VG Würzburg, Urteil v. 30.08.2022 – W 1 K 22.751
Titel:

Zulassung zum ergänzenden Vorbereitungsdienst, beschränkt überprüfbare Prognoseentscheidung, hier: Anspruch auf beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung, da die Prognose auf einem unvollständigen und damit fehlerhaften Sachverhalt beruht, mangelnde Berücksichtigung der Verbesserung privater Probleme sowie anderweitiger, im Verhältnis besserer, schriftlicher Leistungen im Ausbildungszeitraum außerhalb der Qualifikationsprüfung, kein Verpflichtungsausspruch, da keine Ermessensreduzierung auf Null

Normenketten:
LlbG § 27 Abs. 5
FachV-J § 28
VwGO § 114
Schlagworte:
Zulassung zum ergänzenden Vorbereitungsdienst, beschränkt überprüfbare Prognoseentscheidung, hier: Anspruch auf beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung, da die Prognose auf einem unvollständigen und damit fehlerhaften Sachverhalt beruht, mangelnde Berücksichtigung der Verbesserung privater Probleme sowie anderweitiger, im Verhältnis besserer, schriftlicher Leistungen im Ausbildungszeitraum außerhalb der Qualifikationsprüfung, kein Verpflichtungsausspruch, da keine Ermessensreduzierung auf Null
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22879

Tenor

I.    Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Januar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2022 verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 4. Januar 2022, ihn zum Ergänzungsvorbereitungsdienst zuzulassen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.      
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 
II.    Von den Kosten des Verfahrens haben der Beklagte 3/4 und der Kläger 1/4 zu tragen. 
III.    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wurde am 3. Februar 2020 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum R. ernannt und gleichzeitig zum Vorbereitungsdienst in der Fachlaufbahn Justiz, fachlicher Schwerpunkt Vollzugs- und Verwaltungsdienst, mit Einstieg in der 2. Qualifikationsebene zugelassen. Der Kläger hat im November und Dezember 2021 an der Qualifikationsprüfung im vorgenannten fachlichen Schwerpunkt teilgenommen und dabei ein Gesamtergebnis von 3,44 Punkten (mangelhaft) erzielt. Im schriftlichen Teil der Qualifikationsprüfung erreichte der Kläger im Durchschnitt der 7 Klausuren 3,07 Punkte (mangelhaft). Die Leistungen in der mündlich-praktischen Prüfung wurden mit insgesamt 4,33 Punkten (befriedigend) bewertet. Mit Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 27. Dezember 2021, schriftlich bekannt gegeben am 31. Januar 2022, wurde dem Kläger daraufhin mitgeteilt, dass er die Qualifikationsprüfung gemäß § 24a Satz 1 der Verordnung über die Einrichtung fachlicher Schwerpunkte in der Justiz (FachV-J) nicht bestanden habe, da er in mehr als der Hälfte der schriftlichen Arbeiten schlechtere Einzelnoten als ausreichend erzielt habe, die Gesamtnote der schriftlichen Prüfung auf mangelhaft laute und die Prüfungsgesamtpunktezahl eine schlechtere Note als ausreichend ergebe. Mit der Aushändigung der Mitteilung schied der Kläger kraft Gesetzes aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf und aus dem Vorbereitungsdienst aus, § 27 Abs. 1 Nr. 2 FachV-J.
2
Am 4. Januar 2022 stellte der Kläger einen Antrag auf Teilnahme am Ergänzungsvorbereitungsdienst. Mit Schreiben vom 5. Januar 2022 sowie 12. Januar 2022 nahmen die JVA W. (als Ausbildungsanstalt) sowie die Bayerische Justizvollzugsakademie (als zentrale Ausbildungsstätte für die fachtheoretische Ausbildung) zu dem Antrag - jeweils ablehnend - Stellung. Am 18. Januar 2022 führte der Kläger zu seinem Antrag aus, dass insbesondere seine theoretische Ausbildung durch die Corona-Pandemie sehr in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Es habe zunächst nur Distanzunterricht stattgefunden und die fachtheoretische Ausbildung sei auch verkürzt worden. Ab der Fachtheorie II habe er sich aufgrund seiner Scheidung zudem in einer schwierigen privaten Situation befunden, sodass er seine privaten Probleme in der Ausbildung nicht richtig habe ausblenden können; er sei von seiner Frau psychischem Terror ausgesetzt gewesen. Seit dem 17. Januar 2022 seien die Streitigkeiten gerichtlich geklärt, sodass nur noch ein Termin zur endgültigen Scheidung wahrgenommen werden müsse. Dadurch könne er sich nun auf den Ergänzungsvorbereitungsdienst soweit vorbereiten, dass er diesen erfolgreich absolvieren könne.
