VG Bayreuth, Urteil v. 24.05.2022 – B 5 K 21.1070
Titel:

Beamtenverhältnis auf Widerruf, Entlassung, persönliche (charakterliche) Eignung, Anschein ausländerfeindlicher Tendenzen, Folgepflicht, Verfassungstreuepflicht

Normenketten:
BPolBG § 2
BBG § 37 Abs. 1 und Abs. 2
BBG § 61 Abs. 1 S. 3
BBG § 60 Abs. 1 S. 3
BBG § 62 Abs. 1 S. 2
BBG § 66
Schlagworte:
Beamtenverhältnis auf Widerruf, Entlassung, persönliche (charakterliche) Eignung, Anschein ausländerfeindlicher Tendenzen, Folgepflicht, Verfassungstreuepflicht
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25365

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.    

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf.
2
1. Der am … 2000 geborene Kläger begann am 1. März 2019 seine Ausbildung zum Polizeimeister im mittleren Polizeivollzugsdienst unter Ernennung zum Beamten auf Widerruf (Polizeimeisteranwärter - PMA) bei der Bundespolizei. Die Ausbildung fand beim Bundespolizeiaus- und Fortbildungszentrum (BPOLAFZ) in Bamberg statt.
3
Im Juni 2020 erfuhr die Stabsstelle Ermittlungen des BPOLAFZ, dass es in der Lehrgruppe des Klägers möglicherweise zu Beleidigungen mit rassistischem Hintergrund gegen PMA D. … gekommen sei. Im Rahmen der daraufhin eingeleiteten Ermittlungen gab PMA D. …gegenüber dem Ermittlungsführer beim BPOLAFZ am 22. Juni 2020 an, dass ihn Mitauszubildende, d.h. PMA O. …, PMA K. …, PMA B. … und der Kläger von September 2019 bis Mai 2020 mehrmals in der Woche wegen seiner Herkunft beleidigt hätten; Wortführer sei PMA O. … gewesen. Der Kläger habe ihn mit den Worten “Drecks-Türke“ und „Scheiß Ausländer“ und den PMA Bo. … mit Ausdrücken wie „Eselficker“ oder „Ziegenficker“ beleidigt; die Äußerungen seien beispielsweise in der Pause gefallen.
4
In den anschließend von Polizeihauptkommissar (PHK) T. … durchgeführten Anhörungen bestätigte PMAin C. …, dass der Kläger ebenso wie PMA O. …, PMA B. …und PMA K. … den Begriff „Scheiß Türke“ verwendet habe. Wortführer bei den Anfeindungen seien PMA O. … und PMA B. … gewesen. Aus diesem Grund seien im ersten und zweiten Dienstjahr von den Lehrgruppenleitern mehrfach Ansprachen an die Klasse erfolgt. Die Äußerungen seien zwischen Oktober bzw. November 2019 und März bzw. April 2020 dann gefallen, wenn miteinander gescherzt worden sei; das habe sich aber immer hochgeschaukelt. PMA D. … habe zwar nie gezeigt, dass ihn das belaste, habe es ihr aber öfter im Nachgang mitgeteilt. Er habe auch nicht entgegengewirkt, sondern eher mitgemacht und zurück beleidigt (Protokoll vom 25.6.2020). PMA Bo. … gab an, dass er die Aussprüche nicht als rassistische Beleidigungen, sondern als blöde Sprüche aufgefasst habe. Der Kläger, PMA O. …, PMA K. … und PMA B. … seien gut befreundet. PMAin C. … gehöre nicht dazu. PMA D. … gehöre nicht eng in diese Gruppe, gehöre aber zur Klassengemeinschaft und sei allgemein akzeptiert. Weitere Aussagen, die man als rassistische Beleidigungen hätte auffassen können, habe er nie gehört (Protokoll vom 10.7.2020).
5
Den über den Kläger erstellten Persönlichkeits- und Leistungsbildern ist Folgendes zu entnehmen: Polizeikommissar (PK) F. … führte unter dem 6. Juli 2020 aus, dass der Kläger bisher meist unauffällig gewesen sei. Er pflege gegenüber seinen Vorgesetzten einen höflichen und respektvollen Umgang. Ihm auferlegte Aufgaben erledige er stets gewissenhaft und zufriedenstellend. Im ersten Dienstjahr habe er befriedigende bis gute Noten erzielt und die meisten sportlichen Mindestleistungen erfüllen können. Es bestünden bisher keine Bedenken in Bezug auf Notenbild und Charakter, dass er die Laufbahnbefähigung für den mittleren Polizeivollzugsdienst nicht erlangen könnte. Dieses Persönlichkeits- und Leistungsbild sei aufgrund der kurzen Zeit nicht sehr aussagekräftig. POK D. … stellte unter dem 5. August 2020 fest, der Kläger sei während des ersten Dienstjahres nicht durch Fehlverhalten aufgefallen. Im Umgang mit Kollegen und Ausbildern sei er stets freundlich und respektvoll gewesen. Er sei zuverlässig und erfülle die ihm übertragenen Aufgaben fristgerecht und gewissenhaft. Er habe sich von Anfang an gut in die Klassengemeinschaft integriert und zu einem guten Klassenklima beigetragen. Die Leistungen im ersten Dienstjahr bewegten sich überwiegend im befriedigenden bis guten Bereich. Er habe sich im ersten Dienstjahr engagiert gezeigt und sich aktiv am Ausbildungsgeschehen beteiligt. Der Kläger sei geeignet für den Beruf als Polizeibeamter. Er weise keine Tendenzen auf, die sich nicht mit dem Berufsbild eines Polizeibeamten vereinigen ließen, und habe sich gut mit Kollegen mit Migrationshintergrund verstanden.
