VGH München, Beschluss v. 31.08.2022 – 22 AS 22.40052
Titel:

Heranrücken eines Strommastes an ein Hotel

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3
EnWG § 43e, § 43f
GG Art. 14
Leitsätze:
1. Ganz entfernte Möglichkeiten eines Schadenseintritts führen nicht zu einer Rechtsbeeinträchtigung, die bereits bei der Entscheidung nach § 43f Abs. 1 EnWG zu berücksichtigen wäre. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Von einer Anlage geht eine gebäudegleiche Wirkung aus, wenn die bauliche Anlage so beschaffen ist oder so benutzt wird, dass sie die Belichtung, Besonnung und Belüftung von Gebäuden nachteilig beeinflusst oder Beeinträchtigungen des Wohnfriedens hervorrufen kann oder im Hinblick auf den Brandschutz problematisch ist und Beeinträchtigungen in einer Weise und in einem Ausmaß zu erwarten sind, die mit den von Gebäuden ausgehenden Wirkungen vergleichbar sind. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Entscheidung nach § 43f EnWG, Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, Interessenabwägung, Heranrücken eines Strommastes an einen Gewerbebetrieb, optisch bedrängende Wirkung, Umsturzgefahr, Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, existenzbedrohender Umsatzrückgang
Fundstellen:
BayVBl 2023, 454
BeckRS 2022, 22259
LSK 2022, 22259

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Im Zusammenhang mit der geplanten Errichtung der JVA M. zeigte die Beigeladene mit Schreiben vom 21. Juni 2021 den Ersatzneubau von zwei Masten als Kabelübergangsmasten und eine Zwischenverkabelung mittels Erdkabel an. Die beiden bestehenden Tragmasten Nr. 31 und 32 sollten durch Kabelübergangsmasten ersetzt werden und der dazwischenliegende Trassenabschnitt mittels einer Zwischenverkabelung um die JVA herumgeführt werden. Die Höhe der Bestandmasten beträgt 38,3 m (Nr. 31) bzw. 34, 3 m (Nr. 32). Im Zuge des Ersatzneubaus werden die Masten um 7,8% bzw. 8,8% (jeweils 3 m) erhöht. Der neue Mast Nr. 31 wird in unmittelbarer Nähe der Grundstücksgrenze des Grundstücks der Antragstellerin errichtet.
2
Die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 UVPG vorzunehmende standortbezogene Vorprüfung ergab, dass keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht (S. 551 der Behördenakten). Eine denkmalpflegerische Betroffenheit für die Kompensationsfläche wurde nicht festgestellt (S. 547 der Behördenakten). Von Seiten der Stadt M., der Sachgebiete Wasserrecht und Naturschutz wurden keine Einwände gegen das Vorhaben erhoben.
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Mit Bescheid vom 3. August 2021 stellte die Regierung von Oberfranken fest, dass für das Vorhaben der Beigeladenen kein energiewirtschaftliches Planfeststellungsverfahren nach § 43f EnWG durchgeführt wird (Ziffer 1., Negativattest). Eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehe nicht. Öffentliche Belange und zwingend zu beachtende Rechtsvorschriften stünden der geplanten Änderung nicht entgegen. Belange anderer seien durch die Änderung insbesondere durch die Änderung der Leitungsführung samt neuem Maststandort nicht berührt. Die privatrechtliche Zustimmung in Form von Dienstbarkeiten oder Einverständniserklärungen liege vor. Im Hinblick darauf, dass die beantragten Ersatzneubauten ersichtlich keine negativen Auswirkungen auf öffentliche oder private Belange mit sich brächten und die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens keine zusätzlichen, entscheidungserheblichen Erkenntnisse erwarten lasse, halte es die Planfeststellungsbehörde für geboten, die beantragte Änderung der Leitung im Anzeigeverfahren nach § 43f EnWG zuzulassen.
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Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2022 erhob die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 3. August 2021 und beantragte, den Freistellungsbescheid aufzuheben und ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen (22 A 22.40045). Durch den Standort des neuen Mastes seien die Auswirkungen für das Hotel der Antragstellerin existenzvernichtend. Die Vermarktung werde unmöglich gemacht. Laut Auskunft der ausführenden Bauarbeiter würden die Masten noch mit Trafokästen ergänzt. Diese Kästen würden dauerhaft Brumm- und Knackgeräusche verursachen. Der Mast sei nur 5 m vom Grundstück der Antragstellerin entfernt. Durch die Lage werde die Reklame „Hotel“, die von der Autobahn aus sichtbar sei, erheblich beeinträchtigt. Bei einem Abknicken des Strommasts bestehe die Gefahr, dass die Fluchttreppe abgeschnitten und/oder das Hotelgebäude erheblich geschädigt werde. Bei der Erteilung der Genehmigungsfreistellung lägen Abwägungsdefizite vor, weil die Antragstellerin nicht angehört worden sei und somit die Eingriffe in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie das Eigentum bei der Wahl des Standorts nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Es liege daher ein Ermessensfehler vor.
