VG Bayreuth, Urteil v. 18.01.2022 – B 5 K 20.775
Titel:
Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit, anderweitige Verwendungsmöglichkeit (hier: verneint), fehlendes Restleistungsvermögen
Normenkette:
BeamtStG § 26 Abs. 1 bis 3
Schlagworte:
Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit, anderweitige Verwendungsmöglichkeit (hier: verneint), fehlendes Restleistungsvermögen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21120
Tenor
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen seine Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit.
2
Der am …1974 geborene Kläger, zuletzt Obersekretär im Justizvollzugsdienst, war seit dem 18.12.2018 ununterbrochen dienstunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 21.03.2019 beauftragte die Justizvollzugsanstalt … die Medizinische Untersuchungsstelle (MUS) der Regierung von Unterfranken mit der Überprüfung der Dienstfähigkeit des Klägers.
3
Am 27.09.2019 wurde der Kläger amtsärztlich untersucht. Laut dem Gesundheitszeugnis der MUS vom 27.09.2019 legte der Kläger einen Abschlussbericht über eine stationäre Behandlung im Zeitraum vom 19.06.2019 bis 28.08.2019, Chefärztin …, …, Psychosomatische Medizin/Psychotherapie, Parkklinik …, … vom 12.02.2019 vor. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse und nach ergänzender Exploration sei der Amtsarzt (* …, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie) zu folgendem Ergebnis gekommen: Die Gesundheitsstörungen beim Kläger seien dem Fachgebiet Psychiatrie-Psychotherapie/Psychosomatik zuzuordnen. Insbesondere hätten Stimmungsreduktion und Zwangshandlungen der Kontrolle im Vordergrund des Beschwerdebildes gestanden. Im zwischenzeitlichen fachärztlichen ambulanten und stationären Behandlungsverlauf hätte bei gut motivierter Mitarbeit des Klägers eine Teilverbesserung erreicht werden können, nicht jedoch eine hinsichtlich der Fragestellung relevante wesentliche Gesamtverbesserung. Aufgrund der o.g. Krankheitsanzeichen erscheine der Kläger nicht dazu in der Lage, typische dienstliche Anforderungen im Bereich der Kontrolle bzw. der Sicherheit in einer Justizvollzugsanstalt zu erfüllen. Es bestehe bei reduzierter dienstlicher Leistungsfähigkeit/Belastbarkeit Dienstunfähigkeit. Weitergehende, hinsichtlich der Fragestellung relevante therapeutische Möglichkeiten seien aktuell nicht erkennbar. Die Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate könne nicht erwartet werden. Darüber hinaus sei aktuell keine fundierte Einschätzung möglich. Nach fachärztlicher Einschätzung lägen die medizinischen Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung vor. Hinsichtlich der Frage nach der gesundheitlichen Eignung für sonstige Tätigkeiten aus Sicht des begutachtenden Arztes seien anderweitige Verwendungsmöglichkeiten aktuell nicht konkret erkennbar. Sie wären jedoch - bei längerfristig erfolgreicher fachspezifischer Therapie - im weiteren Verlauf am ehesten z. B. im Bereich der Verwaltung vorstellbar; nach aktueller Einschätzung jedoch ohne Bezug zu typischen dienstlichen Anforderungen des allgemeinen Vollzugsdienstes in einer Justizvollzugsanstalt. Dringend empfohlen werde die Fortführung einer fachärztlichen psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung nach dortiger Maßgabe, einschließlich spezifischer Medikation bzw. gegebenenfalls erneuter fachspezifischer stationärer Behandlung. Eine Nachuntersuchung werde nach Ablauf eines Jahres empfohlen.
