VGH München, Beschluss v. 04.08.2022 – 6 ZB 22.17
Titel:

Vesetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit

Normenketten:
BBG § 44 Abs. 1 S. 1, S. 3, Abs. 2 S. 1, § 47 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Leitsätze:
1. Ist ein Beamter bei seiner Beschäftigungsbehörde auf keinem einzigen seinem Statusamt entsprechenden Arbeitsposten mehr einsetzbar, weil er bei seiner Beschäftigungsbehörde aus gesundheitlich Gründen generell nicht mehr verwendet werden kann, ist er zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig und damit dienstunfähig. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dass beide ärztlichen Gutachter zu dem Ergebnis "dienstfähig" gekommen sind, steht der Annahme der Dienstunfähigkeit im Rechtssinn nicht entgegen, da der Arzt den Gesundheitszustand des Beamten feststellen und medizinisch bewerten muss; die Schlussfolgerungen hieraus für die Beurteilung der Dienstfähigkeit zu ziehen, ist  dagegen Aufgabe der Behörde und ggf des Gerichts. (Rn. 5 und 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine vom Beamten geltend gemachte Möglichkeit, Dienstleistungen im Home-Office erbringen zu können, ist unerheblich, wenn die Dienstfähigkeit des Beamten bereits daran scheitert, dass der Beamte bei seiner Beschäftigungsbehörde generell nicht mehr eingesetzt werden kann. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand zu prüfende anderweitige Verwendung in ein anderes Amt, auch einer anderen Laufbahn, erfasst nur den horizontalen Wechsel in eine inhaltlich nicht verwandte Laufbahn; ein Aufstieg in die nächsthöhere Laufbahn soll mit einem solchen Wechsel nicht ermöglicht werden, da der Gesetzgeber auf die Voraussetzungen für einen vertikalen Laufbahnwechsel zugunsten des Grundsatzes "Rehabilitation vor Versorgung" nicht verzichten wollte. ( (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bundesbeamtenrecht, Versetzung in den Ruhestand, Dienstunfähigkeit, Anderweitige Verwendbarkeit, Homeoffice, Grundsatz „Weiterverwendung vor Versorgung“, Entfernung zum Dienstort, Suchpflicht, Anordnungen zur Dienstunfähigkeitsuntersuchung, anderweitige Verwendung, vertikaler Laufbahnwechsel, horizontaler Laufbahnwechsel
Vorinstanz:
VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 02.12.2021 – RO 1 K 21.600
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22289

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 2. Dezember 2021 - RO 1 K 21.600 - wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 32.235,00 € festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 2. Dezember 2022 zuzulassen (§ 84 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 1 VwGO), bleibt ohne Erfolg. Der innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO allein geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Der 1971 geborene Kläger, ein Beamter im Statusamt eines Posthauptschaffners (Besoldungsgruppe A 4Z), wendet sich gegen seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit. Er ist seit Februar 2001 schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Laut Bescheid des Versorgungsamts vom 16. Januar 2003 liegt bei ihm unter anderem eine „stärker behindernde seelische Störung“ vor. Der Kläger war zuletzt beim Postnachfolgeunternehmen D1. P. AG als Zusteller im Zustellstützpunkt W. beschäftigt und hat seit Juli 2011 keinen Dienst mehr geleistet. Im Juli 2014 wurde beim Kläger durch den Betriebsarzt Dr. S. eine „anhaltende depressive Störung (F33.1)“ diagnostiziert. Seine bisherige Tätigkeit könne er nicht mehr ausüben. Daraufhin versetzte die Beklagte den Kläger wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Laut Urteilsbegründung ist die Beklagte ihrer Pflicht zur Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den Kläger nicht genügend nachgekommen. Die von der Beklagten veranlassten erneuten Begutachtungen durch den Betriebsarzt Dr. S. kamen - jeweils nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K.