OLG München, Hinweisbeschluss v. 05.04.2022 – 32 U 936/21
Titel:
Kündigung eines Gewerbemietvertrages
Normenketten:
BGB § 543, § 946, § 93, § 953, § 544
ZPO § 263, § 533
Leitsätze:
1. Das tatsächliche Andauern eines Mietverhältnisses für einen Zeitraum von über 30 Jahren ohne entsprechende rechtliche Bindung für diese Laufzeit fällt nicht unter die Vorschrift des § 544 BGB. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Sachdienlichkeit einer Klageänderung mit neuen Kündigungsgründen kann verneint werden, wenn eine Entscheidung über diese Gründe erst zu einem Zeitpunkt ergehen würde, zu dem der Mietvertrag aus einem anderen (ordentlichen) Kündigungsgrund bereits beendet ist. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kündigung, Baugenehmigung, Klageänderung, Mietvertragsdauer
Vorinstanzen:
OLG München, Verfügung vom 11.11.2021 – 32 U 936/21
LG München I, Urteil vom 19.01.2021 – 31 O 17389/19
Fundstellen:
ZMR 2022, 636
BeckRS 2022, 20110
LSK 2022, 20110
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 19.01.2021, Az. 31 O 17389/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert auf 394.144,- € festzusetzen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Entscheidungsgründe
I.
1
Die Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe mehrerer Grundstücksflächen im Zusammenhang mit der Beendigung eines Gewerbemietvertrages.
2
1. Der Großvater der Kläger zu 1)-3) als Vermieter und A. B. als Mieter schlossen 1975 einen Mietvertrag (K 6) über eine Teilfläche des Grundstücks … Straße 116 in …, in dem unter anderem geregelt wurde, dass der Mieter bei Vertragsende verpflichtet ist, das Grundstück vollständig geräumt und von unterirdischen Anlagen befreit und im Übrigen eingeebnet an den Vermieter herauszugeben (§ 7). Weiter war geregelt, dass der Mieter sämtliche für den Betrieb seines Gewerbes und für die Unterhaltung von Gebäulichkeiten erforderlichen Genehmigungen selbst und auf eigene Kosten zu beschaffen habe (§ 9) und dass die vom Vormieter errichteten Gebäulichkeiten kein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks im Sinne des § 93 BGB seien (§ 4). Zu diesem Zeitpunkt befand sich bereits das Gebäude E auf dem Grundstück, an dem später bauliche Veränderungen vorgenommen wurden. In einem Zusatzvertrag vom 19.03.1981 (K 7) wurde die Untervermietung gestattet. In der Folge gab es sowohl auf Mieter- als auch auf Vermieterseite verschiedene Parteiwechsel und es wurden verschiedene Ergänzungsvereinbarungen geschlossen sowie weitere Teilflächen angemietet. Durch Vereinbarung vom 27./29.09.2014 trat die Beklagte rückwirkend zum 01.01.2014 in die bestehenden Mietverträge ein und die einzige damalige Mieterin C. G. schied aus. Am 01.10.2014 wurde von der Beklagten eine weitere Teilfläche angemietet und die Laufzeit für alle Mietverträge wurde einheitlich bis 31.08.2022 festgelegt.
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Die vermieteten Flächen befinden sich auf den Flurstücken Nr. … und Nr. …/3, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts …, Gemarkung …. Die Kläger zu 1)-3) sind Miteigentümer zu je 1/3 des Grundstücks Flur Nr. …, die Klägerin zu 4) - deren Gesellschafter die Kläger zu 1)-3) sind - ist Eigentümerin des Grundstücks Flur Nr. …/3.
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Die Flächen werden sowohl von der Beklagten selbst als auch von ihren Untermietern zum gewerblichen Betrieb von Autohäusern und -werkstätten genutzt.
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Seit 2016 erfolgten seitens der Lokalbaukommission Beanstandungen wegen bauordnungswidriger Nutzungen der Flächen und ungenehmigter Bauten. So wurde die Nutzung einer Fläche als Autoabstellplatz gerügt und eine Beendigung dieser Nutzung zum 31.12.2017 verlangt. Dem kam die Beklagte nach. Im Zuge weiterer Beanstandungen wegen fehlender Baugenehmigungen und bauordnungswidriger Nutzungen kam es zu Erörterungen der formellen und materiellen Genehmigungslage der gewerblichen Grundstücksnutzung und der auf den Grundstücken befindlichen Gebäuden zwischen der Beklagten, den Klägern und dem Baureferat der Landeshauptstadt …. Die Beklagte beteiligte sich daran aktiv und bat auch um Mitteilung der Behörde, ob von ihrer Seite Genehmigungsanträge zu stellen seien (K 36).
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Mit Schreiben vom 09.04.2018 kündigten die Kläger sämtliche Mietverhältnisse mit der Beklagten außerordentlich wegen des Unterlassens des Stellens von Anträgen zur baurechtlichen Legitimation von Schwarzbauten und verwiesen darauf, dass die Landeshauptstadt … Beseitigungs- und Duldungsanordnungen sowie Zwangsgeldbelastungen zu Lasten der Kläger als Eigentümer der Grundstücke angekündigt habe.
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Am 30.08.2018 erließ die Landeshauptstadt … gegen die Beklagte eine Verfügung, die auf dem Gebäude …/0 befindlichen Gebäude H, I und J zu beseitigen und die gewerbliche Nutzung als Kraftfahrzeug-Handel, -Vermietung, -Reparatur und Pflege der Grundstücke Fl. Nr. …/0 und …/3 bzgl. der Gebäude E, F, G und K und der Abstellplätze M und N zu unterlassen (K 25). Am gleichen Tag erging eine Beseitigungsanordnung gegen die Kläger hinsichtlich des Gebäudes E sowie die Anordnung der Duldung der an die Beklagte ergangenen Anordnungen (K 24).