3
Mit Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 26. Januar 2022 wurde der Antrag auf Zulassung zum Ergänzungsvorbereitungsdienst zurückgewiesen (Ziffer 1) und die sofortige Vollziehung der Verfügung im öffentlichen Interesse angeordnet (Ziffer 2). Nach § 28 Abs. 2 Satz 4 FachV-J könne die Zulassung zum Ergänzungsvorbereitungsdienst versagt werden, wenn die bisherigen Leistungen ein Bestehen der Wiederholungsprüfung nicht erwarten ließen, was beim Kläger der Fall sei. Er habe in der schriftlichen Qualifikationsprüfung lediglich 3,07 Gesamtpunkte und damit die Note mangelhaft erreicht, in 5 von 7 schriftlichen Arbeiten schlechtere Leistungen als ausreichend erbracht und das Gesamtergebnis sei mit 3,44 Punkten ebenfalls als mangelhaft bewertet worden. Soweit der Kläger auf die Corona-Krise Bezug nehme, sei dies bei der Erstellung der Prüfungsarbeiten berücksichtigt und nur der Stoff abgefragt worden, der in der Fachtheorie tatsächlich vermittelt worden sei. Die anderen Anwärter hätten unter den gleichen Bedingungen teilweise sehr anerkennenswerte Leistungen erzielt. Aus den Stellungnahmen der an der Ausbildung beteiligten Stellen sei zu entnehmen, dass der Kläger erhebliche Probleme beim Lesen und in der Anwendung von Gesetzestexten habe, was sich insbesondere bei den schriftlichen Arbeiten zeige. Trotz intensiver Vorbereitung und einem überdurchschnittlichen Maß an Anleitung und Unterstützung habe er das Gelernte nicht umsetzen können. Die Defizite seien so gravierend, dass das Erreichen eines ausreichenden Leistungsniveaus nicht zu erwarten sei. Zudem habe der Kläger während seines Dienstes seine schwierige private Situation nicht ausblenden können. Eine Besserung dieser Konflikte sei nicht abzusehen. Die an der Ausbildung beteiligten Stellen seien übereinstimmend der Auffassung, dass nicht zu erwarten sei, dass der Kläger die Qualifikationsprüfung nach einem Ergänzungsvorbereitungsdienst bestehen werde. Dieser Einschätzung hat sich das Staatsministerium angeschlossen und auf die ausgeprägten Probleme beim Verstehen und Anwenden von Gesetzestexten verwiesen, die zu den außerordentlich schwachen Leistungen geführt hätten und nicht die Erschwernisse der Corona-Krise, und aufgrund derer nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger die in seiner Person angelegten Hindernisse während eines Ergänzungsvorbereitungsdienstes ausreichend werde ausgleichen können.
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Am 24. Februar 2022 ließ der Kläger Widerspruch einlegen. Der Prognose des Beklagten sei ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt worden. Das Prüfungsziel sei nur knapp verfehlt worden (0,06 Punkte), was nach der Rechtsprechung für eine positive Prognose spreche. Hinzu kämen falsche Grundannahmen über angebliche Defizite im Lesen und der Anwendung von Gesetzestexten. Der Kläger habe in der Ausbildung immer wieder darauf hingewiesen, dass die Vermittlung von Wissen aufgrund der coronabedingten Einschränkungen nicht ausreichend sei. Diese Einschränkungen würden im Rahmen des Ergänzungsvorbereitungsdienstes wegfallen. Auch die schwierige persönliche Situation mit dem laufenden Scheidungsverfahren habe sich zwischenzeitlich gebessert. Der Kläger werde gegen die Prüfungsleistungen an sich vorgehen, was ggf. zu einer anderen Betrachtung führen werde.
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Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 28. März 2022 zurückgewiesen. Die Einwendungen könnten die bisherige Einschätzung nicht erschüttern, insbesondere sei dem Bescheid kein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt worden. Die Qualifikationsprüfung sei nicht nur knapp nicht bestanden worden. Denn die Mindestanforderungen für das Bestehen der Prüfung seien aus drei unterschiedlichen, eigenständig tragenden Gründen nicht erfüllt worden (Gesamtergebnis, schriftliche Prüfung sowie Hälftigkeitsregel). Die angenommenen erheblichen Probleme des Klägers beim Lesen und in der Anwendung von Gesetzestexten basierten auf der übereinstimmenden und nachvollziehbaren Einschätzung des örtlichen Ausbildungsleiters sowie der Bayerischen Justizvollzugsakademie. Der Kläger setze der Prognose des Dienstherrn lediglich ohne weiteren Sachvortrag seine eigene Einschätzung entgegen.
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Hiergegen hat der Kläger am 28. April 2022 Klage erheben lassen. Es wurde auf die Widerspruchsbegründung verwiesen, insbesondere darauf, dass beim Fehlen von lediglich 0,06 Punkten von äußerst schwachen Leistungen nicht die Rede sein könne, vielmehr sei von einer positiven Bestehensprognose auszugehen. Es habe einer ausführlichen Begründung bedurft, warum der Kläger trotz persönlicher Schwierigkeiten infolge einer Scheidung, wegen derer er in psychologischer Behandlung gewesen sei und seine volle Leistungsfähigkeit nicht habe abrufen können, die jedoch nunmehr abgelegt seien, und des knappen Ergebnisses nicht in der Lage sein solle, die notwendigen Zehntelpunkte im Wiederholungsversuch zu erreichen. Aus den Ausbildungsbeurteilungen des Klägers gingen vielmehr überdurchschnittliche Leistungen hervor. Überdies sei dem Kläger kurz vor der Prüfung aufgrund einer angeblichen Quarantäneanordnung die Teilnahme am Unterricht versagt worden.