-R. (Gutachten vom 25.11.2018 und 8.7.2019) - zu dem Ergebnis, der Kläger sei dienstfähig (Gutachten Dr. S. vom 14.12.2018 und 31.7.2019). Als Diagnose wurde zuletzt unter anderem „F 32.9 seelische Störung, derzeit in Remission“ angeben. Um die Remission nicht zu gefährden, solle der Kläger nicht im Konzern D P DHL eingesetzt werden. Ein Einsatz bei einer anderen Behörde sei möglich. Zudem solle der Dienstort innerhalb von ca. 30 km zum Wohnort liegen. Daraufhin versetzte die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 24. Februar 2020 (erneut) gemäß § 47 Abs. 2 BBG wegen dauernder Dienstunfähigkeit (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BBG) in den Ruhestand. Widerspruch und Klage hiergegen begründete der Kläger im Wesentlichen damit, er sei bei einer Beschäftigung außerhalb der D2. P. AG weiterhin dienstfähig. Die Möglichkeiten einer anderweitigen Verwendung - außerhalb der D2. P. AG - seien nicht ausgeschöpft worden. Den auf seinen Widerspruch hin erfolgten erneuten Anordnungen der Beklagten zur Dienstunfähigkeitsuntersuchung leistete der Kläger keine Folge. Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2021 zurück. Die Klage hat das Gericht mit Gerichtsbescheid vom 2. Dezember 2021 mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei dienstunfähig im Sinn des § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG. Ein Bundesbeamter, der nur an seinem Wohnort oder in Wohnortnähe in einer Entfernung von ca. 30 km beschäftigt werden könne, sei nicht dienstfähig. Die rechtliche Bewertung des Sachverhalts durch den Betriebsarzt sei insoweit nicht relevant. Von einem anderweitigen ärztlichen Ergebnis sei nicht auszugehen, weil der Kläger sich beharrlich geweigert habe, sich erneut ärztlich untersuchen zu lassen. Die Beklagte habe ihrer Suchpflicht nach einer anderweitigen Verwendung des Klägers (§ 44 Abs. 1 Satz 3 BBG) genügt.
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2. Die gegen den Gerichtsbescheid vorgebrachten Einwände rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
4
a) Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG ist ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist (§ 44 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 bis 4 BBG). Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist nicht das von dem Beamten zuletzt wahrgenommene Amt im konkret-funktionellen Sinn (Dienstposten), sondern das Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Es umfasst alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf denen der Beamte amtsangemessen beschäftigt werden kann. Daher setzt Dienstunfähigkeit voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist (vgl. BVerwG, U.v. 5.6.2014 - 2 C 22.13 - juris Rn. 14 f.; U.v. 16.11.2017 - 2 A 5.16 - juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 2.7.2018 - 6 ZB 18.163 - juris Rn. 5, B.v. 2.9.2019 - 6 ZB 19.623 - juris Rn. 5). Bei der Dienstunfähigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten Nachprüfung der Verwaltungsgerichte unterliegt. Für die Feststellung der gesundheitsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Beamten kommt dem Dienstherrn kein der Kontrollbefugnis der Gerichte entzogener Beurteilungsspielraum zu (BVerwG, U.v. 19.3.2015 - 2 C 37.13 - juris Rn. 10).
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Die Versetzung eines Beamten in den vorzeitigen Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit setzt die Feststellung seiner krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen voraus. Diese Beurteilungsvorgänge erfordern in aller Regel besondere medizinische Sachkenntnis, über die nur ein Arzt verfügt. Den Gesundheitszustand des Beamten feststellen und medizinisch bewerten muss der Arzt, die Schlussfolgerungen hieraus für die Beurteilung der Dienstfähigkeit zu ziehen ist dagegen Aufgabe der Behörde und ggf. des Gerichts. Der Arzt wird lediglich als sachverständiger Helfer tätig, um den zuständigen Stellen diejenige Fachkenntnis zu vermitteln, die für deren Entscheidung erforderlich ist. Ein im Zurruhesetzungsverfahren verwendetes (amts-) ärztliches Gutachten darf sich daher nicht darauf beschränken, nur ein Untersuchungsergebnis mitzuteilen. Es muss auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe enthalten, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über die Zurruhesetzung erforderlich ist (BVerwG, U.v. 31.8.2017 - 2 A 6.15 - juris Rn. 63). Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde, darstellen als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, seinen dienstlichen Anforderungen weiter zu genügen (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 - 2 C 37.13 - juris Rn. 12 m.w.N.). Wie detailliert eine amtsärztliche Stellungnahme danach jeweils sein muss, kann allerdings nicht abstrakt beantwortet werden, sondern richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls (BayVGH, U.v. 25.1.2013 - 6 B 12.2062 - juris Rn. 21 m.w.N.; B.v. 2.7.2018 - 6 ZB 18.163 - juris Rn. 6; B.v. 27.11.2018 - 6 ZB 18.2115 - juris Rn. 5).