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Am 02.10.2018 trafen die Beklagte und die Landeshauptstadt … eine Vereinbarung, wonach die Beklagte auf Rechtsmittel gegen die Verfügung vom 30.08.2018 verzichtete und sich u.a. zur Beseitigung der Gebäude F, G und K bis 30.11.2022 verpflichtete und sich die Landeshauptstadt im Gegenzug verpflichtete, aus der Verfügung vom 30.08.2018 bis 31.08.2022 nicht zu vollstrecken. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Klägern und der Landeshauptstadt stand im Raum, wurde aber nicht abgeschlossen. Die Kläger haben gegen die an sie gerichtete Beseitigungsanordnung vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Die Verfügung wurde von der Landeshauptstadt aufgehoben und durch eine Verfügung vom 20.07.2021 ersetzt, in der wiederum die Beseitigung des Gebäudes E angeordnet wird (BK 7).
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2. Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagten hätten gegen ihre vertragliche Pflicht zur Einholung von Genehmigungen verstoßen und die Kooperation verweigert, daher sei es zu der Beseitigungsanordnung gegen die Kläger gekommen. Dies rechtfertige eine außerordentliche Kündigung. Die Beklagte sei daher zur sofortigen Räumung verpflichtet und habe dabei sämtliche Gebäude und Aufkiesungen sowie auch Asphaltierungen und Versiegelungen zu beseitigen, da sie nicht dargelegt habe, dass diese schon vor Beginn des Mietverhältnisses vorhanden gewesen seien. Zudem sei die Kündigung auch als ordentliche Kündigung zum 31.07.2018 möglich gewesen, da das Mietverhältnis von 1975 durch die verschiedenen Verlängerungen für mehr als 30 Jahre abgeschlossen worden sei und daher gem. § 544 BGB ordentlich kündbar sei. Zudem hätte die Beklagte auch den nachbarlichen Frieden gestört und dadurch ihre Pflichten gegenüber den Klägern verletzt. Hilfsweise werde die Räumung zum Ende der Vertragslaufzeit beantragt.
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Da die Beklagte zur Beseitigung etwaiger Altlasten verpflichtet sei, habe sie auch die Kosten für ein Gutachten zu Prüfung, ob Altlasten vorhanden seien, zu tragen.
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Aufgrund der ständig wechselnden Untermietverhältnisse habe die Beklagte im Hinblick auf die Frage, gegen wen bei einer Räumung vorzugehen sein, über diese Auskunft zu erteilen. Sie habe weitere Untervermietungen zu unterlassen.
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3. Die Beklagte ist der Auffassung, sie habe sich ausreichend um eine Einigung mit der Baubehörde bemüht. Das Einreichen von Bauanträgen hätte mangels Genehmigungsfähigkeit keine Aussichten auf Erfolg gehabt. Die Kläger seien als Vermieter dazu verpflichtet, die Geeignetheit des Mietobjekts für den vereinbarten Zweck zu gewährleisten, was mangels Zulässigkeit der Nutzung als Autowerkstatt bzw. Autoverkaufsstätte nicht der Fall sei. Über die Vereinbarung mit der Landeshauptstadt sei eine Nutzung bis zum Ende der Vertragslaufzeit möglich. Aufgrund der Regelung im Vertrag sei sie zur Untervermietung berechtigt und werde diese fristgemäß zum Ende der Vertragslaufzeit beenden. Im übrigen habe sie die Untermieter auch benannt.
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4. Das Landgericht hat eine Beweisaufnahme durchgeführt und Mitarbeiter der Lokalbaukommission zu deren Beanstandungen vernommen. Es hat in seinem Urteil den klägerischen Anträgen hinsichtlich des Hilfsantrags auf Räumung und Herausgabe bis zum 30.08.2022 aufgrund der dann endenden Laufzeit des Mietvertrages stattgegeben, eine frühere Räumung hat es mangels wirksamer Kündigung abgelehnt. Hinsichtlich des Umfangs der Räumung hat es die Verurteilung zur Beseitigung der Gebäude E, F, G, H, I, J und K sowie die Beseitigung des Bodens von Aufkiesungen ausgesprochen, nicht aber die beantragte Beseitigung von Asphaltierungen und sonstigen Versiegelungen. Den Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zur Tragung von Kosten eines Altlastenexplorationsgutachtens, die Auskunft über die Untermietverhältnisse sowie die Unterlassung des Abschlusses weiterer Untermietverträge hat es abgewiesen.