4
Aufgrund der Ausführungen in dem Gutachten der MUS der Regierung von Unterfranken vom 27.09.2019 hielt der Leiter der Justizvollzugsanstalt … den Kläger gemäß § 26 Abs. 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG), Art. 65 Abs. 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) für dauernd dienstunfähig. Er teilte dem Kläger nach Zustimmung der Aufsichtsbehörde zur Einleitung des Zwangspensionierungsverfahrens mit Schreiben vom 08.11.2019 mit, dass seine Ruhestandsversetzung beabsichtigt sei. Innerhalb der Monatsfrist wurden von Klägerseite keine Einwendungen gegen die beabsichtigte Versetzung in den Ruhestand erhoben. Daraufhin wurde der Kläger mit Urkunde des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz gemäß § 26 Abs. 1 BeamtStG, Art. 65 Abs. 1, 66, 71 Abs. 3 BayBG mit Ablauf des Monats Februar 2020 in den Ruhestand versetzt.
5
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 10.03.2020 erhob der Kläger Widerspruch gegen seine Ruhestandsversetzung. Eine Begründung erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 13.02.2020 wandte der Bevollmächtigte des Klägers gegenüber der Justizvollzugsanstalt … ein, dass beim Kläger ein Restleistungsvermögen bestehe und deshalb eine anderweitige Verwendung im Bereich des Dienstherrn zu prüfen gewesen wäre.
6
Mit Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 24.07.2020 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich aus dem Gesundheitszeugnis der MUS der Regierung von Unterfranken vom 27.09.2020 ergebe, dass eine dauernde Dienstunfähigkeit bestehe und eine anderweitige Verwendung zumindest zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens ausdrücklich nicht konkret erkennbar gewesen sei. Vielmehr hätten nach fachärztlicher Einschätzung die medizinischen Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung vorgelegen. Nachdem auch der Leiter der Justizvollzugsanstalt … den Kläger für dauernd dienstunfähig erachtet habe, sei er gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, Art. 65 Abs. 1, Art. 66 BayBG in den Ruhestand zu versetzen gewesen.
7
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28.08.2020, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag eingegangen, hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 21.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2020 aufzuheben.
8
Zur Begründung wird vorgetragen, dass der Kläger derzeit und zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung dienstfähig für eine allgemeine Verwaltungstätigkeit gewesen sei. Die bei ihm bestehende Zwangserkrankung, zu der es aufgrund der Besonderheiten der Tätigkeit in der Justizvollzugsanstalt gekommen sei, schränke ihn nicht derart ein, dass er nicht an einem Schreibtisch hätte Dienst leisten können. Daher sei der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Zum einen sei er nicht (vollständig) dienstunfähig. Zum anderen habe der Beklagte seine Verpflichtung aus § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG nicht in ausreichendem Maße erfüllt. Es sei nicht ersichtlich, dass der Dienstherr nach alternativen Dienstposten gesucht habe. Eine solche Suche sei auch in den Akten nicht dokumentiert worden. Dem Gutachten sei nicht zu entnehmen, dass der Kläger dauerhaft dienstunfähig sei. Der Kläger leide an einer Zwangsstörung, die auf die Verschlusstätigkeit im Justizvollzugsdienst zurückzuführen sei. Dies bedeute aber nicht, dass der Kläger nicht anderweitig im Verwaltungsdienst tätig sein könne. Von einer Dienstunfähigkeit sei daher nicht auszugehen. Für die Bejahung der Dienstfähigkeit sei nicht Voraussetzung, dass der Beamte uneingeschränkt seinem statusrechtlichen Amt entsprechend verwendungsfähig sei. Vielmehr sei der Beamte dienstfähig, wenn bei der Beschäftigungsbehörde ein Dienstposten zur Verfügung stehe bzw. eingerichtet werden könne, der seinem statusrechtlichen Amt zugeordnet werden könne und gesundheitlich für ihn auch geeignet sei. Der Kläger könne in der Verwaltung tätig sein, soweit keine Verschlusstätigkeiten erforderlich seien.