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Die Dienstunfähigkeit des Beamten ist dabei zwar eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Voraussetzung für die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand (BVerwG, U.v. 5.6.2014 - 2 C 22.13 - juris Rn. 12). Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG wird nicht in den Ruhestand versetzt, wer anderweitig verwendbar ist. Die insoweit in Betracht kommenden Möglichkeiten einer anderweitigen Verwendung in einem anderen Amt, auch in einer anderen Laufbahn und auch mit geringerem Endgrundgehalt, oder der Übertragung einer geringerwertigen Tätigkeit sind in § 44 Abs. 2 bis 4 BBG geregelt. Damit hat der Gesetzgeber dem Dienstherrn die Verpflichtung auferlegt, für dienstunfähige Beamte nach anderweitigen, ihnen gesundheitlich möglichen und zumutbaren Verwendungen zu suchen (BVerwG, U.v. 26.3.2009 - 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 Rn. 25 ff. zu § 42 Abs. 3 BBG a.F.). Erst wenn feststeht, dass der in seiner Beschäftigungsbehörde dienstunfähige Beamte auch nicht anderweitig von seinem Dienstherrn eingesetzt werden kann, darf er wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe gesetzt werden. Ohne gesetzliche Suchpflicht könnte die Verwaltung über die Geltung des Grundsatzes „Weiterverwendung vor Versorgung“ nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit entscheiden und autonom festlegen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Kriterien sie sich um eine anderweitige Verwendung bemüht. Das wäre mit Wortlaut und Zweck des Gesetzes unvereinbar (BVerwG, U.v. 26.3.2009 - 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 Rn. 25 ff.; U.v. 19.3.2015 - 2 C 37/13 - juris Rn. 15; U.v. 16.11.2017 - 2 A 5/16 - juris Rn. 32).
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b) Gemessen an diesem Maßstab, der entsprechend für die bei den Postnachfolgeunternehmen beschäftigten Beamte gilt (§ 2 Abs. 2 Satz 2 PostPersRG), ist das Verwaltungsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Dienstherr im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung - also bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 3. Mai 2021 - beim Kläger eine Dienstunfähigkeit nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG annehmen durfte und seiner Suchpflicht nach § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG genügt hat (vgl. BVerwG, U.v. 5.6.2014 - 2 C 22.13 - juris Rn. 10 m.w.N.).
8
Das im Auftrag des Betriebsarztes der Beklagten Dr. S erstattete Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K.-R. vom 8. Juli 2019 sowie das u.a. auf dieser Grundlage erstellte Gutachten des Betriebsmediziners Dr. S. vom 31. Juli 2019 kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der Kläger dienstfähig ist, aber nicht mehr beim Konzern D P DHL eingesetzt werden solle. Ein Einsatz bei einer „anderen Behörde“ sei möglich (Gutachten Dr. S). bzw. notwendig (Gutachten Dr. K.-R.). Zudem solle der Dienstort nicht weiter als 30 km vom Wohnort entfernt liegen. Diesen Feststellungen hat der Kläger nichts Stichhaltiges entgegengesetzt, sondern hat sich selbst durchgehend darauf berufen, dass er (nur) außerhalb der D2. P. AG dienstfähig sei. Er hat mithin seine Dienstunfähigkeit nie bestritten, sondern gegen seine Versetzung in den Ruhestand lediglich eingewendet, dass er außerhalb der D2. P. AG weiterhin eingesetzt werden könne und müsse. Ist aber ein Beamter - wie hier der Kläger - bei seiner Beschäftigungsbehörde - hier der D2. P. AG - auf keinem einzigem seinem Statusamt entsprechenden Arbeitsposten mehr einsetzbar, weil er bei seiner Beschäftigungsbehörde aus gesundheitlich Gründen generell nicht mehr verwendet werden kann, ist er zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig und damit (schon deshalb) dienstunfähig im Sinn des § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG. Dass der Kläger darüber hinaus nur am Wohnort bzw. in Wohnortnähe (im Umkreis von 30 km um den Wohnort) eingesetzt werden kann, kommt (nur) noch erschwerend hinzu. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, ist die Frage, welche Konsequenz aus den gutachterlich festgestellten - und vom Kläger auch nicht in Zweifel gezogenen - Leistungseinschränkungen zu ziehen ist, eine rechtliche und keine medizinische Frage, die mithin von der Behörde bzw. dem Gericht zu entscheiden ist. Dass beide Gutachter zu dem Ergebnis gekommen sind, dass der Kläger „dienstfähig“ sei, steht der Annahme der Dienstunfähigkeit im Rechtssinn mithin nicht entgegen.
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Mit seinen gegen den Gerichtsbescheid erhobenen Einwendungen kann der Kläger nicht durchdringen.