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Der Kläger beantragt,
Der Bescheid des Beklagten vom 26. Januar 2022 in der Fassung der Widerspruchsentscheidung vom 28. März 2022 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger für den Ergänzungsvorbereitungsdienst im Bereich Vollzugs- und Verwaltungsdienst zuzulassen,
hilfsweise wird der Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
8
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz beantragt für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
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Die Nichtzulassung zum Ergänzungsvorbereitungsdienst gründe im Wesentlichen darauf, dass die schriftlichen Leistungen während der Ausbildung und in der Prüfung nicht erwarten ließen, dass der Kläger im Wiederholungsfalle den schriftlichen Teil der Qualifikationsprüfung bestehen werde. Seine praktischen Leistungen, wie sie etwa aus den Äußerungen zum Ausbildungsstand hervorgingen, könnten diese Einschätzung nicht beeinflussen. Sie seien vielmehr für das vorliegende Verfahren unerheblich, da sie keinerlei Prognose dahingehend ermöglichten, dass der Kläger im Wiederholungsfall den schriftlichen Teil der Qualifikationsprüfung bestehen werde. Der Kläger habe sich entgegen seiner Behauptung zu keinem Zeitpunkt in psychologischer Behandlung bei dem Dozenten für das Fach Psychologie befunden. Zwar habe der Kläger Herrn P. im Oktober 2021 in seiner Sprechstunde aufgesucht; dieser behandle jedoch nicht psychotherapeutisch. Im Falle eines derartigen Behandlungsbedarfs hätte dieser dem Kläger angeraten, sich an einen approbierten Psychotherapeuten zu wenden. Es entspreche auch nicht den Tatsachen, dass dem Kläger kurz vor der Prüfung aufgrund einer Quarantäneanordnung die Teilnahme am Unterricht versagt worden sei. Tatsächlich habe der Kläger am 22. Februar 2021, mithin ca. ein dreiviertel Jahr vor dem schriftlichen Teil der Qualifikationsprüfung, angezeigt, dass er sich in Quarantäne befinde. Im letzten Abschnitt der fachtheoretischen Ausbildung ab dem 13. September 2021 bis zum Beginn der schriftlichen Prüfung habe der Kläger lediglich an einem Tag gefehlt. Im Übrigen wurde auf die Begründung des Widerspruchsbescheides verwiesen. Ergänzend wurde mitgeteilt, dass die Einstellung für die Fachlaufbahn Justiz, fachlicher Schwerpunkt Vollzugs- und Verwaltungsdienst, in der 2. Qualifikationsebene in einem 2-jährigen Rhythmus stattfinde, sodass ein etwaiger Ergänzungsvorbereitungsdienst des Klägers im Rahmen der Ausbildung des Einstellungsjahrgangs 2022 ableisten sei. Der Beginn des schriftlichen Teils der Qualifikationsprüfung und damit der nächste ordentliche Prüfungstermin sei ab dem 23. Oktober 2023 geplant.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist teilweise - im Hinblick auf den Hilfsantrag - begründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass über seinen Antrag, ihn zum Ergänzungsvorbereitungsdienst zuzulassen, unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2022 und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden wird, §§ 113 Abs. 5 Satz 2, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Hingegen ist die Klage hinsichtlich des Hauptantrages, den Kläger für den Ergänzungsvorbereitungsdienst zuzulassen, unbegründet, da die Sache insoweit nicht spruchreif ist, mithin keine Reduzierung des bestehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraums auf Null gegeben ist.
I.
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Der Kläger hat nach Art. 27 Abs. 5 Leistungslaufbahngesetz (LlbG) einen Anspruch auf Neuverbescheidung seines Begehrens auf Zulassung zum Ergänzungsvorbereitungsdienst, da die mit Bescheid vom 26.01.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2022 getroffene Entscheidung den Anspruch des Klägers auf eine beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht erfüllt.
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Gemäß Art. 27 Abs. 5 LlbG sowie der inhaltlich gleichen Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 4 der Verordnung über fachliche Schwerpunkte in der Fachlaufbahn Justiz (FachV-J) kann die für die Ernennung zuständige Behörde auf Antrag Beamte beim erstmaligen Nichtbestehen der Qualifikationsprüfung zu einem ergänzenden Vorbereitungsdienst zulassen, wenn die bisherigen Leistungen erwarten lassen, dass die Beamten die Wiederholungsprüfung bestehen werden.
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Bei der danach anzustellenden Prognose hinsichtlich des Bestehens der Wiederholungsprüfung besteht ein weiter, gerichtlich nur eingeschränkt zu kontrollierender Beurteilungsspielraum der zuständigen Ernennungsbehörde (vgl. BayVGH, B.v. 8.3.1993 - 3 CE 93.00620 - juris; Hüllmantel/Eck/Hoffmeyer/Luber/Weißgerber, Leistungslaufbahngesetz, Rn. 28 zu Art. 27 m.w.N.; ebenso Keck/Puchta, Bayerisches Laufbahnrecht, Kommentar, Rn. 19 zur inhaltsgleichen Vorgängernorm § 19 LbV). Dieser Akt wertender Erkenntnis obliegt allein dem Dienstherrn, der die zahlreichen Anforderungen der konkreten Laufbahn im Interesse des öffentlichen Dienstes bestimmt (vgl. VG Ansbach, U.v. 17.09.2017 - AN 1 E 17.01855 - juris m.w.N.).
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Die Entscheidung des Dienstherrn, einen Beamten nicht gemäß Art. 27 Abs. 5 LlbG bzw. § 28 Abs. 2 Satz 4 FachV-J zum ergänzenden Vorbereitungsdienst zuzulassen, ist daher verwaltungsgerichtlich nur daraufhin zu überprüfen, ob der gesetzliche Begriff der „Erwartung“ und die gesetzlichen Grenzen der Beurteilungsermächtigung verkannt worden sind, ob der Prognose ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (VG Ansbach, B.v. 11.9.2015 - AN 1 E 15.01439 - juris; Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, Art. 27 LlbG Rn. 35; vgl. zu den inhaltsgleichen Vorgängernormen § 22 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 19 Abs. 5 LbV; VG Ansbach, B.v. 26.2.2004 - AN 1 E 04.00192 - juris; BayVGH, B.v. 8.3.1993 - 3 CE 93.00620 - juris; Hüllmantel/Eck/Hoffmeyer/Luber/Weißgerber, Leistungslaufbahnbahngesetz, a.a.O.).