9
Mit Schriftsatz vom 09.12.2020 beantragt das Bayerische Staatsministerium der Justiz für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
10
Zur Begründung wird ausgeführt, dass der unmittelbare Dienstvorgesetzte des Klägers schon allein durch die anhaltende Dienstunfähigkeit des Klägers seit dem 18.12.2018 Zweifel an dessen Dienstfähigkeit hätte haben dürfen. Das amtsärztliche Zeugnis der Regierung von Unterfranken vom 27.09.2019 hätte dem Dienstvorgesetzten eine umfassende Entscheidungsgrundlage zur Beurteilung der Dienstfähigkeit des Beamten gegeben. Im Ergebnis habe der Leiter der Justizvollzugsanstalt … auf der sachverständigen Grundlage des amtsärztlichen Gutachtens festgestellt, dass er den Kläger für dauerhaft dienstunfähig im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG halte und mit Schreiben vom 20.09.2019 beim Bayerischen Staatsministerium der Justiz um Zustimmung zur Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens gebeten. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz als nach Art. 71 Abs. 1 BayBG zuständige Behörde für die Versetzung in den Ruhestand habe der Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens mit Schreiben vom 04.11.2019 zugestimmt. Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung im Bereich des Dienstherrn gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG sei nach den Ausführungen des amtsärztlichen Zeugnisses nicht veranlasst gewesen. Die MUS der Regierung von Unterfranken habe in ihrem Gutachten vom 27.09.2019 nämlich festgestellt, dass aus medizinischer Perspektive eine dauernde Dienstunfähigkeit zur Erfüllung der dienstlichen Pflichten vorliege. Nach dem Wortlaut des Gutachtens habe davon ausgegangen werden dürfen bzw. sei davon auszugehen gewesen, dass der Beamte zum Zeitpunkt der Begutachtung durch die MUS dienstunfähig gewesen sei und auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine anderweitige Verwendung im Bereich des Dienstherrn nicht mitgebracht habe. Der Amtsarzt habe prognostisch dargestellt, dass auch zukünftig - wenn eine zumindest teilweise Wiedererlangung der Dienstfähigkeit nach längerfristiger Therapie hätte erreicht werden können - ein Einsatz im Justizvollzug nicht möglich sein werde. Perspektivisch und für den Fall der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit wäre ein Einsatz im Verwaltungsbereich des Dienstherrn grundsätzlich vorstellbar gewesen. Allerdings hätte zunächst eine längerfristige Therapie der der Dienstunfähigkeit zugrunde liegenden Störung erfolgen müssen, um die Dienstfähigkeit wiederherzustellen. Entgegen der Darstellung des Klägerbevollmächtigten habe zum Zeitpunkt der amtsärztlichen Untersuchung keine Dienstfähigkeit für eine anderweitige Verwendung vorgelegen.
11
Mit Schriftsatz vom 23.12.2020 übersandte das Bayerische Staatsministerium der Justiz das amtsärztliche Gutachten der MUS der Regierung von Unterfranken vom 27.11.2020. Demnach seien die krankheitsbedingten Störungen der dienstlichen Verwendungsfähigkeit, die zur Ruhestandsversetzung geführt hätten, weiterhin gegeben. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Reaktivierung (hinsichtlich begrenzter oder voller Dienstfähigkeit) gemäß § 29 BeamtStG seien nicht erfüllt. Eine Nachuntersuchung werde ärztlicherseits nach Ablauf von zwei Jahren empfohlen.
12
In der mündlichen Verhandlung erläuterte der Amtsarzt, …, sein Gutachten. Hinsichtlich des weiteren Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
13
I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
14
Die angefochtene Verfügung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 21.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
15
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz ist ohne Rechtsfehler zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger dauernd dienstunfähig im Sinne des § 26 Abs. 1 BeamtStG ist und eine anderweitige Verwendung nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG nicht in Betracht kommt.
16
Der Bescheid vom 21.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2020 begegnet weder in formeller noch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtlichen Bedenken.