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aa) Die Argumentation des Klägers, die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, ein Bundesbeamter sei bereits dann dienstunfähig, wenn er nicht bundesweit einsetzbar sei, widerspreche der Intention des Gesetzes, die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit möglichst zu vermeiden, überzeugt nicht. Der damit wohl geltend gemachte Verstoß gegen den in der Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG zum Ausdruck kommenden Grundsatz „Weiterverwendung vor Versorgung“ liegt nicht vor. Denn das Gericht hat es nicht bei der Feststellung bewenden lassen, dass der Kläger dienstunfähig ist (vgl. UA Seite 27 unter 3.2), sondern hat darüber hinaus geprüft, ob die Beklagte ihrer Suchpflicht nach § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG nachgekommen ist, und dies bejaht (vgl. UA Seite 33 ff. unter 4.). Es hat also keineswegs den Schluss gezogen, dass ein Bundesbeamter, der nur noch am Wohnort oder in Wohnortnähe - auf einem objektiv gar nicht vorhandenen Dienstposten (vgl. BayVGH, B.v. 27.9.2017 - 14 CE 17.1638 - Rn. 7; B.v. 2.9.2019 - 6 ZB 19.623 - juris Rn. 8) - beschäftigt werden kann, per se wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen wäre. Es hat lediglich festgestellt, dass in einem solchen Fall von Dienstunfähigkeit als notwendige, aber eben nicht hinreichende Voraussetzung für die Versetzung in den Ruhestand ausgehen sei (UA, Seite 33 unter 4.).
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Auch auf die sinngemäß aufgeworfene Frage, ob die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vor dem Hintergrund der vom Kläger behaupteten erweiterten Möglichkeiten, Dienstleistungen im Home-Office zu erbringen, aufrechterhalten werden kann, kommt es nicht entscheidungserheblich an. Denn die Dienstfähigkeit des Klägers scheitert - wie oben ausgeführt - bereits daran, dass der Kläger bei seiner Beschäftigungsbehörde generell nicht mehr eingesetzt werden kann.
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bb) Soweit der Kläger einwendet, es habe keinen Anlass für weitere Anordnungen zur Dienstunfähigkeitsuntersuchung gegeben und er habe sich keinesfalls geweigert, sich untersuchen zu lassen, hat er schon nicht dargelegt, inwieweit sich diese Einwendung auf das Ergebnis der Entscheidung auswirken soll (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2018 - 6 ZB 17.2521 - juris Rn. 4 m.w.N.). Zwar hegt auch der Senat Zweifel daran, ob die auf den Widerspruch des Klägers hin erfolgten erneuten Begutachtungsanordnungen überhaupt erforderlich waren. Denn neue Tatsachen, die Zweifel an der von der Beklagten angenommenen Dienstunfähigkeit begründen und Anlass für eine erneute ärztliche Untersuchung geben könnten, sind im Widerspruchsverfahren weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Seinen Widerspruch hat der Kläger lediglich mit einem Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG begründet. Dass gesundheitliche Gründe einer Beschäftigung innerhalb der D2. P. AG nicht (mehr) entgegenstünden, hat er hingegen nicht einmal selbst behauptet, sondern lediglich vorgetragen, dass er bei einer Beschäftigung außerhalb der D2. P. AG dienstfähig sei. Ob die erneuten Untersuchungsanordnungen rechtmäßig waren und die Verweigerung der Untersuchung zum Nachteil des Klägers gewertet werden durfte (vgl. BVerwG, B.v. 26.5.2014 - 2 B 69.12 - juris Rn. 14), kann aber dahingestellt bleiben. Denn der Kläger hat nicht einmal ansatzweise dargelegt, aus welchen Gründen die Beklagte angesichts der hier vorliegenden besonderen Umstände auf der Grundlage der bereits eingeholten ärztlichen Gutachten nicht auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung (3.5.2021) noch von der bereits festgestellten Dienstunfähigkeit ausgehen dürfen soll. Der Kläger war seit 2011 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Bereits im Juli 2014 wurde bei ihm eine depressive Störung diagnostiziert. Vor allem aber hat der Kläger bereits seit Juli 2011 keinen Dienst mehr bei der Beklagten geleistet und seine von der Beklagten angenommene Arbeitsunfähigkeit - die durch die in den Akten enthaltenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Nervenarztes Dr. R. für den Zeitraum vom 16. April 2018 bis 23. September 2019, vom 18. November 2019 bis 13. Januar 2020 und vom 16. November 2020 bis 29. März 2021 auch belegt ist - nie bestritten. Auch aus dem Umstand, dass in dem betriebsärztlichen Gutachten vom 31. Juli 2019 die Frage, ob Aussicht auf die Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate bestehe, zunächst bejaht wurde, folgt insoweit nichts anderes. Denn der Betriebsarzt hat mit Schreiben vom 4. Oktober 2019 klargestellt, dass sich die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit (allein) auf einen Einsatz außerhalb der D2. P. AG bezieht.
