfassung übereinstimmt.
36
Durch die Ausfertigung soll sichergestellt werden, dass der Inhalt des als Satzung beschlossenen Bebauungsplans mit dem Willen des gemeindlichen Beschlussorgans übereinstimmt. Bebauungspläne sind Satzungen (§ 10 Abs. 1 BauGB) und als solche nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO auszufertigen. Dies gebietet das in Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 BV verfassungsrechtlich verankerte Rechtsstaatsprinzip, das die Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen verlangt. Durch die Ausfertigung wird die Satzung als Originalurkunde hergestellt, die den Willen des Normgebers nach außen wahrnehmbar macht. Zudem wird bestätigt und sichergestellt, dass der Inhalt des als Satzung beschlossenen Bebauungsplans mit dem Willen des Gemeinderats übereinstimmt, sog. „Identitätsfunktion“ bzw. „Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion“ (vgl. BVerwG, U.v. 1.7.2010 - 4 C 4.08 - BVerwGE 137, 247 = juris Rn. 13; B.v. 4.9.2014 - 4 B 31.14 - ZfBR 2014, 782 = juris Rn. 5; B.v. 21.6.2018 - 4 BN 34.17 - juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 28.10.2014 - 15 N 12.1633 - NVwZ-RR 2015, 321 = juris Rn. 39; U.v. 28.4.2017 - 15 N 15.967 - juris Rn. 34; U.v. 4.7.2017 - 15 N 15.1713 - NVwZ-RR 2017, 953 = juris Rn. 18 f.; U.v. 11.5.2018 - 15 N 17.1175 - KommJur 2018, 268 = juris Rn. 30 f.; U.v. 10.12.2020 - 1 N 16.682 u.a. - BayVBl 2021, 813 = juris Rn. 26; U.v. 5.10.2021 - 15 N 21.1470 - juris Rn. 41; U.v. 10.5.2022 - 1 B 19.362 - juris Rn. 23). Es darf daher nur der Satzungstext ausgefertigt werden, der auch tatsächlich beschlossen worden ist. Zulässig ist in der ausgefertigten Satzungsfassung allenfalls die Vornahme von redaktionellen Änderungen (z.B. Korrektur von Rechtschreibfehlern); darüberhinausgehende inhaltliche Änderungen sind dagegen unzulässig (Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand: Februar 2021, Art. 26 Rn. 1).
37
Die zuletzt - als Ergebnis des ergänzenden Verfahrens - erfolgte Ausfertigung erfolgte auf einer erneut als „Planfassung 11.11.2020“ bezeichneten Fassung, die aber inhaltlich von der im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am 9. Dezember 2020 zugrundeliegenden - ebenfalls als „Planfassung 11.11.2020“ betitelten - Fassung und damit vom tatsächlich als Satzung beschlossenen Bebauungsplan abweicht. Nach eindeutiger Aktenlage war Gegenstand des Satzungsbeschlusses vom 9. Dezember 2020 eine seit jedenfalls November 2020 in den Planungsakten befindliche „Planfassung 11.11.2020“ mit - wohl versehentlich vom beauftragten Planungsbüro in Abweichung zur ausgelegten „Planfassung 26.05.2020“ bezifferten - Wandhöhenfestsetzungen von 6,75 m und 9,375 m und nicht mit - von der Antragsgegnerin tatsächlich gewollten und der Auslegungsfassung zugrunde gelegten - Wandhöhen von 4,50 m und 6,25 m. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin liegt hier kein bloßer - mit einem Rechtschreibfehler vergleichbarer - „redaktioneller Fehler“ vor, der unter Berücksichtigung des Umstands, dass Gegenstand der Beteiligungsverfahren nach § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 2 BauGB eine Entwurfsfassung („Planfassung 26.5.2020“) mit den „richtigen“ Höhefestsetzungen (maximale Wandhöhen von 4,50 m und 6,25 m) war, durch die Gemeindeverwaltung ohne Beteiligung des für den Satzungserlass zuständigen Gemeinderats korrigiert werden durfte.