6
Mit Bescheid vom 21. September 2020 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte unter Anordnung des Sofortvollzugs aus. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch (Schriftsatz vom 2.10.2020) hat die Beklagte nach Aktenlage nicht entschieden. Einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs stellte der Kläger nicht.
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Vom 21. Oktober 2020 bis zum 5. November 2020 führte die Beklagte Zeugeneinvernahmen sowie schriftliche Anhörungen der PMAinnen C. …, J. …, K. … und O. …, der PMA Bo. …, D. …, E. …, M. …, L. … und V. sowie des Polizeihauptmeisters (PHM) Sch. … durch, auf die Bezug genommen wird.
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Nachdem die Beklagte dem Kläger mitgeteilt hatte (Schreiben vom 11.12.2020), dass beabsichtigt sei, ihn zu entlassen, beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beteiligung der Personalvertretung (Schriftsatz vom 21.12.2020) und führte aus, dass keine Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers bestünden. Das ergebe sich aus den Zeugenvernehmungen. Es sei mehr als bedenklich, wenn aus wechselseitigen Frotzeleien und groben Späßen auf eine kritikwürdige Gesinnung geschlossen werde. Allein der Gebrauch bestimmter sprachlicher Wendungen könne nicht aufgrund semantischer Auslegung dazu führen, dass das Gesagte nur in eine Richtung zu interpretieren sei. Es habe sich ein gesellschaftlicher Sprachgebrauch dahingehend herausgebildet, dass bestimmte Formulierungen in einem Kontext verwendet werden könnten, der dem ursprünglichen Entstehungsanlass derartiger Aussagen diametral entgegenstehe. Das sei mittlerweile eine solche Selbstverständlichkeit, dass auch die Sendeformate des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sich auf derartigen Sprachebenen bewegten (vgl. Jan Böhmermann). Aus bestimmten Äußerungen des Klägers einen Rückschluss auf den Erklärungsinhalt dieser Äußerung zu treffen, ohne den Kontext dieser Äußerung mit einzubeziehen, führe zu einer krassen Fehlinterpretation des Aussageinhalts. Immerhin gehe es hier um junge Menschen, die zusammen eine Ausbildung absolvierten. Im Rahmen der entstehenden mikrosozialen Beziehung sei es völlig normal, dass man miteinander auch flapsige und grob scherzhafte Bemerkungen austausche. Aus den Aussageprotokollen im Rahmen des Disziplinarverfahrens ergebe sich, dass der Kläger sämtliche Aussagen ohne einen rassistischen Hintergrund getroffen habe. Auch bleibe unberücksichtigt, dass durchaus engere persönliche Beziehungen zu Kollegen bestanden hätten. So habe sich der Kläger mit PMA Bo. … im September zehn Tage im Jahresurlaub befunden. Er habe zudem PMAin C. … auf Heimfahrten häufig mit zu ihrem Heimatort mitgenommen. Schon das lasse erkennen, dass nicht ansatzweise ein rassistischer Vorwurf berechtigt sei. Die Einschätzung, der Kläger bringe seine Geringschätzung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund zum Ausdruck, sei vor diesem Hintergrund völlig absurd und durch nichts begründet.
9
Der unter Darlegung des Sachverhalts von der beabsichtigten Entlassung des Klägers informierte Gesamtpersonalrat der Beklagten (Schreiben vom 10.2.2021) erhob keine Einwände gegen diese Maßnahme (Schreiben vom 3.3.2021).
10
Mit Bescheid vom 15. März 2021 widerrief die Beklagte das zwischen dem Kläger und der Bundesrepublik Deutschland begründete Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen mangelnder persönlicher (charakterlicher) Eignung, entließ den Kläger aus der Bundespolizei und ordnete die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung an. Es bestünden Zweifel an seiner charakterlichen Eignung für den Beruf eines Polizeivollzugsbeamten. Der Kläger habe rassistisch beleidigende Äußerungen gegenüber PMA D. … und PMA Bo. … getätigt. So habe er PMA D. … mit den Worten „Drecks-Türke“ und „Scheiß-Ausländer“ und PMA Bo. … mit den Worten „Ziegenficker“, „Eselficker“ und „Scheiß-Türke“ beleidigt. Nach einer Information durch PMA D. … im November 2019 habe der Lehrgruppenleiter Polizeioberkommissar (POK) D. … vor der Lehrgruppe eine Ansprache zum Thema Mobbing gehalten. Trotz dieses eindringlichen Appells habe der Kläger das beleidigende Verhalten nicht eingestellt. Die rassistischen Äußerungen begründeten erhebliche Zweifel an seiner charakterlichen Eignung für seinen Beruf. Im Falle des Bekanntwerdens könne der Bundespolizei der Vorwurf gemacht werden, sie würde derartigen Umtrieben junger Polizeibeamter, die eine Nähe zu rassistischem Gedankengut vermuten ließen, nicht entschieden entgegentreten. Es bestehe die Gefahr, dass er im polizeilichen Alltag gegenüber Mitmenschen mit Migrationshintergrund einen solchen Sprachgebrauch wähle, dadurch das Ansehen der Bundespolizei erheblich schädige und sich möglichen Beleidigungsvorwürfen ausgesetzt sehe. POK D. … habe den Kläger zum Thema Mobbing zusätzlich sensibilisiert. Dennoch habe er die Aussagen nicht unterlassen. Sein Verhalten habe PMA D. … belastet und bei ihm nachweisbar zu Krankheitssymptomen und -fehlzeiten geführt. Das Verhaltens- und Sprachgebrauchsmuster stelle einen Charakterzug des Klägers dar. Ein weiterer Verbleib führe zu einem erheblichen Ansehensverlust für die Bundespolizei und könne den Eindruck erwecken, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen Personen, die ein rassistisches Verhalten gegenüber den eigenen Kollegen zeigten. Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers (Schriftsatz vom 25.3.2021) blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 16.9.2021).
