Vergabekammer München, Beschluss v. 21.03.2022 – 3194.Z3-3_01-21-51
Titel:
Ausschreibung zur gemeinsamen Vergabe mehrerer Fachplanungsleistungen
Normenketten:
VgV § 77 Abs. 2
GWB § 97 Abs. 4
HOAI Anl. 10 zu § 34
Leitsätze:
1. Bei der Entscheidung über eine gemeinsame Vergabe mehrerer Fachplanungsleistungen muss sich der Auftraggeber mit der Koordinierungspflicht des Objektplaners in Bezug auf alle Fachplanerleistungen als Grundleistung in den Lph 1-3 und 5 nach Anlage 10 zu § 34 HOAI auseinandersetzen. Er kann nicht ohne konkrete Anhaltspunkte unterstellen dass der Objektplaner die Koordinierungsleistung nicht oder nur schlecht erbringen wird. (Rn. 73)
2. Das Interesse des Auftraggebers fachplanungsübergreifende Lösungsvorschläge bereits im Rahmen der Vergabe als Zuschlagskriterium berücksichtigen zu können kann dagegen als für eine Gesamtvergabe sprechender Aspekt berücksichtigt werden. (Rn. 74)
3. Spätestens seit dem Wegfall der verbindlichen Mindestsätze der HOAI muss eine angemessene Vergütung i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV nicht mehr zwingend auf der Basis der HOAI ermittelt werden. (Rn. 102)
4. Es ist nicht zu beanstanden, die Vergütung nach dem konkreten, von der Vergabestelle realistisch prognostizierten Zeitaufwand für die zu erbringenden Planungsleistungen unter Ansatz angemessener Stundensätze zu bestimmen. (Rn. 109)
5. In diesem Fall erfordert die Festsetzung einer angemessenen Vergütung regelmäßig die Deckung des für die Erledigung der geforderten Aufgabe notwendigen, geschätzten Zeit-aufwandes unter Ansatz angemessener Stundensätze (VK Sachsen, Beschluss vom 05.02.2019 – 1/SVK/038-18). (Rn. 109)
6. Die Erwägungen des BGH im Urteil vom 13.01.2017 – X ZR 93/15 = BeckRS 2017, 109717 zu einer (lediglich) teilweisen Erstattung des Aufwands in einem Vergabeverfahren können nicht auf die vergaberechtlich geforderte Festsetzung einer angemessenen Vergütung nach § 77 Abs. 2 VgV übertragen werden. (Rn. 111)
Schlagworte:
zu Beschluss 21-51, Ausschreibung, Objektplanung, Koordinierungspflicht, Generalplanervergabe, Angemessenheit, fachplanungsübergreifende Lösungsvorschläge
Rechtsmittelinstanzen:
BayObLG, Beschluss vom 13.06.2022 – Verg 4/22
BayObLG, Beschluss vom 26.07.2022 – Verg 4/22
Fundstellen:
BeckRS 2022, 20976
LSK 2022, 20976
ZfBR 2022, 832
ZfBR 2023, 89
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, in dem streitgegenständlichen Verfahren den Zuschlag zu erteilen. Das Verfahren wird in den Stand vor Abgabe der Teilnahmeanträge zurückversetzt. Die Antragsgegnerin hat bei fortbestehender Beschaffungsabsicht erneut über eine in Relation zu den geforderten Lösungsvorschlägen angemessene Vergütung zu entscheiden.
2. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens (Gebühren der Vergabekammer) jeweils zur Hälfte. Ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen tragen die Beteiligten jeweils selbst.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von…,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen. Die Antragsgegnerin ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
Gründe
I.
1
Mit Auftragsbekanntmachung vom13.07.2021, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 16.07.2021 unter Nr. 2021/S. 136-361557, schrieb die Antragsgegnerin einen Dienstleistungsauftrag über Generalplanerleistungen für den Neubau eines Hallenbads im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb aus. Die Antragsgegnerin hatte den Auftrag bereits zuvor mit einer am 09.12.2020 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Auftragsbekanntmachung ausgeschrieben. Dieses Vergabeverfahren wurde jedoch von der Antragsgegnerin aufgehoben, nachdem die Vergabekammer Südbayern im Rahmen eines von der Antragstellerin beantragten Nachprüfungsverfahrens auf Abwägungsdefizite bei der Entscheidung über die Gesamtlosvergabe hingewiesen hatte. Auf das seinerzeitige Nachprüfungsverfahren, das bei der Vergabekammer Südbayern unter dem Aktenzeichen 3194.Z3-3_01-21-4 geführt wurde, wird verwiesen.
2
Ausweislich der Angabe in Abschnitt II.1.6) der neuerlichen Bekanntmachung war eine Aufteilung in Lose nicht vorgesehen. In Abschnitt II.2.4) war die Beschaffung wie folgt beschrieben:
„Gegenstand des zu vergebenden Auftrags sind Generalplanungsleistungen mit nachfolgenden Planungsdisziplinen:
- Objektplanung für Gebäude und Innenräume gemäß §§ 33 ff. HOAI, in den Leistungsphasen LPH 1-9,
- Fachplanung Tragwerksplanung gemäß §§ 49 ff. HOAI, in den Leistungsphasen LPH 1-6,
- Fachplanung der Technischen Ausrüstung in allen Anlagengruppen 1-8 gemäß §§ 53 ff. HOAI, in den Leistungsphasen LPH 1-9,
- Leistungen Bauphysik (Wärmeschutz, Schallschutz, Raumakustik) gemäß Anlage 1.2 HOAI, in den Leistungsphasen LPH 1-7, 8 (Schallschutz, Raumakustik),
- Leistungen für Brandschutz gem. AHO (Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e. V.), Heft Nr. 17, Leistungen für Brandschutz, Stand 2015, in den Leistungsphasen LPH 1-5, 8.
Die Beauftragung der Planungs- / Beratungsleistungen soll stufenweise erfolgen. Die Stufen teilen sich wie folgt auf:
- Stufe 1 (fest beauftragt): Planungs- / Beratungsleistungen LPH 1-2,
- Stufe 2 (optional beauftragt): Planungs- / Beratungsleistungen LPH 3-4,
- Stufe 3 (optional beauftragt): Planungs- / Beratungsleistungen LPH 5-7 bzw. LPH 5-6 (Tragwerksplanung) bzw. LPH 5-7 (Bauphysik) bzw. LPH 5 (Brandschutz),
- Stufe 4 (optional beauftragt): Planungsleistungen LPH 8-9 (Gebäude, TA) bzw. 8 Bauphysik Bau- und Raumakustik, Brandschutz). […]“
Die noch im vorangegangenen Vergabeverfahren enthaltenen Leistungen der Objektplanung Freianlagen und Fachplanung Küchentechnik waren nicht mehr Gegenstand des Auftrags. In Bezug auf die Angabe zur Beschränkung der Zahl der Bewerber, die zur Angebotsabgabe bzw. Teilnahme aufgefordert werden enthielt Abschnitt II.2.9) der Bekanntmachung folgende Festlegung:
„Geplante Mindestzahl: 3
Höchstzahl: 4 Objektive Kriterien für die Auswahl der begrenzten Zahl von Bewerbern:
- Angabe der technischen Fachkräfte oder der technischen Stellen, die im Zusammenhang mit der Leistungserbringung eingesetzt werden sollen (Gewichtungsfaktor 10),
- Angaben zu geeigneten Referenzen (Referenzobjekte, deren (Planungs-) Anforderungen mit denen der zu vergebenden (Planungs-) Leistung vergleichbar sind) (Gewichtungsfaktor 90), davon:
- Anzahl Referenzen Generalplanerleistungen mit vergleichbaren (Planungs-) Anforderungen (Gewichtungsfaktor 19,00),
- Anzahl Referenzen Objektplanung Gebäude und Innenräume mit vergleichbaren (Planungs-)Anforderungen (Gewichtungsfaktor 24,00),
- Anzahl Referenzen Fachplanung Tragwerksplanung mit vergleichbaren (Planungs) Anforderungen (Gewichtungsfaktor 8,00),
- Anzahl Referenzen Technische Ausrüstung HLS (Anlagengruppe 1-3) mit vergleichbaren (Planungs-)Anforderungen (Gewichtungsfaktor 8,00),
- Anzahl Referenzen Technische Ausrüstung Elektro (Anlagengruppe 4-6, 8) mit vergleichbaren (Planungs-)Anforderungen (Gewichtungsfaktor 8,00),
- Anzahl Referenzen Technische Ausrüstung nutzungsspezifische Anlagen und verfahrenstechnische Anlagen (Anlagengruppe 7: Badewassertechnik) mit vergleichbaren (Planungs-)Anforderungen (Gewichtungsfaktor 6,00),
- Anzahl Referenzen Beratungsleistung Bauphysik (Wärmeschutz und Energiebilanzierung,) mit vergleichbaren Anforderungen (Gewichtungsfaktor 3,00),
- Anzahl Referenzen Beratungsleistung Bauphysik (Bauakustik) mit vergleichbaren Anforderungen (Gewichtungsfaktor 3,00),
- Anzahl Referenzen Beratungsleistung Bauphysik (Raumakustik) mit vergleichbaren Anforderungen (Gewichtungsfaktor 3,00),
- Anzahl Referenzen Leistungen für Brandschutz mit vergleichbaren Anforderungen (Gewichtungsfaktor 8,00).
Wir weisen darauf hin, dass auch einschlägige Referenzen berücksichtigen werden, die mehr als 3 und max. 8 Jahre zurückliegen (§ 46 Abs. 3 Nr. 1).“
3
Hinsichtlich der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit enthielt Abschnitt III.1.3) der Bekanntmachung unter anderem folgende Festlegungen:
„[…]
- Geeignete Referenzen des Bewerbers der letzten 3 Jahre […]. Bei Bewerbergemeinschaften ist die jeweilige Referenz dem jeweiligen Mitglied zuzuordnen. Mindestanforderungen betreffend Referenzen gelten für die Bewerbergemeinschaft als solche. […] Möglicherweise geforderte Mindeststandards:
…
- mind. 1 Referenz Generalplanerleistungen wie folgt:
„… mind. folgende Leistungsbilder der Planung: Objektplanung Gebäude und Innenräume, Fachplanung Technische Ausrüstung, Fachplanung Tragwerksplanung,
… jeweils mind. LPH 2-8 bzw. LPH 2-6 (Tragwerksplanung) erbracht,
… jeweils Neubau oder Erweiterungsmaßnahme,
… Bauwerkskosten (KG 300 und 400): insgesamt mind. 15 Mio. EUR netto, …“
4
Hinsichtlich der Zuschlagskriterien wurde in Abschnitt II.2.5) der Bekanntmachung auf die Beschaffungsunterlagen verwiesen. Bestandteil dieser Unterlagen waren unter anderem Bewertungsmatrizen für den Teilnahmewettbewerb und die Angebotsphase sowie eine „Anlage 3 - VgV - TNW“ mit dem Titel „Informationsunterlage“ und eine „Anlage 9 - VgV - ANG“ mit dem Titel „Vergabebedingungen und Informationsunterlage Angebotsphase“.“
5
In Abschnitt 9.4 der Informationsunterlage für den Teilnahmewettbewerb fand sich zur Wertung der Auswahlkriterien unter anderem folgende Vorgabe:
„Für jedes Auswahlkriterium/Unterkriterium wird im Rahmen der Bewertungsmatrix je nach Erfüllung der in der Bewertungsmatrix festgelegten Maßgaben eine Bepunktung vorgenommen.
Sofern nachfolgend nichts anderes ausgewiesen wird, kann für jedes Kriterium/Unterkriterium minimal der Erfüllungsgrad (EG) 1 und maximal der EG 3 erzielt werden. Sofern nachfolgend nichts anderes ausgewiesen wird, findet die Festlegung des erzielten Erfüllungsgrades zwischen dem minimalen und dem maximalen Erfüllungsgrad auf dem Wege einer linearen Interpolation statt. […]“
Hinsichtlich der Auswahlkriterien betreffend die geforderten Referenzenleistungen war in der Informationsunterlage zum Teilnahmewettbewerb ferner geregelt, dass der EG 1 erzielt wird, sofern durch mindestens eine beigebrachte Referenz die Erbringung der Leistungen mit vergleichbaren (Planungs-)Anforderungen nachgewiesen wird, und der maximale Erfüllungsgrad EG 3 erreicht wird, wenn die Erbringung von Leistungen mit vergleichbaren (Planungs-) Anforderungen durch mindestens sieben Referenzen nachgewiesen wird.
6
Hinsichtlich der Wertung der Zuschlagskriterien fand sich in Abschnitt 2.9.2 der Informationsunterlage für die Angebotsphase folgende Vorgabe:
„Für jedes Auswahlkriterium/Unterkriterium wird im Rahmen der Bewertungsmatrix je nach Erfüllung der in der Bewertungsmatrix festgelegten Maßgaben eine Bepunktung vorgenommen.
Sofern nachfolgend nichts anderes ausgewiesen wird, kann für jedes Kriterium/Unterkriterium minimal der Erfüllungsgrad (EG) 1 und maximal der EG 3 erzielt werden.
Der jeweilig erzielte Erfüllungsgrad wird mit dem jeweiligen Gewichtungsfaktor des Kriteriums multipliziert und die jeweiligen Produkte der einzelnen Kriterien abschließend addiert (Wertungssumme).
Sofern nachfolgend nichts anderes ausgewiesen wird, findet die Festlegung des erzielten Erfüllungsgrades zwischen dem minimalen und dem maximalen Erfüllungsgrad auf dem Wege einer linearen Interpolation statt. […] … Hinsichtlich der Kriterien, welche durch die Einreichung von Ideenskizzen bewertet werden, wird eine Bepunktung dahingehend vorgenommen, welche Qualität der Leistungserbringung zu erwarten ist. Die Beurteilung erfolgt hierbei durch Betrachtung der konzeptionellen Darstellung im Sinne von Ideenskizzen, die der Bieter mit Angebotsabgabe beibringt, in Bezug auf die jeweilig festgelegten Kriterien. Für jedes Kriterium kann max. ein EG von 3 erreicht werden.