38
Grundsätzlich sind Rechtsnormen und damit auch gemeindliche Satzungsregelungen in einem Bebauungsplan in den Grenzen des rechtsstaatlichen Gebots der Normenklarheit der Auslegung nach den herkömmlichen Auslegungsmethoden zugänglich (im Fall der Bauleitplanung vgl. BVerwG, B.v. 14.12.1995 - 4 N 2.95 - NVwZ-RR 1996, 429 = juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 6.12.2019 - 15 N 18.636 - juris Rn. 26 m.w.N.; U.v. 15.6.2021 - 15 N 20.1650 - juris Rn. 36; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Februar 2022, § 9 Rn. 12). Sofern eine Festsetzung in einem Bebauungsplan lediglich dem formalen Wortlaut nach missverständlich formuliert ist, kommt eine ergänzende Auslegung (BVerwG, B.v. 27.1.1998 - 4 NB 3.97 - NVwZ 1998, 1067 = juris Rn. 24; Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 9 Rn. 7; zur Auslegung von Darstellungen von Konzentrationszonen im Flächennutzungsplan vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2015 - 15 ZB 13.1578 - juris Rn. 15) sowie im Einzelfall ggf. im Rahmen der Ausfertigung eine ein Redaktionsversehen berichtigende Korrektur einer unrichtigen oder unvollständigen Bezeichnung in Betracht. Die Auslegung einer Rechtsnorm ist damit zwar nicht durch den formalen Wortlaut der Norm begrenzt, allerdings muss in Abgrenzung zu einer unzulässigen Rechtsanwendung contra legem der objektive Wille des Normgebers „wenigstens andeutungsweise im Gesetzestext einen Niederschlag gefunden haben“ (speziell zu dieser, im Rechtsstaats- und Demokratieprinzip wurzelnden Auslegungs- und Rechtsanwendungsgrenze bei Festsetzungen eines Bebauungsplans vgl. BVerwG, B.v. 14.12.1995 a.a.O.; BayVGH, U.v. 6.12.2019 - 15 N 18.636 - juris Rn. 26; U.v. 15.6.2021 - 15 N 20.1650 - juris Rn. 36; U.v. 23.6.2020 - 1 N 17.972 - juris Rn. 17; OVG NW, U.v. 2.12.2016 - 2 D 121/14.NE - juris Rn. 62; Mitschang/Reidt a.a.O.; allgemein vgl. auch BVerfG, B.v. 7.4.1992 - 1 BvR 1772/91 - BVerfGE 86, 59 = juris Rn. 17; BVerwG, U.v. 27.2.2018 - 7 C 30.17 - BVerwGE 161, 201 = juris Rn. 37 m.w.N.). Insofern ist der Satzungsbeschluss vom 9. Dezember 2020 und der diesem zugrunde liegende Entwurfstext zur Festsetzung der Wandhöhen aber im Sinne einer „Zentimeterschärfe“ eindeutig und keiner abweichenden Auslegung zugänglich, zumal auch aus der Planbegründung nicht der eindeutige Planungswille des Plangebers ableitbar ist, dass keine Wandhöhen von 6,75 m und 9,375 m, sondern solche von 4,50 m und 6,25 m festgesetzt werden sollten (zu den Möglichkeiten und Grenzen, den Planinhalt durch die Planbegründung und sonstige Aufstellungsvorgänge mitzubestimmen bzw. zu ergänzen, vgl. BayVGH, U.v. 12.7.1983 - 1 N - 1321/79 - BayVBl 1984, 339 f.; OVG NW, U.v. 22.6.1998 - 7a D 108.96 - NVwZ 1999, 79 = juris Rn. 37 ff.; Scheidler, ZfBR 2021, 509/511; Schrödter/Möller in Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 9 Rn. 14; Gierke in Brügelmann, BauGB, Stand: April 2022, § 9 Rn. 108, 111). Damit wurde vom Ersten Bürgermeister im ergänzenden Verfahren am 30. Juli 2021 nicht die tatsächlich beschlossene Fassung des Bebauungsplans ausgefertigt, sondern eine inhaltlich abweichende, nicht vom Satzungsbeschluss umfasste Planfassung. Es lag hinsichtlich der in den verschiedenen Fassungen abweichenden Bemaßung der maximal zulässigen Wandhöhen hier kein bloßer Rechtschreib-, Tipp- oder Bezeichnungsfehler vor. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen - wenngleich aus der Sphäre des Planungsbüros stammenden versehentlichen - inhaltlichen Fehler, der unmittelbar den Regelungsgehalt einer Festsetzung betrifft. Da es mithin nicht um eine bloß redaktionelle Klarstellung des beschlossenen Satzungstextes ging, war es der Antragsgegnerin verwehrt, im „Verwaltungsweg“ über eine neue Ausfertigung und eine neue Bekanntmachung mit vermeintlich „klarstellendem“, tatsächlich aber inhaltlich änderndem Bekanntmachungstext dem beschlossenen Satzungstext unter Umgehung des Gemeinderats - d.h. unter Verzicht auf einen korrigierenden Satzungsbeschluss - einen neuen Inhalt zu geben. Nach der durch handschriftlichen Vermerk erfolgten „Ungültig“-Erklärung der ursprünglich unter dem 16. Dezember 2020 ausgefertigten Fassung im Rahmen des ergänzenden Verfahrens und der dort erfolgten „Auswechslung“ der ausgefertigten Fassung liegt eine Situation vor, nach der für die tatsächlich als Satzung beschlossene Bebauungsplanfassung die gem. Art. 26 GO erforderliche Ausfertigung fehlt, während der tatsächlich ausgefertigten Fassung kein Satzungsbeschluss gem. § 10 Abs. 1 BauGB zugrunde liegt.
39
bb) Gleichzeitig begründet das Vorgehen der Antragsgegnerin im ergänzenden Verfahren einen Bekanntmachungsmangel und damit einen (weiteren) formalen Verstoß gegen Art. 26 Abs. 2 GO i.V.m. § 10 Abs. 3 BauGB.
40
Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass förmlich gesetzte Rechtsnormen verkündet werden; denn die Verkündung stellt einen integrierenden Teil der förmlichen Rechtsetzung dar, ist also Geltungsbedingung. Gesetzliche Ausprägungen finden sich in Art. 26 Abs. 1 und 2 GO (für die Verkündung von Satzungen in Bayern) sowie speziell für als Satzung beschlossene Bebauungspläne (§ 10 Abs. 1 BauGB) in § 10 Abs. 3 BauGB. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 und Satz 5 BauGB ist bei Bebauungsplänen nur die Erteilung der Genehmigung oder, soweit (wie im Regelfall und so auch vorliegend) eine Genehmigung nicht erforderlich ist, der Satzungsbeschluss über den Bebauungsplan durch die Gemeinde ortsüblich bekannt zu machen; im Übrigen genügt es gem. § 10 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB, den Bebauungsplan mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklärung zu jedermanns Einsicht bereit zu halten, auf Verlangen über den Inhalt Auskunft zu geben und in der Bekanntmachung darauf hinzuweisen, wo der Bebauungsplan eingesehen werden kann (sog. Ersatzverkündung, vgl. BVerwG, B.v. 3.6.2010 - BVerwG 4 BN 55.09 - ZfBR 2010, 581 = juris Rn. 13; B.v. 29.7.2010 - 4 BN 21.10 - NVwZ 2010, 1567 = juris Rn. 10).