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Die Beigeladene erwiderte mit Schriftsatz vom 8. August 2022, dass der neue Mast Nr. 31 nicht mehr auf dem Grundstück Fl.Nr. 55* stehe, sondern in gleichbleibender Trasse auf das Grundstück Fl.Nr. 57* verschoben werde, das im Eigentum der Stadt M. stehe. Der neue Mast sei nur 3 m höher als der alte und liege nun 35,46 m näher am Hotel der Antragstellerin. Der Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 57* habe der Verschiebung des Maststandortes zugestimmt und eine Dienstbarkeit bewilligt. Das Grundstück der Antragstellerin sei von der Verkabelung und dem Mast nicht direkt betroffen. Die Traverse des Mastes rage nicht über die Grundstücksgrenze hinaus. Es bestehe eine Dienstbarkeit zur Sicherung der Freileitung auf dem Grundstück der Antragstellerin Fl.Nr. 57*/1. Die Antragstellerin sei aufgrund der bestehenden Dienstbarkeit zur Duldung der Leitung verpflichtet. Die Dienstbarkeit sei nicht statisch, vielmehr könne der Inhalt der dinglichen Belastung zu Lasten des Eigentümers wachsen. Die Antragstellerin sei auch keiner stärkeren Geräuschbelastung ausgesetzt. Es würden lediglich Kabelendverschlüsse eingebaut, die aber geräuschlos seien. Bei Erdkabelleitungen träten keine Schallemissionen auf. Durch den Betrieb von 110-kV-Freileitungen entstünden auch keine Koronageräusche von wesentlichem Belang, bei Erdkabeln träten keine Koronageräusche auf. Der neue Mast sei nach den neuesten Normen gebaut, es bestehe keine Gefahr eines wetterbedingten Umsturzes. Die Verlegung des bisherigen Mastes beruhe auf einem möglichen Sabotageakt in der JVA, um einen Ausbruch zu ermöglichen. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege nicht vor. Insbesondere spreche die Errichtung des Hotels nicht für eine solche Ermessensreduzierung. Die Antragstellerin habe ihr Grundstück in Kenntnis der beabsichtigten Baumaßnahme gekauft. Ihr habe auch klar sein müssen, dass die Erdverkabelung nur den Bereich der JVA betreffen würde.
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Der Antragsgegner äußerte sich mit Schriftsatz vom 17. August 2022. Er verwies darauf, dass der neue Mast keine optisch bedrängende Wirkung habe. Es handle sich um einen Stahlgittermast, dessen untere Traverse nicht breiter sei als die mittlere (jeweils 7,50 m in jede Richtung) und damit im Normalbereich liege. Das Grundstück der Antragstellerin sei bereits durch den Bestandsmast vorbelastet und liege in einem Gewerbegebiet, das an ein Industriegebiet grenze. Es sei nicht nachvollziehbar, inwieweit durch das Näherrücken eines Strommastes die Existenz des Hotelbetriebes der Antragstellerin gefährdet sei. Es handle sich schließlich um kein Hotel mit einer besonderen Aussicht. Abwägungsdefizite lägen nicht vor. Da Belange der Antragstellerin nicht betroffen seien, habe auch keine Entscheidung getroffen werden müssen, welchen Belangen der Vorrang eingeräumt werde.