Die Erfüllungsgrade sind wie folgt definiert:
Skala:
Erfüllungsgrad 1: ausreichend (wenig detailliert, nur allgemein gehaltene Aussagen/Darstellungen, ohne erkennbaren Projektbezug. Dies kann auch dann gegeben sein, wenn nicht alle Bewertungsaspekte behandelt werden.)
Erfüllungsgrad 2: befriedigend (detaillierte Aussage bezüglich sämtlicher Bewertungsaspekte und nur in Teilbereichen pauschal sowie nicht projektspezifisch, plausible Aussagen Erfüllungsgrad 3: gut (überzeugende sehr detaillierte projektspezifische Aussagen/Darstellungen bezüglich sämtlicher Bewertungsaspekte)
…“
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Zum Kriterium „Persönliche Referenzen der vorgesehenen Projektverantwortlichen“ fand sich in Abschnitt 2.9.4 der Informationsunterlage für die Angebotsphase daneben folgende Festlegung:
„Bei allen Unterkriterien geht es jeweils darum, durch die Referenzen nachzuweisen, dass die benannte verantwortliche Person bereits Leistungen im jeweils betroffenen Bereich mit den jeweils entsprechenden Anforderungen (s.o.) erbracht hat.
Der EG 1 kann erzielt werden, wenn mind. eine die Anforderungen erfüllende Referenz beigebracht wird. Werden mind. 7 die Anforderungen erfüllende Referenzen beigebracht, wird der maximale EG 3 erreicht. Ggf. vorhandene weitere Referenzen führen nicht zu einem noch höheren Erfüllungsgrad und somit auch nicht zu einer zusätzlichen Bepunktung. Die Festlegung des erzielten Erfüllungsgrades zwischen dem minimalen und dem maximalen Erfüllungsgrad erfolgt auf dem Wege einer linearen Interpolation (s.o.).“
8
Mit Schreiben vom 12.08.2021 rügte die Antragstellerin die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens als vergabefehlerhaft. Gerügt werde ein Verstoß gegen § 97 Abs. 4 GWB. Durch die beabsichtigte Generalplanervergabe würden mittelständische Interessen nicht hinreichend berücksichtigt. Ausnahmegründe, die eine Gesamtvergabe rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Die Planung eines Hallenbads unter Einbeziehung des Bestands sei eine standardisierte Planungsaufgabe, so dass keine zwingenden technischen Gründe für eine Gesamtvergabe bestünden. Auch wirtschaftliche Gründe für eine Gesamtvergabe seien auszuschließen, da Einzelvergaben von Planungsleistungen immer günstiger seien als die Generalplanervergabe, da der Generalplanerzuschlag entfalle. Auch sei den Vergabeunterlagen eine nachvollziehbare Abwägung im Hinblick auf die beabsichtigte Gesamtvergabe nicht zu entnehmen.
9
Die Abfrage einer Referenz als Generalplanerleistung bedeute, dass die Planungsleistung von einem Generalplaner erbracht worden sein müsse. Damit sei die Möglichkeit ausgeschlossen, dass ein Objektplaner die anderen Fach- und Objektplanungen durch Bewerbungsgemeinschaften oder Eignungsleihe erbringen könne. Dies käme einem Selbstausführungsgebot gleich, ohne dass es hierfür gem. § 47 Abs. 5 VgV eine Rechtfertigung gebe.
10
Der Umstand, dass ausweislich der Bewertungsmatrix für mehr Referenzen mehr Punkte vergeben werden als für eine Referenz, begründe einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV und § 75 Abs. 4 Satz 2 VgV. Eine Besserstellung von mehr als einer vergleichbaren Referenz führe zu einer unmittelbaren Bevorzugung großer Planungsbüros. Da die Eignung eines Büros entsprechend den Mindestanforderungen bereits bei einer Referenz angenommen werde, führe eine Bewertung zusätzlicher Referenzen zu einem unzulässigen „Mehr-an-Eignung“. Hinzu käme, dass die vorgesehene Wertung der Referenzen als solche unzulässig sei. Gemäß den Vergabeunterlagen erfolge die Bewertung im Rahmen der Auswahlentscheidung nach den Erfüllungsgraden EG 1 bis EG 3. Eine eigenständige Definition der Erfüllungsgrade finde sich hier jedoch nicht. Die Wertung richte sich lediglich nach der Anzahl der Referenzen und nicht nach ihrer Vergleichbarkeit, sodass ein Teilnehmer die volle Punktzahl erhalte, wenn er sieben Referenzen vorlegt, ohne dass diese Referenzen materiell die höchste Vergleichbarkeit aufweisen. Ein Teilnehmer der beispielsweise nur drei Referenzen vorlegt, die aber für sich materiell die höchste Vergleichbarkeit objektiv rechtfertigen, würde aufgrund der vorgesehenen Matrix schlechter bewertet.
11
Gleichfalls unzulässig sei die vorgesehene Wertung der Referenzen im Rahmen der Angebotswertung. Auch hier erfolge die Bewertung nach den Erfüllungsgraden EG 1 bis EG 3. Im Gegensatz zur Auswahlwertung seien hier die Erfüllungsgrade jedoch in den Vergabeunterlagen definiert, namentlich als ausreichend, befriedigend und gut mit jeweils hierzu konkretisierenden Angaben. Die eigenständige Definition der Erfüllungsgrade finde aber in der Wertung selbst keine Berücksichtigung. Diese richte sich wiederum nur nach der Anzahl der Referenzen, was offenkundig vergaberechtswidrig sei. Denn die Anzahl der Referenzen sage über den materiellen Erfüllungsgrad der Referenzen hinsichtlich der Vergleichbarkeit nichts aus.
12
Zudem sei die festgesetzte Vergütung in Höhe von 20.000 Euro für die einzureichenden Ideenskizzen unangemessen niedrig. Gemäß § 77 Abs. 2 VgV sei für Lösungsvorschläge für die gestellte Planungsaufgabe in Form von Entwürfen, Plänen, Zeichnungen, Berechnungen oder anderen Unterlagen einheitlich für alle Bewerber eine angemessene Vergütung festzusetzen. Die Umsetzung der Ideenskizzen beinhalte nach den Vorgaben der Vergabeunterlagen nahezu alle Grundleistungen der Leistungsphasen 1 und 2 der jeweiligen Leistungsbilder der Objekt- und Fachplanung der HOAI. Auf Grundlage der Basishonorare der HOAI 2021 sei die Vergütung mit mindestens 125.000 Euro anzusetzen. Nach dem Willen des Verordnungsgebers stelle die auf Basis der HOAI 2021 ermittelte Vergütung für Planungsleistungen (immer) eine angemessene Vergütung dar. Die Unterschreitung des nach den Basissätzen der HOAI ermittelten Honorars um mehr als 100.000 Euro führe zwingend dazu, dass ein derartiges Honorar nicht angemessen sei.
13
Letztlich finde sich in den Vergabeunterlagen kein ausreichender Hinweis darauf, dass im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Ersatzneubau bereits vor einigen Jahren offensichtlich das Büro K… aus V… mit der Angelegenheit befasst gewesen sei. Der Umstand, dass den Vergabeunterlagen eine Machbarkeitsstudie beigefügt sei, genüge insoweit nicht, zumal der Verfasser dieser Studie unkenntlich gemacht worden sei. Auch sei weder der Vergabebekanntmachung noch den Vergabeunterlagen zu entnehmen, welche Unterlagen und Informationen durch das vorbefasste Büro erstellt worden sind. Gemäß § 7 VgV hätten öffentliche Auftraggeber angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme eines vorbefassten Unternehmens nicht verzerrt wird. Dadurch, dass der entsprechende Kenntnisstand, den das vorbefasste Büro haben müsse, nicht im Rahmen des Vergabeverfahrens offengelegt worden sei, liege ein Vergabefehler vor. Zudem liege es nahe, dass das gesamte Vergabeverfahren auf das Büro K… zugeschnitten sei, was zum Beispiel belegt werde durch die Zahl/Größe der Referenzen, den Umfang der Planungsleistungen bzw. die Ausschreibung als Generalplanung sowie die Anforderung von umfangreichen Leistungen. Dadurch, dass das vorbefasste Unternehmen bereits eine vergütete Machbarkeitsstudie habe erstellen können, käme es zudem zu einem wettbewerbswidrigen Vorteil dieses Unternehmens, da es bei der Erstellung der Ideenskizzen auf den Planungen, Gedanken und Ideen der Machbarkeitsstudie aufbauen könne und es ihm so möglich sei, im Rahmen des Budgets von 20.000 Euro möglicherweise tiefere und ausführlichere Ideenskizzen zu entwickeln. Dieser wettbewerbswidrige Vorteil sei, jedenfalls nicht ohne Anpassung der Vergütung, allein durch Zurverfügungstellung der Machbarkeitsstudie nicht auflösbar. Denn die übrigen Bewerber könnten nicht einfach die Ideen eines anderen abgeben, ohne aufgrund geringerer gestalterischer Kreativität mit Punktabzügen rechnen zu müssen.
14
Mit Schreiben vom 13.08.2021 rügte die Antragstellerin des Weiteren eine unzulässige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien. Die Referenzanforderungen an die Eignung seien (nahezu) wortgleich mit den Referenzanforderungen an die Angebotswertung. Dies würde dazu führen, dass im Rahmen der Zuschlagsentscheidung (Angebotswertung) auch unternehmensbezogene Aspekte berücksichtigt werden könnten, obwohl diese grundsätzlich (nur) als Eignungskriterien herangezogen werden dürften.
15
Mit Schreiben vom 24.08.2021 erwiderte die Antragsgegnerin, dass sie den Rügen der Antragstellerin nur in dem Punkt der namentlichen Benennung des Verfassers der Machbarkeitsstudie abhelfe. In den übrigen Punkten werde den Rügen nicht abgeholfen.
16
Die Antragsgegnerin habe sich im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und mit den im konkreten Fall dagegensprechenden Gründen auseinandersetzt und sodann eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange vorgenommen. Die Abwägung habe ergeben, dass technische Gründe vorliegen, die ein Absehen von einer Losaufteilung „erfordern“, da ansonsten sowohl der Beschaffungsbedarf nicht vollständig befriedigt als auch die Absicherung der Zielsetzungen nicht gewährleistet werden könne. Die Antragsgegnerin habe in Bezug auf die leistungsgegenständlichen Fachlose anhand von Variantenbetrachtungen die technischen und gestalterischen Abhängigkeiten hinterfragt und festgestellt. Hierbei habe sich ergeben, dass die technischen Zusammenhänge und Abhängigkeiten einen Verzicht auf eine weitere Fachlosbildung rechtfertigen. Die im Rahmen der Interessenabwägung ebenfalls zu berücksichtigenden Nachteile einer Generalplanervergabe bzw. Vorteile einer Losvergabe würden vorliegend nicht überwiegen, da das Beschaffungsziel auf dem Spiel stehe und die Nachteile hinnehmbar seien. Unter Berücksichtigung des von der Rechtsprechung zuerkannten Beurteilungsspielraums sei deshalb unter Abwägung aller maßgeblichen Interessen die Vergabe der Planungsleistungen in einem Generalplanungsauftrag (zusammengefasste Vergabe von Fachlosen) gemäß § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB ausnahmsweise zulässig.
17
Insbesondere bestünden vorliegend erhebliche Verknüpfungen der Anlagengruppe Badewassertechnik (BWT) und Elektrotechnik (ELT) mit dem Hochbau und der Tragwerksplanung. Auch bei der Beckenkonstruktion sei vorliegend eine erhebliche Verknüpfung der Tragwerksplanung und der Hochbauplanung im Zusammenhang mit der Festlegung der Korrosionsschutzklassen und der Beckenstatik erforderlich. Gleiches gelte bei großen Einbauteilen wie dem Hubboden. Hier sei eine direkte Verknüpfung der Anlagengruppen Fördertechnik, Elektrotechnik und der Hochbauplanung in einem Gewerk erforderlich. Grundsätzliche Erwägungen in einem Fachbereich hätten zwangsläufige Auswirkungen in den anderen Fachbereichen. Eine belastbare Aussage zum Grad der Wirtschaftlichkeit oder Nachhaltigkeit des Hallenbades sei daher nicht auf der Grundlage einzelner Ideenskizzen betreffend das jeweilige Fachlos, sondern nur ganzheitlich möglich. Das Risiko, dass die einzelnen fachlosbezogenen Ideenskizzen bezüglich der für den Auftraggeber erheblichen Zielsetzungen für sich gesehen nachvollziehbar und grundsätzlich praktikabel, aber aufgrund der bestehenden Abhängigkeiten nicht kompatibel seien, liege auf der Hand. Gerade bei der Planung von „Sonderbauten“ mit vielen Abhängigkeiten bestehe die Gefahr, dass die Planungsbeteiligten aneinander vorbeiagieren. Vor dem Hintergrund der vorgesehenen Bundesförderung des Projektes in Höhe von … Mio. Euro würden Ideenansätze gesucht, die die Zielsetzung des Förderprogramms auch unter Beachtung von Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten bestmöglich absichern. Dies zeige sich insbesondere in der Festlegung der Ideenskizze „Energetisches Konzept/Nachhaltigkeit“ als Zuschlagskriterium, bei dem zielgerichtet gesamtheitliche Lösungsvorschläge gesucht würden, was eine isolierte Betrachtung einzelner Planungsdisziplinen (z.B. Planungsleistungen betreffend nur die gestalterischen oder nur die technischen Aspekte) denklogisch ausschließe. Nur das abgestimmte Zusammenspiel könne zu einem Gesamtplanungsergebnis führen, das sowohl technisch als auch wirtschaftlich und klimaschutztechnisch funktional ist. Eine isolierte Bewertung von losbezogenen Ideenskizzen berge die Gefahr eines Musters ohne Wert.