41
Verkündung bedeutet allgemein, dass die Rechtsnormen der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich gemacht werden, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können (BVerfG, B.v. 22.11.1983 - 2 BvL 25/81 - BVerfGE 65, 283 = juris Rn. 36; BVerwG, B.v. 29.7.2010 - 4 BN 21.10 - NVwZ 2010, 1567 = juris Rn. 9; speziell für Bebauungspläne: OVG NW, U.v. 29.1.2013 - 2 D 102/11.NE - BauR 2013, 896 = juris Rn. 59; Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 10 Rn. 32). Zwar wird den formalen Anforderungen an die Bekanntmachung schon dann genüge getan, wenn die ausgefertigte Rechtsnorm bekanntgemacht wird (BayVGH, U.v. 4.3.1997 - 9 N 96.1178 - BayVBl 1997, 525/528; Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand: Februar 2021, Art. 26 Rn. 1). Ein Verstoß gegen die formalen Anforderungen an die Verkündung / Bekanntmachung gem. § 10 Abs. 3 BauGB i.V.m. Art. 26 GO liegt aber vor, wenn die Satzungsbekanntmachung sich nicht gem. § 10 Abs. 3 BauGB darauf begrenzt, den Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan bekannt zu machen, sondern wenn der Bekanntmachungstext hier in Verbindung mit der tatsächlichen Auslegung der Bebauungsplanfassung dazu genutzt wird, eine Norm zu verkünden, die inhaltlich nicht vom Satzungsbeschluss gedeckt ist und inhaltlich so nicht beschlossen wurde. Denn in diesem Fall wird das Instrument der Bekanntmachung nicht allein zu dem gesetzlich vorgesehenen Zweck eingesetzt, den Betroffenen verlässliche Kenntnis vom Inhalt der beschlossenen normativen Regelung zu verschaffen, sondern vielmehr - in objektiver Hinsicht zweckwidrig - dazu, eine Norm mit einem verfälschenden, nämlich so nicht beschlossenen Inhalt zur Anwendung zu bringen. Die Bekanntmachung darf m.a.W. nicht als Ersatz für einen erforderlichen korrigierenden Neubeschluss über die Norm (hier: für einen erforderlichen neuen Satzungsbeschluss) instrumentalisiert werden. Letzteres ist hier aber hinsichtlich der erneuten Bekanntmachung vom 2. August 2021 der Fall, weil im Bekanntmachungstext ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass die an sich beschlossene Satzungsfassung aufgrund vermeintlicher „redaktioneller Druckfehler (…) korrigiert und neu ausgefertigt“ worden sei. Die letzte Bekanntmachung war damit in der Sache darauf gerichtet, eine Satzung mit einem Inhalt bekanntzumachen, der so tatsächlich nicht beschlossen wurde.
42
b) Die Festsetzungen des Bebauungsplans zur maximalen Wand- und Firsthöhen verstoßen - unabhängig davon, auf welche Planfassung man abstellt [vgl. oben a) ] - gegen § 18 Abs. 1 BauNVO i.V.m. den Anforderungen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatzes (Gebot der Normenklarheit).