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Zur Begründung führt das Landgericht aus, ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sei in dem Unterlassen des Stellens von Anträgen auf Genehmigungen nicht zu sehen, da dies nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Hinblick auf die fehlende Genehmigungsfähigkeit sinnlos gewesen wäre. Die Verpflichtung zur Räumung und zur Beseitigung der genannten Gebäude sowie der Aufkiesungen zum 30.08.2022 ergebe sich aus dem Ende der Laufzeit des Mietvertrages sowie der vertraglichen Vereinbarungen. Eine Verpflichtung zur früheren Beseitigung des Gebäudes E bestehe nicht, da die Beklagte nicht Eigentümerin des Gebäudes geworden sei. Bei der Gesamtlage und unter Berücksichtigung des Abschlusses des Vergleichs zwischen der Beklagten und der Landeshauptstadt könne das Interesse der Kläger, wegen der Beseitigung des Gebäudes E nicht der Androhung von Zwang ausgesetzt zu sein, auch anders als durch vorzeitige Beendigung des Mietvertrages beendet werden, nämlich durch eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB. Zu einer Beseitigung der Asphaltierungen und sonstigen Versiegelungen sei die Beklagte nicht verpflichtet, da diese weder unterirdisch seien noch die Ebenheit der Fläche beträfen. Eine Verpflichtung zur Beseitigung bestünde daher nur, wenn die Asphaltierungen und Versiegelungen von der Beklagten oder ihren Rechtsvorgängern geschaffen worden seien, was von den Klägern schon nicht dargelegt worden sei. Für die Übernahme der Kosten für ein Altlastenexplorationsgutachten gebe es keine Rechtsgrundlage, da durch dieses das Vorliegen einer von der Beklagten zu beseitigenden Verunreinigung erst geklärt werden solle. Ein Anspruch auf Mitteilung der Untermieter bestehe nicht und sei im Übrigen von der Beklagten auch schon erfüllt worden. Ebenso bestünde kein Unterlassungsanspruch keine weiteren Untermietverträge abzuschließen, da die Beklagte dazu vertraglich berechtigt sei.
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Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags in der ersten Instanz wird auf die Feststellungen im Urteil sowie auf die ausgetauschten Schriftsätze mit Anlagen Bezug genommen.
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5. Die Kläger verfolgen mit der Berufung ihre erstinstanzlichen Ansprüche weiter, soweit sie abgewiesen wurden (a), stützen den Räumungsanspruch ergänzend auf zwei weitere Kündigungen (b) und machen erstmals auch einen Anspruch auf Zahlung rückständiger Miete geltend, der mit Schriftsatz vom 02.12.2021 erweitert wurde (c).
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(a) Soweit das Landgericht in der Inanspruchnahme der Kläger durch die Landeshauptstadt auf Beseitigung des Gebäudes E keine Pflichtverletzung durch die Beklagte gesehen hat, habe das Gericht verkannt, dass die Beklagte bei Eintritt in den Vertrag über die baurechtliche Situation im Bilde gewesen sei und zudem gegenüber der Landeshauptstadt die Sachherrschaft für das Gebäude E reklamiert habe. Die Kläger seien durch den Bescheid der Landeshauptstadt gegen sie dem Risiko der Vollstreckung und Verhängung von Zwangsgeldern ausgesetzt. Die Beklagte habe damit auch ihre Rücksichtnahmepflicht verletzt. Auch aus der Nachtragsvereinbarung vom 27./29.09.2014 ergebe sich ein Eigentumsübergang des Gebäudes E auf die Beklagte.
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Zudem habe das Landgericht die vorgetragenen Störungen des nachbarlichen Friedens nicht berücksichtigt. Die Beklagte habe die Interessen der Kläger weiter dadurch verletzt, dass sie eine Besichtigung der Grundstücke zur Planung der Schadstoffuntersuchungen am 14.12.2020 abgelehnt hätten.
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Der Anspruch auf die Beseitigung von Asphaltierungen und sonstigen Versiegelungen ergebe sich aus der Verpflichtung zur vollständigen Räumung und der Herausgabe der Grundstücke „im Übrigen eingeebnet“. Bei baulichen Veränderungen sei der ursprüngliche Zustand wieder herzustellen. Welche Asphaltierungen und Versiegelungen nicht der geschuldeten kompletten Räumung unterfallen wäre von der Beklagten darzulegen.
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Der Anspruch auf Tragung der Kosten für ein Explorationsgutachten ergebe sich daraus, dass den Klägern im Falle der Verschlechterung der Mietsache ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zustünde und die Beklagte dies nicht anerkenne.
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Der Auskunftsanspruch bzgl. der Untermieter ergebe sich aus dem Interesse zu erfahren, gegen wen eine Räumung durchzuführen ist. Die Auskünfte der Beklagten seien bislang unvollständig, der Anspruch sei daher nicht erfüllt.
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(b) Nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils habe die Beklagte den anwaltlichen Vertreter der Kläger mehrfach beleidigt und ihm und den Klägern Prozessbetrug vorgeworfen. Ihr wurde deshalb am 15.02.2021 erneut die außerordentliche Kündigung erklärt. Bei der Staatsanwaltschaft … würden dazu Ermittlungsverfahren zu den Beleidigungsvorwürfen geführt.
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Da die Beklagte in den Monaten Februar und März 2021 die Miete trotz Mahnung nicht bezahlt habe, wurde eine weitere außerordentliche Kündigung am 16.03.2021 erklärt.
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(c) Die Beklagte habe ab Februar 2021 bis zur Herausgabe der Grundstücke monatlich 8.632,- € entweder als Miete oder als Nutzungsentschädigung zu zahlen.
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Die Kläger beantragen in der Berufung zuletzt:
I. Das Urteil des LG München I, Az. 31 O 17389/19, vom 19.01.2021 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Grundstücke mit der FlNr.: …, Grundbuch des Amtsgerichts …, Gem. …, Blatt … und der FlNr. …/3 Grundbuch des Amtsgerichts …, Gem. …, Blatt …, soweit diese von der Beklagten nach beigefügtem Lageplan (Anlage K 2, ausgenommen schraffierte Flächen) gemietet waren, zu räumen und die Mietgrundstücke mit den darauf befindlichen Anlagen und Einrichtungen besenrein und mit sämtlichen Schlüsseln zu übergeben.
