VG Bayreuth, Beschluss v. 07.06.2022 – B 1 S 22.480
Titel:
Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit
Normenketten:
WaffG § 45 Abs. 2 S. 1, 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a
SprengG § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 8a Abs. 2 Nr. 1 lit. a, § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 2
Leitsätze:
Die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit aufgrund Verurteilung knüpft nicht an bestimmte Delikte an, sondern an das Vorliegen einer Vorsatztat und an die Art und Höhe der verhängten Sanktion. (Rn. 31)
Eine Abweichung von der Vermutung der Unzuverlässigkeit kommt nur in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen nicht gerechtfertigt sind. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf waffen- und sprengstoffrechtlicher Erlaubnisse, Regelunzuverlässigkeitsvermutung, Abweichung von der Vermutung, Umsatzsteuerhinterziehung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25345
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 9.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutz die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage in Bezug auf den Widerruf der Waffenbesitzkarten und des sprengstoffrechtlichen Erlaubnisscheins sowie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage in Bezug auf die Rückgabepflicht der Waffenbesitzkarten, der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis und der Anordnung zur Abgabe bzw. Unbrauchbarmachung der Waffen und der Munition.
2
Der Antragsteller, geb. am … 1977 in …, ist Inhaber von Waffenbesitzkarten, einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis und eines Jagdscheins. Das Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) erteilte dem Antragsteller am 24. April 2006 die Waffenbesitzkarte mit der Nummer …, am 17. Januar 2013 die Waffenbesitzkarte mit der Nummer …, am 17. Juni 2014 die Waffenbesitzkarte mit der Nummer …, am 11. Januar 2019 die Erlaubnis nach § 27 SprengG mit der Nummer … und am 9. September 2020 die Waffenbesitzkarte mit der Nummer …, sowie am 19. Juli 2007, zuletzt verlängert am 14. Februar 2019, den Jagdschein mit der Nummer … Im Rahmen der anstehenden Jagdscheinverlängerung und der damit einhergehenden Zuverlässigkeitsregelüberprüfung wurde dem Landratsamt - Waffenbehörde - bekannt, dass der Antragsteller mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 3. Januar 2022, rechtskräftig seit 20. Januar 2022, zu einer Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je 40 EUR verurteilt wurde (Az....). Jenem Strafbefehl lag eine vorsätzliche Umsatzsteuerhinterziehung in 23 Fällen zugrunde.
3
Aus dem Strafbefehl ergibt sich, dass der Antragsteller Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch den Betrieb einer Photovoltaikanlage sowie bis zum 31. Dezember 2019 durch den Betrieb der Firma „…“ erzielte. Diese Umsätze unterliegen der Umsatzsteuerpflicht. Als Unternehmer ist der Antragsteller verpflichtet, monatlich inhaltlich zutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen jeweils zum 10. des Folgemonats einzureichen und darin die steuerpflichtigen Umsätze in zutreffender Höhe anzugeben. Dieser Pflicht sei der Antragsteller nicht nachgekommen. In den Voranmeldungszeiträumen von März 2019 bis Januar 2021 habe er pflichtwidrig unterlassen, beim Finanzamt eine inhaltlich zutreffende Umsatzsteuervoranmeldung abzugeben, sodass die Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden mussten. Über die strafrechtlichen Folgen der Nichtabgabe sei der Antragsteller bereits am 14. Juli 2020 durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes … belehrt worden. Mit Prüfungsanordnung vom 16. März 2021 sei dem Antragsteller mitgeteilt worden, dass beabsichtigt werde, eine Umsatzsteuersonderprüfung durchzuführen. An dieser habe der Antragsteller nicht mitgewirkt. Daraufhin habe man ihm mit Bericht vom 10. Mai 2021 die abschließenden Feststellungen mitgeteilt. In der Vorgehensweise des Antragstellers liege eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO, da die daraus resultierende Steuerverkürzung von ihm angestrebt oder zumindest billigend in Kauf genommen worden sei. Bei einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO sei die vorzuwerfende Verkürzung die Steuer, die sich bei fristgerechter Abgabe einer zutreffenden Voranmeldung ergeben hätte bzw. festgesetzt worden wäre. Die Gesamtverkürzung belaufe sich auf 16.625 EUR.
4
Mit Schreiben vom 8. März 2022 wurde der Antragsteller zum geplanten Widerruf der Waffenbesitzkarten sowie zur Ungültigkeitserklärung des Jagdscheins angehört. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, sich bis zum 23. März 2022 zu der Angelegenheit zu äußern. Da der Jagdschein mit Ablauf des 31. März 2022 seine Gültigkeit verliere, gelte diese Anhörung auch für ein etwaiges Erteilungsverfahren ab dem 1. April 2022.