43
Die Festsetzungen eines Bebauungsplans als Rechtsnorm im materiellen Sinn müssen den aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Geboten der Bestimmtheit und Normenklarheit entsprechen. Speziell für Bebauungspläne folgt die Notwendigkeit hinreichender Bestimmtheit sowohl für zeichnerische als auch für textliche Festsetzungen daraus, dass die Festsetzungen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des grundrechtlich geschützten Eigentums unmittelbar berühren und ausgestalten. Die von den Festsetzungen des Bebauungsplans Betroffenen müssen deshalb wissen, welche Nutzungen auf den Grundstücken zulässig sind. Der planenden Gemeinde steht es dabei frei zu entscheiden, welcher Mittel sie sich bedient, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen. Sie hat die Wahl zwischen zeichnerischer Festsetzung und textlicher Beschreibung; sie kann auch beide Elemente kombinieren. Entscheidend ist nur, dass hinreichend klar ist, welche Regelungen mit welchem Inhalt normative Geltung beanspruchen. Die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit fehlt nicht schon dann, wenn die Festsetzung der Auslegung bedarf. Es ist ausreichend, wenn der Inhalt des Bebauungsplans durch Auslegung ermittelt werden kann (zum Ganzen: vgl. BayVGH, U.v. 6.12.2019 - 15 N 18.636 - juris Rn. 26; U.v. 15.6.2021 - 15 N 20.1650 - juris Rn. 36; U.v. 23.6.2020 - 1 N 17.972 - RdL 2021, 69 = juris Rn. 17; OVG NW, U.v. 2.12.2016 - 2 D 121/14.NE - juris Rn. 62). § 18 Abs. 1 BauNVO konkretisiert dies für Höhenfestsetzungen gem. § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO dahingehend, dass die erforderlichen Bezugspunkte zu bestimmen sind. Aus Gründen der Bestimmtheit und Vollziehbarkeit muss es sich dabei um eindeutig bestimmte oder bestimmbare feste Bezugspunkte handeln; die in die Höhenberechnung einzustellenden Parameter sind hinreichend klar und unmissverständlich zu benennen (vgl. BayVGH, U.v. 15.6.2021 a.a.O. juris Rn. 37; U.v. 23.6.2020 a.a.O. Rn. 18; Petz in König/Roeser/Stock, BauNVO, 5. Aufl. 2022, § 18, Rn. 1, 3; Decker in Jäde/Dirnberger u.a., BauGB/BauNVO, 10. Aufl. 2022, § 18 BauNVO Rn. 2). Auch Höhenfestsetzungen müssen sich aus dem Bebauungsplan selbst eindeutig erkennen lassen, um ihren Sinn und Zweck erfüllen zu können. Bei der Festlegung eines Bezugspunktes hat der Plangeber einen Entscheidungsspielraum. So kann er z.B. als unteren Bezugspunkt die mittlere Höhe des Meeresspiegels (durch konkrete Angabe in m üNN), aber auch sonstige Geländepunkte wählen, die im Bebauungsplan hinreichend bestimmt festgesetzt sind; daneben kommt grundsätzlich auch die Bezugnahme auf (bestehende bzw. höhenmäßig fixierte) Verkehrsflächen bzw. einen genau dort fixierten Punkt (auch z.B. eingemessener Kanaldeckel, Gehweg, Mitte der Fahrbahn etc.) in Betracht (vgl. VGH BW, U.v. 19.4.2018 - 8 S 2573/15 - VBlBW 2018, 405 = juris Rn. 70; VG Hannover, B.v. 18.8.2006 - 4 B 4382/06 - juris Rn. 25; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2022, § 18 BauNVO Rn. 3a).
44
Im vorliegenden Fall stellt der Bebauungsplan in Nr. 6 der planlichen Festsetzungen für die Bemessung der Wand- und Firsthöhen als unteren Bezugspunkt auf die Höhe der Erdgeschoss-Fertigfußbodenoberkante („E FFOK“) ab. Dies ist grundsätzlich zulässig, wenn diese Höhe im Bebauungsplan selbst hinreichend klar festgelegt wird, etwa durch Bestimmung konkret in m üNN (vgl. VGH BW, U.v. 19.4.2018 a.a.O.; Stange, BauNVO, 4. Aufl. 2018, § 18 Rn. 9 m.w.N.) oder durch Bemessung / Bestimmbarkeit anhand der bereits existierenden oder höhenmäßig fixierten Verkehrsfläche (vgl. OVG NRW, U.v. 6.10.2016 - 2 D 62/14.NE - BauR 2017, 666 = juris Rn. 58 m.w.N.). Stellt der Bebauungsplan zur Bemessung der Wandhöhe als unteren Bezugspunkt hingegen auf die Höhe der Erdgeschoss-Fertigfußbodenoberkante ab, ohne festzulegen, auf welcher Höhe sich der Erdgeschoss-Fertigfußboden befinden soll, fehlt es einem hinreichend bestimmten unteren Bezugspunkt (BayVGH, U.v. 23.6.2020 a.a.O. juris Rn. 18; VGH BW, U.v. 19.4.2018 a.a.O.). Vorliegend sind in der Planzeichnung diverse Höhenbezugspunkte für die Erdgeschoss-Fertigfußbodenoberkante konkret in m üNN festgesetzt worden. Die Höhenangabe für die „E FFOK“-Bezugspunkte verstehen sich gem. Nr. 4 und Nr. 6 der planlichen Festsetzungen als zulässig Maximalhöhe, sodass der Bauherr mithin u.a. über Aufschüttungen und Abgrabungen in den weiteren Grenzen von § 8 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans einen gewissen Umsetzungsspielraum für die Gestaltung der Höhenlage der Erdgeschoss-Fertigfußbodenoberkante als unteren Bezugspunkt der Wand- und Firsthöhenbemessung hat.