III. Die Beklagte wird verurteilt, die im beigefügten Lageplan (Anlage K 3, Beschreibung LHS …) mit den Buchstaben E, F, G, H, I, J und K gekennzeichneten Gebäude auf den Grundstücken mit der FlNr.: …, Grundbuch des Amtsgerichts …, Gem. …, Blatt … und der FlNr. …/3 Grundbuch des Amtsgerichts …, Gem. …, Blatt …, zu beseitigen und den Boden des nach beigefügtem Lageplan (Anlage K 2, ausgenommen schraffierte Flächen) gemieteten Teils der Grundstücke mit der FlNr.: …, Grundbuch des Amtsgerichts …, Gem. …, Blatt … und der FlNr. …/3 Grundbuch des Amtsgerichts …, Gem. …, Blatt …, von Aufkiesungen, Asphaltierungen und sonstigen Versiegelungen zu befreien.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger € 86.320,00 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz
aus einem Betrag in Höhe von € 8.632,00 seit 04.02.2021, hilfsweise seit Rechtshängigkeit
aus einem Betrag in Höhe von € 8.632,00 seit 04.03.2021, hilfsweise seit Rechtshängigkeit
aus einem Betrag in Höhe von € 8.632,00 seit 04.04.2021, hilfsweise seit Rechtshängigkeit
aus einem Betrag in Höhe von € 8.632,00 seit 04.05.2021, hilfsweise seit Rechtshängigkeit
aus einem Betrag in Höhe von € 8.632,00 seit 04.06.2021, hilfsweise seit Rechtshängigkeit
aus einem Betrag in Höhe von € 8.632,00 seit 04.07.2021, hilfsweise seit Rechtshängigkeit
aus einem Betrag in Höhe von € 8.632,00 seit 04.08.2021, hilfsweise seit Rechtshängigkeit
aus einem Betrag in Höhe von € 8.632,00 seit 04.09.2021, hilfsweise seit Rechtshängigkeit
aus einem Betrag in Höhe von € 8.632,00 seit 04.10.2021, hilfsweise seit Rechtshängigkeit
aus einem Betrag in Höhe von € 8.632,00 seit 04.11.2021, hilfsweise seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
V. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, einen monatlichen Betrag in Höhe von € 8.632,00 als Mietzins oder Nutzungsentgelt für die Nutzung der Grundstücke mit der FlNr.: …, Grundbuch des Amtsgerichts …, Gem. …, Blatt … und der FlNr. …/3 Grundbuch des Amtsgerichts …, Gem. …, Blatt … soweit diese von der Beklagten nach beigefügtem Lageplan (Anlage K 2, ausgenommen schraffierte Flächen) gemietet waren, zu zahlen.
VI. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für ein Altlastenexplorationsgutachten gegen Rechnungsvorlage auf erstes Anfordern an die Kläger und sämtliche durch nicht fristgerechte Räumung entstandenen Schäden zu erstatten.
VII. Die Beklagte wird verurteilt, über den aktuellen Bestand von Untermietverhältnissen auf den streitgegenständlichen Grundstücken …, …/3 Gem. … unter Angabe des jeweiligen Untermieters, mit der rechtsverantwortlichen natürlichen und/oder juristischen Vertretungsperson mit jeweils ladungsfähiger Anschrift und Angaben zum Standort des jeweiligen Untermietverhältnisses unter Verwendung des Lageplans Anlage K 3 und Benennung der vermieteten Gebäude- und Grundstücksteile sowie Dauer des Untermietverhältnisses Auskunft zu erteilen.
VIII. Die Beklagt hat es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von € 250.000,00 oder Ordnungshaft für jeden Verstoß zu unterlassen, ab Rechtshängigkeit weitere Untermietverträge für die verfahrensgegenständlichen Grundstücke …, …/3 Gem. … abzuschließen.
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6. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung und stimmt einer Klageänderung der Kläger nicht zu. Sie hat zudem Widerklage und Anschlussberufung erhoben. Dabei beruft sie sich auf ihr zustehende Gegenansprüche. Diese bestünden in Höhe von 8.400,- € wegen der für die sogenannten „Zotz-Fläche“ bezahlten Miete seit 01.01.20218 in Höhe von 700,- € monatlich, da diese nicht seit diesem Zeitpunkt mehr als KFZ-Stellplatz genutzt werden konnte und daher zurückzuerstatten sei. Weiter bestünden Ansprüche in Höhe von 239.660,- € auf Schadensersatz wegen der Aufgabe von Untermietverhältnissen im Vertrauen auf eine Zusage der Kläger, bei vollständiger Räumung bis zum 31.12.2020 eine Ablöse in Höhe von 500.000,- € zu bezahlen.
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Mit diesen Gegenforderungen sei bereits die Aufrechnung mit Mietforderungen erklärt worden, zudem wird auch erneut die Aufrechnung erklärt. Ansprüche auf Miete bestünden allenfalls in Höhe von 1.000,- € monatlich, da eine gewerbliche Nutzung der Grundstücke bauordnungswidrig sei und daher nur die Miete für eine Wiesenfläche geschuldet sei.
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7. Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Anschlussberufung.
II.
29
Eine Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1 Fall 1 i.V.m. § 546 ZPO) oder die Tatsachenfeststellung unrichtig ist (§ 513 Abs. 1 Fall 2 i.V.m. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder neue berücksichtigungsfähige Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorliegen (§ 513 Abs. 1 Fall 2 i.V.m. §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO). Entsprechende Voraussetzungen kann die Berufung nicht aufzeigen.
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1. Soweit mit der Berufung das erstinstanzliche Urteil angefochten wird, ist sie offensichtlich unbegründet.
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(a) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Kündigung vom 09.04.2018 unwirksam war und daher eine Verpflichtung zur Räumung, Herausgabe und Beseitigung erst mit Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit des Mietverhältnisses zum 30.08.2022 angenommen.