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cc) Auch mit dem Einwand, die Beklagte hätte sich bei der Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den Kläger nicht auf Ämter der einfachen Laufbahn beschränken dürfen, sondern hätte sich auch um Ämter der mittleren Laufbahn kombiniert mit einer Qualifizierungsmaßnahme bemühen müssen, kann der Kläger nicht durchdringen. Denn die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger den Zugang zur Laufbahn des mittleren Dienstes zu öffnen. Gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 BBG ist zwar eine anderweitige Verwendung möglich, wenn ein anderes Amt, auch einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Die Beamtin oder der Beamte, die oder der nicht die Befähigung für eine andere Laufbahn besitzt, ist dabei verpflichtet, an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen (§ 44 Abs. 5 BBG). Von einer anderen Laubahngruppe ist in diesen Bestimmungen nicht die Rede. Von § 44 Abs. 2, Abs. 5 BBG erfasst ist daher nur der - horizontale - Wechsel in eine inhaltlich nicht verwandte Laufbahn. Ein Aufstieg in die nächsthöhere Laufbahn soll mit einem solchen Wechsel aber nicht ermöglicht werden, da nicht zugrunde gelegt werden kann, dass der Gesetzgeber auf die Voraussetzungen für einen vertikalen Laufbahnwechsel deswegen verzichten wollte, weil er dem Gesichtspunkt der Rehabilitation auch insoweit absoluten Vorrang hätte einräumen wollen (OVG NW, B.v. 21.7.2003 - 1 B 413/03 - juris Rn. 18 zu § 44 Abs. 3 BBG a.F.; Hebeler in Battis, BBG, § 44, 6. Aufl. 2022 Rn. 18). Aber selbst wenn eine Pflicht der Beklagten bestünde, vor einer Zurruhesetzung auch einen sog. vertikalen Laufbahnwechsel zu prüfen, wäre die Versetzung in den Ruhestand hier nicht rechtswidrig. Denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass die für die Laufbahn des mittleren Dienstes erforderliche Qualifizierungsmaßnahme (vgl. § 44 Abs. 5 BBG) am Wohnort oder zumindest in Wohnortnähe des Klägers nicht möglich ist und die anderweitige Verwendung des Klägers im mittleren Dienst mithin schon daran scheitert.
14
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
15
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 GKG i.V.m. Nr. 10.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Die Summe der dem Kläger als Beamten der Besoldungsgruppe A 4 für das Kalenderjahr 2022 (§ 52 Abs. 6 Satz 2, § 40 GKG) nach Maßgabe des zum Zeitpunkt der Antragstellung (4. Januar 2022) bereits bekanntgemachten (vgl. BT-Drs. 17/11471, S. 246; Dörndorfer in Binz/Dorndörfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl. 2021, GKG § 52 Rn. 12) Besoldungsrechts für Beamte der Postnachfolgeunternehmen zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen und ohne vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängige Bezügebestandteile (§ 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 GKG) beläuft sich unter Zugrundelegung der Erfahrungsstufe 8 auf 32.235,00 € (für Januar bis März 2022 jeweils 2.608,54 € Grundgehalt zuzüglich 41,80 € Amtszulage, für April bis Dezember 2022 jeweils 2.655,67 € Grundgehalt zuzüglich 42,55 € Amtszulage, vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 BBesG i.V.m. Anlage IV Nr. 1, Anlage IX Ziffer 129 zum BBesG in der Fassung vom 9.7.2021, BGBl. I 2021, 2449 ff.; Bekanntmachung vom 14.7.2021, BGBl. I 2021, 3378 ff.). Die den bei der D2. P. AG beschäftigten Beamten mit Dienstbezügen nach § 1 Satz 1 und 2 PostSZV zu zahlenden monatlichen Sonderzahlungen hat der Senat nicht streitwerterhöhend angesetzt (§ 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG, § 5 Abs. 1 Nr. 3 BeamtVG; vgl. auch BayVGH, B.v. 10.9.2018 - 3 C 18.877 - juris Rn. 2 zur jährlichen Sonderzahlung nach Art. 18 ff. BayBesG).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 84 Abs. 3 Halbs. 1, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).