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Als Grundlage für die zu treffende Prognose können sowohl die in der (nicht bestandenen) Prüfung erzielten Noten als auch die während des Vorbereitungsdienstes erstellten Ausbildungszeugnisse bzw. -nachweise herangezogen werden. Wenn bei der Qualifikationsprüfung ein für das Bestehen der Prüfung ausreichendes Ergebnis nur knapp verfehlt wurde, spricht dies für eine positive Prognose (so: VG München, U.v. 16.2.2016 - M 5 K 15.925 - juris; Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, Art. 27 LlbG Rn. 35).
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Dies zugrunde gelegt wurde der Anspruch des Klägers auf eine beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung betreffend seinen Antrag auf Zulassung zum Ergänzungsvorbereitungsdienst vom 04.01.2022 bislang nicht erfüllt (vgl. hierzu unter 2. und 3.). Hingegen ergibt sich die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Beklagten nicht bereits aus den nachfolgenden Gesichtspunkten unter 1.
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1. Der Kläger hat entgegen seinem Vortrag die Qualifikationsprüfung nicht nur ganz knapp nicht bestanden, da insoweit nicht lediglich die Gesamtnote von 3,44 Punkten (Bestehensgrenze gemäß §§ 10 Abs. 2 Satz 2, 24a Satz 1 Nr. 1 FachV-J: 3,50 Punkte) in den Blick zu nehmen ist, sondern zugleich auch, dass der Kläger die beiden weiteren eigenständig tragenden Nichtbestehensgründe nach § 24a Nrn. 2 und 3 FachV-J ebenfalls erfüllt hat, indem er in mehr als der Hälfte der schriftlichen Arbeiten der Qualifikationsprüfung (5 von 7) schlechtere Einzelnoten als ausreichend erzielt hat und die Gesamtnote für die schriftliche Prüfung mit 3,07 Punkten ebenfalls merklich schlechter als ausreichend ausgefallen ist. Auch stehen der getroffenen negativen Leistungsprognose nicht die dem Kläger erteilten - vielfach mit der Note gut abschließenden - Äußerungen zum Ausbildungsstand entgegen, da darin bereits nach dem klaren Wortlaut der Beurteilungsvordrucke allein die praktischen Leistungen des Klägers bewertet wurden, die nicht Gegenstand der streitigen Prognose sind, was hier vor dem Hintergrund dessen rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die Prognose - mit Blick auf § 24a Satz 1 Nrn. 2 und 3 FachV-J - in zulässiger Weise lediglich die schriftlichen Leistungen berücksichtigt. Überdies kann der Kläger der negativen Prognose nicht entgegenhalten, dass die Annahme falsch sei, er habe Defizite beim Lesen und der Anwendung von Gesetzestexten. Vielmehr sei die Vermittlung von Wissen aufgrund der coronabedingten Einschränkungen nicht ausreichend gewesen. Insoweit hat der Beklagte zwar Einschränkungen während der Ausbildung infolge der während der Pandemie geltenden rechtlichen Regelungen konzediert, jedoch letztlich überzeugend und unwidersprochen erklärt, dass dies bei der Erstellung der Prüfungsarbeiten berücksichtigt und nur der Stoff abgefragt worden sei, der in der Fachtheorie auch tatsächlich vermittelt worden sei. Zum anderen wurde gleichfalls überzeugend auf die Stellungnahmen der mit der Ausbildung des Klägers maßgeblich betrauten Stellen (JVA W. sowie Bayerische Justizvollzugsakademie) verwiesen, die übereinstimmend dargelegt haben, dass beim Kläger erhebliche Probleme beim Erfassen und Anwenden von Rechtsvorschriften bestehen. Die dortigen Darlegungen hat der Kläger lediglich pauschal und nicht mit substantiierten Argumenten infrage gestellt und damit lediglich seine eigene Prognose in unzulässiger Weise an die des hierzu berufenen Dienstherrn gesetzt. Schließlich hat der Kläger auch nicht zur Überzeugung der Kammer darlegen können, dass ihm aufgrund einer Quarantäneanordnung kurz vor der Qualifikationsprüfung die Teilnahme am Unterricht versagt worden ist. Denn laut einer Bescheinigung des Gesundheitsamtes B. befand sich der Kläger bereits vom 15.02.2021 bis 25.02.2021 in häuslicher Quarantäne. Aus der vorgelegten Fehltageübersicht ergibt sich in diesem Zeitraum eine 4-tägige Dienstbefreiung, während im Zeitraum der fachtheoretischen Ausbildung III ab dem 13.09.2021 bis zum Beginn der schriftlichen Prüfung am 02.11.2021 lediglich ein Abwesenheitstag infolge Urlaubs zu verzeichnen ist. Ein zeitlich kurzer, 4-tägiger krankheitsbedingter Ausfall mehr als 8 Monate vor der schriftlichen Prüfung vermag jedoch das schlechte Abschneiden des Klägers in der schriftlichen Prüfung nicht objektiv nachvollziehbar zu erklären, da der seinerzeit versäumte Unterrichtsstoff ohne weiteres bis zur Prüfung hätte nachgearbeitet werden können.