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(aa) Soweit als Kündigungsgrund die Verletzung der mietvertraglichen Verpflichtung, fehlende Genehmigungen einzuholen, in Betracht kommt, liegt darin zumindest keine erhebliche Verletzung, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde. Zwar war die Beklagte nach der Regelung in § 9 des ursprünglichen Mietvertrags verpflichtet, erforderliche Genehmigungen auf eigene Kosten zu beschaffen. Unstreitig gab es mindestens seit 2016 auch Beanstandungen durch die Baubehörden, so wurde insbesondere die Nutzung des Flurstücks …/3 als Parkplatz beanstandet. Diese Nutzung wurde unstreitig im Jahr 2017 durch die Beklagten beendet und von der Baubehörde nicht mehr weiter beanstandet, die fehlende Beschaffung einer diesbezüglichen Genehmigung kann daher als Grund für die Kündigung 2018 nicht mehr herangezogen werden. Hinsichtlich der weiteren Beanstandungen von verschiedenen baulichen Anlagen versuchte die Beklagte eine Einigung mit den Behörden zu erzielen. Baurechtliche Genehmigungsanträge wurden zwar nicht gestellt, die Beklagte erbat im Schreiben vom 27.11.2017 (K 36) aber zumindest ausdrücklich eine Auskunft der Landeshauptstadt …, ob ein entsprechender Antrag zu stellen sei. Dass bei einem Stellen von Anträgen Genehmigungen hätten erteilt werden können, ist im Hinblick auf die landgerichtliche Beweisaufnahme nicht anzunehmen. Auch die von den Klägern vorgelegten Beseitigungsverfügungen der Landeshauptstadt sprechen von formeller und materieller Baurechtswidrigkeit der baulichen Anlagen. Letztlich kommt es darauf aber gar nicht an, da die Kläger nach ihrem eigenen Vortrag gar kein Interesse an entsprechenden Genehmigungen hatten. Vielmehr sollten sämtliche Gebäude bei Ende des derzeitigen Mietverhältnisses zum 31.08.2022 ohnehin beseitigt werden. Die Kläger hatten nur ein dahingehendes Interesse, keiner Haftung als Eigentümer wegen fehlender Genehmigungen ausgesetzt zu sein. Dieses Interesse hat die Beklagte im Rahmen ihrer nachgewiesenen Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung mit den Behörden ausreichend berücksichtigt. Dass keine Genehmigungsanträge gestellt wurden, genügt vor dem Hintergrund der sehr fragwürdigen Genehmigungsfähigkeit und dem fehlenden Interesse der Kläger an einer dauerhaften Nutzung der zu genehmigenden Gebäude als Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 BGB daher nicht.
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(bb) Daran ändert auch der Umstand, dass mangels Genehmigung die Kläger per Bescheid vom 30.08.2018 zur Beseitigung von Gebäude E verpflichtet wurden, nichts. Dieser Bescheid (K 24) lag zum Zeitpunkt der Kündigung noch gar nicht vor und erging aufgrund einer behördlichen Entscheidung. Der Erlass kann daher für die Wirksamkeit der Kündigung keine Rolle spielen, relevant ist insoweit nur, dass der Erlass zum Zeitpunkt der Kündigung wohl schon drohte. Hintergrund der Inanspruchnahme der Kläger für die Beseitigung des Gebäudes E ist, dass das Gebäude E bereits vor Abschluss des Mietvertrages von 1975 errichtet wurde und daher nach Auffassung der Baubehörden im Eigentum der Kläger als Eigentümer des Grundstücks steht. Nach Auffassung der Behörde ist der Eigentümer als Zustandsstörer für die Beseitigung öffentlichrechtlich unabhängig von anderslautenden zivilrechtlichen Vereinbarungen verantwortlich, während hinsichtlich der anderen baulichen Anlagen, die nach Abschluss des Mietvertrages errichtet wurden, die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Erbauer als Adressatin der Beseitigungs- und Nutzungsuntersagungsverfügung gewählt wurde (K 25). Es kann insoweit dahinstehen, ob die Kläger - wie vom Landgericht und den Baubehörden angenommen - tatsächlich Eigentümer von Gebäude E sind oder nicht. Insoweit wäre folgendes zu berücksichtigen. Das Gebäude E ist gemäß der Regelung im Mietvertrag nicht als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks anzusehen, eine Eigentümerstellung der Kläger folgt daher nicht aus § 946 BGB, sondern die Eigentumslage richtet sich nach den §§ 953ff BGB. Auch danach ist aber der Eigentümer der Sache grundsätzlich auch Eigentümer des Bestandteils (vgl. Mössner in BeckOGK, Stand: 01.03.2021, Rz. 49.1. zu § 93 BGB und Schermaier in BeckOGK, Stand: 01.03.2021, Rz. 15ff zu § 953 BGB). Das Landgericht nimmt daher zu Recht an, dass ein Eigentumsübergang auf den Mieter eine Einigung darüber voraussetzt. Eine Regelung, wie sie im Nachtrag vom 27./29.09.2014 hinsichtlich der Anmietung der H.-Fläche getroffen wurde („Evtl. dort stehende Gebäude gehören nicht zur Mietsache und gehen in das Eigentum des Mieters über.“) und aus der eine Einigung über den Eigentumsübergang geschlossen werden könnte, gab es im Mietvertrag von 1975 über die Fläche, auf der das Gebäude E steht, nicht. Aus dem Umstand, dass in der Nachtragsvereinbarung auch auf die Vereinbarungen zu den sonstigen Flächen Bezug genommen und diese für die H.-Fläche für anwendbar erklärt wurden, ergibt sich nicht, dass umgekehrt der für die H.-Fläche vereinbarte Übergang des Eigentums an evtl. dort stehenden Gebäuden auf die Mieter auch für auf den anderen Flächen stehenden Gebäuden gelten sollte. Letztlich kann die Frage aber offen bleiben, denn wer nun Eigentümer des Gebäudes E ist, spielt im Rahmen der Beurteilung des Vorliegens eines außerordentlichen Kündigungsgrundes keine Rolle, denn selbst wenn das Eigentum an dem Gebäude E auf die Beklagte übergegangen sein sollte, läge die dann möglicherweise irrige Inanspruchnahme der Kläger durch die Landeshauptstadt nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten, da keine Falschinformation durch diese ersichtlich ist. Der mit der Berufung erhobene Vorwurf, die Beklagte habe gegenüber der Landeshauptstadt … eine Sachherrschaft der Kläger über das Gebäude E vorgetäuscht, ist insoweit nicht nachvollziehbar, als eine solche Täuschung nicht zu einer irrigen Inanspruchnahme der Kläger hätte beitragen können. Die Beklagte hat sich mit der Landeshauptstadt um eine Gesamtlösung bemüht, die auch das Gebäude E mit einbezogen hat. Sie musste sich schon aufgrund der Verpflichtung aus dem Mietvertrag zur Einholung von Genehmigungen insoweit auch als zuständig für das Gebäude E ausgeben. Anhaltspunkte für eine Täuschung oder für Fehlinformationen ergeben sich aus dem klägerischen Vortrag nicht.