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Sieht man diese Festsetzungsvariante - wofür Vieles spricht, was vorliegend aber offenbleiben kann - grundsätzlich als hinreichend bestimmt an, ergibt sich im Ergebnis bei einer Gesamtbetrachtung mit den zeichnerischen Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche jedenfalls eine flächenbezogene Unbestimmtheit hinsichtlich der unteren Bezugspunkte für die Höhenbemessung und deswegen ein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 BauNVO i.V.m. dem Gebot der Normenklarheit. Sowohl im nördlichen Teilgebiet 1 als auch im südlichen Teilgebiet 2 des Geltungsbereichs des angegriffenen Bebauungsplans ist jeweils über festgesetzte Baugrenzen (§ 23 Abs. 3 BauNVO) ein größeres Baufenster vorgesehen. In diesen Baufenstern sind - jeweils in Umsetzung „planlicher Hinweise“ - exemplarische und damit rechtlich nicht bindende - Standorte von jeweils vier Einzelhäusern und vier zugehörigen Garagen dargestellt. Innerhalb des jeweiligen (Groß-) Baufensters finden sich innerhalb der dargestellten Grundstücksparzellen einzelne - auf die gewünschten Parzellen bezogene - Bezugspunkte für die maximale „E FFOK“-Höhe der Wohngebäude und Garagen, die auch innerhalb der beiden Groß-Baufenster wertmäßig differieren. Insofern werden unterschiedliche Maximal-Höhenlagen der Erdgeschoss-Fertigfußbodenoberkanten festgesetzt, ohne dass die jeweiligen Bereiche durch eine als bindend gewollte Grenze - sei es über Baugrenzen, sei es über eine „Perlschnur“-Abgrenzung - hinreichend klar voneinander abgesteckt sind. Bei den in der Planzeichnung dargestellten Abgrenzungen der Parzellen, in denen jeweils ein vorgeschlagenes Gebäude platziert ist, handelt es sich gemäß Nr. 1 der planlichen Festsetzungen um nicht bindende „vorgeschlagene Grundstücksgrenzen“, zumal die Zulässigkeit einer entsprechend bindend gewollten Festlegung von Grundstücks- / Flurnummerngrenzen an einer fehlenden Festsetzungsermächtigung in § 9 BauGB und der BauNVO scheitern dürfte. Insofern ist es bereits widersprüchlich und mit dem Gebot der Normenklarheit nicht zu vereinbaren, Grundstücksgrenzen / Parzellierungen in der Planzeichnung als nicht bindend und als bloße Empfehlungen darzustellen, dann aber an diese „fiktiven“ Grenzen / Bereiche anderweitige, lokal begrenzte (bindende) Festsetzungen für die maximale Höhe der Erdgeschoss-Fertigfußbodenoberkante und damit indirekt auch für die Wand- und Firsthöhen zu knüpfen. Zudem bleibt unklar und ungeregelt, was gelten soll, wenn sich ein Bauvorhaben tatsächlich nicht auf eine - in der Planzeichnung eben nur exemplarisch und damit nicht bindend dargestellte - Parzelle mit einem parzellendefinierten Maximalhöhenbezugspunkt begrenzt, sondern sich z.B. über zwei Parzellen mit diesbezüglich divergierenden Festsetzungen erstreckt. In den beiden großen Baufenstern ist somit der Gültigkeitsbereich der Höhenbezugspunkte für die maximale Höhe der Erdgeschoss-Fertigfußbodenoberkanten nicht eindeutig geregelt. Diese Unbestimmtheit erfasst mithin auch die unteren Bezugspunkte für die Wandhöhenbemessung, sodass diesbezüglich ein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 BauNVO und das Gebot der Normenklarheit gegeben ist.