17
1. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz war als Ernennungsbehörde für die Entscheidung über die Ruhestandsversetzung zuständig, Art. 66 Abs. 2 Satz 2, Art. 71 Abs. 1 Satz 1, Art. 18 Abs. 1 Satz 3 BayBG. Dem Kläger wurde die beabsichtigte Ruhestandsversetzung vom Beklagten mit Gründen mitgeteilt, Art. 66 Abs. 1 BayBG; von Seiten des Klägers wurden keine Einwendungen i.S.d. Art. 66 Abs. 2 Satz 1 BayBG erhoben. Eine Mitwirkung des Personalrats nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Satz 3 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG) hat der Kläger, soweit ersichtlich, nicht beantragt. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements stellt keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand dar (vgl. BVerwG, U.v. 5.6.2014 - 2 C 22/13 - BVerwGE 150, 1 - juris Rn. 48; BayVGH, B.v. 10.7.2015 - 3 C 15.1015).
18
2. Auch in materieller Hinsicht erweist sich die angegriffene Zurruhesetzungsverfügung als rechtmäßig. Der Beklagte ist rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangt, dass beim Kläger eine dauernde Dienstunfähigkeit i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG vorliegt.
19
Nach § 26 Abs. 1 BeamtStG ist ein Beamter in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Art. 65 Abs. 1 BayBG bestimmt für diese Frist einen Zeitraum von sechs Monaten. Von der Versetzung in den Ruhestand soll abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist, § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG. Die Dienstunfähigkeit bezieht sich auf die Erfüllung der Dienstpflichten des Amts im abstrakt-funktionellen Sinn, das heißt jenen Aufgabenbereich, der einem bestimmten Amt im statusrechtlichen Sinne bezogen auf die konkrete Behörde zugeordnet ist (vgl. Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand November 2021, § 26 BeamtStG Rn. 14). Dauernd dienstunfähig i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist ein Beamter, wenn sich die Dienstunfähigkeit in absehbarer Zeit nicht beheben lässt (vgl. Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, § 26 BeamtStG Rn. 23), d. h. wenn die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 30.8.1963 - VI C 178.61 - BVerwGE 16, 285 ff.). Dauernd dienstunfähig ist der Beamte dabei nicht nur dann, wenn es ihm nicht möglich ist, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen, sondern auch dann, wenn es ihm nicht möglich ist, eine bezogen auf sein Amt vollwertige Dienstleistung zu erbringen (vgl. Baßlsperger a.a.O., § 26 BeamtStG Rn 15). Der Prognosezeitraum beträgt wie bei der in der Regel erleichterten Prognose des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG sechs Monate, wobei hinsichtlich des Beginns maßgeblich auf den Zeitpunkt der ärztlichen Stellungnahme abzustellen ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.5.1994 - 3 CS 94.255). Für die Prognose ist weiter zu beachten, dass zunächst ausgehend von den amtsbezogenen Anforderungen ein leistungseinschränkender Sachverhalt festgestellt werden muss, zu dem dann eine Prognosewertung abgegeben werden muss. Zwischen den festgestellten Amtsanforderungen und dem sich nach dem leistungseinschränkenden Sachverhalt ergebenden Prognosebild muss sich eine Diskrepanz ergeben (vgl. Baßlsperger a.a.O., § 26 BeamtStG Rn. 12).
20
Für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Ruhestandsversetzung kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, somit auf den 24.07.2020 an. Es ist darauf abzustellen, ob die zuständige Behörde nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln eine Dienstunfähigkeit im vorgenannten Sinne anzunehmen hatte (BVerwG, U.v. 16.10.1997 - 2 C 7/97 - BVerwGE 105, 267).
21
Die Versetzung eines Beamten in den vorzeitigen Ruhestand wegen (dauernder oder prog-nostischer) Dienstunfähigkeit setzt die Feststellung seiner krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen voraus. Diese Beurteilungsvorgänge erfordern in aller Regel besondere medi-zinische Sachkenntnisse, über die nur ein Arzt verfügt. Dabei wird amtsärztlichen Gutachten gegenüber privatärztlichen Gutachten nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ein Vorrang eingeräumt (u.a. BayVGH, B.v. 28.11.2016 - 3 ZB 13.1665 - juris). Dieser Vorrang findet seine Rechtfertigung in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der ggf. bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nimmt der Amtsarzt von der Aufgabenstellung her seine Beurteilung unbefangen und unabhängig vor. Er steht so Beamten und Dienstherrn gleichermaßen fern.