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Es ist nach der Beweisaufnahme zudem unwahrscheinlich, dass die Beklagte durch Stellen eines Genehmigungsantrags den Erlass des Bescheids vom 30.08.2018 hätte verhindern können. Jedenfalls aber war es vor dem geschilderten Hintergrund vertretbar, dass die Beklagte anstelle eines förmlichen Antrags auf eine einvernehmliche Lösung gesetzt hat, die mit der Vereinbarung vom 02.10.2018 letztlich auch zumindest teilweise erzielt wurde. Ein Grund für eine außerordentliche Kündigung ergibt sich daraus jedenfalls nicht.
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(cc) Soweit mit der Berufung auf weitere Pflichtverletzungen verwiesen wird, ergibt sich auch daraus kein Grund für eine außerordentliche Kündigung. Insbesondere ergibt sich aus dem Vortrag und den zitierten Anlagen keine eine Kündigung rechtfertigende Störung des nachbarlichen Friedens. Die zitierte Beschwerde durch den Nachbarn Mössner stammt gemäß der Anlage K 37 bereits aus dem Jahr 2010, K 42 verhält sich nicht zu nachbarlichen Beschwerden. Der Nachbar Jenner hat sich gegen die bereits 2017 eingestellte Nutzung des Grundstücks …/3 als Parkplatz gewendet. Das Abstellen von Fahrzeugen auf dem von der … genutzten Grundstück genügt für sich noch nicht für die Annahme der Störung des nachbarlichen Friedens. Es fehlt daher insoweit schon an schlüssigem Vortrag.
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(dd) Soweit vorgetragen wird, die Beklagte habe ihre mietvertragliche Verpflichtung, den Klägern als Eigentümern des Grundstücks Zutritt zu gewähren, verletzt, ergibt sich auch daraus keine eine außerordentliche Kündigung rechtfertigende Vertragsverletzung. Zum einen datiert der geschilderte Vorfall von Ende 2020 und konnte daher bei der Kündigung 2018 keine Rolle spielen. Zum anderen ergibt sich aus den Anlagen, dass die Beklagte die mit Schreiben vom 09.12.2020 für den 16.12.2020 erbetene Begehung nur wegen der Kurzfristigkeit des Termins abgelehnt und eine Verschiebung auf Januar erbeten hat, da auch Dritte informiert werden müssten. Dies ist im Hinblick auf die erlaubte Untervermietung nachvollziehbar und stellt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich aus dem Schreiben vom 09.12.2020 keine besondere Dringlichkeit für die Begehung ergibt, keine Vertragsverletzung dar.
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(ee) Ein Anspruch auf Räumung und Beseitigung der Gebäude vor dem 31.08.2022 wurde daher vom Landgericht zu Recht abgelehnt, auch aus einer Gesamtbetrachtung der gerügten Pflichtverletzungen lag am 09.04.2018 kein Grund für eine außerordentliche Kündigung vor.
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(ff) Zu einem anderen Ergebnis kommt man auch nicht über die Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung unter Anwendung des § 544 BGB, da schon der Ausgangsvertrag von 1975 nicht über eine längere Zeit als 30 Jahre geschlossen wurde. Im dortigen § 5 wurde eine Laufzeit von 5 Jahren mit Verlängerung um jeweils ein Jahr, wenn nicht mit einer Frist von 3 Monaten zum Jahresende gekündigt wird, geregelt. Der Zusatzvertrag vom 19.03.1981 hat auf diese Regelung Bezug genommen mit der Abänderung des Jahresendes zum 30.06. eines Jahres. Eine Bindung für 30 Jahre oder länger ergibt sich daraus nicht. Das tatsächliche Andauern eines Mietverhältnisses für einen Zeitraum von über 30 Jahren ohne entsprechende rechtliche Bindung für diese Laufzeit fällt aber nicht unter die Vorschrift des § 544 BGB (vgl. Lammel in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage 2021, Rz. 13 zu § 544 BGB).