11
2. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 29. September 2021, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Kläger Klage und beantragte,
die Entlassungsverfügung vom 15. März 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. September 2021 aufzuheben.
12
Mit Schriftsätzen vom 21. Dezember 2021 und vom 9. Februar 2022 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, die Entlassungsverfügung vom 15. März 2021 und der Widerspruchsbescheid vom 16. September 2021 seien rechtswidrig. Der Kläger sei nicht charakterlich ungeeignet für die Laufbahn eines Polizeivollzugsbeamten. Nach den Zeugenaussagen seien keine konkreten Sachverhalte greifbar, die auf seine charakterliche Nichteignung schließen lassen könnten. So existierten keine exakt ermittelten Sachverhalte bezüglich Zeitpunkt und Kontext sowie Inhalt konkreter Äußerungen. Die Beklagte stütze ihre Einschätzung ausschließlich auf punktuelle und pauschale Aussagen von drei Zeugen, ohne konkret ermittelt zu haben, wann und wo und in welchem Zusammenhang welche Äußerungen gefallen seien sollten. Das reiche für eine derart gravierende Einschätzung, die die berufliche Zukunft eines Polizeimeisteranwärters betreffe, nicht aus. Zudem sei aus derart pauschalen Behauptungen kein Rückschluss auf die charakterliche Eignung des Klägers möglich. Auch könne man nicht durch den Gebrauch eines Wortes mechanisch auf die Gesinnung des Verwenders schließen. Sämtliche dienstlichen Einschätzungen des Klägers attestierten ihm ein positives Erscheinungsbild und eine pflichtgemäße Dienstausübung. Zudem habe zu den Mitauszubildenden Bo. … und C. … eine persönliche Nähe bestanden. So habe sich der Kläger mit dem PMA Bo. … im September 2020 zusammen im Jahresurlaub befunden. Der Kläger habe die PMAin C. …häufig zu ihrem Heimatort mitgenommen. Schon das spreche erheblich gegen seine rassistische Einstellung. Alles in allem existierten keine belastbaren Sachverhalte, die auf eine charakterliche Nichteignung des Klägers schließen lassen könnten. Pauschale Behauptungen und aus dem Zusammenhang herausgerissene unterstellte Äußerungen reichten nicht aus, um von einer mangelnden persönlichen charakterlichen Eignung des Klägers auszugehen. Aus den Zeugenaussagen gehe nicht hervor, in welchen bestimmbaren Zeiträumen und Ausbildungsabschnitten rassistische Äußerungen des Klägers erfolgt sein sollten. Die diesbezüglichen Behauptungen seien völlig vage. Auch die Einschätzung, das Verhalten des Klägers habe „erwiesenermaßen fast ein Jahr lang“ gedauert, sei nicht ansatzweise durch die Zeugenaussagen gedeckt. Der Kläger habe vielmehr bislang seine Ausbildung vorbildlich und mit Hingabe absolviert. Auch ein Folgepflichtverstoß sei nicht ansatzweise verifizierbar. Es lägen keine Tatsachen vor, die Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers rechtfertigten.
13
Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2022 beantragte die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
14
Zur Begründung führte die Beklagte aus, Zeugen hätten im Kern übereinstimmend erklärt, dass es in der Lehrgruppe gegenseitige Beleidigungen gegeben habe und dass der Kläger andere Polizeimeisteranwärter mit Migrationshintergrund rassistisch beleidigt habe. Er habe, wie Zeugen bestätigt hätten, in der Zeit von November 2019 bis Mai 2020 mehrfach die objektiv rassistischen Äußerungen wie „Drecks-Türke“, „Scheiß-Ausländer“, „Ziegeno. Eselficker“ und „Halts Maul, Du Ausländer“ getätigt. Aussagen weiterer Lehrgruppenteilnehmer, sie hätten die diskriminierenden Äußerungen nicht mitbekommen oder könnten sich nicht mehr erinnern, führten zu keiner anderen Bewertung. Aussagepsychologisch sei das dem Zusammenhalt untereinander geschuldet, um andere Anwärter nicht „anzuschwärzen“. Es sei unerheblich, mit welcher Intention der Kläger seine rassistischen Äußerungen getätigt habe, weil die Wirkung auf Außenstehende entscheidend sei. Die politische Treupflicht umfasse die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was geeignet sei, den Anschein zu erwecken, verfassungsfeindliche Ansichten Dritter zu teilen oder zu fördern. Bereits der bloße Anschein sei zu vermeiden, denn pflichtwidrig handele auch derjenige, der kein Gegner der freiheitlich demokratischen Grundordnung sei, durch konkretes Handeln aber diesen Anschein hervorrufe. Die Beklagte habe ein legitimes Interesse, bereits den Anschein rechtsradikaler, rassistischer oder ausländerfeindlicher Tendenzen in den eigenen Reihen zu vermeiden. Bei Anwärtern für den Polizeivollzugsdienst sei ein absolut korrektes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung und im Umgang miteinander unabdingbar, vor allem auch unter Beachtung des Ansehens der Polizei in der Öffentlichkeit. Das Vorbringen, die Äußerungen seien „flapsig“ und „grob scherzhaft“ gemeint gewesen, sei eine Schutzbehauptung. Selbst wenn man diese als zutreffend annehmen würde, so begründeten diese Ausdrücke - objektiv gesehen - die Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers. Angesichts des Zeitraums, in dem er sich zusammen mit den anderen Polizeimeisteranwärtern beleidigend geäußert habe, und in Anbetracht einer weiteren Zuwiderhandlung trotz vorheriger Ansprache durch den Lehrgruppenleiter müsse man von einem festen Verhaltens- und Sprachgebrauchsmuster ausgehen. Das stelle einen Charakterzug des Klägers dar. Mit den Äußerungen habe er die Anforderungen an das inner- und außerdienstliche Verhalten eines Bundespolizisten nicht erfüllt und damit gegen die Wohlverhaltenspflicht verstoßen. Zugleich liege eine Verletzung der Folgepflicht vor. POK D. … habe mittels Klassenansprache im November 