18
Die von der Antragstellerin vermutete Schlechterstellung der Unterauftragsvergabe und Eignungsleihe infolge des Forderns einer Generalunternehmerreferenz liege nicht vor. Ausweislich der Vergabeunterlagen sei es bei den Unternehmensreferenzen betreffend die Generalplanerleistungen nicht erforderlich, dass in allen Leistungsbildern die Planungsleistung im eigenen Unternehmen des Bewerbers erbracht wurden. Erforderlich sei vielmehr die planerische Gesamtverantwortung des Bewerbers inkl. der Aufgaben der Teamkoordination und -führung. Die Unterauftragsvergabe und die Eignungsleihe würden nicht schlechter bewertet.
19
Der behauptete Vergaberechtsverstoß in Form einer Benachteiligung kleinerer Büros liege ebenfalls nicht vor. Der Anforderung des § 75 Abs. 4 VgV, dass Eignungskriterien bei geeigneten Aufgabenstellungen so zu wählen sind, dass kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger sich beteiligen können, sei vorliegend entsprochen worden. Denn als Mindestanforderung an die Eignung werde bei jedem Unterkriterium lediglich eine Referenz verlangt. Dass eine Berücksichtigung einer besseren Eignung im Teilnahmewettbewerb nicht erfolgen dürfe, sei schlicht unzutreffend. Die Bepunktung anhand der festgelegten Auswahlkriterien diene der Auswahl der zur Angebotsabgabe aufzufordernden (geeigneten) Bewerber anhand des höheren Grades an Eignung. Das Aufstellen von Auswahlkriterien zur Ermittlung des „Mehr an Eignung“ sei nicht im Lichte des § 75 Abs. 4 VgV, sondern des § 51 VgV zu sehen. Dass auch die Auswahlkriterien nach § 51 VgV unter Berücksichtigung der Interessen kleinerer Büroorganisationen und Berufsanfänger bestimmt werden müssen, ergebe sich aus § 75 Abs. 4 Satz 2 VgV gerade nicht.
20
Eine unzulässige Gewichtung der Auswahlkriterien liege ebenfalls nicht vor. Ausweislich der Vergabeunterlagen erfolge die Bewertung im Rahmen der Auswahlentscheidung nach den jeweiligen Erfüllungsgraden EG 1 bis EG 3. Diese müssten keinen materiellen Hintergrund aufweisen. Der Erfüllungsgrad beschreibe vielmehr im Sinne eines quantitativen Ansatzes, in welchem Maße die aufgestellten Anforderungen an die Eignung bzw. die Auswahlkriterien erfüllt werden. Als Grundlage für den Erfüllungsgrad würde die Anzahl der die Mindestanforderungen erfüllenden (vergleichbaren) Referenzen genommen. Die Anforderungen an die Vergleichbarkeit seien fest definiert; ein „Grad“ der Vergleichbarkeit bestehe nicht. Gleiches gelte für die Bewertung der persönlichen Referenzen im Rahmen der Angebotswertung. Auch liege keine Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien vor. Es sei transparent ausgewiesen worden, dass es einerseits im Teilnahmewettbewerb um vergleichbare Unternehmensreferenzen gehe und dass andererseits in der Angebotsphase personengebundene Referenzen maßgeblich seien.
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Die Vergütung der Lösungsvorschläge/Ideenskizzen in Höhe von 20.000,00 Euro entspreche bei einem prognostizierten Arbeitsaufwand von ca. 360 Stunden und einem gemittelten Stundensatz von 100,00 € mehr als der Hälfte der durchschnittlichen Angebotserstellungskosten. Auf Grundlage der Rechtsprechung des BGH zur Entschädigung des Aufwandes im Vergabeverfahren sei der festgelegte Wert angemessen.
22
Ein wettbewerbswidriger Informationsvorsprung des mit der Machbarkeitsstudie vorbefassten Unternehmens liege nicht vor. Bei der Erstellung der Vergabeunterlagen sei das Büro nicht eingebunden gewesen, die Machbarkeitsstudie liege den Vergabeunterlagen bei und auch ein Zuschnitt auf das Büro liege nicht vor. Die geforderten Ideenskizzen seien keinesfalls deckungsgleich mit der Machbarkeitsstudie, so dass der Projektant deshalb keinen wettbewerbswidrigen Vorteil erhalte. Die Lösungsansätze stellten eine neue Leistung dar, für die aus Gründen der Gleichbehandlung auch dem Projektanten eine angemessene Vergütung gewährt werden müsse.
23
Mit Datum vom 25.08.2021 hinterlegte die Antragsgegnerin eine Schutzschrift bei der Vergabekammer, in der sie darlegte, dass die gerügten Vergaberechtsverstöße ihrer Ansicht nach offensichtlich nicht vorlägen.
24
Mit Schreiben vom 08.09.2021 stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gemäß § 160 Abs. 1 GWB.
25
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig, insbesondere sei die Antragsbefugnis der Antragstellerin gegeben. Die Antragstellerin habe im vorliegenden Teilnahmeverfahren keinen Teilnahmeantrag abgegeben, sei jedoch an einem Vertragsschluss mit der Antragsgegnerin interessiert. Die Antragstellerin sei gerade durch die gerügten Vergabeverstöße daran gehindert, einen Teilnahmeantrag abzugeben; insbesondere aufgrund der Unangemessenheit der ausgelobten Vergütung. Denn nach der Rechtsprechung des BGH sei die Teilnahme am Teilnahmewettbewerb eines Vergabeverfahrens so zu verstehen, dass damit eine Bindung des Teilnehmers an die (fehlerhaft) ausgelobte Vergütung entstehe. Die Antragstellerin mache ferner einen Verstoß gegen Vergabevorschriften und daraus folgende Rechtsverletzungen geltend, namentlich die vergaberechtswidrige Ausgestaltung als Gesamtvergabe, die Schlechterstellung bei Unterauftragsvergabe und Eignungsleihe, die Besserbewertung von mehr als einer vergleichbaren Referenz, die fehlende angemessene Vergütung, wettbewerbswidrige Vorteile aus einer Vorbefasstheit sowie einen Verstoß gegen das Transparenzgebot. Hierdurch drohe der Antragstellerin auch ein Schaden im Sinne des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes. Die Antragstellerin habe die Antragsfristen aus § 160 Abs. 3 GWB gewahrt. Ihre Rügen seien jeweils vor Ablauf der Bewerbungsfrist erfolgt und der Nachprüfungsantrag sei innerhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang der Nichtabhilfemitteilung der Antragsgegnerin am 24.08.2021, 21:19 Uhr, gestellt worden.
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Zur Begründetheit wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihren Vortrag aus den Rügeschreiben. Ergänzend führt sie aus, dass die Antragsgegnerin bei der Entscheidung für die Gesamtvergabe mittelständische Interessen nicht berücksichtigt habe und wirtschaftliche und technische Gründe für eine Gesamtvergabe nicht bestünden. Das ausgeschriebene Hallenbad stelle ein normales Projekt dar, wie es in ähnlicher Weise unter Aufteilung in Planungslose vielfach umgesetzt werde. Der in der Rügeerwiderung der Antragsgegnerin vorgebrachte Umstand, dass die einzelnen planerischen Werke miteinander verknüpft seien, sei trivial, bei jedem Bauvorhaben der Fall und gerade keine Besonderheit. Bei einer Gesamtplanervergabe seien Abstimmungen zwischen den Planern genauso erforderlich wie beim klassischen Planungsmodell, da auch hier arbeitsteilig vorgegangen werde und der Generalplaner die einzelnen Leistungsbilder in der Regel über Nachunternehmer erbringe. Insoweit gebe es bei einer Generalplanervergabe auch nicht weniger Schnittstellen. Zudem sei das Lösen von Problemen an den Schnittstellen im jeweiligen Grundleistungsbild nach der HOAI enthalten. Ohnehin relativiere sich die Argumentation mit einem angeblich für Einzelplaner unmöglich zu erbringenden Koordinierungsaufwand noch einmal deutlich, nachdem bekannt geworden sei, dass ein Projektsteuerer seitens der Antragsgegnerin beauftragt ist, der gemäß des üblichen Leistungsbilds im AHO Schriftenheft Nr. 9 wesentliche Koordinierungsaufgaben hinsichtlich der Planer zu erbringen habe.
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Auch besitze jedes Hallenbad ein Raumprogramm, das parallel zur Bädertechnik berücksichtigt werden müsse. Ein Raumprogramm werde gleich zu Beginn in der Leistungsphase 1 erstellt, so dass sich alle Planungen dann auf das Raumprogramm zu beziehen hätten. Dass die Badtechnik fachübergreifend verknüpft ist, stelle ebenfalls den Normalfall dar und rechtfertige allenfalls eine Zusammenfassung der sie betreffenden Planungslose zu einem Los „Objektplanung Technische Gebäudeausrüstung“. Dass TGA-Bestand berücksichtigt werden muss, stelle eine typische Aufgabenstellung für einen Objektplaner TGA dar. Korrosionsschutzmaßnahmen und Materialwahl hätten mit der Frage, ob Tragwerks-, Brandschutz- und Objektplaner zwingend einem Generalplanervertrag unterliegen müssen, nichts zu tun. Dass bei einer Versammlungsstätte sämtliche brandschutzrelevanten Aspekte zu beachten sind, sei selbstverständlich, stehe aber schlicht in keinem Zusammenhang damit, ob der Brandschutzplaner vom Auftraggeber oder von einem Generalplaner beauftragt wird. Gleiches gelte für die von der Antragsgegnerin in ihrer Rügeerwiderung geschilderten Zusammenhänge zwischen den einzelnen Planungsgewerken, die sich aus der Wahl der Dachkonstruktion oder der Schwimmbeckenart ergeben würden. Diese seien bei jedem Hallenbad gegeben. Eine Gesamtvergabe sei auch keine nachhaltigere Planungsmethode und Ideenskizzen zu einem energetischen Konzept bzw. zur Nachhaltigkeit müssten nicht zwangsläufig von einem Generalplaner durchgeführt werden, sondern könnten auch in anderen Losen verlangt werden.
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Soweit die Antragsgegnerin meine, dass ihr bei der Entscheidung über eine Generalplanervergabe eine Einschätzungsprärogative zukomme, sei dem zu entgegnen, dass die Einschätzung auch bei Bestehen eines Beurteilungsspielraums ein vertretbares Ergebnis tragen müsse - was vorliegend nicht der Fall sei - und die Einschätzung des Auftraggebers voll überprüfbar sei. Im Rahmen der Akteneinsicht habe sich zudem gezeigt, dass der Entscheidung der Antragsgegnerin für die Gesamtvergabe kein Abwägungsvorgang im rechtlichen Sinne vorangegangen sei. Die Antragsgegnerin habe zwar eine tabellarische Liste von abstrakten Vor- und Nachteilen aufstellen lassen. Diese enthalte jedoch vielfach sachfremde Erwägungen, namentlich solche, die typische Folge von Fachlosvergaben sind. Auch eine Bewertung der Einzelbelange und schließlich ein untereinander und gegeneinander Abwägen der Belange seien nicht erfolgt. Um von einer Fachlosvergabe abzusehen, genüge es nicht, einseitig die durch den Verzicht auf eine Fachlosvergabe erstrebenswerten positiven Effekte und die negativen Begleiterscheinungen, die bei einer Fachlosvergabe erwartet werden, darzustellen. Die Antragsgegnerin habe sich die in Anlage 1 zum Vergabevermerk enthaltene Stellungnahme zur Zulässigkeit einer Generalplanervergabe auch nicht zu eigen machen können, da es sich hierbei lediglich um die Vorarbeit eines Rechtsanwalts handle, die keine abschließende Abwägung enthalte. Zudem hätte die Beauftragung eines Projektsteuerers im Rahmen der notwendigen Abwägung berücksichtigt und abgewogen werden müssen.
29
Unklar sei auch, was die von der Antragsgegnerin mit der Gesamtvergabe angestrebte wirtschaftliche Planung sein soll. Sofern das Ziel eine Planung sei, die möglichst wenig kostet und dass Bieter günstigere Preise bieten könnten, weil sie mit mehreren Leistungsbildern betraut werden, ließe sich der gleiche Effekt durch das Instrument des Loskombinationsrabattes erzielen. Der Unterschied zwischen Gesamtvergabe und losweiser Vergabe bestehe nur darin, wie viele Vertragspartner man als Auftraggeber habe. Aber auch bei einer losweisen Vergabe würden die Planer ab Beauftragung zusammenarbeiten. Wenn nötig, werde hier zu Beginn der Planungsphase (Lph. 1) eine Bedarfsplanung durch den Objektplaner erstellt, an der die Fachplaner mitzuwirken hätten. Soweit die Antragsgegnerin einen zwingenden wirtschaftlichen oder technischen Grund für eine Generalplanung in dem Umstand sehe, dass mit dem Abbruch zu berücksichtigende Bestandstechnik einzubeziehen und zu bewerten sei, habe dies ersichtlich nichts mit der Frage zu tun, ob ein Generalplaner beauftragt wird, da die Antragsgegnerin genauso durch die Beauftragung in Losen erfahre, was abgerissen werde.
30
Die Antragsgegnerin habe ebenfalls gegen § 36 VgV und § 47 VgV verstoßen, indem sie de facto eine Bewerbergemeinschaft und auch eine Eignungsleihe ausschließe. Daran ändere auch die Begründung der Antragsgegnerin nichts, dass ausdrücklich Bewerbergemeinschaften oder Eignungsleihen zugelassen seien. Denn die unbedingte Referenzabfrage des Nachweises der zusammengeführten Generalplanung „aus einer Hand“ führe im Ergebnis zu einem Selbstausführungsgebot. Mit der Abfrage einer Generalplanerleistung schließe die Antragsgegnerin die Möglichkeit aus, dass ein Objektplaner die anderen Fach- und Objektplanungen durch Bewerbungsgemeinschaften oder Eignungsleihe erbringen kann. Ein Auftragnehmer könne nur eine Referenz „Generalplanungsleistungen“ haben, wenn er schon einmal ein solcher Generalplaner gewesen sei. Sei dies der Fall, benötige er insoweit keine Eignungsleihe mehr. Die Eignung einer Generalplanerreferenz könne nicht geliehen werden.