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(b) Soweit im Rahmen der Räumung auch die Beseitigung von Asphaltierungen und sonstigen Versiegelungen beantragt wird und das Landgericht nur die Beseitigung der Aufkiesungen und Gebäude zugesprochen hat, wird auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil verwiesen. Es ist zwar zutreffend, dass - soweit keine anderen Vereinbarungen getroffen werden - von den Mietern bei Räumung der Zustand bei Übergabe des Mietgegenstandes wiederherzustellen ist und vom Mieter vorgenommene bauliche Veränderungen auf seine Kosten zu beseitigen sind (vgl. Streyl in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage 2021, Rz. 44 zu § 546 BGB). Die Beweislast dafür, dass es sich um vom Mieter vorgenommene bauliche Veränderungen handelt, hier also hinsichtlich der Asphaltierungen und Versiegelungen von den Mietern Veränderungen vorgenommen wurden, trägt aber der die Beseitigung beantragende Vermieter. Bislang wurde von den Klägern nicht vorgetragen, dass sämtliche Asphaltierungen und Versiegelungen von den Mietern vorgenommen wurden, sondern eine entsprechende Negativdarlegung auf die Mieter übertragen. Damit sind die Voraussetzungen für einen Beseitigungsanspruch schon nicht schlüssig dargelegt.
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(c) Auch hinsichtlich des Antrags auf Feststellung der Kostentragungspflicht für ein Altlasten-Explorationsgutachten kann auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden. Auch mit der Berufung wird insoweit schon nicht vorgetragen, dass eine Bodenverunreinigung überhaupt stattgefunden hat. Eine Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten eines solchen rein vorsorglich beauftragten Gutachtens ohne die Feststellung einer tatsächlichen Verunreinigung ist nicht ersichtlich, insbesondere ergibt sich der Anspruch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte für den Fall einer Verunreinigung schadensersatzpflichtig wäre.
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(d) Auch soweit das Landgericht einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Untermieter abgelehnt hat, bleibt die Berufung erfolglos. Es kann dabei dahinstehen, ob ein solcher hier dem Grunde nach besteht oder - wie vom Landgericht angenommen - nicht besteht. Ein solcher könnte sich hier nur aus dem Bedürfnis der Erstreckung von Räumungsklagen auch auf die Untermieter ergeben, da die von der Berufung zitierte Rechtsprechung des BGH vom 15.11.2006, Az. XII ZR 92/04, auf den hiesigen Fall nicht übertragbar ist. In dem dort zugrunde liegenden Vertrag war die Untervermietung - anders als hier - von der Zustimmung des Vermieters abhängig, ein Auskunftsinteresse besteht dann schon zur Prüfung der Erteilung der Erlaubnis (ebd.). Gegen einen Auskunftsanspruch für Räumungsklagen zum derzeitigen Zeitpunkt könnte sprechen, dass die Beklagte weiterhin vertraglich zur Untervermietung berechtigt ist und sich die Untermietverhältnisse bis zum Ende der Vertragslaufzeit daher auch noch ändern können. Dies kann aber letztlich dahinstehen, da ein eventueller Anspruch - wie auch bereits vom Landgericht angenommen - zumindest erfüllt wurde. Die Beklagte hat mit der Berufungserwiderung nochmal detaillierte Angaben zu den bestehenden Untermietsverhältnissen gemacht. Dass weitere Untermietverhältnisse bestehen und verschwiegen werden, ergibt sich aus den von den Klägern vorgelegten Fotos nicht.
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2. Soweit mit der Berufung eine Klageänderung erfolgt ist, stellt sich diese unter Berücksichtigung der Berufungserwiderung entgegen der in der Verfügung vom 11.11.2021 geäußerten vorläufigen Auffassung als nicht sachdienlich dar und ist für den Fall einer Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO mit Zurückweisung wirkungslos (vgl. BGH, Beschluss vom 6.11.2014 - IX ZR 204/13)
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(a) Sowohl der Antrag auf Zahlung der rückständigen Miete als auch die Begründung des Räumungsanspruchs mit den außerordentlichen Kündigungen vom 15.02.2021 wegen Beleidigung des Rechtsanwalts der Kläger und vom 16.03.2021 wegen Verzugs mit zwei Monatsmieten stellen neue Streitgegenstände dar, deren Einführung als Klageänderung nach § 533 ZPO zu behandeln ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20.11.2012 - VIII ZR 157/12). Diese ist zuzulassen, wenn der Gegner einwilligt oder sie sachdienlich ist (§ 533 Nr. 1 ZPO) und sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Berufungsverhandlung und -entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen wären (§ 533 Nr. 2 ZPO). Letzteres ist der Fall, da es sich insoweit sämtlich um Sachverhalte handelt, die erst nach der letzten mündlichen Verhandlung des Landgerichts entstanden sind und daher gem. §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zu berücksichtigen wären. Die Beklagte hat sich ausdrücklich gegen die Zulassung der Klageänderung ausgesprochen, entscheidend für die Zulassung ist daher die Sachdienlichkeit. Für diese kommt es nach ständiger Rechtsprechung nicht auf die subjektiven Interessen der Partei an, sondern allein auf die objektive Beurteilung, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängenden Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt, wobei der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit maßgebend ist. Der Sachdienlichkeit einer Klageänderung im Berufungsrechtszug steht deshalb regelmäßig weder entgegen, dass die berufungsbeklagte Partei im Fall ihrer Zulassung eine Tatsacheninstanz verliert, noch dass aufgrund ihrer Zulassung neue Parteierklärungen und Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Prozesses verzögert wird. Zu verneinen ist die Sachdienlichkeit in der Regel, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 10-01-1985 - III ZR 93/83).