2019 ausdrücklich die Haltung der Beklagten zum Thema Rassismus erläutert und auf die Folgen der Zuwiderhandlung hingewiesen. Dem Kläger hätte spätestens seitdem bekannt sein müssen, dass sein Verhalten eine Pflichtverletzung darstelle, die gemäß Nr. 4.2 der „Werte und Verhaltensregeln für Dienstanfängerinnen und Dienstanfänger in der BPOLAK, der HS Bund, den BPOLAFZ und den Sportschulen“ konsequent geahndet werde und zur Entlassung führen könne. Durch seine Äußerungen habe der Kläger die Geringschätzung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund zum Ausdruck gebracht. Es bestehe die Gefahr, dass auch im polizeilichen Alltag gegenüber Mitbürgern mit Migrationshintergrund ein solcher Sprachgebrauch gewählt werde. Im Fall des Bekanntwerdens der Vorgänge, könnte der Beklagten der Vorwurf gemacht werden, sie würde derartiges Verhalten dulden. Solche Vorwürfe könnten medial das Ansehen der Polizei beschädigen.
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3. Wegen des vorgenannten Sachverhalts hatte die Beklagte gegenüber PMA O. … ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen (Bescheid vom 24.9.2020) und das Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen mangelnder persönlicher (charakterlicher) Eignung widerrufen (Bescheid vom 15.3.2021). In beiden Fällen hatte die Beklagte die sofortige Vollziehung angeordnet; Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen diese Bescheide blieb ohne Erfolg (VG Bayreuth, B.v. 16.6.2021 - B 5 S 21.416 - juris; BayVGH, B.v. 19.8.2021 - 6 CS 21.1910 - juris). Darüber hinaus hatte die Beklagte auch gegenüber PMA B. … ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen und die sofortige Vollziehung angeordnet (Bescheid vom 24.9.2020). Der hiergegen gerichtete Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den vorgenannten Bescheid blieb ohne Erfolg (VG Bayreuth, B.v. 3.12.2020 - B 5 S 10.1021).
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4. Mit Schriftsätzen vom 18. März 2022 und vom 21. März 2022 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
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5. Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Die Gerichtsakten der Verfahren B 5 S 20.1021 und B 5 S 21.416 wurden beigezogen.

Entscheidungsgründe

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1. Über die Klage konnte gem. § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten insoweit ihr Einverständnis erklärt haben.
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2. Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 15. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. September 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Entlassungsverfügung vom 15. März 2021 unterliegt formell und materiell keinen durchgreifenden Bedenken.
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a) Die Entlassungsverfügung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat den Kläger ordnungsgemäß nach § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) angehört und die Personalvertretung - auf Antrag des Klägers - gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) beteiligt. Unter dem 3. März 2021 hat der Gesamtpersonalrat der Beklagten mitgeteilt, dass keine Einwände in Bezug auf die beabsichtigte Entlassung des Klägers bestünden. Die ebenfalls beteiligte Gleichstellungsbeauftragte erhob keine auf das Bundesgleichstellungsgesetz bezogenen Einwände (Schreiben vom 16.3.2021).
21
b) Auch in materieller Hinsicht unterliegt der streitgegenständliche Bescheid keinen durchgreifenden rechtlichen Zweifeln. Rechtsgrundlage für die Entlassung des Klägers ist § 2 Bundespolizeibeamtengesetz (BPolBG) i.V.m. § 37 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG). Danach können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ hat nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Es genügt zur Rechtfertigung der Entlassung jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund (BVerwG, U.v. 9.6.1981 - 2 C 48.78 - BVerwGE 62, 267/268).
22
Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf allgemein eingeräumte weite Entlassungsermessen ist durch § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG dahingehend eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) zu qualifizieren ist (etwa OVG RhPf, B.v. 30.7.2004 - 2 B 11152/04 - NVwZ-RR 2005, 253 zur Entlassung eines Studienreferendars aus dem Vorbereitungsdienst), sondern auch dort, wo ein Vorbereitungsdienst - wie hier - für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht (z.B. OVG NW 18.2.2019 - 6 B 1551/18 - juris Rn. 17 m.w.N. zur Entlassung eines Kommissaranwärters). Die Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entlassungsgründe mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen (BVerwG, B.v. 26.1.2010 - 2 B 47.09 - juris Rn. 6).
23
Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der Laufbahn - mit Blick auf den Kläger also des (mittleren) Polizeivollzugsdienstes - nicht gerecht wird. Insoweit genügen entgegen der Ansicht der Klägerseite bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung (i.S.v. § 9 Satz 1 BBG) für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 - 2 C 48.78 - BVerwGE 62, 267/268; BayVGH, B.v. 13.11.2014 - 3 CS 14.1864 - juris Rn. 22; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 - 2 B 174/18 - juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 18.2.2019 - 6 B 1551/18 - juris Rn. 20). Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist daher nicht von dem Nachweis eines Dienstvergehens abhängig (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2019 - 6 CS 19.481 - juris Rn. 14).