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Der von der Antragsgegnerin in ihrer Rügeerwiderung proklamierte Ermessensspielraum im Hinblick auf die Referenzanforderungen habe Grenzen, die hier überschritten seien. Die Wertung von 70 Referenzen führe dazu, dass faktisch nur größte Wettbewerbsteilnehmer eine Chance hätten, ausgewählt zu werden. Dies sei bei dem vorliegenden Vorhaben, bei dem es sich nicht um ein Großprojekt handle, nicht gerechtfertigt. Hinzu käme, dass die Antragsgegnerin nirgendwo beurteilt habe, warum sie diese außergewöhnliche Wertung von 70 Referenzen benötige. Das Kriterium sei damit schon willkürlich; der Beurteilungsspielraum sei gar nicht erst ausgeübt worden. Die vorgesehene Gewichtung/Wertung der Referenzen sei auch deswegen unzulässig, weil Anknüpfungspunkt von Referenzen als Auswahlkriterium zwingend die Vergleichbarkeit sei. Auswahlkriterien seien Eignungskriterien, die eine Abstufung nach dem Grad der Eignung ermöglichten. Sinn der Bewertung von Referenzen als Auswahlkriterium sei es, eine Prognose über die Qualität der Leistungserbringung im Auftragsfalle zu ermöglichen. Je vergleichbarer die Referenz mit dem Vorhaben ist, desto positiver müsse die Prognose ausfallen. Sofern ein Mindestmaß an Referenzen vorhanden ist, sei klar, dass der Bewerber am Markt hinreichend aktiv ist. Mehr lasse sich an der Zahl der Referenzen nicht beurteilen.
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Ausweislich der in den Vergabeunterlagen enthaltenen Definitionen der Erfüllungsgrade hätten diese bei der Angebotswertung eine qualitative Komponente. Gleichwohl würden die Erfüllungsgrade im Rahmen der Wertung quantitativ bemessen. Damit sei das Bewertungssystem der Ausschreibungsunterlagen intransparent. Im Übrigen gehe es bei der Forderung von Referenzen als Zuschlagskriterium darum, von der Qualität der angebotenen Leistung zu überzeugen. Die Anzahl der Referenzen könne keinen Aufschluss über die Wirtschaftlichkeit des Angebotes im Sinne eines Preis-/Leistungsverhältnisses geben. Es sei ein Verstoß gegen § 75 Abs. 5 VgV, wonach es auf die qualitative Vergleichbarkeit von Referenzen ankomme, wenn sie als Zuschlagskriterium dienen.
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Hinsichtlich der Frage der Angemessenheit der Vergütung für die geforderten Ideenskizzen sei zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin für den zwingend beizubringenden Lösungsvorschlag eine Vielzahl detaillierter Planungsleistungen zur (aussichtsreichen) Angebotsabgabe verlange. Zur Erbringung dieser Leistungen seien nicht nur sehr viele Ressourcen (zeitlich, personell und monetär) seitens des Bieters aufzubringen, sondern sie ermöglichten der Antragsgegnerin auch die Abschöpfung der planerischen Leistungen sowie des Know-Hows. Da im Ergebnis Grundleistungen von Architekten verlangt seien, richte sich die Frage der Angemessenheit der Vergütung nach der HOAI. Der - insoweit erforderliche - Vertrag komme durch Angebot und Annahme zustande, hier konkret durch Forderung der Lösungsvorschläge gegen Vergütung. Die Antragsgegnerin gebe dezidiert vor, welche Leistungen zwingend im Rahmen der Ideenskizzen/Lösungsvorschläge zu erbringen sind und welche Vergütung hierfür gezahlt werden soll. Mit Abgabe der Ideenskizzen, die den Anforderungen entsprechen, entstehe dann für den jeweiligen Teilnehmer/Bewerber (sofort) der Vergütungsanspruch nach § 77 Abs. 2 VgV. Ein Auftraggeber könne die Lösungsvorschläge für sich nutzen, was der Interessenlage eines Werkvertrags entspreche. In Bezug auf mangelhafte Skizzen greife das Mängelrecht. Selbst wenn die HOAI aufgrund mangelnden Vertragscharakters nicht direkt anwendbar sein sollte, wäre die Vergütung als unangemessen einzustufen. Denn nach § 1 Abs. 1 S. 1 ArchLG sei bei der Bestimmung der Honorartafeln zur Honorarorientierung zur Ermittlung angemessener Honorare den berechtigten Interessen der Ingenieure und Architekten und der zur Zahlung Verpflichteten Rechnung zu tragen. Die gem. § 77 Abs. 2 VgV geforderte Angemessenheit der Vergütung bestimme sich also auch hier im Ausgangspunkt nach der HOAI. Die von der Antragsgegnerin herangezogene Rechtsprechung des BGH sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da es hier nicht um eine „billige Entschädigung“ gehe. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin richte sich das ArchLG nicht nur an den Verordnungsgeber, wie das in § 2 ArchLG normierte Kopplungsverbot zeige.
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Der Umstand, dass die Antragsgegnerin der Rüge der Antragstellerin im Hinblick auf die Nichtnennung der Identität des vorbefassten Unternehmens unmittelbar nach Ende der Bewerbungsfrist abgeholfen hat, lasse sich nur so erklären, dass das Vergabeverfahren auf den Projektanten zugeschnitten sei. Dieser Verdacht habe sich nach Akteneinsicht erhärtet, da das vorbefasste Büro im Vermerk der Antragsgegnerin zur Gesamtvergabe als idealer „Bäderbauer“ dargestellt und mit der Zahl seiner Referenzen namentlich genannt werde. Zudem habe sich gezeigt, dass das Büro bereits seit mehreren Jahren in verschiedenen Stufen mit dem Projekt befasst gewesen sei und nicht einholbare Kenntnisse über die Beschäftigung mit der Aufgabe erhalten habe. Das Argument der Antragsgegnerin aus ihrer Rügeerwiderung, wonach auch die Ideenskizzen des Projektanten nicht zwingend auf seiner Machbarkeitsstudie aufbauen müssten, erschließe sich nicht. Denn entscheidend für den Vorteil des Projektanten sei, dass er auf seinem Budget aus der Vorbefassung aufbauen könne. Zwischen Machbarkeitsstudie und Ideenskizzen gebe es inhaltliche Überschneidungen und der Vorteil des Projektanten ergebe sich allein schon daraus, dass er bereits einmal für die geistige Einarbeitung in das Projekt bezahlt worden sei, die anderen Bewerber aber nicht.
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Da die Referenzanforderungen hinsichtlich der Eignungsprüfung und der Angebotswertung wortgleich seien, sei eine Differenzierung zwischen unternehmensbezogenen Referenzen einerseits und personenbezogenen Referenzen andererseits objektiv unmöglich. Jedenfalls sei nicht erkennbar, nach welchen Kriterien und nach welchen Einordnungen hier jeweils eine Zuordnung unternehmensbezogener Referenzen einerseits und personenbezogenen Referenzen andererseits erfolge.
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Die Antragstellerin beantragt
1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, das Vergabeverfahrenen „Stadtwerke L… Neubau Hallenbad - Generalplanerleistungen“, bekanntgemacht im EU-Amtsblatt unter Nr. … unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in den Stand vor Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen.
2. Der Antragsgegnerin werden die Kosten des Vergabenachprüfungsverfahrens auferlegt.
3. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten hat und dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
4. Der Antragstellerin wird Akteneinsicht in die Vergabeakten gewährt.
5. Die Antragsgegnerin wird umgehend in Textform über den Nachprüfungsantrag informiert.
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Die Antragsgegnerin beantragt
1. den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückzuweisen,
- 2.
-
hilfsweise - für den Fall, dass der Antrag nicht bereits unzulässig ist - den Nachprüfungsantrag als unbegründet abzuweisen,
- 3.
-
festzustellen, dass die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.
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Die Antragsgegnerin macht geltend, dass die von der Antragstellerin im Rahmen der Begründetheit aufgelisteten Vergaberechtsverstöße allesamt nicht vorlägen und wiederholt vertiefend - unter Verweis auf die hinterlegte Schutzschrift - den Vortrag aus der Rügeerwiderung. Ergänzend führt sie aus, dass das Regel-Ausnahmeverhältnis von Los- und Gesamtvergabe nicht fordere, dass der Verzicht auf eine Losbildung aufgrund technischer oder wirtschaftlicher Gründe „zwangsläufig“ sein müsse. Die Antragsgegnerin habe die von der Vergabekammer im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren monierten Fachlose „Objektplanung Freianlagen“ und „Fachplanung Küchentechnik“ nicht mehr zum Gegenstand des Vergabeverfahrens gemacht. Hinsichtlich der nicht weiter vorgenommenen Losaufteilung liege eine ausnahmsweise Rechtfertigung durch technische Gründe vor. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei der gewählte gesamtheitliche Ansatz gerade nicht überflüssig. Die Gesamtvergabe habe nicht nur eine technische Bedeutung, sondern sei zur Erreichung der Zielsetzung der Beschaffung (insbesondere vor dem Aspekt der geforderten Nachhaltigkeit) unabdingbar. Die Wechselwirkungen der einzelnen Planungsdisziplinen zueinander seien allgemein und anhand von Variantendarstellungen dargelegt worden. Gegen die Komplexität könne auch nicht die Höhe der festgesetzten Vergütung der Ideenskizzen angeführt werden, da diese keine vollständige Planung beinhalteten und deren Vergütung keinerlei Rückschlüsse auf technische Abhängigkeiten zulasse. Anders als die Antragstellerin meine, könne die Nachhaltigkeit nicht durch losbezogene Konzepte abgesichert werden. Losbezogene Ideenskizzen seien vorliegend nicht aussagekräftig. Aussagen zur nachhaltigen Anlagentechnik seien nutzlos, wenn diese z.B. architektonisch nicht umgesetzt werden können. Eine losweise Betrachtung und Bewertung von Nachhaltigkeitsgesichtspunkten führe nicht zwangsläufig zu einer kompatiblen gesamtheitlichen Nachhaltigkeitslösung. Sollten Ansätze der jeweiligen Planungsdisziplinen nicht kompatibel sein, seien Nachbesserungen unabdingbar. Man hätte in diesem Fall eine ggf. zuschlagserhebliche Bewertung von Konzepten vorgenommen, die im Rahmen der Vertragsausführung irrelevant seien. Die Sicherstellung des im Förderprogramm maßgeblichen Aspektes der Nachhaltigkeit könne am sichersten über die Gesamtvergabe abgebildet werden. Der Antragsgegnerin stehe insoweit ein Beurteilungsspielraum zur Festlegung des sichersten Weges zur Absicherung der strategischen Zielsetzungen, insb. des Umweltschutzes, zu.
39
Die Antragsgegnerin habe sich die in Anlage 1 zum Vergabevermerk enthaltene Stellungnahme zur Zulässigkeit einer Generalplanervergabe zu eigen gemacht und hiermit entgegen der Auffassung der Antragstellerin sehr wohl eine Abwägung unter Einbeziehung diverser Aspekte vorgenommen, namentlich unter bau-, koordinations- und honorartechnischen sowie ausschreibungsüblichen und planungstechnischen Gesichtspunkten. Unzulässige Erwägungen seien nicht in den Abwägungsprozess einbezogen worden, sondern technische Aspekte, welche die Komplexität des gegenständlichen Planungsobjekts dargelegten. Auch die einer Losbildung typischerweise immanenten Nachteile seien als nicht entscheidungserheblich beachtet und bewertet worden. Ungeachtet dessen könnten bei auftragsbezogenen Besonderheiten auch derartige Aspekte einen Losverzicht rechtfertigen. In der Erörterung des Vorliegens technischer Gründe habe die Antragsgegnerin detailliert innerhalb der von der erkennenden Vergabekammer für erforderlich erachteten Variantenbetrachtung die Interdependenz der einzelnen Planungsleistungen dargelegt und die Vor- und Nachteile zwischen Los- und Gesamtvergabe gegenübergestellt. Die Antragsgegnerin habe dargestellt, dass die Abhängigkeiten beim gegenständlichen Planungsobjekt (einem modernen Hallenbadbau mit besonderen Anforderungen an die Nachhaltigkeit) besonders seien und es gerade nicht um Umstände gehe, die immer bestehen. Bei Planungsobjekten wie dem gegenständlichen würden zahlreiche Vergaben als Generalplanervergabe durchgeführt. Hierbei zeige sich, dass die ganzheitliche Leistungserbringung durchaus von mittelständischen Unternehmen erbracht werde. Werde durch eine Generalplanervergabe ein Markt angesprochen, der auch von KMU bedient wird, mildere dies etwaige negative Folgen einer Gesamtvergabe für den Mittelstand ab. Auch bei der von der Antragstellerin angeführten Möglichkeit von Loskombinationsgeboten inklusive Rabattgewährung werde das Gebot der Mittelstandsförderung tangiert. Kleine und mittelständische Unternehmen würden umfangreiche Loskombinationen mit Rabattgewährung nur bedingt anbieten können.
40
Bei der von der Antragstellerin kritisierten Begrifflichkeit der wirtschaftlichen Planung gehe es der Antragsgegnerin um ein kostenoptimiertes Gesamtergebnis. Zwar sei die Generalplanervergabe preislich nicht zwangsläufig günstiger, jedoch ließen sich durch eine Planung aus einer Hand die kostenrelevanten Zusammenhänge zwischen einzelnen Planungsdisziplinen abstimmen und beherrschen. Dies zeige sich beispielsweise daran, dass das Raumprogramm parallel zu Betriebsabläufen und der komplexen Bädertechnik (TGA) berücksichtigt werden müsse. Es gehe in diesem Fall auch nicht um die Sicherheitsbedeutung von Brandschutz und bauphysikalischen Lösungen, sondern um deren wirtschaftliche Umsetzung. Zudem erhöhe eine Vielzahl europaweiter Vergabeverfahren das potentielle Risiko mehrfacher Rechtsschutzverfahren. Die fachlichen Schnittstellen zwischen Bauherr und Generalplaner seien nur theoretisch die gleichen wie zwischen Bauherr und Einzelplaner. Es seien aber deutlich mehr Schnittstellenabgrenzungen zwischen dem Bauherrn und den einzelnen Planungsbeteiligten einer losweisen Vergabe zu führen, verbunden mit der Gefahr, dass diese bis dato noch nie zusammengearbeitet haben und somit bezüglich Schnittstellenabgrenzung noch nicht so geübt sind. Die Beauftragung eines Projektsteuerers schließe eine Generalplanerbeauftragung nicht aus. Die Auswirkungen des Einsatzes eines Generalplaners auf die Honoraranteile des Projektsteuerers seien in § 6 Abs. 6 der AHO Schriftenheft Nr. 9 ausdrücklich ausgewiesen.