22
Die gutachterliche Stellungnahme soll dem Dienstherrn die Prognoseentscheidung darüber ermöglichen, ob der Beamte zur Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten dauernd unfähig ist, ob er im Fall der Dienstunfähigkeit anderweitig verwendet werden kann und ob er ggf. begrenzt dienstunfähig ist. Zugleich muss das Gutachten dem Beamten ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Arztes und der darauf basierenden Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen, um diese ggf. substantiiert anzugreifen. (BayVGH, U. v. 25.1.2013 - 6 B 12.2062 - juris). Wie detailliert eine ärztliche Stellungnahme danach jeweils sein muss, kann nicht abstrakt beantwortet werden, sondern richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles. Ärztliche oder amtsärztliche Gutachten stellen allerdings nur eine medizinisch-fachliche Hilfestellung zur Beurteilung der Dienstunfähigkeit dar, auch wenn ihr Ergebnis faktisch maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung der Behörde hat. Die letztendliche rechtliche Würdigung und Einschätzung der Dienstfähigkeit muss daher der für die Ruhestandsversetzung zuständigen Behörde vorbehalten bleiben, da nur sie die konkreten Amtsanforderungen mit dem diagnostizierten Gesundheitszustand des Beamten in Relation setzen kann. Den Gesundheitszustand des Beamten muss daher der Arzt feststellen und medizinisch bewerten, die Schlussfolgerungen hieraus für die Beurteilung der Dienstfähigkeit zu ziehen ist dagegen Aufgabe der Behörde und ggfs. des Gerichts. Der Arzt wird lediglich als sachverständiger Helfer tätig, um den zuständigen Stellen diejenige Fachkenntnis zu vermitteln, die für deren Entscheidung erforderlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 - 2 C 37.13 - unter Verweis auf BVerwG, U.v. 5.6.2014 - 2 C 22.13 - sowie B.v. 6.3.2012 - 2 A 5.10 - jeweils juris).
23
Gemessen an diesen Maßstäben ist der Beklagte im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung vom 24.07.2020 zu Recht von der Dienstunfähigkeit des Klägers ausgegangen. Eine hinreichende medizinische Tatsachengrundlage, um eine Entscheidung über die Dienstfähigkeit des Klägers zu treffen, lag mit dem Amtsärztlichen Gutachten der MUS der Regierung von Unterfranken vom 27.09.2019 für den Beklagten vor. Der begutachtende Amtsarzt führte nach einer am 27.09.2019 durchgeführten Untersuchung des Klägers aus, dass dieser seit 18.12.2018 durchgehend dienstunfähig erkrankt gewesen sei. Auch in den vergangenen Jahren habe der Kläger erhöhte Krankheitstage aufgewiesen. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Personalakte war der Kläger im Beurteilungszeitraum vom 01.12.2013 bis 31.12.2016 an 76 Tagen dienstunfähig erkrankt. Im Zeitpunkt der Begutachtung lag dem Amtsarzt ein Abschlussbericht über eine stationäre Behandlung des Klägers im Zeitraum vom 19.06.2019 bis 28.08.2019 in der Parkklinik … - Psychosomatische Medizin/Psychotherapie vom 12.09.2019 vor. Unter Berücksichtigung dieser privatärztlichen Befunde sowie nach ergänzender Exploration kam der Amtsarzt zu dem Ergebnis, dass die Gesundheitsstörungen des Klägers dem Fachgebiet Psychiatrie-Psychotherapie/Psychosomatik zuzuordnen seien und insbesondere Stimmungsreduktion und Zwangshandlungen der Kontrolle im Vordergrund des Beschwerdebildes gestanden hätten. Zwar habe im zwischenzeitlich fachärztlichen ambulanten und stationären Behandlungsverlauf bei gut motivierter Mitarbeit des Klägers eine Teilverbesserung erreicht werden können, nicht jedoch eine hinsichtlich der Fragestellung