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Mit Bescheid vom 8. August 2022 ordnete die Regierung von Oberfranken die sofortige Vollziehung der Ziffer 1. des Bescheids vom 3. August 2021 an. Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO könne die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse angeordnet werden. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung liege vor, da es ohne eine alsbaldige Fertigstellung der Arbeiten insbesondere während der Wintermonate zu Versorgungsausfällen kommen könne. Derzeit sei die 110-kV-Versorgungsleitung lediglich provisorisch an die beiden neuerrichteten Masten montiert. Von den beiden Leiterseilsystemen sei derzeit nur eines vorhanden. Das zweite System sei bereits von der Vorhabenträgerin entfernt worden, um den technischen Aufwand einer erneuten Armaturenmontage an den neuen Masten zu vermeiden. Da die Zwischenverkabelung bis Ende September 2022 abgeschlossen werden könne, sei die provisorische Leitungsführung aus versorgungstechnischer Sicht vertretbar. Der provisorische Leitungszustand sei jedoch während der Wintermonate nicht vertretbar. Bei einem Ausfall des verbliebenen provisorischen Stromkreises seien die Umspannwerke in M., Wu. und Wö. nicht mehr sicher angebunden. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf die regionale Stromversorgung. Das Interesse der Antragstellerin habe demgegenüber geringeres Gewicht. Die von ihr vorgetragene Existenzgefährdung durch den bereits errichteten Mast bestehe nicht. Der alte Mast sei schon sichtbar gewesen. Die Antragstellerin habe das Hotel in Kenntnis des Bestandsmastes und der vorbeilaufenden Leitung errichtet. Zudem seien bloße Gewinnaussichten/-hoffnungen nicht geschützt. Soweit die Antragstellerin auf den durch die Stromleitung verursachten Lärm verweise, ändere sich dieser durch den Ersatzneubau nicht. Die geltend gemachte Lärmbelästigung sei durch den provisorischen Betrieb ausgelöst worden, sei aber nach Vollendung der baulichen Maßnahmen ausgeschlossen. Der Mast werde nach dem allgemeinen Stand der Technik errichtet. Der Mast könne nur deshalb nicht in unmittelbarer Nähe zur JVA errichtet werden, weil er sonst als Fluchthilfe genutzt werden könne.
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Mit Schriftsatz vom 19. August 2022 beantragt die Antragstellerin,
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den Bescheid vom 8. August 2022 aufzuheben.
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Zur Begründung bringt sie vor, dass die vorgebrachten Gründe falsch und unerheblich seien und nur der Erschwerung des effektiven Rechtsschutzes dienten. Es werde bestritten, dass die 110-kV-Leitung lediglich provisorisch montiert worden sei. Zudem führe die Beigeladene nicht nur Sicherungsmaßnahmen für den bevorstehenden Winter durch, sondern stelle den Mast samt Trafo fertig. Bezüglich der Fertigstellung der Zwischenverkabelung bestünden lediglich monetäre Interessen. Der Mast sei noch nicht vollständig errichtet. Es sei auch nicht richtig, dass der Bestandsmast nur drei Meter höher sei, er sei früher auf der anderen Seite gestanden und somit erheblich weiter vom Hotel entfernt. Die Werbung für das Hotel werde vom Masten verdeckt. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsgegner eine Beeinträchtigung des ausgeübten Gewerbebetriebs verneine. Die Buchungen werden auch wegen des Lärmpotentials und einer möglichen Gesundheitsgefährdung rückläufig sein. Zudem sei der Antragstellerin zugesichert worden, dass die Freileitung verkabelt werde und sämtliche Hochmasten verschwänden. Strommasten könnten auch witterungsbedingt abknicken. Die Begründung für den Sofortvollzug beruhe auf Abwägungsfehlern.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Dem Antrag fehle in weiten Teilen das Rechtschutzbedürfnis, weil der Mast bereits errichtet sei und nur noch das Erdkabel am streitgegenständlichen Mast hochgeführt und an die Freileitung angeschlossen werden müsse. Mit der Fertigstellung des Mastes seien die Beeinträchtigungen, die vom Mast ausgehen entfallen. Denn das mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung verfolgte Ziel, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu schaffen, sei nach Fertigstellung des Mastes insoweit nicht mehr zu erreichen. Der Eilantrag sei nur noch zulässig, soweit es um die Restarbeiten bzw. rein nutzungsbezogene Beeinträchtigungen gehe. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei ordnungsgemäß begründet worden. Die Anfechtungsklage werde in der Hauptsache ohne Erfolg bleiben. Es werde auf das Vorbringen im Verfahren 22 A 22.40045 verwiesen. Ergänzend werde darauf verwiesen, dass die Regierung von Oberfranken zu keinem Zeitpunkt eine Zusicherung abgegeben habe, dass die Freileitung verkabelt werde und sämtliche Hochmasten verschwänden. Ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse sei gegeben.
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Die Beigeladene beantragt,
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den Antrag abzuweisen.
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Sie verweist auf ihre Stellungnahme im Klageverfahren und führt ergänzend aus, dass seit der Befestigung der Leiterseile an Isolatorketten auch die Antragstellerin keine weiteren Geräuschentwicklungen mehr behauptet habe. Die Gefährdung der n-1-Sicherheit der Umspannwerke in Wu., Wö., und A. werde nur unsubstantiiert bestritten. Der neue Gittermast sei bereits errichtet, Transformatoren seien nicht erforderlich, da im Erdkabel und im Freileitungsteil dieselbe Spannung herrsche. Von einer anderen Perspektive aus sei die Beschriftung „Hotel“ erkennbar und lesbar. Bei einem Mastumbruch handle es sich um eine ganz entfernte Möglichkeit eines Schadenseinritts, die bei der Zulassung nicht berücksichtigt werden müsse. Die Erfahrung mit seltenen Mastumbrüchen zeige, dass die Masten in der Regel oberhalb des Knickstoßes umbrächen, vorliegend wäre dies die oberhalb der Kabelübergangstraverse auf einer Höhe von 12, 60 m. Die Fluchttreppe des Hotels würde nicht getroffen werden.