24
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat (OVG NW, B.v. 27.9.2017 - 6 B 977/17 - juris Rn. 4).
25
In Anwendung dieser Maßstäbe ist die Entlassung des Klägers rechtlich nicht zu beanstanden. Die Bundespolizeiakademie ist weder von einem unzureichend oder unzutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen, noch hat sie mit der Annahme von begründeten Zweifeln an der persönlichen Eignung des Klägers für ein Amt als Polizeivollzugsbeamter die Grenzen ihres Beurteilungs- und Ermessensspielraums überschritten.
26
Zunächst ist bezüglich des Übergangs vom Disziplinarzum Entlassungsverfahren nichts zu erinnern. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung kommt es nicht darauf an, wie das Disziplinarverfahren fortgeführt wurde. Ersteres ist für das zweitgenannte Verfahren vorgreiflich, da sich die Sanktion im Disziplinarverfahren danach richtet, ob es zu einer Entlassung kommt. Es reicht, den Vorgang aktenkundig zu machen und dem Beamten bekannt zu geben (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand: April 2022, § 17 BDG, Erl. 11.2 Wechsel der Verfahrensarten, Rn. 51). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Spätestens mit dem Entwurf der Anhörung zur Entlassung vom 11. Dezember 2020 hat die Beklagte diesen Wechsel aktenkundig gemacht und dem Kläger diesen Verfahrenswechsel mit dem Anhörungsschreiben vom selben Tag bekannt gegeben.
27
Vorliegend bedurfte es keiner besonderen oder weitergehenden Sachverhaltsaufklärung nach disziplinarrechtlichen Vorschriften. Die Entlassungsvorschrift des § 37 BBG verlangt - anders als § 34 Abs. 3 Satz 2 BBG für die Entlassung von Beamten auf Probe wegen eines Dienstvergehens, das im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte - nicht die entsprechende Anwendung der §§ 21 bis 29 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG). Die Entlassungsbehörde hat vielmehr nach dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Untersuchungsgrundsatz des § 28 Abs. 1 VwVfG den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, wobei sie Art und Umfang der Ermittlungen von Amts wegen bestimmt und nicht an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden ist (so BayVGH B.v. 2.5.2019 - 6 CS 19.481 - juris Rn. 17). Nach dem im Entlassungsverfahren anwendbaren § 26 VwVfG gilt der Grundsatz des Freibeweises, d.h. die Behörde darf sich nach pflichtgemäßem Ermessen sämtlicher ihr zur Verfügung stehender Beweismittel, soweit erforderlich, bedienen (BVerwG, B.v. 26.8.1998 - 11 VR 4.98 - juris Rn. 10; BayVGH B.v. 23.10.2017 - 6 ZB 17.941 - juris Rn. 9: zur Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe im mittleren Polizeivollzugsdienst).
28
Die Bundespolizeiakademie ist von einem zureichend und zutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen. Die Sachverhaltsaufklärung der Bundespolizeiakademie, hinsichtlich der in der Entlassungsverfügung im Einzelnen geschilderten Vorfälle bzw. des Verhaltens des Klägers, ist nicht zu beanstanden.
29
Die Bundespolizeiakademie hat hinsichtlich der Vorfälle alle beteiligten Personen angehört. Es finden sich in den Verwaltungs- und Disziplinarakten vor allem die Anhörungsprotokolle von PMA D. …, PMA Bo. …, und PMAin C. … Darüber hinaus wurden weitere Zeugen angehört, die zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen haben.
30
Nach den Ermittlungen der Beklagten ergibt sich folgendes Bild: Die Mitglieder der Lehrgruppe haben sich regelmäßig gegenseitig beleidigt. Dabei fielen in der Lehrgruppe auch Sprüche in Bezug auf den Migrationshintergrund verschiedener Anwärterinnen und Anwärter. In diesem Zusammenhang hat sich auch der Kläger - wenn auch nicht als Wortführer - zu nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkten mit Ausdrücken wie „Drecks-Türke“, „Scheiß Ausländer“, „Ziegenficker“, „Eselficker“ oder „Scheiß Türke“ gegenüber PMA D. …und PMA Bo. … geäußert. Diese Äußerungen erfolgten z.B. in Unterrichtspausen oder nach dem Sport. Aus diesem Grund fand, nachdem PMA D. …im September 2019 den Lehrgruppenleiter POK D. … hierüber informiert hatte, im ersten Dienstjahr eine Ansprache von POK D. … über das Thema Rassismus und Mobbing statt. Weil die Beleidigungen nicht aufhörten, erfolgte im zweiten Dienstjahr noch eine weitere Ansprache durch einen der Lehrgruppenleiter.
