VG München, Urteil v. 04.05.2022 – M 5 K 19.4619
Titel:

Pflichtstundenzahl bei "Schule für Kranke" und einer "Klasse für Kranke"

Normenketten:
GG Art. 3
BayBG Art. 87 Abs. 1, Art. 88
VwGO § 43
Leitsätze:
1. Die unterschiedliche Unterrichtspflichtzeit für Lehrer, die in einer "Klasse für Kranke" unterrichten, im Vergleich zu Lehrern die an einer "Schule für Kranke" unterrichten, stellt einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG dar. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die konkrete Tätigkeit als auch die Arbeitsbelastung einer Lehrkraft an einer "Schule für Kranke" unterscheidet sich zu einer Lehrkraft in einer "Klasse für Kranke" in keinster Weise; weder im Hinblick auf einen speziellen Lehrplan, die Klassenzusammensetzung, Klassengröße und Teilnahme von stationär und teilstationär behandelten Kindern als auch hinsichtlich des Aufwands und der speziellen Ausgestaltung der Lehrtätigkeit sind Unterschiede gegeben. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch unter Berücksichtigung einer generalisierenden und pauschalierenden Betrachtungsweise, liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, wenn sich kein aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für eine solche Differenzierung ergibt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Arbeitszeit, Unterrichtspflichtzeit, Lehrer, Klasse für Kranke, Schule für Kranke, generalisierende und pauschalierende Betrachtungsweise, Arbeitsbelastung, Arbeitsaufwand, Feststellungsklage, Anfechtungsklage, feststellungsfähiges Rechtsverhältnis
Fundstelle:
BeckRS 2022, 17906

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die regelmäßige Unterrichtspflichtzeit der Klägerin 24 Unterrichtsstunden pro Woche beträgt und der Bescheid der Regierung von Oberbayern wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
Die Klägerin steht als Lehrerin mit der Lehramtsbefähigung für das Lehramt an Realschulen in Diensten des Beklagten. Sie unterrichtet seit dem ... Oktober 2018 am Sonderpädagogischen Förderzentrum X-Schule ausschließlich eine sogenannte „Klasse für Kranke“.
2
Der Klägerin wurde in den letzten Jahren jeweils Antragsteilzeit nach Art. 88 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) gewährt. Mit Bescheid vom … April 2019 wurde die Unterrichtspflichtzeit der Klägerin als Teil der regelmäßigen Arbeitszeit gem. Art. 88 BayBG vom ... August 2019 bis einschließlich … Juli 2020 (ausgehend) von 24 auf 15 Unterrichtsstunden reduziert.
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Mit Schreiben vom … Juni 2019 teilte die Regierung von Oberbayern der Klägerin mit, dass im Rahmen von Überprüfungen der Teilzeitgenehmigungen aufgefallen sei, dass bei der Klägerin ein falsches Regelstundenmaß zugrunde gelegt worden sei. Als Lehrerin mit der Lehramtsbefähigung für das Lehramt an Realschulen an einem sonderpädagogischen Förderzentrum, würde die Klägerin gemäß der ab dem 1. August 2018 geltenden Nr. 5.1.2 der Bayerischen Unterrichtspflichtzeitverordnung (BayUPZV) einer Unterrichtspflichtzeit von 26 Wochenstunden unterliegen. Die Genehmigung der Teilzeitbeschäftigung hätte daher auf Grundlage der Unterrichtspflichtzeit im Umfang von 26 Wochenstunden erfolgen müssen und nicht wie bisher auf der Grundlage von 24 Wochenstunden. Es sei daher beabsichtigt, die Unterrichtspflichtzeit von 24 Stunden auf 26 Stunden anzupassen und die Teilzeitbeschäftigung ab ... August 2018 zurückzunehmen und ausgehend von einer Unterrichtspflichtzeit von 26 Wochenstunden die Teilzeitgenehmigung neu vorzunehmen.
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Nachdem die Klägerin hierzu Stellung genommen hatte, hat die Regierung von Oberbayern mit Bescheid vom … Juli 2019 die Unterrichtspflichtzeit auf 26 Stunden angepasst und als Teil der regelmäßigen Arbeitszeit vom ... August 2019 bis einschließlich … Juli 2020 von 26 auf 15 Unterrichtsstunden reduziert und die bisherige Teilzeitgenehmigung für diesen Zeitraum aufgehoben.