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Ergänzend wird auf die in elektronischer Form vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten, auch im Verfahren 22 A 22.40045, verwiesen.
II.
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Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz bleibt ohne Erfolg.
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1. Der Senat geht zugunsten der Antragstellerin davon aus, dass ihr Rechtsschutzziel die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 3. August 2021 (22 A 22.40045) ist und sie sich nicht - entgegen des Wortlauts des Antrags im Schriftsatz vom 19. August 2022 - auf die Aufhebung des Bescheids vom 8. August 2022 beschränken will. Denn eine Aufhebung der Sofortvollzugsanordnung käme nur dann in Betracht, wenn die Anordnung des Sofortvollzugs allein an formellen Mängeln leiden würde. Nach herrschender Meinung kann die Sofortvollzugsanordnung aufgehoben werden, wenn sie formell rechtswidrig ist (BVerwG, B.v. 18.9.2001 - 1 DB 26.01 - juris Rn. 9; B.v. 31.1.2002 - 1 DB 2/02 - juris Rn. 4, 5 und 8; BayVGH, B.v. 9.3.2018 - 11 CS 18.300 - juris Rn. 6; OVG NW, B.v. 19.6.2016 - 1 B 379/16 - juris Rn. 6 f.; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 98; Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, 8. Aufl. 2021, § 80 Rn. 124; a.A. Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 80 Rn. 148; Schoch in ders./Schneider, VwGO, Stand Februar 2022, § 80 Rn. 442). Anders als eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ermöglicht die bloße Aufhebung der Vollzugsanordnung es der Behörde, den Sofortvollzug mit einer ordnungsgemäßen Begründung erneut anzuordnen, ohne dafür ein Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO durchführen zu müssen (vgl. Hoppe a.a.O.). Da die Antragstellerin die Begründung ihres Antrags im Schriftsatz vom 19. August 2022 auf die Fehlerhaftigkeit der vom Antragsgegner vorgenommenen Interessenabwägung stützt, geht es ihr nicht um die formell fehlerhafte Begründung der Sofortvollzugsanordnung, sondern um die Klärung der Frage, ob die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse bzw. im überwiegenden Interesse der Antragstellerin oder der Beigeladenen liegt.
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2. Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig.
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2.1 Der fristgerecht erhobenen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 3. August 2021 kommt aufschiebende Wirkung zu. Die am 20. Juli 2022 nach Weiterleitung durch das Verwaltungsgericht München beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangene Klage wurde innerhalb der Frist des § 58 Abs. 2 VwGO beim zuständigen Gericht erhoben. Die Entscheidung nach § 43f EnWG im Bescheid vom 3. August 2021 ist als eine Genehmigung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwGO anzusehen, die anstelle einer Planfeststellung erteilt wird (ausführlich HessVGH, B.v. 12.12.2016 - 6 C 1422/14.T - juris Rn. 12 ff. m.w.N.), so dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erstinstanzlich (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VwGO) für die Klage zuständig ist. Da der Antragstellerin der Bescheid vom 3. August 2021 nicht bekanntgegeben wurde und folglich eine Rechtsbehelfsbelehrungnach § 58 Abs. 1 VwGO unterblieben ist, kann sie für die Erhebung der Anfechtungsklage die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO für sich in Anspruch nehmen.
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2.2 Die Vorschrift des § 43e EnWG, wonach die Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung keine aufschiebende Wirkung entfaltet, findet bei einer Zulassung einer unwesentlichen Änderung nach § 43f Abs. 1 EnWG keine Anwendung (Turiaux in Kment, Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl. 2019, § 43f Rn. 17), da es sich nicht um einen Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung handelt. Entgegen des Wortlauts in § 43f Abs. 1 Satz 1 EnWG ist mit dem Negativattest keine Zulassung der Änderung der Anlage verbunden. Sie regelt lediglich verbindlich, dass es für das Vorhaben keiner Planfeststellung oder Plangenehmigung bedarf, und somit die formelle Legalität der Änderungsmaßnahme. Dessen materiell-rechtliche Zulässigkeit wird nicht festgestellt (ausführlich: Kümper in UPR 2017, 211 ff.). Der Antragsgegner hat aber mit Bescheid vom 8. August 2022 die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheids vom 3. August 2021 angeordnet, so dass der Antrag nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist.