31
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Aussagen von PMA D. … (Anhörung vom 22.6.2020, (Bl. 21/24 f. der Beiakte I) und Niederschrift über die Zeugenvernehmung im Disziplinarverfahren vom 21.10.2020 (Bl. 91/93, 96 ff.)), von PMAin C. … (Anhörung vom 24.6.2020 (Bl. 27/29 f. der Beiakte I) und Niederschrift über die Zeugenvernehmung im Disziplinarverfahren vom 21.10.2020 (Bl. 71/73, 78 der Beiakte I)), von PMA Bo. …, Anhörung vom 10.7.2020 (Bl. 32/37 der Beiakte I) und Schriftliche Stellungnahme im Disziplinarverfahren (Bl. 122/124 ff. der Beiakte I)), von PMAin O. … (Niederschrift über die Zeugenvernehmung im Disziplinarverfahren vom 21.10.2020, Bl. 65/67 f. der Beiakte I), von PMA V. (Niederschrift über die Zeugenvernehmung im Disziplinarverfahren vom 21.10.2020 (Bl. 80/83 der Beiakte I)) und PMAin K. … (Schriftliche Stellungnahme vom 2.11.2020, Bl. 115/117 der Beiakte I, Frage 2.20.). In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass sich die Aussagen des PMA D. …, des PMA Bo. … und der PMAin C. … im Verwaltungsvor- und Disziplinarverfahren im Kern weitgehend decken, obwohl zwischen den Vorermittlungen und der Vernehmung im Disziplinarverfahren vier Monate lagen. Die Aussagen sind widerspruchsfrei vorgetragen, decken sich im Kern und geben ein einheitliches Gesamtbild wieder. Deshalb liegt ein glaubhafter Sachverhalt vor.
32
Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgetragene Beweiswürdigung kann die Tragfähigkeit der ermittelten Tatsachengrundlage nicht in Frage stellen.
33
Zunächst greift der Einwand der Klägerseite, dass „keine exakt ermittelten Sachverhalte bezüglich Zeitpunkt und Kontext sowie Inhalt konkreter Äußerungen“ festzustellen seien (vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 21.12.2021), es fehle mithin an einer detaillierten Ermittlung der Vorwürfe (S. 1 des Schriftsatzes vom 9.2.2022), nicht durch. Wie bereits oben dargelegt, genügt im Rahmen des Entlassungsverfahrens eines Beamten auf Widerruf das Vorliegen berechtigter Zweifel an der persönlichen oder fachlichen Eignung des Beamten, ohne dass der Nachweis eines Dienstvergehens erforderlich wäre. Daran, dass der Kläger die obengenannten Äußerungen gegenüber PMA D. … und PMA Bo. … getätigt hat, bestehen zur Überzeugung des Gerichts keine Zweifel. Zu Recht geht die Beklagte davon aus, dass dieser Umstand durchgreifende Bedenken an der persönlichen oder fachlichen Eignung des Beamten begründet, ohne dass es darauf ankäme, wann, wo und in welchem Rahmen diese Äußerungen gefallen sind.
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Soweit die Klägerseite unter Hinweis auf den in den öffentlich-rechtlichen Medien tätigen Satiriker und Moderator Jan Böhmermann weiter ausführt, allein der Gebrauch bestimmter sprachlicher Wendungen könne nicht aufgrund semantischer Auslegung dazu führen, dass das Gesagte nur in eine Richtung, die dem ursprünglichen Entstehungsanlass diametral entgegenstehe, zu interpretieren sei (vgl. nur Schriftsatz im Verwaltungsverfahren vom 21.12.2020), führt das zu keiner anderen Einschätzung. Denn es sollte auch einem angehenden Polizeivollzugsbeamten - zumal nach einer hier unstreitig erfolgten, eindringlichen Ansprache durch den Lehrgruppenleiter - einleuchten, dass sich die Maßstäbe, die an ihn und sein innerwie außerdienstliches Verhalten anzulegen sind (vgl. nur Art. 61 Abs. 1 Satz 3 BBG), gravierend von denen unterscheiden, denen der Moderator einer Late-Night-Show unterliegt (vgl. hierzu nur OLG HH, U.v. 15.5.2018 - 7 U 34/17 - juris).
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Weiterhin ist der Umstand, dass kein Ausbilder die Äußerungen des Klägers wahrgenommen hat, für das Verfahren unerheblich. Denn zum einen kommt es für die Annahme eines innerdienstlichen Bezuges nicht auf die Wahrnehmung der Ausbilder an. Zudem sind die Beleidigungen innerhalb der Lehrgruppe, beispielsweise während der Pausen oder unmittelbar nach dem Sportunterricht gefallen.
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Schließlich hat der Umstand, wie die betroffenen Beamten, d.h. PMA D. …und PMA Bo. … die streitgegenständlichen Äußerungen (nach außen hin) aufgenommen haben, keinen Einfluss auf die rechtliche Bewertung. Auch kann dahinstehen, ob der Kläger gegenüber PMA D. …, PMA Bo. … oder PMAin C. … grundsätzlich freundlich aufgetreten ist, weil die streitgegenständlichen Äußerungen davon unabhängig zu bewerten sind. PMA D. … ist als glaubwürdig einzuschätzen, weil er zum einen seine Zeugenaussage aus den Verwaltungsvorermittlungen im Kern weitgehend deckungsgleich im Rahmen der Anhörung im Disziplinarverfahren wiederholt hat. Zudem hat er eingeräumt, dass er selbst beispielsweise PMA O. … (zurück-)beleidigt hat, und sich damit selbst belastet.
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Insgesamt ergibt sich ein einheitliches Gesamtbild der Geschehnisse. Damit liegt eine tragfähige Tatsachengrundlage für die Entlassung vor, da sie von allen einvernommenen Zeugen in den wesentlichen Grundzügen übereinstimmend geschildert wurde. Die Beklagte hat im Rahmen der umfangreichen Zeugenbefragungen den Sachverhalt vollständig ermittelt. Insbesondere durfte die Beklagte diese Aussagen als glaubhaft ansehen, weil die Zeugen erkennbar bemüht waren, dem Kläger nicht zu schaden und über den fehlenden Belastungseifer hinaus positive Verhaltensweisen und eine fehlende ausländerfeindliche Haltung des Klägers explizit hervorhoben. In ihrem Bescheid hat sich die Beklagte mit den Einlassungen des Klägers durch seinen Bevollmächtigten auseinandergesetzt. Die Durchführung weiterer Ermittlungen war nicht angezeigt.