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2. Der Anspruch des Klägers auf beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Zulassung zum ergänzenden Vorbereitungsdienst wurde jedoch dadurch verletzt, dass der Prognoseentscheidung ein unrichtiger, da unvollständiger Sachverhalt zugrunde gelegt wurde, indem der Beklagte bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat, dass sich die während eines erheblichen Zeitraums der Ausbildung bestehenden und für den Kläger sehr belastenden Probleme infolge der Trennung von seiner Ehefrau, die er nicht richtig habe ausblenden können, seit einer Regelung durch das Amtsgericht Bamberg am 17.01.2022 soweit geklärt haben, dass er sich nunmehr auf den Ergänzungsvorbereitungsdienst soweit vorbereiten könne, dass er diesen mit Erfolg absolvieren könne, wie er im Rahmen seiner Anhörung vom 18.01.2022 glaubhaft vorgetragen hat.
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Diese schriftlichen Angaben hat der Kläger auf Befragen in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bestätigt und näher erläutert. Insbesondere hat er erläutert, dass es insbesondere zu Auseinandersetzungen wegen des Umgangs mit den Kindern gekommen sei und diese Probleme auch noch kurz vor der Qualifikationsprüfung bestanden hätten, sodass er auch den Schulpsychologen aufgesucht habe. Auch wenn der Beklagte mit Schriftsatz vom 08.08.2022 nachvollziehbar dargelegt hat, dass der Kläger bei dem Dozenten für Psychologie Herrn P. nicht in psychologischer bzw. psychotherapeutischer Behandlung gewesen sei, so hat Herr P. mit Stellungnahme vom 05.08.2022 gleichwohl bestätigt, dass der Kläger ihn im Oktober 2021 und damit kurz vor der schriftlichen Qualifikationsprüfung in seiner Sprechstunde aufgesucht hat. Die Kammer geht davon aus, dass insoweit ein erheblicher Leidensdruck beim Kläger bestanden haben muss, um sich mit persönlichen Problemen an das Lehrpersonal der Ausbildungseinrichtung zu wenden. Der Beklagte hat das Bestehen der vom Kläger beschriebenen privaten Probleme während maßgeblicher Zeiträume der Ausbildung auch nicht bestritten, sondern vielmehr konzediert. Greifbar werden die negativen Auswirkungen der Trennungsprobleme auf die Ausbildung zusätzlich auch anhand von Hinweisen der Ausbildungsstellen in den Äußerungen zum Ausbildungsstand vom 11.01.2021 (Blatt 33 der Behördenakte Teilakte VIII) sowie vom 25.06.2021 (Blatt 43 der Teilakte VIII), wonach die Aufmerksamkeit und Konzentration des Klägers mitunter beeinträchtigt gewesen sei, da die persönlichen Belange des Anwärters zunehmend in den Vordergrund gerückt seien. Für die Kammer gleichfalls glaubhaft und nachvollziehbar hat der Kläger bereits am 18.01.2022 schriftsätzlich sowie ergänzend in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass in einem Termin vor dem Amtsgericht Bamberg am 17.01.2022 wesentliche Streitpunkte hinsichtlich des Umgangs mit den Kindern sowie der Wohnung geregelt worden seien; die finanziellen Fragen seien geklärt worden und die Regelungen funktionierten gut. Auch diese vorgetragene maßgebliche Verbesserung der privaten Probleme und Belastungen hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt.
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Diese tatsächlichen Umstände und Entwicklungen zugrundegelegt ist die Kammer bei lebensnaher Betrachtung davon überzeugt, dass das außergewöhnliche, den Kläger über erhebliche Zeiträume seiner Ausbildung unter Einschluss des Prüfungszeitraums persönlich stark belastende Ereignis der konfliktträchtigen Trennung von seiner Ehefrau geeignet war, sich negativ auf den Ausbildungsverlauf auszuwirken, insbesondere die Konzentration auf die Prüfungsvorbereitung sowie die erfolgreiche Ablegung der Qualifikationsprüfung in erheblichem Maße zu beeinträchtigen. Jedenfalls ist die beeinträchtigte psychische Verfassung des Klägers während maßgeblicher Zeiträume der Ausbildung ein besonderer Umstand in der Person des Klägers, der eine wesentliche Ursache für das Scheitern in der Qualifikationsprüfung gewesen ist bzw. jedenfalls gewesen sein kann. Denn ein Prüfungsergebnis kann insbesondere dann schlecht ausfallen, wenn ein Prüfling - wie hier der Kläger - aufgrund erheblicher persönlicher Probleme nicht in der Lage ist, sich voll auf die Vorbereitung und Ablegung einer Prüfung zu konzentrieren (auch wenn daneben noch anderweitige Probleme existieren). Darüber hinaus steht für die Kammer fest, dass sich die trennungsbedingten persönlichen Belastungen des Klägers durch den Gerichtstermin beim Amtsgericht Bamberg am 17.01.2022 in erheblichem Umfang reduziert haben, indem dort insbesondere die konfliktbehaftete Umgangsfrage sowie finanzielle Fragen geklärt werden konnten und diese Regelungen in der Folge auch gut funktionierten. Im Umkehrschluss zu vorstehenden Ausführungen drängt sich bei realitätsnaher Betrachtung auf, dass die Bereinigung privater Trennungsprobleme realistischerweise dazu führt, dass der Kläger sich von da an wieder voll auf seine Ausbildung und die Ablegung der Prüfung konzentrieren kann mit der ebenfalls realistischen Chance der Erzielung besserer Noten, sodass es sich insoweit um einen für die Prognose des Bestehens der Wiederholungsprüfung relevanten und erheblichen Belang handelt (vgl. zu einer ähnlichen die Gesundheit betreffenden Konstellation: BayVGH, B.v. 8.3.1993 - 3 C 93.00620 - juris Rn. 19).