5
Der Antragsteller ließ durch seine Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 10. März 2022 ausführen, dass gegen ihn richtigerweise ein rechtskräftiger Strafbefehl vom 3. Januar 2022 wegen des Vorwurfs der Umsatzsteuerhinterziehung in 23 Fällen im Zeitraum März 2019 bis Januar 2021 vorliege. Die auf den ersten Blick hoch anmutende Anzahl an Fällen ergebe sich dadurch, dass die monatlichen Voranmeldungszeiträume zur Umsatzsteuer verfahrensgegenständlich gewesen seien. Dadurch werde streng genommen jeden Monat eine neue Tat begangen. Es sei jedoch zu beachten, dass sich die Gesamtverkürzung lediglich auf einen Schaden von 16.625 EUR belaufe. Zudem habe man mangels Umsatzsteuerjahreserklärungen keine Vorsteuerbeträge schadensmindernd berücksichtigen können. Die Prozessbevollmächtigte erklärt weiterhin, der Antragsteller sei ihm Strafverfahren nicht verteidigt worden. Durch die nachträgliche Erstellung von Umsatzsteuerjahreserklärungen wäre der Schaden höchstwahrscheinlich geringer ausgefallen. Zudem sei eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO möglich gewesen, da der Antragsteller strafrechtlich nicht vorbelastet gewesen und der Schaden als gering einzustufen sei. Der Antragsteller habe nicht um diese Verteidigungsmöglichkeiten und auch nicht um die strafrechtlichen Nebenfolgen einer solchen Verurteilung gewusst. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG könne vorliegend entkräftet werden. Eine Ausnahme hiervon käme dann in Betracht, wenn die Umstände der Begehung der abgeurteilten Tat die Verfehlung des Betroffenen in einem milderen Licht erscheinen ließen, dass die nach der Wertung des Gesetzes in der Regel begründeten Zweifel an der für den Waffenbesitz und -umgang vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen nicht gerechtfertigt seien. Die Prüfung, ob die Regelvermutung entkräftet sei, erfordere daher eine Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Täters, wie sie in seinem damaligen Verhalten zum Ausdruck komme. Die Schwere der konkreten Verfehlung sei aufgrund des niedrigen Schadensbetrages als gering einzustufen. Der Antragsteller sei leider mit seinen steuerlichen Angelegenheiten für Zwecke der Umsatzsteuer etwas überfordert gewesen und habe es versäumt, steuerlichen Rat einzuholen. Als es zur Betriebsprüfung und in der Folge zum Strafverfahren gekommen sei, habe er einfach auf die Richtigkeit der Feststellungen der Finanzbehörden vertraut. Hinzugekommen seien Probleme im privaten Bereich, da der Antragsteller geerbt habe und mit einer Vermächtnisnehmerin, der früheren Lebensgefährtin des Erblassers, eine langwierige Erbauseinandersetzung habe führen müssen. Das Strafverfahren wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besser ausgegangen, hätte der Antragsteller einen steuerlich versierten Strafverteidiger mandatiert. Bereits im Ermittlungsverfahren hätte man die Verteidigungsstrategie dahingehend festlegen können, dass der Jagdschein und damit auch die berufliche Zukunft des Antragstellers zu keinem Zeitpunkt auf dem Spiel stehen würde. Die Ermittlungsbehörden hätten in solchen Fällen oftmals ein Einsehen, wenn die Problematik der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtzeitig adressiert würde. Der Antragsteller sei nicht nur aufgrund seiner Tätigkeit in einem Jagdshop auf den Jagdschein angewiesen, sondern er züchte zudem Jagdhunde und sei außerdem Jagdpächter. Er würde somit seine berufliche Existenz und seine private Beschäftigung verlieren. All dies hätte vermieden werden können, wäre rechtzeitig ein Strafverteidiger eingeschaltet worden. Der Antragsteller habe dies allerdings nicht gewusst und den Strafbefehl akzeptiert. Es werde ein persönliches Gespräch mit dem Antragsteller angeboten, um sich von dessen waffenrechtlicher Zuverlässigkeit überzeugen zu können.
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Mit Schreiben vom 21. März 2022 beantragt die Prozessbevollmächtigte namens und im Auftrag des Antragstellers die Verlängerung des Jagdscheins zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
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Mit Schreiben vom 23. März 2022 - datiert auf den 8. März 2022, da im Anhörungsschreiben vom 8. März 2022 die Anhörung zum Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis vergessen wurde - hat das Landratsamt den Antragsteller auch zum Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis angehört und ihm eine Frist zur Äußerung bis zum 31. März 2022 gesetzt.
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Unter dem 23. März 2022 ließ der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte ausführen, hinsichtlich der Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit trotz rechtskräftigem Strafbefehl vollumfänglich auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 10. März 2022 Bezug zu nehmen.