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c) Auf die festgestellten Ausfertigungs-, Bekanntmachungs- und Bestimmtheitsmängel finden die Planerhaltungsvorschriften keine Anwendung, sodass diese unabhängig von §§ 214, 215 BauGB für die Wirksamkeit der Festsetzungen des streitgegenständlichen Bebauungsplans beachtlich sind (vgl. zusammenfassend BayVGH, B.v. 20.9.2022 - 15 ZB 21.2855 - BA S. 7 / noch unveröffentlicht; HessVGH, U.v. 18.3.2021 - 4 C 2335/17.N - ZfBR 2021, 674 = juris Rn. 34; Berkemann jM 2015, 470/471, 476 f. m.w.N.; speziell im Fall eines Verstoßes gegen das Gebot der Normenklarheit vgl. BayVGH, U.v. 6.12.2019 - 15 N 18.636 - juris Rn. 26 m.w.N.).
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3. Die Verfahrensmängel in Bezug auf die Ausfertigung und die Bekanntmachung des Bebauungsplans erfassen von vornherein den gesamten Bebauungsplan und begründen schon für sich dessen Gesamtunwirksamkeit. Im Übrigen begründet allein und für sich auch die fehlende Bestimmtheit bzw. der Verstoß gegen § 18 Abs. 1 BauNVO hinsichtlich der Festsetzungen der Maximalhöhen der Erdgeschoss-Fertigfußbodenoberkanten und damit der unteren Bezugspunkte für die Bemessung der Wand- und Firsthöhen die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. Denn die Unwirksamkeit bestimmter Festsetzungen hat nur dann unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 139 BGB nicht die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge, wenn die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken können u n d wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung ohne den unwirksamen Teil beschlossen hätte (Grundsätze der Teilbarkeit und des mutmaßlichen Willens des Normgebers, vgl. BVerwG, B.v. 20.8.1991 - 4 NB 3.91 - NVwZ 1992, 567 = juris Rn. 16 f.; B.v. 18.2.2009 - 4 B 54.08 - ZfBR 2009, 364 = juris Rn. 5; U.v. 11.9.2014 - 4 CN 3.14 - ZfBR 2015, 58 = juris Rn. 26; BayVGH, U.v. 4.8.2017 - 15 N 15.1713 - NVwZ-RR 2017, 953 = juris Rn. 40; U.v. 24.6.2020 - 15 N 19.442 - juris Rn. 39). Nach Nr. 5.3 der Planbegründung orientiert sich die Höhenentwicklung der geplanten Gebäude hier an der vorhandenen Bebauung. Diese Aussage zeigt, dass es sich diesbezüglich um einen Regelungsinhalt handelt, der für die Antragsgegnerin aus Gründen der Ortsgestaltung bedeutsam war. Mit Blick auf die zu respektierende Planungshoheit der Gemeinde vermag der Senat nicht eindeutig auszumachen, dass der Gemeinderat denselben Bebauungsplan unter gänzlichem Verzicht auf Festsetzungen zur Wand- und Firsthöhe sowie zu den Maximalhöhen der Erdgeschoss-Fertigfußbodenoberkante erlassen hätte, wenn seine Mitglieder im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses gewusst hätten, dass die diesbezüglichen Festsetzungen unwirksam sind (vgl. auch BayVGH, U.v. 23.6.2020 - 1 N 17.972 - juris Rn. 19).