relevante wesentliche Gesamtverbesserung. Aufgrund der vorgenannten Krankheitszeichen sei der Kläger nicht dazu in der Lage, typische Anforderungen im Bereich der Kontrolle bzw. der Sicherheit in einer Justizvollzugsanstalt zu erfüllen. Es bestehe bei reduzierter dienstlicher Leistungsfähigkeit/Belastbarkeit Dienstunfähigkeit. Weitergehende, hinsichtlich der Fragestellung relevante therapeutische Möglichkeiten seien aktuell nicht erkennbar. Die Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate könne nicht erwartet werden. Nach fachärztlicher Einschätzung lägen die medizinischen Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung vor. Hinsichtlich der Frage nach der gesundheitlichen Eignung für sonstige Tätigkeiten waren aus Sicht des begutachtenden Amtsarztes anderweitige Verwendungsmöglichkeiten aktuell nicht konkret erkennbar. Sie wären jedoch - bei längerfristig erfolgreicher fachspezifischer Therapie - im weiteren Verlauf am ehesten z. B. im Bereich der Verwaltung vorstellbar, doch nach aktueller Einschätzung ohne Bezug zu typischen dienstlichen Anforderungen des allgemeinen Vollzugsdienstes in einer Justizvollzugsanstalt.
24
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erläuterte der Amtsarzt, der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist, sein schriftliches Gutachten. Er wies darauf hin, dass der Kläger im Zeitpunkt der Begutachtung selbst von seiner Dienstunfähigkeit ausgegangen sei und Abstand von seiner Tätigkeit im Justizvollzugsdienst hätte haben wollen. Er sei sehr angespannt gewesen und seine Stimmungslage habe sich als wechselhaft dargestellt. Trotz der durchgeführten stationären Behandlung habe sich eine deutliche Instabilität beim Kläger gezeigt. Die Behandlung in der Parkklinik habe zwar zu einer Teilverbesserung geführt, von einer Heilung habe allerdings nicht gesprochen werden können. Nach Auffassung des Amtsarztes sei beim Kläger ein längerfristiger therapeutischer Prozess erforderlich. Weiter führte der Amtsarzt aus, dass sich die o.g. Zwangshandlungen und -gedanken auch im privaten Bereich gezeigt hätten. Eine Tätigkeit des Klägers im Umfeld der Justizvollzugsanstalt sei im Hinblick auf die damit verbundenen Belastungen nicht möglich. Auf die Frage, ob beim Kläger im Untersuchungszeitpunkt ein Restleistungsvermögen vorhanden gewesen sei, führte der Amtsarzt aus, dass die diagnostizierte Zwangserkrankung nicht abschließend behandelt worden sei und dass es im Falle einer Wiederaufnahme der Dienstverrichtung zu einer Belastungszunahme kommen werde. Die durch die stationäre Behandlung erzielte Teilverbesserung der psychischen Konstitution des Klägers habe sich auf einen geschützten Bereich bezogen. Jede Tätigkeit - auch eine solche im allgemeinen Verwaltungsdienst - gehe mit Belastungen einher, die zu einer Destabilisierung des Klägers führen würden. Insofern sei ein Wiederauftreten bzw. eine Zunahme der Symptome infolge der Schwere der Erkrankungen sowie aufgrund der beim Kläger bestehenden Komorbidität, bestehend aus Depression und Zwangsstörung, ernsthaft zu befürchten. Dies gelte vor allem deshalb, weil sich der Kläger nicht in poststationärer fachärztlicher Behandlung befunden habe bzw. befinde. Vor diesem Hintergrund bestehe auch für eine Tätigkeit im Verwaltungsbereich kein hinreichendes Restleistungsvermögen, da eine hinreichende Stabilität zum Umgang mit unspezifischen Belastungen (z. B. Probleme im Kollegenkreis, Einarbeitung, Zeiten hohen Arbeitsanfalls, Eilbedürftigkeit von Entscheidungen) beim Kläger nicht vorhanden sei.