9
Mit Bescheid vom 7. April 2022 widerrief das Landratsamt die erteilten Waffenbesitzkarten Nrn. …, …, …, … (Ziffer 1) und die Erlaubnis nach § 27 Sprengstoffgesetz Nr. … (Ziffer 2). Der Antrag auf Verlängerung des Jagdscheins mit der Nr. … vom 21. März 2022 wurde abgelehnt (Ziffer 3). Der Antragsteller wurde verpflichtet, innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides die Waffenbesitzkarten an das Landratsamt abzugeben (Ziffer 4.1), sämtliche erlaubnispflichtige Waffen und Munition einem Berechtigten zu überlassen, diese unbrauchbar machen zu lassen oder zur form-, frist- und entschädigungsloser Vernichtung beim Landratsamt abzugeben, wobei über die Veräußerung Nachweise vorzulegen sind - inkl. Name und Anschrift des Empfängers - (Ziffer 4.2) und die Erlaubnis nach § 27 Sprengstoffgesetz an das Landratsamt abzugeben (Ziffer 4.3). Die sofortige Vollziehung der Ziffer 4 wurde angeordnet. Für den Fall, dass die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werde, gelte die Frist unter Ziffer 4 ab Bestandskraft des Bescheides (Ziffer 5). Für den Fall, dass die in Ziffer 4.1 verfügte Anordnung nicht, nicht vollständig bzw. nicht fristgerecht erfüllt werde, werde dem Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Ziffer 6). Dem Antragsteller werde ferner die Sicherstellung der sich in seinem Besitz befindlichen Waffen und Munition nach Fristablauf angedroht, sofern die Ziffer 4.2 nicht fristgerecht erfüllt werde (Ziffer 7). Für den Fall, dass die in Ziffer 4.3 verfügte Anordnung nicht, nicht vollständig bzw. nicht fristgerecht erfüllt werde, werde dem Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Ziffer 8). Sofern die unter Ziffer 7 angedrohte Sicherstellung erfolge, habe der Antragsteller einen Monat nach erfolgter Sicherstellung Zeit, einen Berechtigten für die Übernahme der Waffen/Munition zu benennen. Andernfalls würden die Waffen/Munition der Vernichtung zugeführt (Ziffer 9). Es wurde angeordnet, dass der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen habe (Ziffer 10). Für den Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 120,00 EUR festgesetzt (Ziffer 11).
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Zu den Ziffern 1, 2 und 3 wird ausgeführt, gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG, § 34 Abs. 2 SprengG seien Erlaubnisse nach diesen Gesetzen zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Die Zuverlässigkeit sei Voraussetzung für die Erteilung einer waffensowie sprengstoffrechtlichen Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG i. V. m. § 5 WaffG und § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG und § 8a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SprengG besäßen Personen in der Regel die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, wenn sie wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt worden und seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen seien. Dabei stehe ein Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleich, soweit nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden sei. Sofern die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit festgestellt worden sei, dürfe lediglich ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG (Falknerjagdschein) erteilt werden, § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG. Gegen den Antragsteller sei ein rechtskräftiger Strafbefehl verhängt worden. Insofern liege eine Verurteilung vor, welche in der Regel zur Unzuverlässigkeit führe. Nur im Einzelfall könne die Regelunzuverlässigkeitsvermutung ausnahmsweise durchbrochen werden. Nach den Grundsätzen der obergerichtlichen Rechtsprechung komme ein Abweichen von der Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen ließen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt seien (BVerwG, B.v. 21.7.2008 - 3 B 12/08 - juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 18.4.2011 - 21 CS 11.373 - juris Rn. 6). Erforderlich sei danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt der Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck komme. Dabei bestimme sich die Frage, wann die Regelvermutung eingreife, nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers vorrangig nach der Höhe der verhängten Strafe (BT-Drs. 14/7758 S. 128) und nicht mehr nach der Art der begangenen Straftat, etwa danach, ob sie einen Waffenbezug gehabt habe oder nicht. Maßgeblich sei der ordnungsrechtliche Zweck des § 5 Abs. 2 WaffG, das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, dass sie mit der Waffe stets und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgingen (BVerwG, U.v. 26.3.1996 - 1 C 12/95 - juris Rn. 25). Daraus folge, dass auch bei geringer Schuld im strafrechtlichen Verfahren eine Verfehlung ordnungsrechtlich als relevant eingestuft werden könne. Die Kriterien für die Beurteilung der sprengstoffrechtlichen Zuverlässigkeit entsprächen den Kriterien für die waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers im Rahmen der Anhörung führten zu keiner anderen Bewertung. Die Behörde könne von der Richtigkeit einer rechtskräftigen Verurteilung ausgehen. Auch die nach Ansicht des Rechtsbeistandes geringe Höhe des Schadensbetrags führe zu keinem anderen Ergebnis, da die Tat mit einer die waffenrechtliche Grenze von 60 Tagessätzen um mehr als 50% überschreitenden Geldstrafe geahndet worden sei. Die Schwere der Verfehlung komme in der verhängten Geldstrafe zum Ausdruck. Die gesetzliche Bestimmung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst a WaffG trage der Tatsache Rechnung, dass in der strafgerichtlichen Praxis 60 Tagessätze durchaus ein erhebliches Unwerturteil darstellten, das einiges Gewicht der konkreten Tat voraussetzt und Bagatelldelikte nicht erfasse (vgl. VG München, U.v. 2.4.2014 - M 7 K 14.225).