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4. Aufgrund der zur Gesamtunwirksamkeit führenden Erwägungen zu 2. und 3. sind die weiteren von den Antragstellern erhobenen Einwendungen nicht mehr entscheidungserheblich. So kommt es nicht darauf an, ob der Bebauungsplan auch deshalb gegen die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung einer Rechtsnorm und damit gegen Art. 26 Abs. 2 GO i.V.m. § 10 Abs. 3 BauGB verstößt, weil in § 9 Abs. 2 und § 14 seiner textlichen Festsetzungen auf technische Regelwerke (hier: DIN-Normen) Bezug genommen wird, ohne dass in der ausgefertigten Planurkunde selbst oder in deren Bekanntmachung darauf hingewiesen wurde, wo diese eingesehen werden können (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 18.8.2016 - 4 BN 24.16 - NVwZ 2017, 166 = juris Rn. 7; U.v. 25.6.2020 - 4 CN 5.18 - BVerwGE 169, 29 = juris Rn. 37 f.; BayVGH, U.v. 19.10.2020 - 9 N 15.2158 - juris Rn. 31; U.v. 20.11.2020 - 15 N 20.220 - juris Rn. 11; U.v. 13.1.2022 - 15 N 21.1864 - juris Rn. 17; U.v. 31.1.2022 - 9 N 17.2305 - BayVBl 2022, 629 = juris Rn. 29). Dahingestellt bleiben kann ferner, ob die Festsetzungen des Bebauungsplans zur Wandhöhe wegen Divergenz zwischen tatsächlich Beschlossenem (Wandhöhenfestsetzung von maximal 6,75 m / 9,375 m) und planerisch Gewolltem (maximalen Wandhöhen von 4,50 m / 6,25 m) auch in materieller Hinsicht wegen fehlender Erforderlichkeit gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB (vgl. BayVGH, U.v. 16.9.2019 - 2 N 17.2477 - juris Rn. 39 m.w.N.; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Februar 2022, § 1 Rn. 38; vgl. auch die Erwägungen bei BayVGH, U.v. 9.6.2021 - 15 N 20.1412 - juris Rn. 64 ff.) und / oder am Maßstab von § 1 Abs. 7, § 214 Abs. 3 Satz 2, § 215 Abs. 1 BauGB wegen Verstoßes gegen das Abwägungsgebot (vgl. OVG NW, U.v. 9.10.2017 - 2 D 98/15.NE - juris Rn. 89 f. m.w.N.; U.v. 6.9.2018 - 7 D 10/16.NE - BauR 2018, 1974 = juris Rn. 34 ff.) unwirksam sind. Schließlich kommt es aufgrund der anderweitig einschlägigen Unwirksamkeitsgründe für die Entscheidung über den vorliegenden Normenkontrollantrag nicht darauf an, ob der angegriffene Bebauungsplan hinsichtlich des Niederschlagswasserbeseitigungskonzepts im Spannungsfeld zwischen planerischer Konfliktbewältigung und planerischer Zurückhaltung (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2022 - 15 N 21.1422 - juris Rn. 30 ff. m.w.N.) in gem. §§ 214, 215 BauGB beachtlicher Weise gegen das Abwägungsgebot gem. § 1 Abs. 7 BauGB bzw. gegen das Ermittlungs- und Bewertungsgebot des § 2 Abs. 3 BauGB verstößt, wofür nach den vorliegenden Stellungnahmen der beteiligten Träger öffentlicher Belange und mangels konkreter Unterlagen zum wasserrechtlichen Konzept in den Planaufstellungsakten aber einiges spricht.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
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6. Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.