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2.3 Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt. Die Vorschrift des § 43f Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EnWG entfaltet drittschützende Wirkung (BVerwG, U.v. 31.7.2017 - 4 B 12.17 - juris Rn. 7; Turiaux in Kment, Energiewirtschaftsgesetz, § 43f Rn. 17 m.w.N.; Kupfer in Britz/Hellermann/Hermes, Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl. 2015, § 43f Rn. 9).
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2.4 Der Antragstellerin fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 3. August 2021. Denn diese Regelung lässt nicht die Errichtung des Mastes zu, sondern beschränkt sich auf die Feststellung, dass für das Vorhaben kein Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren durchzuführen ist. Mangels Konzentrationswirkung beinhaltet diese Entscheidung auch etwaige fachgesetzliche Genehmigungen nicht (vgl. hierzu auch Stellungnahme der Regierung von Oberfranken, Bl. 862 f. der Behördenakte). Die vom Antragsgegner zitierte baurechtliche Rechtsprechung zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis kommt folglich nicht zum Tragen. Die Regierung der Oberpfalz ging davon aus, dass der fragliche Mast verfahrensfrei (Art. 57 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b BayBO) errichtet werden konnte. Die Antragstellerin hat beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 14. Juni 2022 einen Antrag auf Einstellung der Bauarbeiten gestellt (B 2 E 22.599), über den aber, weil der Mast schon errichtet ist, nicht mehr entschieden wurde.
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3. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist aber unbegründet, weil nach der vom Senat unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung das öffentliche Vollzugsinteresse und das Interesse der Beigeladenen an der Errichtung der neuen Strommasten das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen das Negativattest überwiegen.
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3.1 Die Entscheidung über den Antrag nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO ergeht auf der Grundlage einer Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aufschubinteressen der Beteiligten. Das Gericht trifft dabei eine originäre Interessenabwägung (BVerwG, B.v. 22.03.2010 - 7 VR 1.10 - juris Rn. 13) Wird - wie hier - von einem Dritten die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Genehmigung angegriffen, steht als besonderes Vollzugsinteresse in einem solchen Dreiecksverhältnis nicht das besondere öffentliche Interesse der Verwaltung am Vollzug des Verwaltungsakts im Vordergrund. Vielmehr ist - wie sich dem Wortlaut von § 80 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 2 VwGO entnehmen lässt - auf das „überwiegende Interesse eines Beteiligten“ abzustellen. Wesentliches Element für die Interessenabwägung ist aber auch bei dreiseitigen Rechtsverhältnissen der voraussichtliche Erfolg des Hauptsacheverfahrens (BVerfG, B. v. 1.10.2008 - 1 BvR 2466/08 - juris Rn. 21; BVerwG. B.v. 19.12.2014 - 7 VR 5/14 - juris Rn. 9; OVG Magdeburg, B.v. 18.5.2015 - 2 M 33/15 - juris Rn. 19 m.w.N.; OVG SH, B.v. 14.3.2011 - 1 MR 19/10 - juris Rn. 49 f.). Dabei kann das Gericht dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend seine vorläufige Entscheidung im Regelfall nur auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage treffen. Kann wegen der besonderen Dringlichkeit oder der Komplexität der Rechtsfragen keine Abschätzung über die Erfolgsaussichten im Sinne einer Evidenzkontrolle getroffen werden, sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten (BVerwG, B. v. 19.12.2014 - 7 VR 5.14 - juris Rn. 9). Bei einer behördlichen Sofortvollzugsanordnung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO prüft das Gericht vor der dargestellten Interessenabwägung zunächst, ob die formellen Voraussetzungen für die Sofortvollzugsanordnung gegeben sind.
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3.2 Die selbständige Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 8. August 2022 ist formell ordnungsgemäß ergangen, insbesondere wird dem Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 VwGO entsprochen.
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Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO bedarf das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO einer schriftlichen Begründung. Entsprechend Sinn und Zweck des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, die Behörde zu einer sorgfältigen Prüfung des Interesses an der sofortigen Vollziehung anzuhalten, den Betroffenen über die Gründe hierüber in Kenntnis zu setzen sowie dem Verwaltungsgericht die Rechtskontrolle zu ermöglichen, ist eine gesonderte schriftliche Begründung zu verlangen. In dieser sind die tatsächlichen und rechtlichen Gründe darzulegen, die im konkreten Einzelfall ein Vollziehungsinteresse ergeben und die zur Anordnung der sofortigen Vollziehung geführt haben. Die Gründe müssen über das Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes hinausgehen, aus der Begründung muss hinreichend deutlich hervorgehen, warum die Behörde eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Geht es - wie vorliegend - um ein mehrpoliges Verhältnis, muss sich die Behörde auch mit den gegenläufigen, von der sofortigen Vollziehbarkeit betroffenen Interessen auseinandersetzen (OVG Saarl, B.v. 10.11.2006 - 3 W 5/06 - juris Rn. 33), d. h. eine Interessenabwägung treffen.