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Mit Schriftsatz vom 5. September 2019 hat die Klägerin Klage erhoben und zuletzt beantragt,
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unter Aufhebung des Bescheides der Regierung von Oberbayern vom … Juli 2019 festzustellen, dass die regelmäßige Unterrichtspflichtzeit der Klägerin 24 Unterrichtsstunden pro Woche beträgt.
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Die Zahl der zu erteilenden Unterrichtsstunden (Pflichtstunden) sei ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, in welchem Umfang sie zur Erteilung von Unterrichtsstunden verpflichtet sei. Die Regelung der Unterrichtsstunden berühre wegen ihrer Auswirkung auf den Umfang der Gesamtarbeitszeit die individuelle Rechtssphäre der Klägerin.
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Entsprechend Ziffer 5.5.2 der Verordnung über die Unterrichtspflichtzeit sei bei Lehrerinnen und Lehrern mit der Befähigung für das Lehramt an Realschulen an „Schulen für Kranke“ eine Unterrichtspflichtzeit von 24 Wochenstunden maßgeblich. Die Klägerin würde ausschließlich eine „Klasse für Kranke“ unterrichten. Dies würde einer „Schule für Kranke“, wie sich aus § 2 Abs. 1 der Schulordnung für Schule für Kranke (Krankenhausschulordnung/KraSO) ergebe, entsprechen. Der Begriff „Klasse für Kranke“ sei ein Synonym für eine nicht selbstständige Schule für Kranke. Die Klägerin sei mit ihrer Tätigkeit in einer „Klasse für Kranke“ in einer nicht selbstständigen Schule für Kranke eingesetzt, die aber rechtlich einer „Schule für Kranke“ entsprechen würde. Die „Klasse für Kranke“ am Sonderpädagogischen Förder-Zentrum X stelle eine (nicht selbstständige) „Schule für Kranke“ dar. Lediglich aus organisatorischen Gründen sei die Klägerin nicht einer (selbstständigen) „Schule für Kranke“ zugewiesen. Ausgangspunkt zur Bestimmung der Unterrichtspflichtzeit sei nicht die Zuweisung an eine Schule, sondern die konkrete Tätigkeit in einer Schulart. Für die Klägerin seien nicht die Unterrichtspflichtstunden einer Lehrerin an einer Sonderpädagogischen Schule mit 26 Stunden heranzuziehen, sondern die einer Lehrerin mit Laufbahnbefähigung für Realschulen an einer „Schule für Kranke“ mit einer Unterrichtspflichtzeit von 24 Stunden.
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Die Regierung von Oberbayern hat für den Beklagten beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin unterrichte an einem Sonderpädagogischen Förderzentrum. Diese Zuordnung beruhe auf § 4 der Krankenhausschulordnung. Die Unterrichtspflichtzeit der Klägerin würde sich deshalb anhand Nr. 5.1.2 der Unterrichtspflichtzeitverordnung ergeben und 26 Wochenstunden betragen, da sich die Unterrichtspflichtzeit einer Lehrkraft aus dem Grundstatus, also dem „Dach“ des jeweiligen Schulstandortes ergeben würde. Bei Zuordnung einer „Klasse für Kranke“ an ein Förderzentrum, würde sich die Unterrichtspflichtzeit daher anhand der für Lehrkräfte an Förderzentren maßgeblichen Unterrichtspflichtzeit richten. Dies würde sich auch aus der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 22. August 2019 (Az. III.5-BP8004-4b.72 878) ergeben. Unter Ziffer 1 Satz 2 dieser Bekanntmachung sei klarstellend formuliert, dass an „Klassen für Kranke“ dieselbe Unterrichtspflichtzeit wie an Förderzentren gelte.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift vom 4. Mai 2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.
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1. Die Anfechtungsklage gegen die Festsetzung der Unterrichtspflichtzeit auf 26 Wochenstunden für den Zeitraum vom ... August 2019 bis … Juli 2020 im Beschied vom … Juli 2019 sowie die Feststellungsklage sind zulässig.
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Die Zahl der von der Klägerin zu erteilenden Unterrichtsstunden (Pflichtstunden) ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinn von § 43 Abs. 1 VwGO. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, in welchem Umfang sie zur Erteilung von Unterrichtsstunden verpflichtet ist, da die Regelung der Unterrichtsstundenzahl wegen der Auswirkung auf die Gesamtarbeitszeit die individuelle Rechtssphäre der Klägerin berührt. Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht die Subsidiarität gemäß § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht entgegen (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1982 - 2 C 88.81 - NVwZ 1984, 107 - juris; BayVGH; B.v. 18.3.1987 - 3 B 86.912; VG München, U.v. 16.3.2010 - M 5 K 09.2997, jeweils m.w.N.).