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Die Anordnung zur Rückgabe der Waffenbesitzkarten in Ziffer 4.1 beruhe auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Die Anordnung in Ziffer 4.2 stütze sich auf § 46 Abs. 2 WaffG. Das öffentliche Interesse an der Unbrauchbarmachung oder Vernichtung bzw. dem Überlassen der Schusswaffen an einen Berechtigten überwiege gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers am Besitz der Waffen. Schussfähige Waffen in Händen von Nichtberechtigten stellten eine nicht abschätzbare Gefahr für die Bevölkerung dar. Nur so könne dem Schutz der Bevölkerung Rechnung getragen und verhindert werden, dass unberechtigte Personen im Besitz von Waffen seien. Die Anordnung in Ziffer 4.3 werde auf Grundlage von § 35 Abs. 2 SprengG i. V. m. Nr. 35.1 SprengVwV i. V. m. Art. 52 BayVwVfG erlassen.
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Die sofortige Vollziehung der Ziffer 4.1 in Ziffer 5 sei gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zu verfügen, da der mit der Waffenbesitzkarte verbundene Schein, Waffen erwerben und besitzen zu dürfen, beseitigt werden solle. Der angeordnete Sofortvollzug der Ziffer 4.2 gründe auch auf der Unzuverlässigkeit des Antragstellers. Das öffentliche Interesse, dass Personen, welche nicht zuverlässig seien, ohne weitere Verzögerung nicht mehr im Besitz von Waffen seien, überwiege gegenüber dem Individualinteresse des Antragstellers, eine rechtskräftige Entscheidung abzuwarten. Wegen der besonderen Sicherheitslage im Waffenrecht trage bereits die festgestellte Unzuverlässigkeit die Anordnung ohne zusätzliche Begründung.
13
Zur Zwangsgeldandrohung unter Ziffer 6 und 8 wird ausgeführt, dass sich diese auf Art. 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 Nr. 1, 30 Abs. 1 Satz 1, 29, 31 und 36 BayVwZVG stütze. Das Zwangsgeld sei im vorliegenden Fall als mildestes Regelzwangsmittel geeignet und erforderlich, um den Antragsteller abzuhalten, die unter den Ziffern 4.1 und 4.3 des Bescheides genannten Erlaubnisdokumente an das Landratsamt abzugeben und um einen erneuten Erwerb zu unterbinden. Die Höhe des Zwangsgeldes berücksichtige das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers an einem weiteren Besitz und künftigen Erwerb von Waffen oder Munition und ist im Hinblick auf die Gefahren für die Allgemeinheit angemessen.
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Die unter Ziffer 7 verfügte Maßnahme fuße auf § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG, wonach die Waffenbehörde nach fruchtlosem Ablauf einer Frist Waffen und Munition sicherstellen könne. Die Sicherstellung diene der Beendigung des nicht mehr durch eine Erlaubnis gedeckten Waffenbesitzes und der Herstellung rechtmäßiger Zustände. Dieser Zweck erfordere die Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung auch im Wege des unmittelbaren Zwangs mit einer Durchsuchung. In Bezug auf die Waffen seien andere Mittel nach wirksamem Widerruf einer Erlaubnis durch die bundesrechtliche Sonderregelung des § 46 Abs. 2 WaffG ausgeschlossen. Nach Ablauf der Frist gebe es nur noch die Möglichkeit der behördlichen Sicherstellung mit der weiteren Möglichkeit der behördlichen Einziehung und Verwertung, falls nach der Sicherstellung kein empfangsbereiter Berechtigter benannt werde.
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Die Anordnung in Ziffer 9 des Bescheides finde ihre Grundlage in § 46 Abs. 5 WaffG. Sofern der bisherige Inhaber nicht innerhalb eines Monats nach erfolgter Sicherstellung einen empfangsbereiten Empfänger benenne, könnten die Waffen eingezogen und vernichtet oder verwertet werden.
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Mit Schreiben vom 9. Mai 2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tage, ließ der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte Klage gegen den Bescheid des Landratsamts vom 7. April 2022 erheben mit folgenden Anträgen:
1. Der Bescheid des Landratsamts … vom 7. April 2022 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verpflichtet, den Jagdschein (Nr....) zu verlängern.