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(b) Für die Beurteilung der Sachdienlichkeit sind daher hier folgende Gesichtspunkte relevant:
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(aa) Hinsichtlich der neuen Kündigungsgründe handelt es sich um zwei gänzlich neue Sachverhalte, die in der ersten Instanz keine Rolle gespielt haben. Insbesondere handelt es sich nicht um einen Fall, in dem bereits erstinstanzlich eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs vorgetragen wurde und der Vortrag in zweiter Instanz auf eine weitere Kündigung wegen Zahlungsverzugs mit weiteren Mieten gestützt wurde (vgl. dazu den in diesem Fall eine Sachdienlichkeit bejahenden Beschluss des BGH vom 20.11.2012 - VIII ZR 157/12). Vielmehr spielte das Thema Mietzahlungen in der ersten Instanz keine Rolle. Ebenso spielte die im Rahmen der Berufungserwiderung dem Anspruch auf Mietzahlung entgegen gehalten Mängeleinrede wegen fehlender Nutzbarkeit der vermieteten Flächen für gewerbliche Zwecke im erstinstanzlichen Verfahren keine Rolle. Auch der Vorwurf der Beleidigung ist gänzlich neu und steht nicht im Zusammenhang mit den in der früheren Kündigung gerügten Pflichtverletzungen.
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Auch bei dem Zahlungsanspruch handelt es sich um neuen Streitstoff, da bis zum Ende der ersten Instanz die Mietzahlungen erfolgten. Daher spielten auch die im Rahmen der Berufungserwiderung geltend gemachten Gegenansprüche, mit denen die Aufrechnung gegenüber Mietforderungen erklärt wurde, keine Rolle. Auch insoweit kommt es daher auf neuen Streitstoff an.
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(bb) Weiter ist zu berücksichtigen, dass vorliegend auch die Prozessökonomie, die bei der Beurteilung der Sachdienlichkeit maßgeblich ist, gegen die Annahme von Sachdienlichkeit spricht. Denn hinsichtlich der nachgeschobenen Kündigungsgründe ist zu berücksichtigen, dass deren Nichtberücksichtigung im hiesigen Prozess voraussichtlich nicht zu einem neuen Räumungsprozess führt, da die Beklagte erstinstanzlich ohnehin zur Räumung zum 30.08.2022 verurteilt wurde. Bejaht man nun die Sachdienlichkeit der Klageänderung wird das hiesige Verfahren möglicherweise erst nach dem 30.08.2022 abgeschlossen und die Kläger erhalten im Ergebnis später einen rechtskräftigen Räumungstitel als bei einer Ablehnung der Sachdienlichkeit.
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(cc) Hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsanspruchs ist im Hinblick auf die erhobenen Gegenansprüche fraglich, ob der Streitstoff zwischen den Parteien tatsächlich vollständig ausgeräumt werden kann. Inwieweit über die Gegenansprüche zu entscheiden sein wird hängt davon ab, ob und in welcher Höhe den Klägern Mietforderungen zustehen, über darüberhinausgehende Gegenansprüche kann im hiesigen Verfahren voraussichtlich nicht entschieden werden.
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(dd) Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die Klageerweiterung hier unter prozessökonomischen Aspekten als nicht sachdienlich zu beurteilen und daher nicht zuzulassen.
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3. Die Anschlussberufung der Beklagten wird mit Zurückweisung gleichfalls gegenstandslos, ihre Zulässigkeit kann daher dahinstehen.
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4. Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
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5. Der Streitwert folgt hinsichtlich der Berufung gegen die Teilabweisung aus §§ 41, 47, 48 GKG. Hinsichtlich des Räumungs- und Herausgabeantrags ist wiederum gem. § 41 Abs. 2 GKG die Jahresmiete in Höhe von 103.584 € anzusetzen, da sich aus § 41 Abs. 1 GKG im Hinblick auf die von den Klägern geltend gemachte Beendigung des Mietverhältnisses 2018 auch aus § 41 Abs. 1 GKG kein niedrigerer Streitwert ergibt. Hinsichtlich der Abweisung der Beseitigung von Asphaltierungen und sonstigen Versiegelungen werden 10.000,- € angesetzt. Hinsichtlich der Feststellung zur Kostentragungspflicht des Gutachtens sowie hinsichtlich des Auskunftsanspruchs wird entsprechend den Ausführungen im Urteil des Landgerichts ein Wert von 10.000,- € bzw. 5.000,- € angenommen.
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Die mit der unzulässigen Klageerweiterung geltend gemachten Anträge wirken nicht streitwertehöhend (vgl. dazu Becker-Eberhard in MüKo, 6. Auflage 2020 Rz. 102 zu § 263 ZPO).
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Insgesamt folgt daraus ein Streitwert für die Berufung der Kläger in Höhe von 128.584 €.
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Streitwerterhöhend muss dagegen die Anschlussberufung gewertet werden, da die geltend gemachten Zahlungsanträge nicht denselben Gegenstand betreffen, wie die Berufungsanträge und daher eine entsprechende Anwendung von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nicht möglich ist (vgl. dazu auch OLG Celle, Beschluss vom 30.8.2013 - 14 U 69/13). Der Streitwert der Anschlussberufung beträgt 265.560,- €.
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Es ist derzeit beabsichtigt, im Rahmen der Kostenentscheidung die Kosten der Anschlussberufung der Beklagten aufzuerlegen. Dies folgt hier unabhängig von der grundsätzlich streitigen Frage, wer im Falle des § 524 Abs. 4 ZPO die Kosten der Anschlussberufung zu tragen hat (siehe dazu Michael Weigel in Saenger/Ullrich/Siebert, Zivilprozessordnung, 5. Auflage 2021, Rz. 18 zu § 524 ZPO mwN) schon aus dem Rechtsgedanken des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, da die Anschlussberufung ganz überwiegend zurückgenommen wurde. Daraus ergäbe sich eine Kostenquotelung für das Berufungsverfahren von 67% zu Lasten der Beklagten und 33% zu Lasten der Kläger.