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Das Rechtsschutzbegehren der Feststellungsklage reicht weiter als das der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom … Juli 2019, da dieser nur den Zeitraum vom ... August 2019 bis … Juli 2020 umfasst. Die Klägerin hat aber auch ein berechtigtes Interesse daran, dass festgestellt wird, dass für sie auch für Zeiten ab dem 1. August 2020 nur eine Unterrichtspflichtzeit von 24 Wochenstunden besteht.
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Eine Feststellungsklage kann dann ausnahmsweise neben einer Anfechtungsklage statthaft sein, wenn die Klägerin - wie oben dargestellt - nur auf diese Weise das von ihr erstrebte Rechtsschutzziel vollständig erreichen kann (BezirkG Erfurt, U.v. 16.11.1992 - 1 A 8/92 - ThürVBl 1993, 133, juris).
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2. Die Klage ist auch begründet.
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Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass sie zur gleichen Unterrichtsleistung heranzuziehen ist, wie Lehrer mit der Lehramtsbefähigung für Realschulen, die an „Schulen für Kranke“ unterrichten. Der Bescheid vom … Juli 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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a) Die Arbeitszeit der beamteten Lehrer bestimmt sich maßgeblich nach der Pflichtstundenzahl, die normativ festzulegen ist (vgl. BVerwG, U.v. 30.8.2012 - 2 C 23.10 - BVerwGE 144, 93, juris Rn. 14 f.). Dabei darf der Normgeber die Pflichtstundenzahlen für Gruppen von Lehrern im Rahmen einer generalisierenden und pauschalierenden Betrachtungsweise unterschiedlich hoch festsetzen (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1982 - 2 C 88.81 - ZBR 1983, 187, juris). Was die gerichtliche Überprüfbarkeit dieser Einschätzung betrifft, so folgt aus dem weiten Gestaltungs- bzw. Ermessensspielraum des Dienstherrn eine nur in engen Grenzen bestehende gerichtliche Kontrollmöglichkeit dahingehend, dass diese Einschätzung nicht offensichtlich fehlerhaft, insbesondere nicht willkürlich sein darf (BayVGH, U.v. 25.11.2019 - 3 BV 17.1857 - juris Rn. 23). Das Gericht hat nicht zu überprüfen, ob die Festsetzung der Unterrichtspflichtzeiten differenziert nach Lehrern in „Klassen für Kranke“ und an „Schulen für Kranke“ die bestmögliche oder gerechteste Lösung darstellt. Das Gericht kann nicht seine eigenen Abwägungen und Überlegungen an die Stelle derjenigen des Dienstherrn setzen (BayVGH, U.v. 25.11.2019 - 3 BV 17.1857 - juris Rn. 25). Der Dienstherr verstößt jedoch gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Grundgesetz/GG), Art. 118 Abs. 1 Verfassung des Freistaates Bayern (BV), wenn sich ein sachgerechter Grund für die getroffene Regelung bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise schlechterdings nicht feststellen lässt (vgl. BayVerfGH, E.v. 21.3.2016 - Vf. 21-VII-15 - juris Rn. 28; BayVGH, U.v. 25.11.2019 - 3 BV 17.1857 - juris Rn. 25). Der Gleichheitssatz ist nur verletzt, wenn der Normgeber einen vernünftigen, sich aus der Natur der Sache ergebenden oder sonst wie einleuchtenden Grund für diese Differenzierung nicht angeben kann. Hiernach kann eine Festsetzung verschieden hoher Pflichtstundenzahlen für Gruppen von Lehrern, für die sämtlich die gleiche Gesamtarbeitszeit gilt, nur an solche Umstände anknüpfen, die einen sachlichen Bezug zur jeweils geforderten Arbeitsleistung aufweisen, insbesondere zu deren zeitlichem Maß (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1982 - 2 C 88.81 - ZBR 1983, 187, juris Rn. 16 f.). Folglich ist etwa die Verschiedenartigkeit der Ausbildungsziele der einzelnen Schularten grundsätzlich ein sachgerechtes Differenzierungsmerkmal für die Festsetzung unterschiedlicher Pflichtstundenzahlen, sofern die Verschiedenartigkeit der Ausbildungsziele noch wirklichkeitskonform die Annahme einer nach Zeit und/oder Art unterschiedlichen Arbeitsbelastung stützen kann. Weiter ist die Verschiedenartigkeit der tatsächlich überwiegend unterrichteten Fächer ein sachliches Differenzierungsmerkmal, wenn sich daraus typischerweise eine unterschiedliche Arbeitsbelastung für Gruppen von Lehrern ergibt, weil die eingesetzten Lehrer durch die Vor- und Nachbereitung des jeweiligen Unterrichtsfachs weniger stark beansprucht werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 11.12.2020 - 2 B 10/20 - juris Rn. 9). Auch der Gesichtspunkt, dass aufgrund der fachtheoretischen Ausrichtung eines Fachs eine intensivere Vor- und Nachbereitung erforderlich ist als in praktisch ausgerichteten Fächern, darf als Differenzierungskriterium herangezogen werden (BayVGH, B.v. 21.2.2005 - 3 BV 03.1799 - juris).