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Die Begründung des Sofortvollzuges für das Negativattest in Ziffer 1 des Bescheids vom 3. August 2021 genügt diesen Anforderungen. Der Antragsgegner hat zur Begründung des Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 3 VwGO ausgeführt, dass zur Erhaltung der Versorgungssicherheit im Winter das für die Bauzeit der Masten und der Erdverkabelung bestehende Provisorium beendet sein muss. Die Interessen der Antragstellerin wurden berücksichtigt. Der Antragsgegner hat darauf abgestellt, dass eine Existenzgefährdung der Antragstellerin nicht bestehe und mit unzumutbaren Lärmbeeinträchtigen und einer Gefahr durch ein Umknicken des neu errichtenden Mastes nicht zu rechnen sei, so dass das Interesse der Beigeladenen überwiege.
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Da das Begründungserfordernis nur formelle Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit ist, kommt es nicht darauf an, ob die Erwägungen der Behörde auch inhaltlich - im Sinne des objektiven Rechts und der Interessen der Beteiligten - vollständig zutreffend sind. Dies ist erst bei der umfassenden von dem Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen (vgl. VGH BW, B. v. 13.3.2003 - 5 S 2771/02 - juris Rn. 2).
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3.3 Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 3. August 2021 wird bei summarischer Prüfung keinen Erfolg haben, weil die Regierung von Oberfranken als Planfeststellungsbehörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen des § 43f Abs. 1 Satz 2 EnWG vorliegen und ermessensfehlerfrei die beantragte Änderung der bestehenden 110-kV-Stromleitung ohne Planfeststellung bzw. Plangenehmigung zugelassen hat.
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3.3.1 Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen gewesen wäre (§ 43f Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EnWG) oder andere öffentliche Belange berührt sind bzw. behördliche Entscheidungen dem Plan entgegenstehen (§ 43f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EnWG). Die von der Regierung beteiligten Träger öffentlicher Belange haben dem Vorhaben - teilweise unter bestimmten Vorgaben - zugestimmt.
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3.3.2 Durch das Änderungsvorhaben werden aber auch keine Rechte der Antragstellerin beeinträchtigt (§ 43f Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EnWG). Sie beruft sich auf eine Verletzung ihres Eigentums bzw. des Grundrechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, weil wegen der optisch bedrängenden Wirkung des Strommasts, der von den „Trafokästen“ am Strommast künftig ausgehenden Geräusche und der Umsturzgefahr das von ihr betriebene Hotel unattraktiv werde und weniger Gäste übernachten würden.
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3.3.2.1 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Antragstellerin den behaupteten Rückgang der Gästezahlen nicht belegt hat, obwohl der Strommast bereits errichtet ist und dadurch der vorgetragene „Attraktivitätsverlust“ bereits eingetreten sein müsste. Die Vorlage einer pauschalen eidesstattlichen Versicherung ist nicht geeignet, die behauptete Existenzvernichtung durch nach Beginn der Errichtung des Mastes einbrechende Übernachtungszahlen zu substantiieren. Das Vorbringen der Antragstellerin, der Mast sei noch nicht errichtet, ist angesichts des von ihr selbst vorgelegten Lichtbilds nicht nachvollziehbar. Die (endgültige) Verkabelung bzw. der Anschluss des Erdkabels und die Kabelendverschlüsse und Leiterseilharfen fehlen zwar noch, weil bislang lediglich eine provisorische Leitung über den neu errichteten Mast führt; dies ändert jedoch nichts daran, dass der Mast als solcher am neuen, näher zum Hotel gelegenen Standort bereits errichtet und die von der Antragstellerin behauptete visuelle Beeinträchtigung eingetreten ist.
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Aber auch selbst wenn die bloße Standortverschiebung und Erhöhung des Strommastes aufgrund seiner Nähe zum Hotel zu einem existenzbedrohenden Umsatzrückgang bei der Antragstellerin führen würde, läge darin keine Rechtsbeeinträchtigung im Sinne eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG unterfällt. Geschützt sind von Art. 14 Abs. 1 GG nur das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit (Axer in BeckOK, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, Stand 15.5.2022, Art. 14 Rn. 52) und der Kontakt nach außen im Sinne einer Zugänglichkeit von der öffentlichen Straße (Papier/Shirvani in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Stand Januar 2022, Art. 14 GG Rn. 201), nicht aber die gewerbliche Tätigkeit als solche oder Gewinnerwartungen und Erwerbschancen (Papier/Shirvani, a.a.O., Rn 205 f.) oder Lagevorteile. Ein Eingriff in den Bestand des Unternehmens erfolgt durch die Verschiebung des Mastes in Richtung des Hotels der Antragstellerin und durch die Erhöhung um drei Meter jedenfalls nicht. Eine wesentliche Verschlechterung des Umfeldes tritt ebenfalls nicht ein, da die Umgebung des Hotels auch bislang schon durch den Bestandsmast und die Freileitungen vorgeprägt war. Das Vorbringen der Antragstellerin, die Ausführungen, „dass der Bestandsmast nur drei Meter höher sei“, seien falsch, gehen an der Sache vorbei, denn sowohl der Antragsgegner als auch die Beigeladene legen ihren Ausführungen zugrunde, dass der neu errichtete Mast um drei Meter höher ist und näher (um 35,46 m) an das Hotel der Antragstellerin herangerückt ist.