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Unter Berücksichtigung des Gebots zur Beachtung aller für das Bestehen der Wiederholungsprüfung relevanten Umstände (vgl. BayVGH, B.v. 8.3.1993 - 3 C 93. 00620 - juris Rn. 18) waren somit sowohl die Beeinträchtigung des Klägers durch die Trennung von der Ehefrau sowie insbesondere auch der Umstand der maßgeblichen Verbesserung dieser Probleme infolge der gerichtlichen Klärung trennungsbedingter Fragen als wesentliche Umstände in die Bestehensprognose miteinzustellen. Letzteres war hier unabhängig von der Frage nach dem im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Zeitpunkt (vgl. dazu: Schoch/Schneider, VwGO, § 113 Rn. 268 m.w.N.) in der Prognose des Beklagten zu berücksichtigen, da sich die entscheidende Veränderung bereits mit der Entscheidung des Amtsgerichts Bamberg am 17.01.2022 ergeben hat und damit noch vor Erlass des Ausgangsbescheides am 26.01.2022. Die vorgenannte positive Veränderung der tatsächlichen Umstände hat jedoch tatsächlich keinen Eingang in die Leistungsprognose des Dienstherrn gefunden. Vielmehr wurde sowohl im Ausgangsbescheid (Seite 4) als auch im Widerspruchsbescheid (Seite 5) - unter Bezugnahme auf die zeitlich vor der Anhörung des Klägers eingeholte und nach dessen Vorbringen vom 18.01.2022 nicht mehr aktualisierte Stellungnahme der JVA W. - insoweit allein erklärt, dass der Kläger „während seines Dienstes seine schwierige private Situation nicht habe ausblenden können und eine Besserung der Konflikte im privaten Bereich nicht abzusehen sei“. Dies entspricht jedoch - wie ausgeführt - nicht den realen Gegebenheiten, sodass die Bestehensprognose auf einem nicht korrekten Sachverhalt beruht. Durch die Nichtberücksichtigung der Verbesserung der privaten Situation hat der Beklagte seine Prognose auf eine unvollständige tatsächliche Grundlage gestellt. Bei Berücksichtigung dieses Umstands wäre entsprechend vorstehender Ausführungen auch eine positive Entscheidung durchaus möglich gewesen.
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Der Beklagte kann dem schließlich auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass es dem Kläger freigestanden hätte, im Rahmen der schriftlichen Qualifikationsprüfung seine Verhinderung aus gesundheitlichen Gründen nach § 20 FachV-J geltend zu machen. Denn bei einem krankheitsbedingten Prüfungsversagen ist zwischen der angestrebten Aufhebung der Prüfungsentscheidung und dem Begehren, zur Prüfungswiederholung und zum ergänzenden Vorbereitungsdienst zugelassen zu werden, zu unterscheiden. Während im erstgenannten Fall aus Gründen der Chancengleichheit in der Prüfungsordnung strikte Fristen und zwingende Nachweise vor Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses festgelegt sind, bestehen keine rechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit, bei der Prognose über das Bestehen der Wiederholungsprüfung die gesundheitliche Beeinträchtigung als wesentlichen Faktor für das Bestehen bzw. Nichtbestehen der Prüfung zu berücksichtigen (so ausdrücklich: BayVGH, B.v. 08.03.1993 - 3 C 93. 00620 - juris Rn. 20).
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3. Darüber hinaus wurde der Anspruch des Klägers auf beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Zulassung zum Ergänzungsvorbereitungsdienst auch aus dem Grunde nicht rechtmäßig erfüllt, als der Beklagte der Leistungsprognose insoweit einen unrichtigen, da unvollständigen Sachverhalt zugrundegelegt hat, indem er die Ergebnisse der vom Kläger während seiner Ausbildung außerhalb der Qualifikationsprüfung geschriebenen Klausuren nicht berücksichtigt hat, insbesondere die Leistungsnachweise aus der fachtheoretischen Ausbildung II und III, wie sie dem Kläger mit Zeugnis der Bayerischen Justizvollzugsakademie vom 29.10.2021 - mit insgesamt 4,50 Gesamtnotenpunkten - bescheinigt wurden (vgl. Blatt 52 der Behördenakte Teilakt VIII). Vielmehr hat der Beklagte in seine Prognose ausschließlich auf das Abschneiden in der (schriftlichen) Qualifikationsprüfung abgestellt.
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Gemäß Art. 27 Abs. 5 LlbG, § 28 Abs. 2 Satz 4 FachV-J sind Grundlage für die anzustellende Leistungsprognose die „bisherigen Leistungen“. Der klare Wortlaut der streitentscheidenden Norm lässt nach Überzeugung der Kammer keinen Zweifel daran, dass für die Leistungsprognose sämtliche bislang in der Ausbildung gezeigten Leistungen zu berücksichtigen sind (so i.E. auch: BayVGH, B.v. 8.3.1993 - 3 CE 93.00620 - juris; VG Ansbach, B.v. 12.9.2017 - AN 1E 17.01855 - juris; VG München, U.v. 16.2.2016 - M 5 K 15.925 - juris; Weiß/Niedermaier/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 27 LlbG, Rn. 35), im vorliegenden Falle mit spezifischem Blick auf § 24a Nrn. 2 und 3 FachV-J jedenfalls alle bisherigen - schriftlichen - Leistungen. Allerdings besteht im Rahmen der Gewichtung der bisher gezeigten Leistungen ebenfalls ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum, etwa dahingehend, ob der Dienstherr die anzustellende Prognose auf das arithmetische Mittel aller bisher erbrachten Leistungen stützt oder aber stärker auf die im zweiten Teil der Ausbildung gezeigten Leistungen einschließlich der nicht bestandenen Anstellungsprüfung. Eine starke Gewichtung des Prüfungsergebnisses stellt jedenfalls eine durchaus vertretbare Vorgehensweise dar (so: BayVGH, B.v. 8.3.1993 - 3 C 93.00620 - juris Rn. 17).