25
Konkrete Anhaltspunkte, die Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Amtsarztes oder an der Stimmigkeit und Nachvollziehbarkeit seiner Ausführungen geben würden, hat die Klägerseite nicht vorgebracht und sind auch für das Gericht nicht ersichtlich. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass dem Amtsarzt hinsichtlich der Beurteilung der Dienstunfähigkeit gegenüber anderen Fachärzten besondere Sachkunde zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 8.3.2001 - 1 DB 8/01 - juris Rn. 12; U.v. 5.6.2014 - 2 C 22/13 - BVerwGE 150, 1 juris Rn. 20).
26
Ausgehend von den oben dargestellten amtsärztlichen Feststellungen durfte der Beklagte die nach § 26 Abs. 1 BeamtStG erforderliche negative Prognose im Hinblick auf die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Klägers treffen. Darauf beruhend ist auch die getroffene Rechtsfolgenentscheidung der Versetzung des Klägers in den Ruhestand rechtlich nicht zu beanstanden. Wie sich aus dem Gutachten vom 27.09.2019 sowie den Ausführungen des Amtsarztes im Verhandlungstermin ergibt, kam für den Kläger weder eine anderweitige Verwendung i.S.d. § 26 Abs. 2 BeamtStG noch die Übertragung einer geringerwertigen Tätigkeit i.S.d. § 26 Abs. 3 BeamtStG in Betracht. Auch § 27 Abs. 1 BeamtStG, wonach von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden soll, wenn der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann, scheidet im vorliegenden Fall aus, da der Kläger, wie festgestellt, die erforderliche Leistungsfähigkeit zur Erfüllung seiner Dienstpflichten nicht (mehr) besitzt.
27
Soweit von Klägerseite vorgetragen wird, dass sich die Ruhestandsversetzung als rechtswidrig erweise, da der Beklagte es schuldhaft unterlassen habe, nach anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten für den Kläger zu suchen, kann sie damit nicht durchdringen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entfällt die Pflicht zur Suche nach einer anderweitigen Verwendung dann, wenn ihr Zweck im konkreten Einzelfall von vornherein nicht erreicht werden kann. Das kann dann der Fall sein, wenn der Beamte auf absehbare Zeit oder auf Dauer keinerlei Dienst leisten kann. Ist der Beamte generell dienstunfähig, ist eine Suche nach in Betracht kommenden anderweitigen Dienstposten oder Tätigkeitsfeldern nicht erforderlich (BVerwG, U.v. 5.6.2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 juris Rn. 34). Eine solche generelle Dienstunfähigkeit ist anzunehmen, wenn die Erkrankung des Beamten von solcher Art und Schwere ist, dass er für sämtliche Dienstposten der betreffenden oder einer anderen Laufbahn, in die er wechseln könnte, ersichtlich gesundheitlich ungeeignet ist (BVerwG, U.v. 30.10.2013 - 2 C 16.12 - BVerwGE 148, 204 juris Rn. 40), oder wenn bei dem Beamten keinerlei Restleistungsvermögen mehr festzustellen ist (BVerwG, U.v. 5.6.2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 juris Rn. 27). Letzteres ist hier ausweislich der überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen des Amtsarztes der Fall. Denn dieser hat im maßgeblichen Prognosezeitraum kein positives Leistungsbild beim Kläger beschrieben; seinen Ausführungen nach kam auch eine - wie auch immer geartete - Verwendung des Klägers im Verwaltungsbereich infolge seiner psychischen Instabilität nicht Betracht.
28
Nach alledem erweist sich die gegenständliche Zurruhesetzungsverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides als rechtmäßig, so dass die Klage abzuweisen war.
29
II. Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
30
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 f. der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.