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Die Antragstellerin konnte auch nicht darauf vertrauen, dass sich die Umgebung des Grundstücks, das sie für den Bau ihres Hotels erworben hat, nicht verändern würde, so dass auch insoweit durch die Errichtung des Mastes nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG eingegriffen wird. Zum einen ist das Grundstück mit einer Dienstbarkeit für ein Stromleitungsrecht zugunsten der Beigeladenen belastet, zum anderen war ihr bekannt, dass in unmittelbarer Nähe zum Hotel eine JVA errichtet werden soll und daher Baumaßnahmen stattfinden werden. Eine angebliche Zusage, wonach die Freileitung verkabelt werde und sämtliche Masten verschwänden, kann keinen Vertrauensschutz auf Aufrechterhaltung (oder gar Verbesserung) der bestehenden Gegebenheiten begründen; dies gilt erst recht, wenn das Bestehen einer solchen Zusage in keiner Weise näher substantiiert wird.
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3.3.2.2 Nach den im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorliegenden tatsächlichen Erkenntnissen sind dadurch, dass der neue Mast näher am Hotel errichtet wurden, auch keine unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen zu befürchten. Die Beigeladene hat nachvollziehbar vorgetragen, dass die von der Antragstellerin geschilderte Geräuschentwicklung auf die provisorisch verbauten Seilrollen zurückzuführen war und nach Fertigstellung der Isolatorkettenmontage solche Geräusche nicht mehr aufgetreten sind. Dem ist die Antragstellerin nicht substantiiert entgegengetreten. Das gilt in gleicher Weise für den angeblichen Einbau von Lärm erzeugenden „Trafokästen“ am Mast. Auch hier hat die Beigeladene klargestellt, dass „Trafokästen“ nicht eingebaut werden (Schriftsatz vom 8.8.2022, S. 6) und der Antragsgegner ergänzt, dass in den Antragsunterlagen für das Negativattest „Trafokästen“ nicht angezeigt wurden (Schriftsatz vom 17.8.2022, S. 9). Eingebaut werden lediglich geräuschlose Kabelendverschlüsse. Die Beigeladene hat zudem erläutert, dass auch keine Transformatoren an dem Mast angebracht werden. Etwaige Geräuschemissionen, die durch den Betrieb der Freileitungen entstehen, sind nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 43f EnWG. Im Übrigen kommt es durch die Verlegung des Mastes zu keiner Veränderung der Leitungsführung, die Freileitung läuft in derselben Entfernung wie bisher am Hotel der Antragstellerin vorbei, da der Mast lediglich auf der bestehenden Trasse in Richtung Hotel verschoben wurde. Die Kabelendverschlüsse, die an dem Mast angebracht werden müssen, führen zu keinen Geräuschemissionen.
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3.3.2.3 Eine Beeinträchtigung des Eigentums der Antragstellerin bzw. der Gesundheit ihrer Hotelgäste durch das witterungsbedingte Umknicken des neu errichteten Strommastes ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht zu befürchten. Die Beigeladene hat hierzu ausgeführt, dass der neue Mast nach DIN EN 50341 gebaut worden sei, so dass keine erhöhte Gefahr eines Umbruchs bestehe. Die Antragstellerin hat hiergegen keine substantiellen Einwände erhoben, sondern lediglich darauf verwiesen, dass es mehrfach im Jahr zum Abknicken von Strommasten komme. Ganz entfernte Möglichkeiten eines Schadenseintritts führen jedoch nicht zu einer Rechtsbeeinträchtigung der Antragstellerin, die bereits bei der Entscheidung nach § 43f Abs. 1 EnWG zu berücksichtigen wären. Die Beigeladene hat zudem erläutert, dass erfahrungsgemäß selbst bei einem Umknicken des Mastes eine Gefährdung der Fluchttreppe des Hotels aus technischen Gründen auszuschließen sei. Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass bei der Errichtung der JVA ein etwaiges Umknicken des Strommastes berücksichtigt worden sei und dieser deshalb versetzt werde, verkennt sie - worauf sowohl die Beigeladene als auch der Antragsgegner wiederholt hingewiesen haben -, dass die Standortverschiebung des Mastes allein auf der Befürchtung beruht, dass der Strommast, bliebe er auf dem JVA-Gelände, sabotiert werden und deshalb umfallen könnte.