17
Unter Ziffer 3 beantragt der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutz außerdem
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 07.04.2022 anzuordnen.
18
Die Ausführungen im Klageschriftsatz entsprechen weitgehend den Ausführungen der Prozessbevollmächtigten im Rahmen des Anhörungsverfahrens, so dass diese in Bezug genommen werden.
19
Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2022 beantragt der Beklagte, den Antrag abzulehnen.
20
Zur Begründung werde auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen. Über diese Begründung hinaus sei bezüglich der beruflichen Tätigkeit des Antragstellers im Bereich Verkauf von Jagdzubehör - ohne dass es hierauf für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG und § 8a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SprengG ankäme - angemerkt, dass für diese Tätigkeit nach dem Jagd- und Waffenrecht nicht erforderlich sei, dass der Antragsteller einen Jagdschein und/oder eine Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Waffen habe. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a WaffG sei der Erwerb und Besitz von Waffen von der Erlaubnispflicht freigestellt, sofern der entsprechende Umgang aufgrund eines Arbeitsverhältnisses auf Weisung eines Berechtigten erfolge. Zwar könne eine Waffenhandelserlaubnis mit einer Auflage versehen werden, nach der sich der Erlaubnisinhaber von der Zuverlässigkeit seiner Beschäftigten, die unmittelbaren Zugang zu Schusswaffen und Munition hätten, durch Vorlage eines Führungszeugnisses zu überzeugen hätte (Nr. 21.7.6 WaffVwV); eine solche Prüfung durch den Arbeitgeber erfolge aber unabhängig von dem Umstand, ob der Antragsteller Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis oder eines Jagdscheins sei. Der Umstand, dass der Besitz eines Jagdscheins laut Schreiben des Arbeitgebers des Antragstellers vom 3. Mai 2022 für die Einstellung des Antragstellers ein wichtiges Kriterium gewesen sei und dass Kunden erwarteten, dass Mitarbeiter über einen Jagdschein verfügten, habe hierauf keinen Einfluss. Auch der Umstand, dass der Antragsteller Jagdpächter sei und ohne Jagdschein keine Jagd mehr betreiben dürfe, habe auf die allein zu beurteilende Zuverlässigkeit keinen Einfluss, sondern sei Folge der aufgrund der erfolgten Beurteilung getroffenen Entscheidungen.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
22
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
23
1. Der Antrag ist im wohlverstandenen Interesse des anwaltlich vertretenen Antragstellers dahingehend auszulegen, dass dieser die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarten (Ziffer 1) sowie des sprengstoffrechtlichen Erlaubnisscheins (Ziffer 2) begehrt. Die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffer 1 ergibt sich bereits aus § 45 Abs. 5 Waffengesetz (WaffG). Danach hat die Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG keine aufschiebende Wirkung, sofern die Erlaubnis wegen des Nichtvorliegens oder Entfallens der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG widerrufen wird. Die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffer 2 resultiert aus § 34 Abs. 5 Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz - SprengG). Danach hat die Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach § 34 Abs. 2 Satz 1 WaffG keine aufschiebende Wirkung, sofern die Erlaubnis wegen des Nichtvorliegens oder Entfallens der Voraussetzungen nach § 8, 8a oder 8b SprengG widerrufen wird. Weiterhin begehrt der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Zwangsgeldandrohungen in den Ziffern 6 und 8. Gemäß Art. 21a Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (BayVwZVG) haben Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden.
24
Der Antragsteller begehrt unter Auslegung des Antrags außerdem die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Rückgabepflicht der Waffenbesitzkarten (Ziffer 4.1) und des sprengstoffrechtlichen Erlaubnisscheins (Ziffer 4.3) sowie der Verpflichtung zur Abgabe bzw. Unbrauchbarmachung sämtlicher Waffen und Munition (Ziffer 4.2). Hier wurde der Sofortvollzug gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO von der Behörde angeordnet.
25
Hinsichtlich der Ablehnung der Verlängerung des Jagdscheins (Ziffer 3) ist festzuhalten, dass hier in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage auf Verlängerung des Jagdscheins statthaft ist. Einstweiliger Rechtsschutz kann diesbezüglich nicht über § 80 Abs. 5 VwGO, sondern nur über § 123 Abs. 1 VwGO erreicht werden. Vorliegend wurde lediglich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid beantragt. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO wurde ausdrücklich nicht gestellt. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass der anwaltlich vertretene Antragsteller eine solche einstweilige Anordnung der Verlängerung des Jagdscheins (derzeit) nicht begehrt.
26
2. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.
27
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der vorliegende Antrag keinen Erfolg, da die Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 7. April 2022 bei summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg hat.
28
a. Ziffer 1 und 2 des Bescheides erweisen sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig.