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Eine Planungsänderung sei im Generalplanerfall durch eine einzige vertragliche Regelung vereinbart. Abgestimmte und gesamtheitliche Konzepte würden bereits im Vergabeverfahren ein gesamtwirtschaftliches und nachhaltiges Ergebnis sichern. Bei einer losweisen Vergabe würden Anpassungen in den Planungsdisziplinen zur Erreichung eines gesamtheitlichen Nachhaltigkeitskonzepts nachträgliche Anpassungen und Abstimmungen erfordern, was nachtragsrelevant sei. Ein einheitlicher und abgestimmter Planungsansatz vermindere das Risiko fehleranfälliger nachträglicher Anpassungen. Selbst wenn bei einer losweisen Vergabe die jeweilige gewerkeweise Werkleistung mangelfrei sei, bestehe das Risiko, dass die Gesamtzielsetzung im Hinblick auf die Nachhaltigkeit, auf welche die Antragsgegnerin besonderen Wert lege, verfehlt werde. Sofern ganzheitliche Nachhaltigkeitsstandards lediglich aufgrund eines gemeinsamen Verursachungsbeitrag unterschiedlicher Planungsbeiträge (Baumaterialien, Lüftungstechnik, Raumklima) nicht eingehalten werden können, wären gegenseitige Schuldzuweisungen vorprogrammiert und eine Durchsetzung von Mängelansprüchen deutlich erschwert.
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Entgegen der Ansicht der Antragstellerin schließe die gemäß den Vergabeunterlagen geforderte Referenz über Generalplanerleistungen die Möglichkeit einer Bietergemeinschaft oder einer Eignungsleihe nicht aus. Mit Ausnahme persönlicher Referenzen sei jede Referenz unternehmensbezogen und liege mit den Worten der Antragstellerin „im Unternehmen selbst“. Ein Selbstausführungsgebot sei nicht vorgegeben worden.
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Im Rahmen der Auswahlkriterien stehe eine größere Anzahl von Referenzen für mehr Erfahrung als eine geringere Anzahl. Zu jedem Eignungsbereich würden sieben Referenzen ausreichen, um die jeweilige Maximalpunktzahl zu erreichen. Dies sei nicht unverhältnismäßig, da es im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs gerade darum gehe, eine Wertungsreihenfolge zu erzielen. Dies sei nicht möglich, wenn jeder Bewerber mit einer Referenz bereits die volle Punktzahl erhalte. Eine Abstufung der durch die Anzahl an Referenzen nachzuweisenden Eignung sei daher im Sinne der im Teilnahmewettbewerb vorzunehmenden Auswahlentscheidung nicht nur zulässig, sondern erforderlich. Andernfalls wäre eine Losziehung unumgänglich. Der 3 Jahres-Korridor des § 46 VgV sei auf einen 8-Jahres-Korridor ausgeweitet worden. Zudem bestehe zugunsten der Bewerber die Möglichkeit, mit einem Referenzprojekt in sämtlichen (Unter-) Kriterien zu punkten. Die Festlegung der Auswahlkriterien nach der Anzahl der Referenzen sei nicht zu beanstanden. Es existiere keine gesetzliche Pflicht, wonach der Auftraggeber zwingend qualitative Auswahlkriterien zu wählen habe. Die Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Referenzen würden in der Auftragsbekanntmachung und den Vergabeunterlagen umrissen.
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Dem Ansinnen der Antragstellerin, die Angemessenheit der Vergütung anhand der HOAI zu ermitteln, sei seitens der Vergabekammer bereits im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren eine ausdrückliche Absage erteilt worden. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liege gerade keine werkvertragliche Vereinbarung vor, sondern eine Auslobung. Mängelansprüche bestünden nicht. Ein schlechter Lösungsvorschlag führe nicht zur Minderung der Vergütung, sondern nur zu einer schlechteren Bewertung des Angebots im Rahmen der Auswertung der Ideenskizzen. Auch Auslobungen im Rahmen von Planerwettbewerben fielen nicht unter den Anwendungsbereich der HOAI. Dem Auftraggeber stehe bei der Bemessung der Vergütung ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu, den notwendigen Zeitaufwand zu schätzen und die angemessenen Stundensätze festzulegen. Die von der Antragsgegnerin erwarteten Ideenskizzen seien akquisitorische Leistungen. Auch der Hinweis der Antragstellerin auf § 1 Abs. 1 Satz 2, 3 ArchLG überzeuge nicht, da die Antragsgegnerin nicht Adressat der Verordnungsermächtigung sei und die HOAI nach dem gesetzgeberischen Willen kein verbindliches Preisrecht mehr sei.
45
Die Vergabekammer habe im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren ferner festgestellt, dass sich keine Anhaltspunkte dafür ergäben, dass das vorbefasste Büro K… GmbH auszuschließen sei. Die von diesem Büro stellte Machbarkeitsstudie liege den Vergabeunterlagen bei. Deren Erstellung sei Gegenstand eines streng vom ausgeschriebenen Auftrag zu trennenden Schuldverhältnisses gewesen. Ein wettbewerbswidriger Informationsvorsprung liege nicht vor. Bei der Erstellung der Vergabeunterlagen sei das Büro nicht eingebunden gewesen und ein Zuschnitt der Unterlagen auf dieses Büro liege nicht vor. Bei der im Vermerk zur Gesamtvergabe genannten Anzahl an Referenzen des Büros handle es sich um eine allgemein zugängliche Information. Die Angabe sei aufgenommen worden, um zu belegen, dass im Bäderbau Planungsleistungen von Generalplanern keinesfalls unüblich sind.
46
Die Festlegung der Zuschlagskriterien durch die Antragsgegnerin sei nicht intransparent. Zwischen den unternehmensbezogenen Auswahlkriterien und den personenbezogenen Zuschlagskriterien müsse klar unterschieden werden. Die Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Referenzen im Rahmen der Angebotswertung seien im Vorfeld festgelegt worden. Ohne die Einhaltung dieser Vorgaben könne die Referenz schon nicht gewertet werden. Einer weiteren inhaltlichen Auswertung bedürfe es insofern nicht. Ein Abstellen auf die Erfahrung des maßgeblichen Personals (ausgewiesen durch persönliche Referenzen) sei vergaberechtlich zulässig. Insofern sei ein solches Zuschlagskriterium auch tauglich, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln. Ein Mehr an Erfahrung sei durchaus ein Indikator für eine bessere Qualität der Leistungserbringung. Unzutreffend sei die Rechtsauffassung der Antragstellerin, dass eine Differenzierung zwischen unternehmensbezogenen und personenbezogenen Referenzen aufgrund der nahezu wortgleichen Formulierung der Anforderungen an die Vergleichbarkeit nicht möglich sei.
47
Am 09.03.2022 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Parteien nach deren Zustimmung und Verzicht auf eine mündliche Verhandlung im Rahmen einer Videokonferenz erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag.
48
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer, die Niederschrift des Erörterungstermins vom 23.02.2022 sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
49
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
50
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
51
Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB. Die Antragsgegnerinist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert in Höhe von 214.000 Euro erheblich.
52
Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 - 109 GWB liegt nicht vor.
53
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
54
Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
55
1.1 Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag zwar nicht durch die Abgabe eines Teilnahmeantrags nachgewiesen. Sie hat aber rechtzeitig Rügen gegen die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens erhoben und Vergaberechtsverstöße bemängelt, durch die sie sich an der Abgabe eines Teilnahmeantrags gehindert sah. Durch ihre Rügen und die mittlerweile zwei geführten Nachprüfungsverfahren hat sie ihr Interesse am Auftrag ausreichend belegt. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch die Generalplanervergabe, die Auswahlkriterien der Bewerber im Teilnahmewettbewerb, die Bewertungskriterien für die persönlichen Referenzen bei der Zuschlagswertung, die ihrer Ansicht nach nicht angemessene Vergütung der „Lösungsvorschläge/Ideenskizzen“ sowie durch den wettbewerbswidrigen Vorteil des Projektanten/vorbefassten Büros durch Verbindung von Machbarkeitsstudie und Lösungsvorschlägen geltend gemacht.
56
1.2 Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 GWB entgegen.
57
Dadie Antragstellerin ihre Rüge am 12.08.2021 und damit vor Ablauf der Frist zur Bewerbung erhoben hat, kommt eine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder 3 GWB von vorneherein nicht in Betracht.
58
Im Ergebnis ist aber auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB eingetreten, obwohl zumindest die Rügepunkte unzulässige Generalplanervergabe, Besserbewertung von mehr als einer vergleichbaren Referenz, nicht angemessene Vergütung der „Lösungsvorschläge/Ideenskizzen“ und Wettbewerbsvorteil des vorbefassten Büros K… GmbH Gegenstand des vorausgegangenen Nachprüfungsverfahren … waren. Die Antragstellerin hatte dort die Überzeugung gewonnen, dass insoweit Vergabeverstöße vorliegen. Die Generalplanervergabe wurde nur geringfügig (um die Freianlagenplanung und die Küchentechnik) verändert, die anderen Punkte waren völlig unverändert. Die Vergabekammer musste daher davon ausgehen, dass die Antragstellerin sofort nach Kenntnisnahme von den Vergabeunterlagen positive Kenntnis von den von ihr angenommenen Verstößen hatte. Zum Rügepunkt der Vergütung hatte sie sogar im Januar 2021 ein Gutachten bei Herrn Dipl. Ingenieur D… beauftragt.
59
Die Antragstellerin hat sich allerdings mit Schreiben vom 28.01.2021 auf Aufforderung der Vergabekammer dahingehend eingelassen, dass die Vergabeunterlagen zwar bereits am 26.07.2021 durch einen Mitarbeiter der Antragstellerin heruntergeladen worden waren, die vertretungsberechtigte Geschäftsführerin Frau Dipl.-Ing. H… diese aufgrund vorheriger hoher Arbeitsbelastung und eines Kurzurlaubs erst am 04.08.2021 durchgesehen hat. Zu diesem Vorbringen passt auch die am 05.08.2021 erfolgte Mandatierung der Bevollmächtigten der Antragstellerin.
60
Für die fristauslösende Kenntnis i.S.d. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist sowohl eine vollständige Kenntnis der Tatsachen, aus denen die Beanstandung im Nachprüfungsverfahren abgeleitet wird, als auch eine zumindest laienhafte rechtliche Bewertung, dass diese Tatsachen zu einer Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren führen, erforderlich (Müller-WredeHofmann, a.a.O., § 160 Rn. 57). Ausreichend ist das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf einen Vergaberechtsverstoß erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung als gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (Heiermann/Zeiss/Summa-ders., a.a.O., § 160 GWB, Rn. 226 m.w.N.; Burgi/Dreher-Horn/Hofmann, a.a.O., § 160 Rn. 44; Kulartz/Kus/Portz/Prieß-Wiese, a.a.O., § 160 Rn. 140). Da es sich bei der Antragstellerin um ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH, also einer juristischen Person handelt, genügt es nicht, dass irgendein Mitarbeiter Kenntnis der Inhalte der Vergabeunterlagen hatte. Es muss sich vielmehr um das vertretungsberechtigte Organ der Gesellschaft oder um einen für die Zwecke der Teilnahme am konkreten Vergabeverfahren insoweit handlungs- und damit vertretungsbefugten Mitarbeiter handeln, dessen Wissen der Antragstellerin nach § 166 Abs. 1 BGB zugerechnet werden kann. Dies war erst mit der Kenntnis von Frau Dipl.-Ing. H… am 04.08.2021 der Fall.
61
Trotz der Ähnlichkeit der Rügepunkte zum vorhergehenden Verfahren musste Frau H… für eine vollständige Kenntnis aber jedenfalls die Unterlagen lesen und sichten, um erkennen zu können, ob Änderungen gegenüber der ersten Ausschreibung vorgenommen worden waren. Dies gilt gerade auch für die Vergütung der Lösungsvorschläge, da hier maßgeblich war, ob bei unveränderter Vergütungshöhe die Anforderungen an die einzureichenden Unterlagen gleich geblieben waren. Die am 12.08.2021 erhobene Rüge der Antragstellerin war damit auch im Hinblick auf § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB rechtzeitig.
62
Zudem hat die Antragstellerin auch die Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB eingehalten, da sie nach dem Zugang der Nichtabhilfemitteilung am späten Abend des 24.08.2021 am 08.09.2021 den Nachprüfungsantrag eingereicht hat.
63
2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch nur insoweit begründet, als die Antragsgegnerin keine angemessene Vergütung i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV für die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen für die gestellte Planungsaufgabe in Form von Entwürfen, Plänen, Zeichnungen, Berechnungen oder anderen Unterlagen festgesetzt hat.
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2.1 Die von der Antragsgegnerin geplante Generalplanervergabe verstößt nicht gegen den Grundsatz der losweisen Vergabe, da wirtschaftliche und technische Gründe i.S.d. § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB hier eine Gesamtvergabe erfordern.
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Nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Leistungen grundsätzlich in Losen zu vergeben. Hiervon kann nach Satz 3 nur dann abgesehen werden, „wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern“. Mit dieser 2009 eingeführten Regelung sollte der Mittelstandsschutz gestärkt werden; es sollten die Nachteile der mittelständischen Wirtschaft gerade bei der Vergabe großer Aufträge mit einem Volumen, das die Kapazitäten mittelständischer Unternehmen überfordern könnte, ausgeglichen werden. Deshalb sollte von dem Gebot der Losvergabe nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden können (BT-Drs. 16/10117, Seite 15).