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Die Bundespolizeiakademie durfte aufgrund der tatsächlichen Feststellungen, die sie in nicht zu beanstandender Weise getroffen und in der Entlassungsverfügung aufgeführt hat, berechtigte Zweifel an der persönlichen Eignung des Klägers für ein Amt des Polizeivollzugsdienstes in der Bundespolizei haben. Die charakterliche Eignung ist ein Unterfall der persönlichen Eignung. Hierfür ist die prognostische Einschätzung entscheidend, inwieweit der Betreffende der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird (BVerwG, B.v. 20.7.2016 - 2 B 18.16 - juris Rn. 26). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Eignung nicht nur an den Anforderungen des Vorbereitungsdienstes, sondern auch an denen der angestrebten Laufbahn zu messen ist (BVerwG, U.v. 17.12.1959 - 6 C 70.50 - BVerwGE 10, 75/79; BayVGH, B.v. 12.12.2011 - 3 CS 11.2397 - juris Rn. 34). Von den Polizeivollzugsbeamten ist in diesem Sinne eine gewisse soziale Kompetenz zu erwarten; es wird von ihnen verlangt, zugleich einerseits deeskalierend und andererseits die polizeilichen Ziele verfolgend auf andere Menschen einzuwirken (vgl. NdsOVG, B. 7.2.2009 - 5 ME 25/09 - juris Rn. 32).
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Im Rahmen der Vorfälle zeigte der Kläger ein dienstpflichtwidriges Verhalten im Umgang mit seinen Ausbildungskollegen, wobei davon auszugehen ist, dass dieses Verhalten nicht situativ bedingt, sondern Folge seines Charakterzuges ist. Bereits die zeitliche Dauer, während der das angeschuldigte Verhalten offenbar stattgefunden hat, spricht für den von der Beklagten dargelegten charakterlichen Mangel. Das dem Kläger zur Last gelegte Verhalten hat dieser nach den Ermittlungsergebnissen der Beklagten für die Dauer von fast einem Jahr an den Tag gelegt. Zwar hat der Zeuge PMA D. … erstmals im Juni 2020 den betreffenden Sachverhalt einer Ermittlungskommission zur Kenntnis gebracht. Den Ausbildern sind die hier gegenständlichen Äußerungen gemeldet worden. Das hat in der Konsequenz auch - wie oben dargelegt - zu einer allgemeinen Ansprache vor der gesamten Klasse geführt.
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Auch inhaltlich handelt es sich bei den durch die Zeugen vorgetragenen Äußerungen des Klägers unzweifelhaft um Ausdrücke, die einen fremdenfeindlichen bzw. rassistischen Einschlag haben. Im Rahmen der Zeugenbefragung stellte sich heraus, dass der Kläger in mehreren Fällen die betreffenden Ausdrücke und Formulierungen verwendet hat. So gab PMA D. …in seiner Vernehmung an, auch der Kläger habe ihm gegenüber Äußerungen wie „Drecks-Türke“, „Scheiß Ausländer“, „Ziegenficker“, „Eselficker“ oder „Scheiß Türke“ getätigt; gegenüber PMA Bo. … sei der Begriff „Scheiß Türke“ durch den Kläger gefallen.
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Mit diesem Auftreten innerhalb der Lehrgruppe hat der Kläger die Anforderungen an das inner- und außerdienstliche Verhalten eines (künftigen) Bundespolizisten erheblich verletzt. Namentlich hat der Kläger gegen seine inner- und außerdienstlichen Verhaltenspflichten nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen. Die diesbezügliche wertende Würdigung des Verhaltens des Klägers, die einen Rückschluss auf die für seine charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulässt, ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar und im Ergebnis nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, B.v. 20.7.2016 - 2 B 17.16 - juris Rn. 26; OVG Bremen, B.v. 14.7.2018 - 2 B 174.18 - juris Rn. 10).
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Dabei ist es unerheblich, welche Motivation den Kläger zu den getätigten Äußerungen veranlasst hat. So ist nach Aktenlage davon auszugehen, dass von den „Belastungszeugen“ lediglich PMA D. … glaubt, nur PMA O. … - nicht aber der Kläger - habe eine rassistische Grundeinstellung; von den übrigen Zeugen wird dem Kläger keine ausländerfeindliche Haltung unterstellt (s.o.).
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Es ist jedoch ein legitimes Interesse der Beklagten, bereits den Anschein rechtsradikaler, rassistischer oder ausländerfeindlicher Tendenzen in der Bundespolizei zu vermeiden. Auch bei Anwärtern für den Polizeivollzugsdienst ist ein absolut korrektes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung und im Umgang miteinander unabdingbar, vor allem auch unter Beachtung des Ansehens der Polizei in der Öffentlichkeit (BayVGH, B. v. 12.10.2017 - 6 CS 17.1722 - juris Rn. 14). Der Dienstherr darf und muss von einem Polizeibeamten erwarten, dass er stets deeskalierend und besonnen auftritt und sich auch im innerdienstlichen Bereich nicht fremdenfeindlich oder rassistisch äußert (vgl. VG Ansbach, U. v. 22.3.2017 - 11 K 16.90 - juris Rn. 25). Im Fall des Bekanntwerdens der Vorgänge in der Öffentlichkeit könnte der Beklagten nämlich der Vorwurf gemacht werden, sie würde derartigen Umtrieben junger Polizeibeamter, die eine Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut vermuten ließen, nicht entschieden entgegentreten, sondern sie vielmehr dulden. Solche Vorwürfe können in den Medien erfahrungsgemäß negative Schlagzeilen bewirken, die, ohne Rücksicht auf die näheren Umstände und Hintergründe des Vorfalls zu nehmen, das Ansehen der Polizei beschädigen können (VG Augsburg, U. v. 14.1.2016 - Au 2 K 15.283 - juris Rn. 23). Hinzu kommt, dass aufgrund der zeitlichen Dimension des Verhaltens des Klägers nicht ausgeschlossen werden kann, dass er sich im Dienst gegenüber Bürgerinnen und Bürgern entsprechend äußert und sie dadurch beleidigt. Dieses Risiko muss der Dienstherr nicht sehenden Auges hinnehmen.