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Dies zugrunde gelegt ist zwar eine starke, jedoch keine ausschließliche Gewichtung des Ergebnisses der abschließenden Qualifikationsprüfung zulässig. Vielmehr sind die zuvor während der Ausbildungszeit gezeigten Leistungen, hier schriftlicher Art, ebenfalls in die Leistungsprognose miteinzustellen, was nach Überzeugung der Kammer im Hinblick auf die mit Zeugnis der Bayerischen Justizvollzugsakademie vom 29.10.2021 dokumentierten Klausurnoten nicht erfolgt ist. Denn im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid finden diese schriftlichen Klausurnoten keinerlei Erwähnung; vielmehr wird in den streitgegenständlichen Bescheiden lediglich in vielfacher Weise auf das negative Abschneiden in der Qualifikationsprüfung abgestellt.
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Eine andere diesbezügliche Einschätzung ergibt sich auch nicht aus der Formulierung auf Seite 5 des Widerspruchsbescheides, wo nach Bezugnahme auf die Stellungnahmen der Ausbildungsstellen ausgeführt wird, dass diese „auf einer Einschätzung des Anwärters in der Rückschau auf die gesamte Ausbildungsdauer sowie auf das unzureichende Ergebnis der Qualifikationsprüfung gründeten“. Dieser äußerst pauschal und floskelhaft gebliebene Hinweis ist bereits deshalb nicht geeignet, eine ausreichende Berücksichtigung der anderweitigen schriftlichen Klausurleistungen darzustellen, da auch in den erwähnten Stellungnahmen, die ebenfalls mit einer negativen Prognose enden, nicht auf die vorgenannten Leistungen des Klägers konkret eingegangen wurde, was jedoch gerade vor dem Hintergrund zwingend erforderlich gewesen wäre, dass die in dem Zeugnis vom 29.10.2021 festgesetzte Gesamtnote zum Bestehen der schriftlichen Qualifikationsprüfung ausgereicht hätte, § 24a Nr. 3 FachV-J.
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Darüber hinaus wurden die Erwägungen des Dienstherrn zur Ausfüllung seines Beurteilungs- und Ermessensspielraums auch im Nachgang zu den streitgegenständlichen Bescheiden nicht in rechtlich zulässiger Weise nach § 114 Satz 2 VwGO (analog) ergänzt, insbesondere nicht, indem im Schreiben des Beklagten vom 30.05.2022 äußerst knapp und pauschal darauf hingewiesen wurde, dass sich die Nichtzulassung im Wesentlichen darauf stütze, dass „die schriftlichen Leistungen des damaligen Anwärters während der Ausbildung und in der Prüfung nicht erwarten ließen, dass er im Wiederholungsfalle den schriftlichen Teil der Qualifikationsprüfung bestehen werde“. Dasselbe gilt für das Vorbringen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung, der dort sinngemäß erklärt hat, dass man sich auf die Klausuren während der Ausbildungszeit gut vorbereiten könne, indem man sich mit den in früheren Jahrgängen geschriebenen Klausuren beschäftige, da es sich dabei in der Regel nicht um neue Klausuren handele.
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Eine rechtmäßige Ergänzung nach § 114 Satz 2 VwGO (analog) schlägt zum einen bereits deshalb fehl, da die erforderliche Form der Nachbesserung nicht eingehalten wurde, wobei insofern zur Wahrung der Rechtsverteidigung strenge Anforderungen zu stellen sind. Es bedarf im gerichtlichen Verfahren insbesondere einer klar erkennbaren Trennung zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt der behördlichen Entscheidung betreffen, und Ausführungen, mit denen die Behörde lediglich als Verfahrensbeteiligte ihre Entscheidung verteidigt (prozessuales Verteidigungsvorbringen) (vgl. etwa: Schoch/Schneider, VwGO, § 114 Rn. 267; BeckOK, VwGO, § 114 Rn. 43). Aus dem erwähnten Vorbringen in der mündlichen Verhandlung sowie im Schriftsatz vom 30.05.2022 geht in keiner Weise hervor, dass damit die dem streitgegenständlichen Bescheid zugrundeliegende Prognoseentscheidung inhaltlich ergänzt werden sollte. Es handelt sich mangels jeglicher anderweitiger Hinweise vielmehr ersichtlich lediglich um prozessuales Verteidigungsvorbringen. Überdies ist es inhaltlich mit § 114 Satz 2 VwGO unvereinbar, wenn durch das Nachschieben der angefochtene Verwaltungsakt in seinem Wesen geändert wird, was beim Nachschieben wesentlicher bzw. tragender Erwägungen zur Begründung von Ermessensentscheidungen regelmäßig anzunehmen ist (vgl. BeckOK, VwGO, § 114 Rn. 43 m.w.N.; Schoch/Schneider, VwGO, § 114 Rn. 262 ff. m.w.N.). Letzteres ist hier jedoch der Fall, da außerhalb von Ausgangs- und Widerspruchsbescheid erstmals ein ganz erheblicher Teil der „bisherigen Leistungen“ in Form der schriftlichen Leistungen außerhalb der Qualifikationsprüfung, für die sogar ein gesondertes Zeugnis ausgestellt wurde, sowie deren geringere Wertigkeit gegenüber der Qualifikationsprüfung in die Prognose eingeführt wurde. Beiden im Nachgang zu den angegriffenen Bescheiden getroffenen o.g. Gesichtspunkten fehlt es schließlich maßgeblich an der erforderlichen Substanz. Denn auch im Rahmen des § 114 Satz 2 VwGO muss eine ergänzende Begründung ebenso wie in Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG substantiiert, schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. dazu: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39 Rn. 25 m.w.N.). Die vorgenannten Aussagen sind hier hingegen in hohem Maße unsubstantiiert und oberflächlich geblieben. Sie gehen über pauschale Behauptungen nicht hinaus und treffen etwa auch keine Aussage zu einer konkreten Gewichtung der Ergebnisse der Klausuren außerhalb Qualifikationsprüfung, was angesichts der erzielten 4,50 Gesamtnotenpunkte im Zeugnis vom 29.10.2021 vonnöten gewesen wäre.