29
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG und § 34 Abs. 2 SprengG sind die entsprechenden Erlaubnisse nach diesen Gesetzen zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Voraussetzung für die Erteilung einer waffensowie sprengstoffrechtlichen Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG i. V. m. § 5 WaffG und § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SprengG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG die erforderliche Zuverlässigkeit. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG und § 8a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SprengG besitzen Personen in der Regel die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, wenn sie wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt wurden und seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der Fünfjahresfrist ist der Erlass des Widerrufsbescheides, wenn ein Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt wurde (BVerwG, U.v. 13.12.1994 - 1 C 31/92 - NVwZ-RR 1995, 525).
30
aa. Die Voraussetzungen für das Vorliegen der Regelvermutung liegen hier vor.
31
Die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit aufgrund Verurteilung knüpft nicht an bestimmte Delikte an, sondern an das Vorliegen einer Vorsatztat und an die Art und Höhe der rechtkräftig verhängten Sanktion. Denn die Vermutungsregelung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG zielt nicht lediglich darauf ab, Straftaten vorzubeugen, bei denen Waffen eingesetzt werden könnten. Vielmehr geht die gesetzliche Regelung davon aus, dass die Begehung von Straftaten allein schon wegen der darin liegenden Missachtung der Rechtsordnung Schlüsse darauf zulässt, dass dem Betroffenen die Charakterfestigkeit fehlt, die beim Umgang mit Schusswaffen ständig zu fordern ist und somit Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass gerade im Hinblick auf die durch § 5 WaffG geschützten Zwecke in der Person des Betroffenen Defizite vorliegen (vgl. BayVGH, B.v.6.11.2000 - 21 B 98.11 - juris Rn. 21). Dies ergibt sich auch bereits aus einer systematischen Betrachtung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG, insbesondere aus einem Vergleich des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG mit § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG, der einen Zusammenhang mit Waffen voraussetzt und mit § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG, der sich auf eine Straftat nach dem Waffengesetz bezieht.
32
Gegen den Antragsteller wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 3. Januar 2022, rechtskräftig seit 20. Januar 2022, eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen wegen vorsätzlicher Umsatzsteuerhinterziehung in 23 Fällen verhängt. Der Antragsteller wurde folglich wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt. Für die Bewertung als Vorsatztat ist die strafrichterliche Würdigung im Strafbefehl maßgeblich (BayVGH, B.v. 28.6.2017 - 21 CS 17.196 - BeckRS 2017, 116472 Rn. 10). Dabei steht ein Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleich, soweit nicht rechtzeitig Einspruch erhoben wurde, § 410 Abs. 3 StPO. Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung ist das Vertrauen, dass der Antragsteller jederzeit und in jeder Hinsicht mit den Waffen ordnungsgemäß umgehen wird, nachhaltig erschüttert. Weiterhin waren auch bei Erlass des Widerrufsbescheides noch keine fünf Jahre seit Eintritt der Rechtskraft des Strafbefehls verstrichen.
33
bb. Die Regelzuverlässigkeitsvermutung kann in den Fällen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG und § 8a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SprengG in bestimmten Einzelfällen ausnahmsweise widerlegt werden. Die Frage, ob eine Ausnahme vom Regeltatbestand vorliegt, ist gerichtlich voll zu überprüfen. Entscheidend ist, ob die Waffenrechtsbehörde zu Recht von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit ausgegangen ist oder ein Ausnahmefall vorliegt (VG Bayreuth, U.v. 12.6.2007 - B 1 K 06.602 - BeckRS 2015, 41712). Bei Anlegung der in der Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts, dazu entwickelten Maßstäbe ist eine Ausnahme vom Regeltatbestand der Unzuverlässigkeit des Antragstellers in der vorliegenden Sache nicht gerechtfertigt.
34
Nach der bisherigen Rechtsprechung kommt eine Abweichung von der Vermutung nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (BVerwG, B.v. 21.7. 2008 - 3 B 12/08 - juris Rn. 5).
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Die Anwendung des gesetzlichen Ausnahmetatbestandes erfordert keine Prüfung der Behörde, ob der Betroffene tatsächlich eine Straftat begangen hat. Indem es eine rechtskräftige Verurteilung voraussetzt, will das Gesetz sichern, dass die behördliche Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit auf tragfähiger Grundlage erfolgt. Das gerichtliche Strafverfahren, in dem der Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und im Zweifel zugunsten des Betroffenen zu entscheiden ist, bietet dafür eine besondere Gewähr. Daraus folgt, dass sich die Behörde auch auf die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts stützen darf. Sie darf grundsätzlich von der Richtigkeit der Verurteilung ausgehen. Sinn und Zweck des Gesetzes ergeben danach, dass die Behörde allenfalls in Sonderfällen die strafgerichtlichen Feststellungen ihrer Entscheidung nicht oder nicht ohne weitere Ermittlungen zugrunde legen darf, etwa dann, wenn für sie ohne weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht oder wenn sie ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären. Die Behörde ist nicht verpflichtet, das Strafverfahren gewissermaßen zu wiederholen, wenn der Betroffene geltend macht, zu Unrecht verurteilt worden zu sein (BVerwG, B.v. 22.4.1992 - 1 B 61.92 - BeckRS 1992, 31227444). Die Behörde kann sich folglich auf die Prüfung beschränken, ob das die Verurteilung begründende Verhalten im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen die Annahme waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit rechtfertigt oder ob die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 WaffG aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise ausgeräumt ist (BayVGH, B.v. 5.7.2017 - 21 CS 17.856 - juris Rn. 10).