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b) Maßgeblich für die Bestimmung der Unterrichtspflichtzeit der Klägerin ist die ab dem 1. August 2018 geltende Verordnung über die Unterrichtspflichtzeit in Bayern (Bayerischen Unterrichtspflichtzeitverordnung/BayUPZV). Die Unterrichtspflichtzeitverordnung sieht in Nr. 5.5.2 vor, dass für Lehrerinnen und Lehrer mit der Befähigung für das Lehramt an Realschulen an „Schulen für Kranke“ eine Unterrichtspflichtzeit von 24 Wochenstunden gilt. Lehrerinnen und Lehrer an Förderzentren einschließlich Schulvorbereitender Einrichtungen haben nach Nr. 5.1.2 BayUPZV eine Unterrichtspflichtzeit von 26 Wochenstunden. Eine Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (StMUK) vom 22. August 2019 (Az. III.5-BP8004-4b.72 878; Stundenermäßigungen und Anrechnungsstunden sowie Unterrichtspflichtzeit an Förderschulen (einschließlich Schulvorbereitenden Einrichtungen) und an Schulen für Kranke) sieht in Nr. 1 Satz 6 vor, dass für „Klassen für Kranke“ dieselbe Unterrichtspflichtzeit wie an den Förderzentren gelte.
22
c) Der Gleichheitssatz ist nicht schon dann verletzt, wenn bei einer typisierenden und generalisierenden Regelung Härten und Ungerechtigkeiten auftreten. Diese müssen hingenommen werden (BVerfG, B.v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89, 1 BvR 963/94, 1 BvR 964/94 - BVerfGE 98, 365/385, juris Rn. 63). Dieser für die Prüfung gesetzgeberischer Regelungen entwickelte Maßstab ist auch auf die Bestimmung der Lehrerarbeitszeit durch das Kultusministerium zu übertragen, da der Dienstherr den ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsspielraum ausfüllt; es ist nicht ersichtlich, dass hierbei strengere Voraussetzungen als beim Erlass von gesetzlichen Regelungen gelten sollen (BayVGH, B.v. 18.3.1987 - 3 B 86.912; VG München, U.v. 28.9.2010 - M 5 K 09.1815 u.a.). Dieser Maßstab ist heranzuziehen, da es sich bei der unterschiedlichen Festlegung von Unterrichtspflichtzeiten für Lehrer nach der Tätigkeit in einer „Klasse für Kranke“ oder an einer „Schule für Kranke“ nicht um eine Differenzierung handelt, die an personenbezogene Merkmale anknüpft, sondern um eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Sachverhalte (vgl. zu dieser Unterscheidung: Jarass, NJW 1997, S. 2545; vgl. auch Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Rn. 18 ff. zu Art. 3). Die unterschiedlichen Pflichtstundenmaße knüpfen an die organisatorische Unterscheidung bzw. Einrichtung der „Klasse für Kranke“ und „Schule für Kranke“ an und nicht an ein Merkmal an, das für einen Lehrer oder eine bestimmte Lehrergruppe kennzeichnend ist.
23
d) Gemessen an diesen Grundsätzen ist es rechtlich zu beanstanden, wenn der Beklagte für Lehrer, die in einer „Klassen für Kranke“ unterrichten, im Vergleich zu Lehrern die an einer „Schule für Kranke“ unterrichten, eine unterschiedlich hohe Unterrichtspflichtzeit ansetzt. Bei der Festsetzung der Unterrichtspflichtstunden der Klägerin ist ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG bzw. Art. 118 Abs. 1 BV gegeben.