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Bei den im Rahmen der Ausbildung des Klägers außerhalb der Qualifikationsprüfung erzielten schriftlichen Leistungen handelt es sich auch um einen in der Sache bedeutsamen und damit in die anzustellende Prognose einzubeziehenden Belang, da bei Berücksichtigung der vorgenannten Leistungen - auch unter Beachtung eines bestehenden Beurteilungsspielraums des Dienstherrn hinsichtlich der Gewichtung bestimmter schriftlicher Leistungen - eine positive Bestehensprognose für die Wiederholung der Qualifikationsprüfung durchaus möglich wäre. Denn in der fachtheoretischen Ausbildung II und III hat der Kläger in insgesamt 12 Klausuren 4,50 Gesamtnotenpunkte erreicht (bei alleiniger Betrachtung der Noten aus der Fachtheorie III, die in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Qualifikationsprüfung stattgefunden hat, sogar 4,66 Punkte), sodass er unter deren Zugrundelegung in einer Wiederholung der Qualifikationsprüfung nicht an § 24a Satz 1 Nr. 3 FachV-J und auch nicht an der Hälftigkeitsregel des § 24a Satz 1 Nr. 2 FachV-J gescheitert wäre (4 von 12 Klausuren negativ). Aber auch bei Bildung eines arithmetischen Mittels aus sämtlichen schriftlichen Leistungsnachweisen aus der Fachtheorie II, III, der Qualifikationsprüfung sowie dreier Praktikumsklausuren während der praktischen Ausbildung III (vgl. Blatt 46-48 der Behördenakte Teilakt VIII) ergibt sich bei insgesamt 22 Klausuren noch eine Durchschnittsgesamtpunktezahl von 3,88 Punkten und damit ebenfalls noch die für das Bestehen der schriftlichen Prüfung erforderliche Notenstufe ausreichend (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 FachV-J). Auch bei dieser Betrachtung würde die Hälftigkeitsregel nicht verletzt, da vom Kläger in (nur) 10 von 22 Klausuren eine schlechtere Note als ausreichend erzielt wurde. Nur ergänzend sei angemerkt, dass der Dienstherr jedenfalls vor der Qualifikationsprüfung offensichtlich von einer positiven Prognose hinsichtlich des Ausbildungsziels ausgegangen ist, da der Kläger vom Leiter der Justizvollzugsakademie zur Prüfung vorgeschlagen wurde, vgl. § 19 Abs. 1 FachV-J.
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Aus den Ausführungen zu 2. und 3. folgt, dass der Kläger einen Anspruch darauf hat, dass über seinen Antrag, ihn zum Ergänzungsvorbereitungsdienst zuzulassen, unter Beachtung der vorstehenden Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden wird. Dem stehen hier auch nicht §§ 28 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 FachV-J entgegen, wonach die Wiederholung der Qualifikationsprüfung nur im nächsten ordentlichen Prüfungstermin möglich ist und zur Prüfung nur zugelassen werden kann, wer zuvor einen Ergänzungsvorbereitungsdienst von mindestens 6 Monaten abgeleistet hat, da der nächste ordentliche Prüfungstermin nach Mitteilung des Beklagten erst ab dem 23.10.2023 stattfinden wird.
II.
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Hinsichtlich des Hauptantrages war die Klage mangels Spruchreife hingegen abzuweisen, da der Kläger keinen gebundenen Anspruch auf die Verpflichtung des Beklagten zur Zulassung zum Ergänzungsvorbereitungsdienst hat. Eine nur im Ausnahmefall gegebene Reduzierung des bestehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraums auf Null ist für die Kammer vorliegend nicht erkennbar. Denn es erscheint nicht gänzlich ausgeschlossen, dass der Beklagte auch bei korrekter Beachtung des vollständigen Sachverhalts (Verbesserung der persönlichen Situation des Klägers sowie zum Bestehen der Prüfung ausreichender schriftlicher Leistungen vor der Qualifikationsprüfung) weiterhin zu einer negativen Prognose hinsichtlich des Bestehens der Wiederholungsprüfung gelangt.
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Nach alledem war aufgrund des teilweisen Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten wie tenoriert zu entscheiden und die Kosten des Verfahrens entsprechend dem Gewicht dieser Anteile nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO verhältnismäßig zu teilen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 VwGO.