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Das gezeigte Verhalten kann keine Ausnahme vom Regelfall begründen.
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Anhaltspunkte dafür, dass sich die Verurteilung auf einen Irrtum gründet, wurden (derzeit) weder vorgetragen, noch sind solche für das Gericht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat keinen Anlass zu einer gegenteiligen Beurteilung. Ausweislich des rechtskräftigen Strafbefehls vom 3. Januar 2022 hat der Antragsteller im Zeitraum vom März 2019 bis Januar 2021 Umsatzsteuern in Höhe von insgesamt 16.625,00 EUR hinterzogen, indem er - auch nach der ausdrücklichen Belehrung über die strafrechtlichen Folgen der Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldung durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes … am 14. Juli 2020 - seine erzielten Umsätze im Rahmen des Betriebs der … sowie der Photovoltaikanlage gegenüber dem Finanzamt nicht (korrekt) angegeben hat. Es handelt sich vorliegend um einen typischen Fall der Steuerhinterziehung. Wer in dieser Form das Eigentum und Vermögen der Allgemeinheit schädigt, offenbart eine erhebliche Charakterschwäche, die ihn aus diesem Grund nicht zum Waffenbesitz geeignet erscheinen lassen. Er gibt durch sein Verhalten Anlass zu der Befürchtung, er könnte es auch als Waffenbesitzer an der nötigen Gewissenhaftigkeit fehlen lassen (vgl. so VG Augsburg, B.v. 26.1.2005 - Au 5 S 04.1601 - juris Rn. 30).
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Die Voraussetzungen, unter denen die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG als widerlegt anzusehen ist, sind im vorliegenden Fall auch unter dem Blickwinkel des Strafmaßes nicht gegeben. Eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen indiziert keine besonders geringe Schuld und deutet auch nicht ansonsten auf ein Bagatellgeschehen hin, so dass die Tat ausnahmsweise in einem milderen Licht erscheint und die nach der Wertung des Gesetzes in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der für den Waffenbesitz vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit nicht gerechtfertigt wären (vgl. so auch BayVGH, B.v. 6.11.2000 - 21 B 98.11 - juris Rn. 19). Der klägerische Einwand, bei einer Verteidigung im strafrechtlichen Verfahren wäre auch eine Einstellung nach § 153a StPO in Betracht gekommen, kann als rein hypothetischer Umstand vorliegend zu keinem anderen Ergebnis führen.
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Der Hinweis, der Antragsteller sei mit seinen steuerlichen Angelegenheiten für Zwecke der Umsatzsteuer überfordert gewesen und habe es versäumt, anwaltlichen Rat einzuholen und als es zur Betriebsprüfung und in der Folge zum Strafverfahren gekommen sei, habe er einfach auf die Richtigkeit der Feststellungen der Finanzbehörden vertraut, lässt außer Acht, dass die Verurteilung auf einer Vorsatztat beruht und die Behörde ebenso wie das Gericht regelmäßig von der Richtigkeit des Strafurteils ausgehen darf (vgl. BVerwG, B.v. 27.3.2007 - 6 B 108/06 - BeckRS 2007, 23309; BayVGH, B.v. 2.7.2014 - 21 ZB 14.1112 - juris Rn. 12). Zudem bestätigt dieses Eingeständnis die vom Waffenrecht vermutete Unzuverlässigkeit aufgrund charakterlicher Schwächen in der konkreten Form von Unzuverlässigkeit, die die Befürchtung stärkt, dass der Antragsteller auch im Umgang mit seinen Waffen die notwendige Gewissenhaftigkeit vermissen lässt.