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Dieses klare Regel-Ausnahme-Verhältnis bedeutet aber nicht, dass eine Gesamtvergabe überhaupt nur bei Vorliegen eines objektiv zwingenden Grundes erfolgen darf. Allerdings ergibt sich aus der klaren Wertung des Gesetzgebers, dass es nicht ausreicht, wenn der Auftraggeber anerkennenswerte Gründe für die Gesamtvergabe vorbringen kann. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Auftraggeber im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzt und sodann eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange trifft, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen müssen (OLG München, Beschluss vom 25.03.2019 - Verg 10/18).
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Innerhalb dieser im Rahmen des § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB vorzunehmenden Interessenabwägung steht dem öffentlichen Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu (OLG München a.a.O.; Kus in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 97 Rn. 184; Stickler in Kapellmann/Messerschmidt, VOB-Kommentar, 6. Aufl., VOB/A § 5 Rn. 26). Die Frage, ob technische oder wirtschaftliche Gründe es im Sinne des Gesetzes „erfordern“, von einer Losbildung abzusehen, setzt eine Bewertung voraus.
68
§ 97 Abs. 4 GWB ist im Kontext der primären Ziele des Vergaberechts auszulegen, zu denen insbesondere auch die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung gehört. Dabei sind auch die weiteren Grundsätze des Vergaberechts (Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit) sowie die vom Gesetzgeber nunmehr in § 97 Abs. 3 GWB normierten strategischen Ziele (Qualität, Innovation, soziale und umweltbezogene Aspekte) im Blick zu behalten (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018 - 11 Verg 4/18). Das Vergaberecht soll eine wirtschaftliche und den vom öffentlichen Auftraggeber gestellten Anforderungen entsprechende Leistungsbeschaffung gewährleisten (Kus a.a.O., Rn. 186). Der Basiszweck jeder Auftragsvergabe besteht darin, einen durch die Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben hervorgerufenen Bedarf zu decken. Dies spricht dafür, das Beschaffungsbestimmungsrecht des Auftraggebers im Rahmen der Abwägung bzw. der Tatbestandsvoraussetzungen einer Losvergabe oder ausnahmsweise erfolgenden Gesamtvergabe zu berücksichtigen, ohne dass dadurch das Regel-Ausnahme-Verhältnis ins Gegenteil verkehrt würde (Kus a.a.O. Rn. 176 f.). Die Beschaffungsautonomie ist kein Freibrief für eine Gesamtvergabe. Auch bei komplexen Projekten genügt es in aller Regel nicht, einen einheitlichen Beschaffungsgegenstand zu definieren, ohne sich im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe auseinanderzusetzen (OLG München a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O.).
69
Vor diesem Hintergrund ist der Verzicht der Antragsgegnerin auf eine in Fachlose aufgeteilte Vergabe der Planungsleistungen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die in der umfangreichen Stellungnahme zur Zulässigkeit einer Generalplanervergabe der … Rechtsanwälte vom 07.07.2021, die Bestandteil der Vergabedokumentation war und die sich die Antragsgegnerin offenbar zu eigen gemacht hat, vorgebrachten Gründe können zusammen mit dem schriftsätzlichen Vortrag und den Aussagen in der Erörterung der Sach- und Rechtslage über Videokonferenz die Generalplanervergabe im Ergebnis rechtfertigen.
70
Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Antragsgegnerin in ihre Argumentation zahlreiche Aspekte einbezogen hat, die nicht geeignet sind, das Absehen vom Grundsatz der losweisen Vergabe zu rechtfertigen. Insbesondere Aspekte wie die Verringerung von Schnittstellenproblemen, die einfachere Verantwortlichkeit bei Schlechtleistungen und der geringere Abstimmungsaufwand des Bauherrn sind Folge jeder Losvergabe und von vorneherein nicht als einzelfallbezogene technische oder wirtschaftliche Gründe i.S.d. § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB zu berücksichtigen. Dies gilt hier umso mehr, weil sich die Antragsgegnerin für die Erfüllung ihrer Bauherrnaufgaben eines professionellen Projektsteuerers bedient.
71
Nachvollziehbar dargestellt hat die Antragsgegnerin dagegen, dass technische Gründe i.S.d. § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB aufgrund der Komplexität der verfahrensgegenständlichen Planungsleistungen und den zahlreichen Schnittstellen zwischen den verschiedenen Planungsdisziplinen vorliegen. Beispielsweise bestehen vorliegend erhebliche Verknüpfungen der Anlagengruppe Badewassertechnik und Elektrotechnik mit dem Hochbau und der Tragwerksplanung. Auch bei der Beckenkonstruktion ist vorliegend eine erhebliche Verknüpfung der Tragwerksplanung und der Hochbauplanung im Zusammenhang mit der Festlegung der Korrosionsschutzklassen und der Beckenstatik erforderlich. Hinzu kommen hohe bauphysikalische und bautechnische Anforderungen in allen Anlagengruppen und Bauteilen durch die bei der Planung eines Hallenbads immer zu berücksichtigende Feuchtigkeit.
72
Allerdings ist zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin sich in diesem Zusammenhang im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegen sprechenden Gründen auseinandergesetzt und sodann eine vertretbare umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange getroffen hat.
73
Auch wenn die Antragsgegnerin ein solches Verständnis im Erörterungstermin am 09.03.2022 in Abrede gestellt hat, lesen sich weite Passagen der Stellungnahme zur Zulässigkeit einer Generalplanervergabe in den Vergabeunterlagen doch so, als sei die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass es ohne eine Generalplanervergabe fast zwangsläufig zu einem unkoordinierten und unbrauchbaren Nebeneinanderherarbeiten der unterschiedlichen Fachplaner käme. Es fehlt insbesondere eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit der Koordinierungspflicht des Objektplaners in Bezug auf alle Fachplanerleistungen als Grundleistung in den Lph 1-3 und 5 nach Anlage 10 zu § 34 HOAI. Die Antragsgegnerin kann bei der Abwägung im Rahmen des § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB nicht ohne konkrete Anhaltspunkte unterstellen, dass der Objektplaner schlecht leisten und seiner Koordinierungspflicht nicht nachkommen wird. Weiterhin fehlt es an einer dokumentierten Auseinandersetzung damit, ob der Komplexität des Vorhabens und den zahlreichen Schnittstellen auch dadurch Rechnung getragen werden könnte, dass anstelle einer Generalplanervergabe lediglich einzelne Fachplanungsleistungen, wie z.B. der gesamte Gebäudetechnikbereich zusammen vergeben werden.
74
Allerdings hat die Antragsgegnerin sowohl in der Stellungnahme zur Zulässigkeit einer Generalplanervergabe vom 07.07.2021 als auch in der Erörterung der Sach- und Rechtslage am 09.03.2022 als maßgeblichen Aspekt für ihre Wahl einer Generalplanervergabe ihr Interesse betont, „ganzheitliche“ fachplanungsübergreifende Lösungsvorschläge für die Planungsleistungen als Zuschlagskriterium bewerten zu wollen. Der Wunsch der Antragsgegnerin solche fachplanungsübergreifenden Lösungsvorschläge bereits im Rahmen der Vergabe als Zuschlagskriterium berücksichtigen zu können, erscheint nachvollziehbar und sachgerecht. Der Normzweck des § 76 Abs. 1 Satz 1 VgV Architekten- und Ingenieurleistungen im Leistungswettbewerb zu vergeben, kann so gut erreicht werden.
75
Es kann insoweit auch offen bleiben, ob die Absicht ein derartiges Zuschlagskriterium zum Einsatz zu bringen, ein wirtschaftlicher oder - wie es die Antragsgegnerin offenbar aufgefasst hat - ein technischer Grund i.S.d. § 97 Abs. 4 Satz 3 VgV ist. Die Vergabekammer Südbayern ist jedenfalls der Auffassung, dass die Absicht, fachplanungsübergreifende Lösungsvorschläge für die Planungsleistungen als Zuschlagskriterium verwenden zu wollen, bei der Abwägung des Für- und Wider einer Losvergabe berücksichtigt werden darf. Bei der Abwägung dürfen nämlich die vom Gesetzgeber in § 97 Abs. 3 GWB normierten strategischen Ziele wie Qualität, Innovation, soziale und umweltbezogene Aspekte Berücksichtigung finden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018 - 11 Verg 4/18). Zwar ist die Absicht, solche Zuschlagskriterien zu verwenden, ebenso wie die Beschaffungsautonomie kein Freibrief für eine Gesamtvergabe (OLG München, Beschluss vom 25.03.2019 - Verg 10/18), allerdings können sich aus einem derartigen zulässigen und nachvollziehbar gewählten Zuschlagskriterium Belange ergeben, die der Auftraggeber bei der Abwägung für oder gegen eine Losvergabe berücksichtigen kann.
76
Die Antragsgegnerin hat in ihrer Stellungnahme zur Zulässigkeit einer Generalplanervergabe dargelegt, dass sie die - wohl auch für die angestrebte Förderung relevanten - Aspekte hohes Innovationspotential, Energiekonzepte zur Reduzierung des CO2-Ausstoß und den konzeptionellen und baulichen Qualitätsanspruch dadurch hinreichend absichern möchte, dass entsprechende Lösungsvorschläge von den Bietern eingefordert werden, die als Zuschlagskriterium wertungserheblich sind. Da die Fördervorgaben projektbezogen und nicht teilbereichsbezogen sind und weil es bei dem vorliegenden Projekt (Neubau eines Hallenbades) zu besonderen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zwischen gestalterischen, konstruktiven, technischen und betriebswirtschaftlichen Aspekten kommt, könnten die Lösungsvorschläge nach Auffassung der Antragsgegnerin auch nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung wertungserhebliche Aussagekraft entfalten. Eine isolierte Bewertung von losbezogenen Ideenskizzen (Lösungsvorschlägen) berge die Gefahr eines Musters ohne Wert.
77
Diese Erwägungen der Antragsgegnerin sind nachvollziehbar. Derartige fachplanungsübergreifende Lösungsvorschläge kann die Antragsgegnerin im Stadium der Vergabe nur im Wege einer Generalplanervergabe erhalten. Würden die Planungsleistungen im vorliegenden Fall in Fachlosen oder Losgruppen vergeben, fände die übergreifende Abstimmung der Planungsdisziplinen erst nach den Zuschlägen im Zuge der Vertragsausführung statt und die Antragsgegnerin könnte fachplanungsübergreifende Lösungsvorschläge für die Zuschlagswertung kaum erhalten. Das entsprechende Zuschlagskriterium hat in der Wertung auch erhebliches Gewicht. Die Lösungsvorschläge (irreführend als „Ideenskizzen“ bezeichnet) gehen mit einem Gewichtungsfaktor von 50 von 100 Punkten in die Bewertung mit ein. Von diesen 50 Punkten werden für die sog. Ideenskizze „Funktionalität 12,5 Punkte, für die sog. Ideenskizze „Baukosten/Bewirtschaftungskosten“ 10 Punkte und für die sog. Ideenskizze „Energetisches Konzept /Nachhaltigkeit“ ebenfalls 10 Punkte vergeben. Jedenfalls für diese Unterkriterien mit insgesamt 32,5 von 100 Punkten ggf. aber auch für die sog. Ideenskizze „Gestaltung/städtebaulicher Ansatz“ mit weiteren 12,5 Punkten möchte die Antragsgegnerin fachplanungsübergreifende Lösungsvorschläge im Rahmen der Zuschlagswertung berücksichtigen. Dies ist - soweit für die Vergabekammer ersichtlich - nur im Wege einer Generalplanervergabe möglich, weshalb der Verzicht der Antragsgegnerin auf eine in Fachlose aufgeteilte Vergabe der Planungsleistungen im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.
78
2.2 Die Vergabekammer Südbayern kann auch keine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch die von dieser gerügten Benachteiligung von Bewerbergemeinschaften oder einer Unmöglichkeit der Eignungsleihe durch die Forderung einer Generalplanerreferenz als Mindestanforderung an die Eignung erkennen.
79
Es ist bereits sehr zweifelhaft, ob die Antragstellerin, die den Nachprüfungsantrag nicht als Bewerbergemeinschaft erhoben hat, überhaupt durch eine etwaige Benachteiligung von Bewerbergemeinschaften in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt sein könnte. Im Übrigen kann die Vergabekammer Südbayern aber auch keine gegen § 43 Abs. 2 Satz 1 VgV verstoßende Benachteiligung von Bewerbergemeinschaften erkennen. Die Forderung nach einer Generalplanerreferenz führt dazu, dass jedenfalls ein Mitglied der Bewerbergemeinschaft oder die Bewerbergemeinschaft als solche eine den Anforderungen entsprechende Generalplanerreferenz haben müsste. Eine Bewerbergemeinschaft aus Einzelmitgliedern, die lediglich Referenzen für die Einzelleistungen haben, kann sich am streitgegenständlichen Vergabeverfahren nicht beteiligen. Dies führt aber nicht zu einer gegen § 43 Abs. 2 Satz 1 VgV verstoßenden Benachteiligung einer Bewerbergemeinschaft gegenüber einem Einzelbewerber. Auch ein Einzelbewerber muss zur Teilnahme eine den Anforderungen entsprechende Generalplanerreferenz haben.
80
Der Antragstellerin ist zuzugeben, dass eine Generalplanerreferenz im Regelfall faktisch nicht im Wege der Eignungsleihe „geliehen“ werden kann. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV kann ein Bewerber oder Bieter im Hinblick auf Nachweise für die einschlägige berufliche Erfahrung die Kapazitäten anderer Unternehmen nur dann in Anspruch nehmen, wenn diese die Leistung erbringen, für die diese Kapazitäten benötigt werden. Nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV müssen bei der Eignungsleihe in Bezug auf Unternehmensreferenzen die eignungsverleihenden Unternehmen die jeweilige Leistung erbringen, für die diese Kapazitäten benötigt werden. Nimmt man dies wörtlich, müsste damit bei der Leihe einer Generalplanerreferenz der Eignungsverleiher auch die vollständige Generalplanung übernehmen. Da es nur wenige Konstellationen geben wird, in denen ein anderes Unternehmen für einen Bewerber oder Bieter vollständige Generalplanerleistungen als Nachunternehmer erbringen wird, wird eine Leihe einer Generalplanerreferenz im Regelfall faktisch nicht möglich sein. Dies stellt aber keinen Verstoß gegen das Vergaberecht dar, sondern ist Folge der Regelung des § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV.