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Die Beklagte durfte in Anbetracht der obigen Ausführungen auch Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers als Unterfall der charakterlichen Eignung gem. § 60 Abs. 1 Satz 3, § 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG haben. Gem. § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG gehört es zu den Grundpflichten eines Beamten, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten. Die Verfassungstreuepflicht ist ein hergebrachter und zu beachtender Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG und zudem ein Merkmal der persönlichen Eignung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2019 - 6 CS 19.481- juris Rn. 19 m.w.N.). Diesbezüglich genügt bereits das zurechenbare Setzen eines Anscheins einer verfassungsfeindlichen Gesinnung, die hier infolge der seitens des Klägers geäußerten rassistischen Beleidigungen vorliegt.
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Zurecht ging die Beklagte ferner davon aus, dass der Kläger auch gegen die Folgepflicht aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG verstoßen hat, weil er trotz entsprechender Belehrungen im Zuge einer Ansprache des POK D. … vor der Lehrklasse die Beleidigungen wiederholt und in vollem Bewusstsein ausgesprochen hat. Indem der Kläger die Worte seines Lehrgangsleiters missachtet und nach seinen Hinweisen sein ursprüngliches Verhalten fortgesetzt hat, hat er vorsätzlich und schuldhaft gegen diese Folgepflicht verstoßen. Nach Nr. 4.2. der „Werte und Verhaltensregeln für Dienstanfängerinnen und Dienstanfänger an der BPOLAK, der HS Bund, den BPOLAFZ und den Sportschulen“ sei kein Platz für Intoleranz und Anfeindungen jeglicher Art. In diesem Werk wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass entsprechendes Fehlverhalten konsequent geahndet wird und zur Entlassung führen kann. Gegen diese Verhaltensanforderungen hat der Kläger jeweils verstoßen, indem er PMA D. … und PMA Bo. … fremdenfeindlich beleidigt hat - ungeachtet eines möglicherweise grundsätzlich rauen Tons innerhalb der Lehrgruppe.
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Durch sein Verhalten verletzt er seine Pflicht innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die der Beruf des Klägers erfordert, § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG. Sein Verhalten weist auch einen innerdienstlichen Bezug auf, weil sich seine Sprüche an seine Kollegen gerichtet haben und in den Unterrichtspausen gefallen sind. Von Polizeibeamten ist zu erwarten, dass sie sich besonnen, kontrolliert und absolut korrekt verhalten. Ein wesentlicher Charakterzug des Polizisten ist die Fähigkeit zur Zusammenarbeit, die durch derartige Äußerungen erheblich gestört wird. Die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht bezweckt auch die Erhaltung des Betriebsfriedens, um eine effektive Verwaltungsarbeit zu gewährleisten. Die Aussage des Klägers war geeignet, den Betriebsfrieden zu stören. Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht muss der Dienstherr seine Beamten vor derartigen Übergriffen schützen, vgl. § 78 Satz 1 BBG.
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Dass der Beklagte infolge des festgestellten Sachverhalts berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers für den Polizeiberuf erwachsen sind, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Ereignisse belegen exemplarisch den Umgang des Klägers mit seinen Mitmenschen. Auch die positiven Persönlichkeits- und Leistungsbilder können nichts daran ändern. Aufgrund ihrer Vorbildfunktion ist ein freundlicher, kollegialer und respektvoller Umgang unter Polizisten zu erwarten. Seine Aussagen lassen zu Recht daran zweifeln, dass er den nötigen Respekt gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen aufweist und teamfähig ist. Hinzu kommt, dass er im polizeilichen Alltag gegenüber Mitmenschen mit Migrationshintergrund einen solchen Sprachgebrauch wählen könnte, wodurch er sich möglichen strafrechtlichen Beleidigungsvorwürfen ausgesetzt sehen würde. So erstreckt sich der Zeitraum, in denen die Äußerungen gefallen sind, über mehrere Monate. Weil sein Verhalten in seinem Charakter angelegt ist, hat die Beklagte zu Recht befürchtet, dass der Kläger Mitbürger in entsprechender Weise beleidigen könnte. Da er die Wirkung seines Verhaltens auf andere nicht angemessen einzuschätzen wusste und insofern davon auszugehen war, dass er dieses fortführen und weiterhin den Betriebsfrieden innerhalb der Lehrgruppe gefährden wird, war es gerechtfertigt, seinen Vorbereitungsdienst zu beenden. Die Prognoseentscheidung der Beklagten ist deshalb nicht zu beanstanden.
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Die Beklagte durfte aus diesen Gründen ohne Rechtsfehler von begründeten Zweifeln an der persönlichen (charakterlichen) Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst ausgehen, die seiner Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe oder Lebenszeit entgegenstehen würden. Deshalb war es gerechtfertigt, ihn in Ausnahme zu der Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zu entlassen, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen.
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3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der - wenn überhaupt anfallenden - dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen der Beklagten nicht, zumal diese auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.
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4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.