24
Wie von der Klägerin und insbesondere von den Vertretern des Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde, unterscheidet sich die konkrete Tätigkeit einer Lehrkraft an einer „Schule für Kranke“ zu einer Lehrkraft in einer „Klasse für Kranke“ in keinster Weise. Sowohl an einer „Schule für Kranke“ als auch für eine „Klasse für Kranke“ existiert kein spezieller Lehrplan. Auch hinsichtlich der Klassenzusammensetzung, Klassengröße und Teilnahme von stationär und teilstationär behandelten Kindern gibt es keine Unterschiede, da die Gruppe mitunter einem täglichen Wandel unterzogen ist. Der Aufwand und die spezielle Ausgestaltung der Lehrtätigkeit für die Lehrkraft ist nicht davon abhängig, ob diese in einer „Schule für Kranke“ oder in einer „Klasse für Kranke“ tätig ist. Der Aufwand und die Ausgestaltung der Lehrtätigkeit hängt von den vom Krankenhaus aufzunehmenden Schülern ab. Die Arbeitsbelastung der Klägerin, welche ausschließlich in „Klassen für Kranke“ unterrichtet, ist somit identisch zu der Arbeitsbelastung von Lehrerkräften, die an einer „Schule für Kranke“ unterrichten.
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Vielmehr stellt die Unterscheidung zwischen „Schule für Kranke“ und einer „Klasse für Kranke“ eine organisatorische Entscheidung des Beklagten dar. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Errichtung und den Betrieb sowie Schulordnung der Schulen für Kranke in Bayern (Krankenhausschulordnung/KraSO) kann der Beklagte im Rahmen einer Ermessensentscheidung, wenn in den Unterrichtswochen auf Dauer durchschnittlich mindestens 40 Schüler im Sprengel oder Einzugsbereich der Schule zu betreuen sind, eine „Schule für Kranke“ errichten und betreiben. Satz 2 des § 4 Abs. 1 KraSO sieht vor, „wenn in den Unterrichtswochen auf Dauer durchschnittlich mindestens zehn Schüler zu erziehen und unterrichten sind, kann eine nicht selbstständige Schule für Kranke angeschlossen an eine Förderschule errichtet werden.“ Der Verordnungsgeber selbst umschreibt eine „Klasse für Kranke“ als eine „nicht selbstständige Schule für Kranke“, ohne eine weitergehende Differenzierung oder unterschiedliche Ausgestaltung beider vorzunehmen.
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Die gesamte Krankenhausschulordnung unterscheidet nur in § 4 zwischen einer „Schule für Kranke“ und einer „nicht selbstständige Schule für Kranke“. Insbesondere die §§ 10, 11 und § 12 KraSO, welche Ausführungen zur Klassen- und Gruppenbildung, zum Inhalt des Unterrichts und zur Unterrichtszeit und Umfang des Unterrichts enthalten, treffen keine Unterscheidung zwischen einer „Schule für Kranke“ und einer „Klasse für Kranke“ bzw. „nicht selbstständigen Schule für Kranke“.
27
Auch unter Berücksichtigung einer dem Beklagten zustehenden generalisierenden und pauschalierenden Betrachtungsweise, liegt vorliegend ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor. Es liegt kein sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für diese Differenzierung vor (BVerwG, B.v. 11.12.2020 - 2 B 10/20 - juris Rn. 9). Es liegt gerade kein sachlicher Bezug zur jeweils geforderten Arbeitsleistung vor, insbesondere zu deren zeitlichem Maß (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1982 - 2 C 88.81 - ZBR 1983, 187, juris Rn. 16 f.). Sowohl die Ausbildungsziele, als auch die konkrete Art der Tätigkeit sowie die zeitliche Arbeitsbelastung bzw. der Arbeitsaufwand sind bei einer Tätigkeit als Lehrer an einer „Schule für Kranke“ und in einer „Klasse für Kranke“ identisch und somit wesentlich gleich, sodass die unterschiedlich hohe Pflichtstundenzahl eine Ungleichbehandlung darstellt, weshalb der Bescheid aufzuheben sowie festzustellen war, dass die wöchentliche Pflichtstundenzahl der Klägerin 24 beträgt.
28
3. Der Beklagte hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
29
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).