81
2.3 Die Antragstellerin wird auch nicht durch die Ausgestaltung der Auswahlkriterien der Bewerber im Teilnahmewettbewerb in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Das Hauptauswahlkriterium der Anzahl der Referenzen für jeden Leistungsbereich hat zwar sicherlich eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung zu Lasten kleiner oder vor nicht allzu langer Zeit gegründeter Büros, ist aber noch nicht als unzulässiges diskriminierendes Kriterium anzusehen.
82
Nach § 51 Abs. 1 VgV kann der öffentliche Auftraggeber bei allen Verfahrensarten mit Ausnahme des offenen Verfahrens die Zahl der geeigneten Bewerber, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert oder zum Dialog eingeladen werden, begrenzen, sofern genügend geeignete Bewerber zur Verfügung stehen. Dazu gibt er in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung die von ihm vorgesehenen objektiven und nichtdiskriminierenden Eignungskriterien für die Begrenzung der Zahl, die vorgesehene Mindestzahl und gegebenenfalls auch die Höchstzahl der einzuladenden Bewerber an.
83
Die Antragsgegnerin hat im vorliegenden Fall neben der gering gewichteten Angabe der technischen Fachkräfte oder der technischen Stellen, die im Zusammenhang mit der Leistungserbringung eingesetzt werden sollen, insbesondere die Anzahl der Referenzen im jeweiligen Planungsbereich als Kriterium für die Begrenzung der Zahl der einzuladenden Bewerber vorgesehen. Die volle Punktzahl von 3 Punkten erhalten Bewerber, die pro Leistungsbereich mehr als 7 vergleichbare Referenzen vorweisen können. Diese Festlegung ist im vorliegenden Fall nach Ansicht der Vergabekammer Südbayern noch nicht als diskriminierend zu beurteilen, auch wenn eine solche Festlegung kleine oder vor nicht allzu langer Zeit gegründete Büros ähnlich benachteiligt, wie hohe Mindestanforderungen an die Eignung nach § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB. Denn nach den Erfahrungswerten der Vergabekammer Südbayern aus einer großen Zahl von Nachprüfungsverfahren zur Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen haben Büros regelmäßig nur dann eine realistische Chance, zur Angebotsabgabe aufgefordert zu werden, wenn sie die Auswahlkriterien weitestgehend erfüllen.
84
Die Antragsgegnerin hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass der Wortlaut des § 75 Abs. 4 VgV nur von Eignungskriterien, nicht aber von Auswahlkriterien für die Bewerber nach § 51 Abs. 1 Satz 2 VgV spricht. Dennoch stehen wegen der vergleichbar wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern auch Auswahlkriterien für die Bewerber nach § 51 Abs. 1 Satz 2 VgV unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Jedenfalls ist ein solches Auswahlkriterium diskriminierend, wenn es - ohne dass es für die Beschaffung nötig wäre - kleine und mittelständische Büros benachteiligt. Die Antragsgegnerin hat sich im vorliegenden Fall auch nicht dokumentiert damit auseinandergesetzt, welche wettbewerbsverengende Wirkung ihr Auswahlkriterium entfaltet und auch nicht damit, inwieweit die für die Höchstpunktzahl erforderlichen mindestens 7 vergleichbaren Referenzen pro Leistungsbereich tatsächlich ein für die Auftragsausführung relevantes „Mehr an Eignung“ gegenüber einer niedrigeren Zahl an Referenzen z.B. 5 oder 6 Referenzen bedeuten.
85
Zugunsten der Antragsgegnerin ist aber zu berücksichtigen, dass grundsätzlich eine höhere Anzahl von vergleichbaren Referenzen selbstverständlich ein nach § 51 Abs. 1 Satz 2 VgV zulässiges und geeignetes Kriterium für die Feststellung eines „Mehr an Eignung“ eines Bewerbers im Teilnahmewettbewerb ist. Auch kommt dem Auftraggeber bei der Festlegung der Auswahlkriterien nach § 51 Abs. 1 Satz 2 VgV - unter Beachtung der Nichtdiskriminierung - ein weiter Ermessensspielraum zu.
86
Soweit die Antragsgegnerin erklärt hat, dass sie bewusst Kriterien wählen wollte, die eine Differenzierung zwischen den Bewerbern ermöglichen, um nicht zwischen gleich geeigneten Bewerbern losen zu müssen, ist dies grundsätzlich ein richtiger Ansatz. Zudem bedeutet die Anforderung für eine Höchstbewertung bei der Anzahl der Referenzen in den 10 Leistungsbereichen nicht automatisch, dass ein Bewerber mehr als 70 unterschiedliche Referenzen haben muss, da eine Referenz mehrere Leistungsbereiche abdecken kann und bei einer Generalplanerreferenz mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch abdecken wird. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin die wettbewerbsbeschränkende Wirkung ihres Auswahlkriteriums dadurch etwas begrenzt, dass sie auch Referenzen berücksichtigt, die mehr als 3 Jahre und maximal 8 Jahre zurückliegen.
87
2.4 Die Rüge der Antragstellerin, dass der Bewertungsmaßstab für die als Zuschlagskriterien vorgesehenen persönlichen Referenzen des Gesamtprojektverantwortlichen sowie der Verantwortlichen für die Objektplanung, die Tragwerksplanung und die verschiedenen Technikplanungen unklar sei, kann die Vergabekammer nicht nachvollziehen. Aus der Bewertungsmatrix für die Angebote geht eindeutig hervor, dass auch die persönlichen Referenzen lediglich quantitativ bewertet werden. Die dort ebenfalls aufgeführten qualitativen Kriterien gehören ausdrücklich zur Bewertung des Qualitätskriteriums „Ideenskizzen“. Auch aus der Anlage 9 - VgV - ANG Vergabebedingungen und Informationsunterlage Angebotsphase ergibt sich nichts Anderes.
88
Die rein quantitative Bewertung der persönlichen Referenzen ist vergaberechtlich auch nicht zu beanstanden. Nach § 48 Abs. 2 Nr. 2 VgV ist die Bewertung der Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals ausdrücklich zulässig, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann, was bei Planungsleistungen regelmäßig der Fall ist. Diese Erfahrung kann über das Kriterium der Anzahl der persönlichen Referenzen bewertet werden; dem stehen weder § 127 Abs. 3 noch Abs. 4 GWB entgegen.
89
2.5 Die Antragstellerin ist nicht durch die mögliche Beteiligung des vorbefassten Büros K… GmbH, das im Vorfeld mehrere Machbarkeitsstudien zum Projekt für die Antragsgegnerin erstellt hatte, in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Die Antragsgegnerin hat den Wettbewerbsvorteil des vorbefassten Büros ausreichend nach § 7 VgV ausgeglichen.
90
Nach § 7 Abs. 1 VgV ergreift der öffentliche Auftraggeber angemessene Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme eines vorbefassten Unternehmens nicht verzerrt wird.
91
Die Vorschrift /A umfasst jede Tätigkeit im Vorfeld eines Vergabeverfahrens, die einen Bezug zum konkreten Vergabeverfahren aufweist (Völlink in Ziekow/Völlink Vergaberecht § 7 VgV Rn. 4 ff). Dies ist für ein Planungsbüro, das den Auftraggeber zwar nicht bei der Erstellung der Vergabeunterlagen unterstützt hat, aber über Jahre mehrere Machbarkeitsstudien zum Projekt für die Antragsgegnerin erstellt hat, ohne Weiteres zu bejahen. Dies sieht auch die Antragsgegnerin im Dokument Stellungnahme „Projektantenproblematik“ in den Vergabeunterlagen so.
92
Nach dem Urteil des EuGH vom 03.03.2005 - C-21/03 und 34/03 - Fabricom muss die Beteiligung eines vorbefassten Unternehmens grundsätzlich als Gefährdung eines ordnungsgemäßen Wettbewerbs angesehen werden, da ein solches Unternehmen bei der Abgabe seines Angebots aufgrund seines Informationsvorsprungs begünstigt sein kann. Erscheint eine konkrete Wettbewerbsverfälschung bei objektiver Betrachtung der Leistung möglich, obliegt dem Auftraggeber die Verpflichtung, den Wissensvorsprung des vorbefassten Bieters auszugleichen durch Information aller anderen Bieter (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.8.2008 - Verg 28/08; OLG München, Beschluss vom 10.2.2011 - Verg 24/10 und vom 25.7.2013 - Verg 7/13). Welche Egalisierungsmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, um einen fairen Wettbewerb sicherzustellen, entscheidet der Auftraggeber nach pflichtgemäßem Ermessen (OLG München, Beschluss vom 25.07.2013 - Verg 7/13). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass alle Arbeitsergebnisse und alle Besprechungsprotokolle mit anderen Stellen den Mitbietern zur Verfügung gestellt werden. Es genügt vielmehr diejenige Bekanntgabe von Informationen, welche die anderen Bieter in die Lage versetzt, zu den gleichen Wettbewerbsbedingungen wie der vorbefasste Bieter ihr Angebot zu legen (OLG München, Beschluss vom 25.07.2013 - Verg 7/13).
93
Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin lediglich die letzte Machbarkeitsstudie Nr. 3 der K… GmbH und das hieraus entwickelte Raumprogramm „Neubau Hallenbad Landshut“ den Vergabeunterlagen beigefügt hat. Die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin haben sich im Dokument Stellungnahme „Projektantenproblematik“, das sich die Antragsgegnerin offenbar zu eigen gemacht hat, mit allen vom vorbefassten Büro erbrachten Vorplanungsleistungen unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs des Wettbewerbsvorsprungs der K… GmbH auseinandergesetzt.
94
Für die älteren Machbarkeitsstudien ist die Antragsgegnerin dabei nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass diese von den Ergebnissen der nachfolgenden Machbarkeitsstudien (endend mit Nr. 3) überholt werden und sämtliche für die Angebotslegung erforderlichen Angaben aus der Machbarkeitsstudie Nr. 3 ersichtlich sind. Vom Ermessensspielraum der Antragsgegnerin ist auch die Einschätzung gedeckt, dass weder die Wirtschaftlichkeitsprognose der D… GmbH & Co. KG … vom Juli 2015 noch das Bestandsgutachten vom 07.09.2015 inkl. Grobkostenschätzung der K… GmbH vom 20.08.2015 den Vergabeunterlagen beigefügt werden müssen, da diese ebenfalls überholt sind. Auch die Ergebnisse des Akteursworkshops und des Optimierungsworkshops aus dem Jahr 2017 sind in die Machbarkeitsstudie Nr. 3 eingeflossen und mussten daher nicht gesondert den Vergabeunterlagen beigefügt werden. Zutreffend hat die Antragsgegnerin weiter festgehalten, dass das Strategiekonzept Hallenbadneubau L… der A… GmbH vom 18.05.2018 und die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der A… GmbH vom 19.07.2018 für die konkrete Angebotserstellung (insbesondere die Ausgestaltung der Ideenskizzen) nicht weiter von Belang sind, weshalb eine Aufnahme in die Vergabeunterlagen unterbleiben konnte.
95
Ein Ausschluss des vorbefassten Büros K… GmbH nach § 124 Abs. 1 Nr. 6 GWB, der ohnehin nur als letztes Mittel erfolgen dürfte, wenn die Wettbewerbsverzerrung durch die Vorbefassung nicht durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen beseitigt werden kann, kommt nach den zielführenden Ausgleichsmaßnahmen der Antragsgegnerin keinesfalls in Betracht.
96
2.6 Die Antragstellerin ist allerdings dadurch in ihren Rechten verletzt, dass die Antragsgegnerin keine angemessene Vergütung i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV für die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen für die gestellte Planungsaufgabe in Form von Entwürfen, Plänen, Zeichnungen, Berechnungen oder anderen Unterlagen festgesetzt hat.
97
Abweichend von dem Grundsatz in § 77 Abs. 1 VgV, dass für die Bearbeitung des Angebots Kosten nicht erstattet werden, ist gem. § 77 Abs. 2 VgV für die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen für die gestellte Planungsaufgabe in Form von Entwürfen, Plänen, Zeichnungen, Berechnungen oder anderen Unterlagen einheitlich für alle Bewerber eine angemessene Vergütung festzusetzen. Dies gilt nach § 76 Abs. 2 Satz 1 VgV gerade auch für das hier einschlägige Verhandlungsverfahren.
98
Die Überprüfung der Angemessenheit einer Vergütung nach § 77 Abs. 2 VgV kann zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden. Die Nachprüfungsinstanzen haben dabei lediglich zu prüfen, ob die festgesetzte Entschädigung angemessen im Sinne des § 77 Abs. 2 VgV ist. Sie sind hingegen nicht befugt, durch Festsetzung einer von ihnen für angemessen erachteten Entschädigung anstelle des Auftraggebers auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einzuwirken. Das wäre schon deshalb nicht statthaft, weil die vergaberechtlichen Abhilfemöglichkeiten nicht auf eine Anhebung der Entschädigung reduziert sind. Vielmehr kann der Auftraggeber, wenn sich im Nachprüfungsverfahren herausstellt, dass er eine unangemessen niedrige Entschädigung festgesetzt hat, ebenso gut bei gleichbleibender Entschädigung Abstriche bei den über die Ausarbeitung des Angebots geforderten Unterlagen vornehmen (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2016 - X ZR 77/14 Rn 34 f. zur verwandten Problematik des § 13 Abs. 3 VOF bzw. § 20 Abs. 3 VOF a.F. explizit auch im Hinblick auf die heute geltende Rechtslage).