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3.3.4 Der neu errichtete Strommast wirkt gegenüber dem Hotel der Antragstellerin auch nicht erdrückend. Abstandsflächenrecht kommt bei dem hier streitgegenständlichen Stahlgittermast nicht zur Anwendung, weil ihm trotz seiner Höhe und seines Durchmessers am Fundamentkopf (1,6 m) im konkreten Fall keine gebäudegleiche Wirkung gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO zukommt (zur gebäudegleichen Wirkung bei Mobilfunkmasten vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2017 - 1 ZB 15.2081 - juris Rn. 4 m.w.N). Von einer Anlage geht eine gebäudegleiche Wirkung aus, wenn die bauliche Anlage so beschaffen ist oder so benutzt wird, dass sie die Belichtung, Besonnung und Belüftung von Gebäuden nachteilig beeinflusst oder Beeinträchtigungen des Wohnfriedens hervorrufen kann oder im Hinblick auf den Brandschutz problematisch ist und Beeinträchtigungen in einer Weise und in einem Ausmaß zu erwarten sind, die mit den von Gebäuden ausgehenden Wirkungen vergleichbar sind. Gemessen daran, geht von dem Mast keine gebäudegleiche Wirkung aus. Durch die Bauweise als Stahlgittermast, der sich nach oben verjüngt, ist trotz seiner Höhe eine ausreichende Belichtung und Besonnung des Grundstücks der Antragstellerin gewährleistet. Die Stahlgitter haben auch keine einer Gebäudewand vergleichbare Wirkung. Zudem befindet sich der Mast nicht vor dem Hotelgebäude, sondern ist seitlich versetzt 20 m vom Gebäude entfernt.
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3.3.5 Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners, die beantragte Änderung im Anzeigeverfahren nach § 43f EnWG zuzulassen, ist nicht zu beanstanden. Er ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Ersatzneubauten keine negativen Auswirkungen auf die Belange Dritter mit sich bringen (s.o.). Eine Änderung der ein Grundstück umgebenden städtebaulichen Situation muss der jeweilige Grundstückseigentümer grundsätzlich hinnehmen. Der Antragsgegner durfte auch den Gesichtspunkt der Verfahrensbeschleunigung und die Geringfügigkeit der Änderung in die Ermessensentscheidung einstellen. Insbesondere zeigt die Antragstellerin nicht auf, dass ein Planfeststellungsverfahren im Hinblick auf die Beeinträchtigung der von ihr geltend gemachten Belange gegenüber dem Anzeigeverfahren einen Erkenntnisgewinn gebracht hätte.
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3.4 Eine (ergänzende) Interessensabwägung jenseits der Erfolgsaussichten der Hauptsache spricht ebenfalls gegen eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin. Die Beigeladene hat überzeugend dargelegt, dass derzeit nur ein Leiterseilsystem in Betrieb ist, bei dessen Ausfall die Versorgungssicherheit in dem vom den Umspannwerken M., Wu. und Wö. versorgten Netzgebiet nicht mehr gewährleistet ist. Die (provisorische) Absicherung dieses einen Leiterseilsystems würde zu keiner redundanten (Wieder-) Herstellung der Versorgungssicherheit führen, weil hierfür das zweite Leiterseilsystem in Betrieb sein muss, um gegebenenfalls den Ausfall des anderen Leiterseilsystems zu kompensieren. Es ist auch nachvollziehbar, dass eher in den Herbst- und Wintermonaten witterungsbedingt ein Ausfall des noch in Betrieb befindlichen Leiterseilsystems zu befürchten ist und daher das bestehende Provisorium möglichst schnell durch die Fertigstellung des Leitungsbauvorhabens beendet werden muss. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin stehen also nicht monetäre Interessen der Beigeladenen im Vordergrund. Demgegenüber wiegt das Interesse der Antragstellerin am Suspensiveffekt ihrer Klage geringer. Ein Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren würde zunächst nur dazu führen, dass ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen ist. Der Antragstellerin würde allenfalls eine Rechtsbeeinträchtigung für den Zeitraum bis zur Entscheidung über das Klageverfahren durch die formelle Illegalität des Vorhabens drohen. Der durch das Leitungsbauvorhaben geschaffene Zustand ist nicht irreversibel, gegebenenfalls müsste die Beigeladene einen Rückbau vornehmen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 34.2.2, Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).