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b. Gegen die Rechtmäßigkeit der in Ziffer 4 enthaltenen Anordnungen bestehen bei summarischer Prüfung ebenfalls keine Rechtmäßigkeitsbedenken. Bei der Anordnung der Rückgabepflicht waffenrechtlicher Erlaubnisse gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG in Ziffer 4.1 des Bescheides sowie des sprengstoffrechtlichen Erlaubnisscheins gemäß § 35 Abs. 2 SprengG i. V. m. Nr. 35.1. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Sprengstoffgesetz (SprengVwV) in Ziffer 4.3 und der Anordnung in Ziffer 4.2 des streitgegenständlichen Bescheides, dass sämtliche erlaubnispflichtige Waffen und Munition einem Berechtigten zu überlassen, diese unbrauchbar zu machen oder zur Vernichtung beim Landratsamt abzugeben sind, handelt es sich um Nebenentscheidungen zum Widerruf der waffen- bzw. sprengstoffrechtlichen Erlaubnis. Die Abgabeanordnungen sind geboten, um die Abgabepflichten nach dem kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Widerruf der waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse rechtlich durchzusetzen.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 4 in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheides genügt auch den (formalen) Anforderungen der §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Belange des Antragstellers überwiegen die öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung der Abgabepflichten in Ziffer 4 des Bescheides nicht. Das Interesse an einer sofortigen Vollziehbarkeit ist vorliegend durch das einschlägige materielle Recht bereichsspezifisch vorgeprägt. Gerade im Recht der Gefahrenabwehr, zu dem auch das Waffenrecht gehört, können sich die für den Erlass des Verwaltungsaktes und die sofortige Vollziehung maßgebenden Gründe decken. Angesichts des mit dem privaten Waffenbesitz verbundenen erheblichen Sicherheitsrisikos besteht ein überragendes Interesse der Allgemeinheit daran, dieses Risiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (BVerwG, U.v. 26.3.1996 - 1 C 12/95 - juris Rn. 25). Ist dieses Vertrauen nicht mehr gerechtfertigt, überwiegt das öffentliche Interesse, die Gefahr eines vorschriftswidrigen Umgangs mit Schusswaffen mit sofort wirksamen Mitteln zu unterbinden (vgl. so auch BayVGH, B.v. 15.8.2008 - 19 CS 08.1471 - juris Rn. 21 zur Sofortvollzugsanordnung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis nach alter Rechtslage). Denn bei der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit geht es darum, den weiteren Waffenbesitz von hierfür nicht hinreichend zuverlässigen Personen auch vor Bestandskraft der Abgabeanordnungen zu verhindern (BayVGH, B.v. 23.11.1998 - 21 ZS 98.2036 - Juris Rn. 5). Vor diesem Hintergrund begegnet die Begründung der Sofortvollzugsanordnung, die sich im Wesentlichen auf den Wegfall der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit stützt und das öffentliche Interesse betont, welches daran besteht, dass die Abgabe der Erlaubnisscheine sowie der im Besitz befindlichen Waffen in solchen Fällen ohne weitere Verzögerung erfolgt, keinen formellen Bedenken.
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c. Auch die Zwangsgeldandrohungen in den Ziffern 6 und 8 des Bescheides begegnen bei summarischer Prüfung keinen Rechtmäßigkeitsbedenken. Die Rechtsgrundlagen für die Androhung des Zwangsgeldes in Ziffer 6 und 8 des Bescheides ergeben sich aus Art. 19, 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Das Zwangsmittel ist angemessen und richtet sich nach dem Verhältnis der angeordneten Verpflichtung zur Notwendigkeit ihrer Vollstreckung im öffentlichen Interesse (Art. 29 Abs. 3, 31 VwZVG). Dieses öffentliche Interesse an der Vollstreckung ergibt sich daraus, zu verhindern, dass auf Grund der widerrufenen Erlaubnisse von einer unzuverlässigen Person Schusswaffen erworben werden und die tatsächliche Gewalt über diese ausgeübt wird. Das Zwangsgeld ist das mildeste Zwangsmittel und als solches geeignet und erforderlich, das mit ihm verfolgte Ziel zu erreichen. Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds bewegt sich im unteren Bereich des Rahmens, den Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG vorgibt und berücksichtigt das wirtschaftliche Interesse, das der Antragsteller an einem weiteren Besitz und künftigem Erwerb von Waffen oder Munition hat, Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG.
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3. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt.
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4. Die Höhe des Streitwertes richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 50.2 und 50.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57). Für den Widerruf der Waffenbesitzkarten des Klägers ist unabhängig von der Zahl der widerrufenen Waffenbesitzkarten der Auffangwert (5.000,00 EUR) anzusetzen, wobei hierin zugleich die erste eingetragene Waffe mit enthalten ist. Für jede weitere Waffe ist entsprechend Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs eine Erhöhung um 750,00 EUR vorzunehmen (vgl. VGH BW, B.v. 8.1.2020 - 1 S 2212/19 - juris Rn. 4). Dies führt für den Widerruf der Waffenbesitzkarten des Antragstellers zu einem Wert von 16.500,00 EUR. Für den Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis werden in entsprechender Anwendung der Nr. 50.3 des Streitwertkataloges 1.500,00 EUR angesetzt (vgl. BayVGH, B.v. 9.3.2020 - 24 ZB 16.663). Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der für das Hauptsacheverfahren anzunehmende Streitwert zu halbieren.