99
Die Antragsgegnerin hat im streitgegenständlichen Vergabeverfahren die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen im Sinne des § 77 Abs. 2 VgV verlangt. Im vorliegenden Verfahren ist zwischen den Parteien unstrittig, dass trotz der taktisch gewählten, irreführenden Bezeichnung der geforderten Planungsleistungen als „Ideenskizzen“ Lösungsvorschläge i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV für die gestellte Planungsaufgabe in Form von Entwürfen, Plänen, Zeichnungen, Berechnungen oder anderen Unterlagen im Rahmen der Angebotsphase zu erbringen waren. Wären die geforderten Leistungen im Rahmen eines bereits abgeschlossen Architekten- bzw. Ingenieurvertrags und nicht - wie hier - als Teil des Angebots im Vergabeverfahren zu erbringen gewesen, würden sie erhebliche Teile der Lph 1 und 2 der jeweiligen Leistungsbilder der HOAI umfassen. Dass auch der Antragsgegner diese Auffassung teilt, ergibt sich schon aus der Stellungnahme „Ideenskizzen im Lichte des § 77 VgV“ der … Rechtsanwälte, die Bestandteil der Vergabedokumentation ist. Anders ist dies nur für die Ideenskizze „Projektorganisation und -ablauf, Effektivität, Kosten/Bauzeit“ zu betrachten, die inhaltlich keine Lösungsvorschläge für die gestellte Planungsaufgabe betrifft.
100
Verlangt der Auftraggeber derartige Lösungsvorschläge hat er nach § 77 Abs. 2 VgV einheitlich für alle Bewerber eine angemessene Vergütung festzusetzen. Zur Festsetzung einer angemessenen Vergütung ist der öffentliche Auftraggeber gem. § 77 Abs. 2 VgV vergaberechtlich verpflichtet. Der BGH hat in seinem Urteil vom 19.04.2016 - X ZR 77/14 klargestellt, dass Rechtsgrundlage für die Vergütungsforderung eines Architekten für im Vergabeverfahren erbrachte Planungsleistungen nur die Festsetzung einer angemessenen Vergütung durch den Auftraggeber darstellen kann, da es an einem bereits geschlossenen Architektenvertrag fehlt.
101
Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien ausschließlich streitig, ob die von der Antragsgegnerin festgesetzten 20.000 € für jeden Bewerber angesichts der umfangreichen zu erbringenden Planungsleistungen eine angemessene Vergütung i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV darstellen. Die Antragstellerin hat hierzu bereits im Januar 2021 ein Gutachten erstellen lassen, das ein Honorar von ca. 129.000 € nach HOAI für die Leistungen zur Erstellung der Lösungsvorschläge annimmt.
102
Nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern ist der Ansatz der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden, die Vergütung auf der Basis von Erfahrungswerten ihres Projektsteuerers H… nach dem konkreten angenommenen Zeitaufwand für die zu erbringenden Planungsleistungen unter Ansatz angemessener Stundensätze zu bestimmen. Spätestens seit dem Wegfall der verbindlichen Mindestsätze der HOAI muss eine angemessene Vergütung i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV nicht mehr zwingend auf der Basis der HOAI ermittelt werden (VK Sachsen, Beschluss vom 05.02.2019 - 1/SVK/038-18). Die Rechtslage hat sich insoweit seit dem Beschluss der VK Südbayern vom 29.06.2017 - Z3-3-3194-1-13-04/17 geändert.
103
Wenn sogar im Rahmen eines bereits abgeschlossenen Architekten- bzw. Ingenieurvertrags nach heutiger Rechtslage die Preise frei verhandelt werden können und das Basishonorar der aktuellen HOAI unterschritten werden kann, kann dieses in der „Akquisephase“ - nichts anderes ist ein Vergabeverfahren - nicht die einzig angemessene Vergütung für geforderte Lösungsvorschläge i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV sein. Dies räumt auch die Antragstellerin ein, ist aber der Auffassung, dass aufgrund von § 1 Abs. 1 Satz 2 ArchLG Ausgangspunkt für die Ermittlung angemessener Honorare immer die HOAI sein müsse. Von dieser Basis aus könnten die Auftraggeber dann ggf. unter Berücksichtigung der konkret geforderten Lösungsvorschläge einzelfallbezogene Abschläge vornehmen.
104
Zuzustimmen ist der Antragstellerin sicherlich darin, dass ein Auftraggeber befugt ist, die Vergütung ausgehend vom Basissatz der aktuellen HOAI zu bestimmen und dass dies aufgrund der etablierten Methoden zur Honorarermittlung wie den Teilleistungstabellen zu gut nachvollziehbaren und regelmäßig angemessenen Vergütungen für Lösungsvorschläge i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV führen wird.
105
Allerdings ist ein Auftraggeber nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern nicht dazu gezwungen, die Vergütung ausgehend vom Basissatz der aktuellen HOAI zu bestimmen oder sich überhaupt an der HOAI zu orientieren. § 1 Abs. 1 Satz 2 ArchLG verpflichtet den Verordnungsgeber der HOAI, bei der Bestimmung der Honorartafeln zur Honorarorientierung nach Satz 1 Nummer 2 zur Ermittlung angemessener Honorare den berechtigten Interessen der Ingenieure und Architekten und der zur Zahlung Verpflichteten Rechnung zu tragen. Daraus kann nicht der Schluss gezogen werden, dass im Rahmen des § 77 Abs. 2 VgV angemessene Vergütungen nur nach den Honorartafeln der HOAI bestimmt werden können. Es ist vielmehr nicht zu beanstanden, wenn der Auftraggeber eine angemessene Vergütung wie hier nach Zeitaufwand unter Ansatz angemessener Stundensätze bemisst. Jedenfalls insoweit ist dem Auftraggeber ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zuzugestehen.
106
Die Antragsgegnerin hat allerdings keine angemessene Vergütung i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV festgesetzt, weil die von ihr vorgesehene Vergütung von 20.000 € nur etwas mehr als die Hälfte der von ihr vertretbar angenommenen Angebotserstellungskosten von 36.000 € abdeckt und sie nicht ausreichend begründet hat, warum im konkreten Einzelfall, eine derartige Vergütung noch als angemessen anzusehen sehen ist.
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Wie aus der Stellungnahme „Ideenskizzen im Lichte des § 77 VgV“ hervorgeht, hat die Antragsgegnerin - nach ihren Angaben in der Erörterung am 09.03.2022 auf Basis von Erfahrungswerten von H… - für die Erstellung der Lösungsvorschläge einen prognostizierten Arbeitsaufwand von ca. 360 Stunden angenommen. Hierbei ist sie vom Einsatz von drei Mitarbeitern ausgegangen, die Vollzeit (8h/Tag) drei Wochen zu 5 Tagen pro Woche an den Lösungsvorschlägen arbeiten. Dem ist die Antragstellerin nicht substantiiert entgegengetreten. Auch die entsprechenden Stundensätze für den Büroinhaber und Architekten mit verschiedenen Gehaltshöhen hat die Antragsgegnerin vertretbar aus einer einschlägigen Publikation ermittelt und auf 100 € gemittelt. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 13.01.2017 - X ZR 93/15) hat die sodann bei einem ermittelten Aufwand von 36.000 € eine Vergütung von 20.000 € festgesetzt.
108
Jedenfalls mit der vorliegenden Begründung war die Antragsgegnerin nicht befugt eine Vergütung festzusetzen, die nur etwas mehr als die Hälfte des von ihr vertretbar auf Basis von Stundensätzen ermittelten Aufwands für die Bearbeitung der Lösungsvorschläge beträgt.
109
Es muss vorliegend nicht abschließend entschieden werden, ob die festzusetzende angemessene Vergütung für die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen nach § 77 Abs. 2 VgV stets eine Deckung der vom Auftraggeber vertretbar prognostizieren Angebotserstellungskosten voraussetzt. Nach Auffassung der Vergabekammer Sachsen erfordert die Festsetzung einer angemessenen Vergütung mindestens die Deckung des für die Erledigung der geforderten Aufgabe notwendigen, geschätzten Zeitaufwandes unter Ansatz angemessener Stundensätze (VK Sachsen, Beschluss vom 05.02.2019 - 1/SVK/038-18). Nach einer Auffassung in der Literatur setzt eine angemessene Vergütung im Sinne von § 77 Abs. 2 VgV zwar in der Regel, aber nicht ausnahmslos eine Kostendeckung voraus (Schneider in Burgi/Dreher, Beckscher VergabeR-KO; 3. Auflage zu § 77 Rnr. 62 ff.).
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Die Vergabekammer Südbayern hält es nicht für ausgeschlossen, dass der Aspekt, dass die Teilnahme an einem Vergabeverfahren zur Akquise eines Auftrags dient, bei der Frage der Angemessenheit einer Vergütung i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV Berücksichtigung finden kann und mit einer entsprechenden, auf den konkreten Einzelfall bezogenen Begründung auch eine nicht vollständig kostendeckende Vergütung festgesetzt werden kann. Eine solche Begründung hat die Antragsgegnerin allerdings nicht dokumentiert oder sonst vorgebracht. Sie vertritt die Auffassung, dass sich aus dem Urteil des BGH vom 13.01.2017 - X ZR 93/15 ergäbe, dass eine vertretbar aufwandsbezogen ermittelte Vergütung erheblich - fast um die Hälfte gekürzt werden könnte. Im Übrigen ergibt sich aus Stellungnahme „Ideenskizzen im Lichte des § 77 VgV“ der … Rechtsanwälte, dass die Antragsgegnerin offenbar darauf spekulierte, dass die Bewerber die stark gekürzte Vergütung rügelos hinnehmen würden.
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Die Antragstellerin hat allerdings zurecht darauf hingewiesen, dass die Ausführungen des BGH im Urteil vom 13.01.2017 - X ZR 93/15 nicht ohne Weiteres die Festsetzung einer nicht kostendeckenden Vergütung nach § 77 Abs. 2 VgV begründen können. Die Entscheidung betrifft zunächst ein Vergabeverfahren nach der VOB/A EU, wo nach § 8bEU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A ohnehin nur für die Ausarbeitung von Entwürfen, Plänen, Zeichnungen, statischen Berechnungen, Mengenberechnungen oder anderen Unterlagen eine angemessene Entschädigung vorzusehen ist. Nach § 77 Abs. 2 VgV ist aber - anders als nach § 8b EU VOB/A - nicht nur eine Entschädigung, sondern eine Vergütung festzusetzen. Hierbei soll nach einer Auffassung in der Rechtsprechung (OLG Hamm, Urteil vom 06.08.2015 - I-17 U 130/12) auch ein „Gewinnanteil“ berücksichtigt werden.
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Der entscheidende Unterschied ist aber, dass im Fall des BGH der Kläger rügelos hingenommen hat, dass der dortige Auftraggeber die Regelung des § 8bEU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A in den Vergabeunterlagen abbedungen hat und nur eine teilweise Erstattung des Aufwands leisten wollte. Der BGH hatte insoweit nach § 315 Abs. 3 BGB durch Urteil zu bestimmen, wie hoch nach der maßgeblichen objektivierten Sicht der potentiellen Bieter eine teilweise Erstattung des Aufwands für die Teilnahme an diesem Vergabeverfahren war. Diese teilweise Erstattung bewegt sich nach Auffassung des BGH zwischen einem unteren Wert von einem Drittel und einem oberen Wert von zwei Dritteln der durchschnittlichen Angebotserstellungskosten. Diese Ausführungen des BGH zu einer teilweisen Erstattung des Aufwands im Vergabeverfahren können nicht ohne Weiteres auf die vergaberechtlich geforderte Festsetzung einer angemessenen Vergütung nach § 77 Abs. 2 VgV übertragen werden, wie es die Antragsgegnerin unter Berufung auf die Entscheidung des BGH getan hat. Der BGH hat in der genannten Entscheidung klargestellt, dass § 77 Abs. 2 VgV ersichtlich die Billigkeitserwägung zugrunde liegt, dass Bewerber oder Bieter jenseits eines bestimmten zumutbaren Maßes nicht mit außergewöhnlichen, durch besondere Anforderungen des Auftraggebers ausgelösten Kosten der Angebotserarbeitung belastet werden dürfen (BGH, Urteil vom 13.01.2017 - X ZR 93/15 Rn. 30).
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Ohne eine vertiefte einzelfallbezogene Begründung kann daher auch unter dem Gesichtspunkt der Auftragsakquise keine so erhebliche Unterschreitung eines vertretbar einzelfallbezogen ermittelten Aufwands für die Erstellung der Lösungsvorschläge im Rahmen der Festsetzung einer angemessenen Vergütung nach § 77 Abs. 2 VgV wie hier erfolgen.
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Aufgrund der insoweit festzustellenden Verletzung der Antragstellerin in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB ist der Antragsgegnerin die Zuschlagserteilung im vorliegenden Vergabeverfahren zu untersagen. Im Falle fortbestehender Beschaffungsabsicht hat die Antragsgegnerin über die Höhe einer angemessenen Vergütung oder die Reduzierung der Anforderungen bzgl. der geforderten Entwürfe, Pläne, Zeichnungen oder anderen Unterlagen eigenverantwortlich zu entscheiden (BGH, Urteil vom 19.04.2016 - X ZR 77/14) und auf dieser Basis zur Abgabe neuer Teilnahmeanträge aufzufordern.
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3. Kosten des Verfahrens
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Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies sind hier teilweise die Antragstellerin, die mit den allermeisten Rügepunkten, insbesondere einem ihrer Hauptpunkte, nämlich der Rüge der Generalplanervergabe nicht durchdringen konnte, als auch die Antragsgegnerin, der die Zuschlagserteilung im vorliegenden Verfahren wegen des Verstoßes gegen § 77 Abs. 2 VgV zu untersagen war.
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Die Kosten des Verfahrens sind daher unter den Parteien aufzuheben. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahren (Gebühren der Vergabekammer) jeweils zur Hälfte. Ihre Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und -verteidigung tragen sie jeweils selbst.
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Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
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Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Aus Gründen der Billigkeit (keine Beiladung) vermindertsich die Gebühr auf … Euro.
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Die Antragsgegnerinist als Gemeinde von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.
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Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraftverrechnet.