Inhalt

VerfGH München, Entscheidung v. 17.05.2022 – Vf. 47-VII-21
Titel:

Popularklage gegen Polizeiaufgabengesetz - Zuverlässigkeitsüberprüfungen von Personen durch die Polizei

Normenketten:
BV Art. 3 Abs. 1 S. 1, Art. 98 S. 4, Art. 100, Art. 101, Art. 111
PAG Art. 60a
Leitsätze:
1. Eine wirksame freiwillige Zustimmung zu einer grundrechtseingreifenden Maßnahme setzt voraus, dass die betroffene Person eine echte oder freie Wahl hat, die Einwilligung zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden. (Rn. 74) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sofern die betroffene Person im Fall der Verweigerung der Zustimmung nach Art. 60a Abs. 1 S. 1 PAG Nachteile befürchten muss, nämlich die Vorenthaltung des von ihr begehrten privilegierten Zugangs und/oder der beabsichtigten Tätigkeit, die Anlass für die Zuverlässigkeitsüberprüfung war, liegt keine Freiwilligkeit der Zustimmung vor. Dass diese Nachteile nicht unmittelbar von der Polizei, sondern von den anderen Stellen bewirkt werden, ist aus Sicht der Betroffenen unerheblich. (Rn. 75) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das mittelschwere Eingriffsgewicht polizeilicher Zuverlässigkeitsüberprüfungen erfordert, dass sie zu ihrer Rechtfertigung jeweils auf Gründe gestützt werden müssen, die dem Schutz von gewichtigen Rechtsgütern dienen. Hierzu zählen insbesondere Rechtsgüter wie Leib, Leben und Freiheit der Person und der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder sowie das Funktionieren des Staats. Darüber hinaus kommen aber auch Rechtsgüter in Betracht, die unterhalb dieser Schwelle liegen, wie etwa der Schutz von nicht unerheblichen Sachwerten. (Rn. 123) (redaktioneller Leitsatz)
4. Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, Eingriffsbefugnisse bereits im Vorfeld konkreter Gefahren zu schaffen, sofern ein angemessener Ausgleich zwischen den Allgemein- und Individualinteressen vorliegt. Allerdings rechtfertigt die Gefahrenvorsorge im Polizeirecht keinen beliebigen Ausgriff auf das Gefahrenvorfeld. Vielmehr ist es notwendig, die Einschreitschwelle mit der Intensität des Grundrechtseingriffs abzustimmen. (Rn. 126 – 127) (redaktioneller Leitsatz)
5. Je tiefer Maßnahmen in das Privatleben hineinreichen und berechtigte Vertraulichkeitserwartungen überwinden, desto strenger sind die Anforderungen an die Bestimmtheit. Im Bereich von Vorfeldermittlungen und bei Maßnahmen zur Gefahrenvorsorge sind die Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz wegen des hohen Risikos einer Fehlprognose besonders hoch. (Rn. 81) (redaktioneller Leitsatz)
6. Weder aus dem Rechtsstaatsprinzip noch aus den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Gewaltenteilung ergibt sich ein Verbot für den Gesetzgeber, unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden. Gerade im Bereich polizeilicher Aufgaben lässt die Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte eine genauere Umschreibung und Darstellung einzelner Tatbestandsmerkmale häufig nicht zu. (Rn. 86) (redaktioneller Leitsatz)
7. Nur wenn im Einzelfall beachtliche Sicherheitsbedenken bestehen sollten, kommt eine Zuverlässigkeitsüberprüfung von Journalistinnen und Journalisten in Betracht. Entsprechendes gilt für Personen mit besonderer Zugangsberechtigung bei Veranstaltungen, die etwa Inhaber eines sog. VIP- oder Backstagepasses sind. (Rn. 94) (redaktioneller Leitsatz)
8. Auch im Polizeirecht sind Grundrechtseingriffe im Bereich der Gefahrenvorsorge noch im Vorfeld einer konkreten Gefahr und den damit verbundenen qualifizierten Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts grundsätzlich zulässig. (Rn. 126) (redaktioneller Leitsatz)
9. Soweit Journalistinnen und Journalisten aufgrund einer Gefährdungsanalyse im Einzelfall einer Zuverlässigkeitsüberprüfung unterzogen werden können, darf dies nicht der Unterbindung ihrer journalistischen Tätigkeit dienen, sondern ausschließlich dem Schutz vor Risiken für gewichtige Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit durch die Anwesenheit der betroffenen Person. (Rn. 136) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Popularklage, Zuverlässigkeitsüberprüfungen von Personen durch die Polizei, personenbezogene Daten, informationelle Selbstbestimmung, Zustimmung der Betroffenen, Gebot der Normbestimmtheit, unbestimmter Rechtsbegriff, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Gefahrenvorsorge, Pressefreiheit
Fundstellen:
BayVBl 2022, 702
ZD 2022, 451
BeckRS 2022, 11024
DÖV 2022, 825
LSK 2022, 11024
NVwZ-RR 2022, 748
GSZ 2022, 196

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Antragsteller, der Landesverband Bayern einer politischen Partei, begehrt mit seiner mit Schriftsatz vom 5. August 2021 erhobenen Popularklage die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Art. 60 a des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1990 (GVBl S. 397, BayRS 2012-1-1-I), das zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 23. Juli 2021 (GVBl S. 418) geändert worden ist. Zugleich beantragt er, im Weg einer einstweiligen Anordnung Art. 60 a PAG vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug zu setzen.
2
Die angegriffene Norm betrifft sog. Zuverlässigkeitsüberprüfungen von Personen durch die Polizei. Sie hat folgenden Wortlaut:
Art. 60 a Zuverlässigkeitsüberprüfung
(1) 1Bei Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind, kann die Polizei personenbezogene Daten einer Person mit deren schriftlicher oder elektronischer Zustimmung bei öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen erheben, übermitteln und anderweitig verarbeiten (Zuverlässigkeitsüberprüfung), soweit dies im Hinblick auf den Anlass und die Tätigkeit der betroffenen Person erforderlich und angemessen ist.  (Fussnote:(1Die Polizei ist befugt, das Ergebnis ihrer Zuverlässigkeitsüberprüfung an eine andere Stelle zu übermitteln, wenn die Beurteilung der Zuverlässigkeit der anderen Stelle obliegt. 2Hat die Polizei dabei Zuverlässigkeits))Die Erforderlichkeit und der Umfang der Verarbeitung sind anhand einer Gefährdungsanalyse festzulegen, wobei sich die Datenerhebung nach dem Zweck der Zuverlässigkeitsüberprüfung richtet.  (Fussnote:(bedenken, ist die betroffene Person vor der Datenübermittlung an die andere Stelle über die Bedenken der Polizei zu informieren, wenn die betroffene Person dies schriftlich oder in elektronischer Form gegenüber der Polizei zuvor erklärt hat. 3In den Fällen des Satzes 2 gibt die Polizei der))Zuverlässigkeitsüberprüfungen können insbesondere erfolgen
1. zur Regelung der besonderen Zugangsberechtigung zu Veranstaltungen und Veranstaltungsreihen, die besonders gefährdet sind,
2.
für den privilegierten Zutritt zu einem Amtsgebäude oder einem anderen gefährdeten Objekt oder Bereich,
3.
für die Erbringung von Dienstleistungen zur Unterstützung behördlicher Aufgaben,
4.
bei Personen, die Zugang zu Unterlagen oder ähnlichen Inhalten haben sollen, aus denen sich sicherheitsrelevante Erkenntnisse für die Tätigkeit von Polizei und Sicherheitsbehörden ergeben oder
5.
zu Zwecken des Personen- und Objektschutzes.
4Die Polizei kann hierzu die Identität der Person feststellen, deren Zuverlässigkeit überprüft werden soll, und zu diesem Zweck auch von ihr vorgelegte Ausweisdokumente kopieren oder Kopien von Ausweisdokumenten anfordern.
5Hat die Polizei Zweifel daran, dass die andere Stelle ihrer Verpflichtung nach Satz 4 nachgekommen ist, ist die betroffene Person durch die Polizei vor der Übermittlung nach Satz 1 über das Bestehen von Sicherheitsbedenken zu informieren. 6Von der Information des Betroffenen nach den Sätzen 2 und 5 kann unter den Voraussetzungen des Art. 65 Abs. 2 und 3 abgesehen werden. 7Erfolgt die Mitteilung an eine nichtöffentliche Stelle, beschränkt sich die Mitteilung nach Satz 1 darauf, dass Zuverlässigkeitsbedenken bestehen.
(3) Die Polizei kann die andere Stelle dazu verpflichten, ihr mitzuteilen, wenn sie eine Person trotz bekannter Zuverlässigkeitsbedenken der Polizei gleichwohl für den Anlass verwendet, für den die Zuverlässigkeitsüberprüfung durchgeführt wurde.
(4) Art. 54 Abs. 2 Satz 6 findet keine Anwendung.
(5) 1Die Polizei kann ferner Personen, die eine Tätigkeit in einer Behörde der Polizei oder des Verfassungsschutzes anstreben, mit deren schriftlicher oder elektronischer Zustimmung einer Zuverlässigkeitsüberprüfung nach Abs. 1 unterziehen. 2In diesen Fällen findet Arbeits- und Beamtenrecht Anwendung.
3
Die Regelung beruht auf einem Änderungsantrag von Abgeordneten der Fraktionen der CSU und der FREIEN WÄHLER des Bayerischen Landtags vom 22. Juni 2021 (LT-Drs. 18/16620), die den Antrag im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 12. Februar 2021 (LT-Drs. 18/13716) eingebracht haben. Der Antrag wurde am 23. Juni 2021 in der 40. Sitzung des federführenden Ausschusses für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport, am 8. Juli 2021 in der 58. Sitzung des Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration und am 13. Juli 2021 in der 41. Sitzung des Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes beraten. In letzterer Sitzung wurde von Abgeordneten der CSU und der FREIEN WÄHLER mit einer Tischvorlage ein Änderungsvorschlag zur Ergänzung des Art. 60 a Abs. 1 Satz 2 PAG um den Nebensatz „wobei sich die Datenerhebung nach dem Zweck der Zuverlässigkeitsüberprüfung richtet“ eingebracht. In seiner 42. Sitzung am 14. Juli 2021 hat der federführende Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport den Änderungsantrag in einer zweiten Beratung behandelt und in der durch den Änderungsvorschlag ergänzten Fassung zur Zustimmung empfohlen. Der Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration hat den Änderungsantrag in seiner 59. Sitzung am 15. Juli 2021 endberaten und ebenfalls in der durch den Änderungsvorschlag ergänzten Fassung zur Zustimmung empfohlen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport, LT-Drs. 18/17225).
4
In der Plenarsitzung am 20. Juli 2021 hat der Bayerische Landtag den Gesetzentwurf in zweiter Lesung beraten und in der ergänzten Fassung beschlossen (LTDrs. 18/17372). Zugleich wurde ein Änderungsantrag von Abgeordneten und der Fraktion der SPD zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 7. Juli 2021 (LT-Drs. 18/17084) abgelehnt, der einen eigenen Gesetzesvorschlag zu Zuverlässigkeitsüberprüfungen durch die Aufnahme eines neuen Unterabschnitts 3 (Art. 52 a bis g) in das Polizeiaufgabengesetz zum Gegenstand hatte (vgl. Plenarprotokoll 18/88 S. 11949 f.).
5
Art. 60 a PAG wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und weiterer Rechtsvorschriften nach Ausfertigung durch den Ministerpräsidenten am 30. Juli 2021 im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt (S. 418) bekannt gemacht. Er trat nach § 5 dieses Gesetzes am 1. August 2021 in Kraft.
II.
6
Zur Begründung der Popularklage und des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung macht der Antragsteller im Wesentlichen Folgendes geltend:
7
Die Popularklage sei zulässig. Insbesondere sei der Antragsteller als Gebietsverband einer Partei auf der höchsten Stufe antragsberechtigt sowie partei- und prozessfähig. Art. 60 a PAG sei als bayerisches Landesrecht zulässiger Antragsgegenstand.
8
Die Popularklage sei auch begründet. Art. 60 a PAG verletze die Grundrechte der informationellen Selbstbestimmung (Art. 101 i. V. m. Art. 100 BV), der Berufsfreiheit (Art. 101 BV) und der Pressefreiheit (Art. 111 BV). Zudem verstoße er gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 BV).
9
1. Zuverlässigkeitsüberprüfungen griffen in nicht verfassungsmäßiger Weise in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Zwar werde mit der Minimierung von Sicherheitsrisiken durch die Zuverlässigkeitsüberprüfungen ein legitimer Zweck verfolgt. Auch seien Maßnahmen nach Art. 60 a PAG geeignet, den Zweck der Regelung zu erreichen. Die Bestimmung sei jedoch nicht erforderlich. Nach den Äußerungen des Staatsministers des Innern, für Sport und Integration im Gesetzgebungsverfahren sei die Sicherheitslage in Bayern herausragend gut. Nach der aktuellen Kriminalstatistik sei Bayern das sicherste Bundesland. Dies hätte Anlass geben müssen, mit Grundrechtseingriffen wie Zuverlässigkeitsüberprüfungen besonders sorgsam umzugehen. Auch sei nicht berücksichtigt worden, dass in Bayern Attentate und Anschläge stattgefunden hätten, die durch Art. 60 a PAG nicht hätten verhindert werden können. In diesen (beispielhaft genannten) Fällen sei ideologischer Hintergrund rechtsradikales Gedankengut und religiöser Fanatismus gewesen. Es sei daher fragwürdig, ob Zuverlässigkeitsüberprüfungen das existente Sicherheitsrisiko in der Lebenswirklichkeit Bayerns mindern könnten. Zudem werde Art. 60 a PAG dem Prinzip des mildesten Mittels nicht gerecht. Wie entsprechende gesetzliche Bestimmungen aus den Ländern Berlin, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Hessen belegten, könnten Regelungen über Zuverlässigkeitsüberprüfungen klarer und konkreter gefasst werden, ohne ihre Wirkung zu verlieren. Demzufolge könne der Zweck des Art. 60 a PAG durch die Wahl eines milderen Mittels erreicht werden. Die Vorschrift greife unangemessen weit in die Rechte der Betroffenen ein. Dem stehe das Erfordernis der Einwilligung betroffener Personen nicht entgegen, weil diese oft Nachteile befürchten müssten, wenn sie die Einwilligung verweigerten, und insoweit eine echte Freiwilligkeit fehle. Dies sei insbesondere deshalb problematisch, weil der Einzelne nicht entscheiden könne, welche persönlichen Informationen über eine Normabweichung er preisgeben möchte. Auch mit der im Gesetzgebungsverfahren kurz vor Beschlussfassung eingefügten Ergänzung des Art. 60 a Abs. 1 Satz 2 PAG („wobei sich die Datenerhebung nach dem Zweck der Zuverlässigkeitsüberprüfung richtet“) sei nicht die notwendige Klarheit für die Betroffenen darüber geschaffen worden, welche persönlichen Informationen auf Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung tatsächlich verarbeitet würden. Unverhältnismäßig sei auch die Fülle der unbestimmten Rechtsbegriffe in Art. 60 a PAG. Mit dem Begriff des Sicherheitsrisikos werde ein weiterer Rechtsbegriff in das Polizeirecht eingeführt, der unterhalb der Schwelle der Gefahr anzusiedeln sei. Zudem werde der Bereich der betroffenen Personen und die Form des Anlasses unverhältnismäßig ausgedehnt. Das Gesetz eröffne die Möglichkeit einer Zuverlässigkeitsüberprüfung für jeden Anlass, der mit einem erheblichen Sicherheitsrisiko verbunden sei, wie etwa Demonstrationen, Kundgebungen, Fußballspiele etc. Es schließe Berufstätige ebenso ein wie Besucherinnen und Besucher mit besonderen Zugangsberechtigungen und von VIP-Bereichen, Menschen mit Behinderung mit speziellem Zugang oder ehrenamtlich tätige Personen.
10
2. Auch in das Grundrecht der Berufsfreiheit werde verfassungswidrig eingegriffen. Art. 60 a PAG habe tatsächliche Auswirkungen auf die Berufsfreiheit, weil Zuverlässigkeitsüberprüfungen dazu führen könnten, dass die Ausübung des Berufs einer betroffenen Person untersagt werde. Die erforderliche Zustimmung einer Person mindere die Eingriffsintensität nicht, da eine Verweigerung der Einwilligung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass Veranstalter die Bewerber für eine Tätigkeit im Rahmen einer Veranstaltung ausschließen würden. Der Eingriff in die Berufsfreiheit sei aus den genannten Gründen unverhältnismäßig. Eine besondere Unverhältnismäßigkeit ergebe sich aus der Unbegrenztheit der betroffenen Berufsgruppen, wobei insbesondere Journalistinnen und Journalisten, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Ärztinnen und Ärzte sowie Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter hervorzuheben seien.
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3. Ebenso greife Art. 60 a PAG in die Pressefreiheit ein, da die ermöglichte „Durchleuchtung“ von Journalistinnen und Journalisten zu einer Behinderung von Recherchearbeiten bis hin zur Berichterstattung führen könne. Auch insoweit mangle es aus den genannten Gründen an der Verhältnismäßigkeit.
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4. Zudem sei das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 BV) verletzt. Zuverlässigkeitsüberprüfungen könnten nach Art. 60 a PAG bei einer unbestimmten Anzahl von Personen, bei beliebigen Tätigkeiten und bei einer unbestimmten Anzahl von Veranstaltungsformen vorgenommen werden. Um dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Gebot der Normenklarheit zu genügen, müssten Eingriffe aber genau beschrieben sein. Betroffene müssten erkennen können, unter welchen Umständen und Bedingungen Daten gespeichert und verarbeitet werden. Auch müssten angemessene Kontrollmechanismen vorgesehen sein. Art. 60 a PAG ermögliche weitreichende Grundrechtseingriffe im Gefahrenvorfeld und unterliege damit besonders hohen Bestimmtheitsanforderungen. Die Tatbestandsmerkmale der Norm seien aber nicht hinreichend bestimmt oder bestimmbar, unabhängig davon, ob der betroffene Personenkreis beruflich oder ehrenamtlich tätig sei.
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5. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei geboten, da die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Regelung offensichtlich sei. Auch ergebe die Folgenabwägung, dass die Nachteile, die bei Erlass der einstweiligen Anordnung eintreten würden, der Popularklage aber der Erfolg versagt würde, gegenüber den Nachteilen überwögen, wenn diese nicht erlassen würde, die Popularklage aber Erfolg hätte.
III.
14
1. Der Bayerische Landtag hält die Popularklage für unbegründet.
15
Art. 60 a PAG sei bereits in seiner Entstehungsphase mit dem Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz eng abgestimmt worden. Die Schaffung der Norm sei auf dessen in der Vergangenheit mehrfach geäußerte Anregung zurückzuführen, eine bereichsspezifische Rechtsgrundlage für die bisher auf die Generalklausel des Art. 32 PAG gestützte und in der Praxis etablierte Zuverlässigkeitsüberprüfung zu schaffen. Die Norm sei im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren durch eine Tischvorlage im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes noch angepasst worden. Mit dieser Anpassung sei erneut eine Anregung des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz umgesetzt worden.
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Art. 60 a PAG sei mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Die Zuverlässigkeitsüberprüfung diene dem Ziel, die Sicherheit von risikobehafteten Veranstaltungen, schützenswerten Objekten und aller dort anwesenden Personen zu gewährleisten. Darüber hinaus solle die Norm die Integrität bestimmter Personen aufgrund deren besonderer Tätigkeit und der hierdurch gewonnenen sicherheitsrelevanten Erkenntnisse sicherstellen. Damit verfolge die Norm einen legitimen Zweck. Die Regelung sei zur Erreichung des Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen.
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a) Art. 60 a PAG greife nicht in verfassungswidriger Weise in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 100 i. V. m. Art. 101 BV) ein.
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Die Erhebung personenbezogener Daten hänge von der Zustimmung der betroffenen Person ab. Die Zustimmung der Betroffenen zur Datenerhebung sei tatbestandlich Voraussetzung, sodass die Tiefe des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erheblich reduziert und der Eingriff nach erteilter Zustimmung gerechtfertigt und verhältnismäßig sei. Darüber hinaus enthalte die Bestimmung die Information und die Möglichkeit der betroffenen Person, der Überprüfung zu widersprechen bzw. sie von vornherein zu verhindern. Somit handle es sich bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung um eine offene Maßnahme, was das Eingriffsgewicht im Vergleich zu verdeckten Maßnahmen oder Zwangsmaßnahmen weiter erheblich reduziere.
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Transparente Verfahrensregelungen lägen in Form des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung vor. Überdies enthalte Art. 60 a Abs. 2 PAG Regelungen für ein sog. „Clearing-Verfahren“, wodurch der betroffenen Person die Möglichkeit gegeben werde, sich vor der Übermittlung von Sicherheitsbedenken an die anfragende Stelle durch die Polizei informieren zu lassen und Einwände gegen die Einschätzung der Polizeibehörde vorzubringen. Im Übrigen bestehe mit Art. 65 PAG ein Auskunftsrecht und mit Art. 62 PAG ein Recht auf Berichtigung falscher und auf Löschung unberechtigt erhobener bzw. gespeicherter Daten.
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Ein Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich der Betroffenen liege nicht vor. Zu diesem Bereich gehöre die Möglichkeit, innere Vorgänge wie Empfindungen und Gefühle sowie Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art zum Ausdruck zu bringen, und zwar ohne Angst, dass staatliche Stellen dies überwachten. Vom Schutz umfasst seien auch Gefühlsäußerungen, Äußerungen des unbewussten Erlebens sowie Ausdrucksformen der Sexualität. Diese Bereiche würden durch die Zuverlässigkeitsüberprüfung nicht tangiert.
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Die Zuverlässigkeitsüberprüfung erstrecke sich nicht auf Besucher von Veranstaltungen oder ehrenamtliche Ordner auf Demonstrationen. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 a. E. PAG sowie aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
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b) Es liege auch keine Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 101 BV) vor. Denn die Norm enthalte keine Befugnis der Polizeibehörden, die Beschäftigung einer Person zu untersagen. Die Polizei sei im Gesamtprozess lediglich eine zwischengeschaltete Stelle. Allein die „andere Stelle“ lege fest, wer Zutritt zur Veranstaltung bzw. zu schützenswerten Objekten erhalte oder bestimmte Dienstleistungen erbringen könne bzw. Zugang zu Unterlagen mit sicherheitsrelevanten Erkenntnissen erhalte. Im Übrigen wäre ein Eingriff in die Berufsfreiheit der betroffenen Person gerechtfertigt, da das Interesse der Allgemeinheit an der Abwehr schwerwiegender Gefahren im Zusammenhang mit Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden seien, das Interesse Einzelner an der Zulassung zu diesen Anlässen ohne vorherige Zuverlässigkeitsüberprüfung überwiege.
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c) Ebenso wenig begründe Art. 60 a PAG einen Eingriff in die Pressefreiheit (Art. 111 BV). Denn die Mitteilung von Zuverlässigkeitsbedenken seitens der Polizei an den Veranstalter sei weder darauf gerichtet noch geeignet, die journalistische Arbeit zu unterbinden oder zu behindern. Die Entscheidung über die Zulassung des Journalisten beispielsweise zu einer Veranstaltung treffe der Veranstalter, nicht die Polizei. Im Übrigen wäre der Eingriff in die Pressefreiheit durch eine Zuverlässigkeitsüberprüfung nach Art. 60 a PAG aufgrund der erheblichen sicherheitsrechtlichen Interessen gerechtfertigt und verhältnismäßig.
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d) Schließlich liege kein Verstoß gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) abzuleitenden Bestimmtheitsgrundsatz vor. Weder aus dem Rechtsstaatsprinzip noch aus den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ergebe sich ein Verbot der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Erfordernisse der Verwaltungspraxis, insbesondere auch die Anpassung an wechselnde Lebenssachverhalte, machten diese Form der Regelungstechnik gerade im Sicherheitsrecht häufig notwendig. Im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers dürften und müssten auch Erwägungen der Praktikabilität handlungsweisend sein. Bei dem Begriff der Anlässe, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden seien, handle es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Vor dem Hintergrund der geringen Eingriffstiefe aufgrund der Offenheit der Maßnahme und der Einwilligung der Betroffenen seien die Anforderungen an die Bestimmtheit der Norm aber abgesenkt. Zudem betone Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Rahmen der Gefahrenabwehr. Die ergriffenen Maßnahmen müssten im Verhältnis zu dem zu erwartenden Sicherheitsrisiko erheblich und im Hinblick auf den Anlass und die Tätigkeit der einzelnen betroffenen Person erforderlich und angemessen sein. Der infrage kommende Anlass müsse aufgrund objektiv bestimmbarer Kriterien einer erheblichen Gefährdung durch Dritte ausgesetzt sein. Solche Kriterien könnten etwa ein besonderes überregionales Medieninteresse oder die Symbolträchtigkeit einer Veranstaltung oder eines gefährdeten Objekts sein. Auch die Zutritts- und Bewegungsfreiheit im Zusammenhang mit kritischen Infrastrukturen und die damit verbundenen Möglichkeiten der Vorbereitung bzw. der Durchführung von Straftaten könnten solche Kriterien darstellen. Entsprechende Differenzierungen beispielsweise nach dem Ort, an dem eine Person eingesetzt werden solle, seien in der nach Art. 60 a Abs. 1 Satz 2 PAG abzufassenden Gefährdungsanalyse festzuschreiben. Diese Gefährdungsanalyse stütze sich auf den konkret geplanten Einsatzbereich der betroffenen Personengruppe sowie das Gefährdungspotenzial im vorgesehenen Bereich und die Prüfung, ob die Person eine sicherheitsrelevante Tätigkeit ausübe. Aufgrund der Vielzahl vorstellbarer Fallkonstellationen sei eine abschließende Regelung potenzieller Anwendungsfälle des Art. 60 a PAG nicht zielführend. Art. 60 a Abs. 1 Satz 3 PAG enthalte daher eine Aufzählung von Regelbeispielen, bei denen eine Zuverlässigkeitsüberprüfung angebracht sei. Die Auslegung des Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG habe sich an diesen Regelbeispielen zu orientieren. Art. 60 a Abs. 2 PAG regle ausführlich das zugrunde liegende Verfahren der Zuverlässigkeitsüberprüfung sowie Informationspflichten gegenüber den Betroffenen und das Recht, gegen geäußerte Zuverlässigkeitsbedenken Einwände vorzubringen.
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2. Die Bayerische Staatsregierung hält die Popularklage ebenfalls für unbegründet.
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a) Die angegriffene Norm verletze nicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
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aa) Zwar habe die informierte Zustimmung nach Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG wohl keine eingriffsausschließende Wirkung, da sie nicht freiwillig erfolge. Denn für die betroffene Person seien an die Ablehnung der Erteilung der Zustimmung regelmäßig negative Konsequenzen (Nichtakkreditierung, Nichtzulassung, Nichtbeauftragung) geknüpft, die die Freiwilligkeit infrage stellten. Die Unfreiwilligkeit der Zustimmung müsse wohl zumindest partiell der Polizei zugerechnet werden, auch wenn die belastenden Konsequenzen aus dem Ergebnis der Zuverlässigkeitsüberprüfung von Dritten gezogen würden. Infolge der Zustimmung der Betroffenen sei das Gewicht des Grundrechtseingriffs aber zumindest erheblich reduziert. Eingriffserhöhende Merkmale seien weder ersichtlich noch vorgetragen. Ein Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich der Betroffenen liege nicht vor. Die Maßnahme erfolge offen und unterliege dem vollen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz.
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bb) Der Eingriff sei jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt, insbesondere verstoße Art. 60 a PAG weder gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch gegen das Bestimmtheitsgebot. Dem erheblich reduzierten Eingriffsgewicht stehe mit der Gewährleistung von Sicherheit bei „Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind“ ein gewichtiger, qualifizierter Eingriffszweck gegenüber.
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(1) Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit dürften nicht überspannt werden. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe sei gerade im Sicherheitsrecht wegen der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte und dem Bemühen um Vermeidung von Schutzlücken zulässig. Auch hänge das Bestimmtheitsgebot vom jeweiligen Eingriffsgewicht ab, das vorliegend infolge der informierten Zustimmung der Betroffenen erheblich reduziert sei.
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(2) Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei Art. 60 a PAG nicht deswegen unverhältnismäßig, weil bestimmte Anschläge der Vergangenheit (OEZ, Würzburg, Oktoberfest) sich mithilfe der Norm nicht hätten verhindern lassen, da sie für solche Situationen nicht geschaffen sei und daher auch tatbestandlich nicht greife. Die Norm gestatte keine Zuverlässigkeitsüberprüfungen bei gewöhnlichen Besuchern von Einkaufszentren, Volksfesten oder Nutzern von Zügen. Unbehelflich sei auch der Vortrag, die Normierungen anderer Bundesländer zeigten, dass die Regelung nicht erforderlich sei. Art. 60 a PAG unterscheide sich nicht wesentlich von den Regelungen anderer Länder. Soweit andere Länder die entsprechende Regelung konkreter gefasst haben sollten, habe der Antragsteller nicht aufgezeigt, dass dieses mildere Mittel den Normzweck in ebenso guter Weise erreichen könne wie Art. 60 a PAG. Die Tatsache, dass in Bayern bereits allgemein eine vergleichsweise gute Sicherheitslage herrsche, spreche nicht dagegen, dass eine Maßnahme nicht für zusätzliche Sicherheit sorgen und zur weiteren Zielerreichung beitragen könne. Die gute Sicherheitslage sei auch darauf zurückzuführen, dass in Bayern Zuverlässigkeitsüberprüfungen in Bezug auf Großveranstaltungen und gefährdete Objekte in der Praxis bereits seit langem üblich seien.
31
(3) In Bezug auf die Verhältnismäßigkeit binde Art. 60 a PAG die Polizei an ein an spruchsvolles materiellrechtliches Prüfprogramm. Die Polizei habe dafür einzustehen, dass für die Zuverlässigkeitsüberprüfung ein ausreichender Anlass bestehe und aus diesem Anlass für das „Ob“ und „Wie“ der Zuverlässigkeitsüberprüfung verhältnismäßige Folgen abgeleitet würden. Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG gestatte Zuverlässigkeitsüberprüfungen nur bei Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden seien. Diese Anlässe würden durch fünf Regelbeispiele konkretisiert. Ob die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt seien, habe die Polizei im Rahmen einer Gefährdungsanalyse zu evaluieren. Auch die Folgen seien verhältnismäßig. Die Polizei habe die Erforderlichkeit und den zweckgerechten Umfang der Datenverarbeitung je nach Anlass und Tätigkeit der betroffenen Person aufgrund einer Gefährdungsanalyse zu prüfen und festzulegen und auf diese Weise in jedem Einzelfall für eine verhältnismäßige Ausgestaltung der Zuverlässigkeitsüberprüfung zu sorgen. In prozeduraler Hinsicht sei ein ebenso anspruchsvolles Programm zu bewältigen: Die Polizei habe zunächst eine Gefährdungsanalyse durchzuführen. Diese stelle einen eigenständigen, der Durchführung der Zuverlässigkeitsüberprüfung vorausgehenden Verfahrensschritt dar. Den in der Gefährdungsanalyse zu treffenden Festlegungen komme eine wichtige Funktion für den gerichtlichen Rechtsschutz zu. Eine Zuverlässigkeitsüberprüfung könne außerdem nicht ohne informierte Zustimmung der Betroffenen erfolgen. Dass die Zustimmung informiert sein müsse, ergebe sich aus allgemeinen Grundsätzen und werde in Art. 60 a Abs. 2 Satz 4 PAG explizit normiert. Für die Konstellation einer Zuverlässigkeitsüberprüfung für eine andere Stelle enthalte Art. 60 a Abs. 2 PAG besondere Verfahrensregelungen. Danach habe die betroffene Person das Recht zu verlangen, dass das Ergebnis der Zuverlässigkeitsüberprüfung zunächst ihr mitzuteilen sei, bevor es an die andere Stelle weitergegeben werde. Weiterhin könne sie bei einer sog. „Clearing-Stelle“ Einwände gegen das Ergebnis der Überprüfung vorbringen.
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(4) Verhältnismäßig und hinreichend bestimmt seien auch einzelne Regelungsaspekte des Art. 60 a PAG:
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(aa) Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG stelle klar, dass Zuverlässigkeitsüberprüfungen nur bei Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden seien, in Betracht kämen. Mit der Qualifizierung „erheblich“ werde klargestellt, dass geringfügige Sicherheitsrisiken nicht ausreichten. Verlangt werde eine Bedrohung hinreichend bedeutsamer Schutzgüter. Angesichts der reduzierten Eingriffstiefe sei dies als verhältnismäßige und ausreichend bestimmte Eingrenzung anzusehen. Das Tatbestandsmerkmal „Sicherheitsrisiken“ sei nicht als neuartige, dem Polizeirecht bislang fremde Eingriffsschwelle zu verstehen. Der Begriff werde im allgemeinen Wortsinn gebraucht. Es reiche, dass erfahrungsgemäß die Möglichkeit erheblicher Gefährdungen bestehe. Das Tatbestandsmerkmal sei auch verhältnismäßig. Nur bei Maßnahmen mit einem besonders intensiven Eingriffsgewicht verlange die Verfassungsjudikatur, dass informationelle Eingriffsbefugnisse tatbestandlich an bestimmte Eingriffsschwellen im Sinn von tatsachengestützten Gefahr- oder Verdachtsstufen gebunden würden. Ein solches Eingriffsgewicht sei vorliegend nicht erreicht. Auch müssten Eingriffsbefugnisse rein informationeller Art von Verfassungs wegen nicht an die Gefahrenschwelle gebunden werden. Näher konkretisiert werde der Anlass durch die Regelbeispiele in Art. 60 a Abs. 1 Satz 3 PAG. Dass einzelne Regelbeispiele relativ offen formuliert seien, sei Folge der Vielgestaltigkeit der Fallgruppen. Hinzunehmen sei die hierin liegende Unbestimmtheit vor allem deswegen, weil von der Polizei eine Gefährdungsanalyse verlangt werde, die die nötige Konkretisierungsleistung erbringe.
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(bb) Hinreichend bestimmt und verhältnismäßig sei Art. 60 a PAG auch in Bezug auf die Adressaten. Besucher von Veranstaltungen und Besucher oder ehrenamtliche Ordnungskräfte auf Demonstrationen seien von vornherein nicht von der Regelung erfasst, da diese Personengruppen über keinen privilegierten Zugang verfügten. Durch Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG werde sichergestellt, dass nur solche Personen überprüft werden könnten, deren „Tätigkeit“ Anlass für die Überprüfung böte; der bloße Besuch von Veranstaltungen falle nicht darunter. Besucher und Ordner auf Demonstrationen schieden aufgrund der Spezialität und Sperrwirkung des Versammlungsrechts gegenüber dem Polizeirecht als Adressaten aus. Im Übrigen sei die Frage der in die Zuverlässigkeitsüberprüfung einzubeziehenden Personen in erster Linie eine Frage der Verhältnismäßigkeit im konkreten Einzelfall. Eine genauere Regelung sei aufgrund der Vielgestaltigkeit der in Betracht kommenden Anlässe, Personen und Tätigkeiten kaum möglich und sinnvoll. Ohne Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeits- und Bestimmtheitsgebot verpflichte die Norm daher die Polizei, im Rahmen der Gefährdungsanalyse für den jeweiligen Anlass festzulegen, welche Bereiche oder Tätigkeiten derart sicherheitsgefährdet seien, dass der unkontrollierte Zugang einer vorherigen Zuverlässigkeitsüberprüfung bedürfe.
35
(cc) Ähnliches gelte für den Umfang der Datenverarbeitung. Art. 60 a Abs. 1 Satz 2 PAG enthalte hierzu einen Konkretisierungsauftrag an die Polizei, die im Rahmen der von ihr abzufassenden Gefährdungsanalyse den Umfang der Verarbeitung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten festzulegen habe. Mit einer Mischung aus prozeduraler Verselbstständigung und materieller Steuerung nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten garantiere der Gesetzgeber, dass die nötige Konkretisierungsleistung von der Polizei in verfassungskonformer Weise erbracht werde. Eine zusätzliche prozedurale Absicherung entstehe aufgrund der Zustimmung der betroffenen Person. Eine genauere gesetzliche Regelung sei kaum möglich oder sinnvoll.
36
(dd) Der Gesetzgeber habe auch die Kriterien der Zuverlässigkeitsbeurteilung hinreichend normiert. Unschädlich sei, dass das Gesetz die Zuverlässigkeitskriterien im Einzelnen nicht selbst vorgebe, sondern auch insoweit auf die in der Gefährdungsanalyse zu erbringende Konkretisierungsleistung vertraue. Dies gelte umso mehr, als die Entscheidung über die gewünschte Akkreditierung selbst nicht auf der Basis des Art. 60 a PAG getroffen werde. Die Zuverlässigkeitsüberprüfung sei nur eine polizeiliche Entscheidungshilfe. Gegen die auf der Basis dieser Überprüfung getroffene Entscheidung der anderen Stelle bzw. der Polizei sei eigenständiger Rechtsschutz möglich. Art. 60 a PAG statuiere die wesentlichen Leitlinien, denen die polizeiliche Zuverlässigkeitsbeurteilung inhaltlich zu folgen habe, indem auf das Kriterium der Zuverlässigkeit als zentralen Maßstab abgestellt werde. Hierbei handle es sich um einen nicht näher erläuterungsbedürftigen Begriff, den das Recht in vielen Kontexten verwende und der von den Behörden und Gerichten einzelfallbezogen zu konkretisieren sei. Entscheidend sei, ob eine Person ausreichende Gewähr dafür biete, eine Aufgabe ordnungsgemäß erfüllen zu können. Im Kontext des Art. 60 a PAG komme es maßgeblich darauf an, zu verhindern, dass eine Person eingesetzt werde, die zur Verwirklichung erheblicher Sicherheitsrisiken beitragen könne. Durch Art. 60 a Abs. 2 PAG sei klargestellt, dass das Bestehen von Sicherheitsbedenken ausreiche, um eine negative Empfehlung abzugeben. Zweifel an der Zuverlässigkeit einer betroffenen Person genügten allerdings für eine negative Bewertung nicht. Entscheidend sei eine Gesamtwürdigung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten. Letztlich komme der Gefährdungsanalyse die Aufgabe zu, den gesetzlichen Maßstäben Rechnung zu tragen. Prozedural abgesichert werde die Kriterienbildung und individuelle Prüfung im „Clearing-Verfahren“ nach Art. 60 a Abs. 2 Satz 3 PAG.
37
(ee) Art. 60 a PAG enthalte ausführliche Regelungen in Bezug auf ein transparentes Verfahren. Art. 60 a Abs. 1 Satz 2 PAG verlange von der Polizei die Abfassung einer Gefährdungsanalyse als eigenständigen Verfahrensschritt. Weiterhin werde eine informierte Zustimmung der betroffenen Person verlangt. Hierzu gehöre eine Aufklärung über Ablauf und Inhalt des Überprüfungsverfahrens nach Art. 60 a Abs. 2 Satz 4 PAG. Besondere Schutzvorkehrungen enthalte das Gesetz für die Konstellation der Zuverlässigkeitsüberprüfung für eine andere Stelle. Hierzu gehöre die vorzeitige Information der betroffenen Person vor Weitergabe des Ergebnisses der Zuverlässigkeitsüberprüfung, um ihr Gelegenheit zur Einleitung des „Clearing-Verfahrens“ zu geben. Die vom Antragsteller bemängelte fehlende Beteiligung des Landesdatenschutzbeauftragten sei verfassungsrechtlich nicht zwingend vorgegeben. Eine Einbindung des Landesdatenschutzbeauftragten im Vorfeld von Zuverlässigkeitsüberprüfungen bei Großveranstaltungen entspreche in Bayern aber der ständigen Praxis. Angesichts des begrenzten Eingriffsgewichts sei es ausreichend, dass im Kontext der Zuverlässigkeitsüberprüfung nur ein allgemeines Auskunftsrecht nach Art. 65 PAG bestehe. Aus demselben Grund seien die allgemeinen Regeln zur Dauer der Speicherung nach Art. 53 Abs. 5 PAG ausreichend. Bereits laufende Speicherfristen würden nach Art. 60 a Abs. 4 i. V. m. Art. 54 Abs. 2 Satz 6 PAG nicht verlängert.
38
b) Die Berufsfreiheit sei nicht verletzt.
39
Es sei bereits zweifelhaft, ob ein Eingriff in dieses Grundrecht angenommen werden könne, da Art. 60 a PAG der Polizei keine Befugnis gebe, unmittelbar steuernd und regelnd in die freie Berufsbetätigung einzugreifen. Die Norm berechtige die Polizei ausschließlich zur Durchführung eines Datenverarbeitungsvorgangs, dessen Ergebnis eine vorbereitende Entscheidungshilfe für eine andere Stelle sei. Erst durch deren Entscheidung werde die Berufsbetätigung berührt. Wirke sich eine Norm allenfalls mittelbar auf die Berufstätigkeit aus, sei maßgeblich, ob sie eine objektiv berufsregelnde Tendenz erkennen lasse. Es spreche viel dafür, dass dies bei Art. 60 a PAG zu verneinen sei, da es sich hierbei um eine berufsneutral der Sicherheitsgewährleistung in bestimmten gefährdeten Bereichen dienende Regelung handle, die sich nur reflexartig auch auf Berufstätigkeiten in diesem Bereich auswirke, ohne eine klare Regelungstendenz deutlich erkennen zu lassen. Von der Norm würden nicht nur Berufstätige erfasst. Vielmehr könnten beispielsweise freiwillige Helfer oder sonst privilegierte Zugangsberechtigte erfasst sein. Zudem würden Berufstätige nur in sehr unterschiedlicher Weise berührt. Zumeist entfiele nur punktuell die Einsatzmöglichkeit eines Beschäftigten an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Anknüpfungspunkt der Zuverlässigkeitsüberprüfung sei demnach nicht der Beruf, sondern nur eine ganz bestimmte konkrete Tätigkeit an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit. Im Übrigen fehle es an dem Kriterium der hinreichenden Schwere oder Finalität der unmittelbarfaktischen Beeinträchtigung. Eine besondere Schwere der Beeinträchtigung könne bei Art. 60 a PAG schon deswegen nicht angenommen werden, weil das Eingriffsgewicht infolge der Zustimmung gemindert sei. Auch die Finalität der Beeinträchtigung erscheine fraglich. Die Zuverlässigkeitsüberprüfung bereite eine nachfolgende Entscheidung nur informationell vor, die ihrerseits als unmittelbarer Eingriff in die Berufsfreiheit zu werten sei.
40
Die Frage könne aber letztlich offenbleiben. Denn selbst wenn ein Eingriff vorläge, wäre dieser gerechtfertigt. Zuverlässigkeitsanforderungen für Berufstätige, von denen Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen könnten, seien in der Rechtsordnung üblich. Namentlich das Gewerberecht sei von dieser Tatbestandsvoraussetzung geprägt. Auch dort, wo - wie im Luftverkehrsrecht - systematische hoheitliche Zuverlässigkeitsüberprüfungen für bestimmte gefahrgeneigte Berufe vorgesehen seien, sei nicht ersichtlich, dass die Rechtsprechung hierin einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit gesehen hätte. Berufsrelevante Zuverlässigkeitsüberprüfungen seien mit der Berufsfreiheit vereinbar, wenn mit ihnen einem ausreichenden Gefährdungspotenzial begegnet werden solle und sie auch ansonsten verhältnismäßigkeitskonform ausgestaltet seien. Dies sei bei Art. 60 a PAG der Fall. Die erheblichen Sicherheitsrisiken, die die Norm tatbestandlich voraussetze, rechtfertigten eine mit Zustimmung der Betroffenen durchgeführte Zuverlässigkeitsüberprüfung. Auch im Übrigen trage Art. 60 a PAG für eine verhältnismäßigkeitskonforme Ausgestaltung Sorge, da Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG ausdrücklich verlange, dass die Zuverlässigkeitsüberprüfung im Hinblick auf den Anlass und die Tätigkeit der betroffenen Person erforderlich und angemessen sei.
41
c) Auch die Pressefreiheit sei nicht verletzt.
42
Wie bei der Berufsfreiheit sei bereits fraglich, ob die Zuverlässigkeitsüberprüfung überhaupt einen Eingriff in die Pressefreiheit darstellen könne, obwohl die eigentliche Beschwer erst von einer nachfolgenden Entscheidung ausgehe. Hinzu komme, dass die Pressefreiheit keinen Anspruch auf Eröffnung einer nicht öffentlich zugänglichen Informationsquelle vermittle. Zwar erwachse, sofern eine öffentliche Stelle der Presse freiwillig einen privilegierten Zugang zu einer Veranstaltung eröffne, der Presse aus dem Gleichheitssatz in Verbindung mit der Pressefreiheit ein derivativer Teilhabeanspruch auf sachgerechte Auswahl bei der Zulassung; dieser könne durch eine der Pressefreiheit nicht ausreichend Rechnung tragende Ablehnungsentscheidung verletzt werden. Das könne auch auf die rechtliche Beurteilung des Zuverlässigkeitsüberprüfungsverfahrens durchschlagen. Auch soweit dies der Fall wäre, sei die Pressefreiheit durch Art. 60 a PAG aber nicht abwehrrechtlich betroffen. Im Übrigen treffe die Polizei auf der Basis des Art. 60 a PAG keine Ablehnungsentscheidung, sondern bereite eine solche nur informationell vor.
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Letztlich könne die Frage des Eingriffs in die Pressefreiheit aber dahingestellt bleiben, da dieser jedenfalls gerechtfertigt wäre. Art. 60 a PAG sei insbesondere als allgemeines Gesetz anzusehen, das sich nicht gegen die Presse oder eine bestimmte Meinung als solche richte, sondern dem Schutz eines schlechthin zu schützenden Rechtsguts diene. Überdies trage Art. 60 a PAG für eine im Hinblick auf die Pressefreiheit verhältnismäßige Ausgestaltung und Handhabung der Zuverlässigkeitsüberprüfung Sorge. Mit dem Auftrag, die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme auch im Hinblick auf die Tätigkeit der betroffenen Person zu prüfen, verlange Art. 60 a PAG, auch etwaige Auswirkungen auf die Pressefreiheit, die von der Zuverlässigkeitsüberprüfung ausgehen könnten, mit in die Abwägung einzustellen. Dass es unzulässig sei, Pressevertreter negativ zu beurteilen, weil sie bestimmte Meinungen verträten, stehe außer Streit. Bei einer missbräuchlichen Handhabung stehe der Presse sowohl das „Clearing-Verfahren“ als auch der Rechtsweg offen.
IV.
44
Die Popularklage ist nur zum Teil zulässig.
45
1. Unzulässig ist die Popularklage, soweit sie sich gegen die Regelung des Art. 60 a Abs. 5 PAG richtet. Der Antragsteller hat entgegen Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG nicht in der erforderlichen Weise dargelegt, inwiefern nach seiner Auffassung durch Art. 60 a Abs. 5 PAG ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verletzt sein könnte.
46
Art. 60 a PAG unterscheidet nach Inhalt und Verfahren zwischen der Überprüfung von Personen, die bei Anlässen tätig sind, welche mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind (Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG), und der Überprüfung von Personen, die eine Tätigkeit in einer Behörde der Polizei oder des Verfassungsschutzes anstreben (Art. 60 a Abs. 5 PAG). Bei letzterem Personenkreis handelt es sich um eine spezielle Fallkonstellation, bei der der Gesetzgeber eine Prüfung der polizeilichen Vorgangs- und Verfahrensdaten für erforderlich gehalten hat, um sicherzustellen, dass sämtliche Mitarbeiter von Behörden der Polizei und des Verfassungsschutzes die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit besitzen, um die mit der Beschäftigung einhergehenden Pflichten im Rahmen sicherheitsrechtlichen Handelns gewissenhaft zu befolgen; hier gelten anstelle des Verfahrens nach Art. 60 a Abs. 2 PAG die Vorschriften des Arbeits- und Beamtenrechts (vgl. LT-Drs. 18/16620 S. 5 zu Art. 60 a Abs. 5). In Bezug auf diese Sonderregelung sind dem Vorbringen des Antragstellers keine Anhaltspunkte für eine Grundrechtsverletzung zu entnehmen. Seine Ausführungen beschränken sich allein auf Einwendungen gegen die Zuverlässigkeitsüberprüfung bei mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbundenen Anlässen nach Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG.
47
2. Im Übrigen ist die Popularklage zulässig.
48
a) Gemäß Art. 98 Satz 4 BV hat der Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig einschränken. Die Verfassungswidrigkeit kann durch Beschwerde (Popularklage) geltend gemacht werden. Gesetze und Verordnungen im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV sind alle Vorschriften des bayerischen Landesrechts (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Zu diesen gehören die Bestimmungen des Art. 60 a PAG, gegen die sich die Popularklage richtet.
49
b) Der Antragsteller ist nach Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG antragsbefugt. Die Verfassungswidrigkeit einer Rechtsvorschrift des bayerischen Landesrechts kann danach von jedermann beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden, wobei die Partei- und Prozessfähigkeit des Antragstellers vorausgesetzt wird (VerfGH vom 18.12.2007 VerfGHE 60, 234/244). Diese Bedingungen erfüllt der Antragsteller. Er ist als Gebietsverband einer politischen Partei auf Landesebene nach § 3 Satz 2 PartG zur Erhebung der Popularklage befugt und im Verfahren ordnungsgemäß (§ 11 Abs. 3 Satz 2 PartG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 4 Satz 1 der Satzung des Landesverbands) vertreten (vgl. VerfGH vom 12.7.1990 VerfGHE 43, 100/103; vom 10.6.2021 BayVBl 2021, 548 Rn. 30).
50
c) Der Antragsteller hat gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG auch hinreichend substanziiert dargelegt, aus welchen Gründen Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG nach seiner Auffassung gegen Grundrechte der Bayerischen Verfassung verstößt. Er rügt insoweit eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 101 i. V. m. Art. 100 BV), daneben macht er einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit (Art. 101 BV) und die Pressefreiheit (Art. 111 BV) geltend. Damit hat er gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG subjektive Rechte verbürgende Verfassungsnormen als verletzt bezeichnet. Zudem hat er in ausreichender Weise die Gründe dargelegt, aus denen er die Verfassungswidrigkeit dieser Regelung ableitet.
51
d) Auf die Rüge einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) kann eine Popularklage zwar für sich allein nicht gestützt werden, weil diese Verfassungsnorm kein Grundrecht verbürgt (vgl. VerfGH vom 16.11.2018 - Vf. 23-VI-16 - juris Rn. 21; vom 29.10.2020 BayVBl 2021, 83 Rn. 24; jeweils m. w. N.). Ist die Popularklage aber - wie hier - in zulässiger Weise erhoben, so erstreckt der Verfassungsgerichtshof die Überprüfung der angefochtenen Vorschriften auf alle in Betracht kommenden Normen der Bayerischen Verfassung, selbst wenn sie keine Grundrechte verbürgen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 20.2.1990 VerfGHE 43, 67/73; BayVBl 2021, 548 Rn. 32; vom 28.9.2021 BayVBl 2021, 843 Rn. 30; jeweils m. w. N.). V.
52
Soweit die Popularklage zulässig ist, ist sie unbegründet. Die gesetzliche Regelung des Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG verstößt nicht gegen die Bayerische Verfassung.
53
A. Vor einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm ist diese auszulegen und ihr einfachrechtlicher Anwendungs- und Wirkungsbereich zu ermitteln. Erst nach der Feststellung des konkreten Inhalts der Norm und ihrer systematischen Einordnung kann beurteilt werden, ob die angegriffene Regelung mit der Bayerischen Verfassung vereinbar ist oder nicht (VerfGH vom 30.1.2006 VerfGHE 59, 23/24 m. w. N.). Für die Auslegung einer Rechtsvorschrift maßgebend ist der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Normgebers, wie er sich aus ihrem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt (VerfGH vom 26.4.2022 - Vf. 15-VII-19 - juris Rn. 2 m. w. N.). Mittel dazu bilden die Auslegung nach dem Wortlaut der Vorschrift (grammatikalische Auslegung), aus ihrem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) und aus den Gesetzesmaterialien (historische Auslegung). Diese Methoden schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig (VerfGH vom 12.3.2007 VerfGHE 60, 52/54 f.; vom 21.11.2016 VerfGHE 69, 290 Rn. 66; vom 19.2.2018 VerfGHE 71, 28 Rn. 43).
54
Art. 60 a PAG regelt Voraussetzungen und Umfang der sog. Zuverlässigkeitsüberprüfung durch die Polizei mittels Erhebung, Übermittlung und anderweitiger Verarbeitung personenbezogener Daten einer Person (Art. 60 a Abs. 1 PAG) sowie die nähere verfahrensrechtliche Ausgestaltung dieser Überprüfung (Art. 60 a Abs. 2 bis 4 PAG). Die Bestimmung ist nach ihrer systematischen Stellung eingebettet in die Regelungen der Art. 30 bis 66 PAG über die Datenverarbeitung der Polizei des Freistaates Bayern, die nach Art. 30 Abs. 1 PAG vorbehaltlich abweichender Regelung für alle Vorgänge der Datenverarbeitung der Polizei nach diesem Gesetz (vgl. Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Polizeiaufgabengesetz und Polizeiorganisationsgesetz, 5. Aufl. 2020, Art. 30 PAG Rn. 1) und somit auch für die polizeiliche Zuverlässigkeitsüberprüfung nach Art. 60 a PAG gelten. Die Regelungen der Art. 30 bis 66 PAG wurden durch das Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts vom 18. Mai 2018 (GVBl S. 301) wesentlich umgestaltet bzw. ergänzt. Sie dienen nach dem gesetzgeberischen Willen (vgl. Gesetzentwurf vom 30.1.2018, LT-Drs. 17/20425 S. 1, 40) in erster Linie der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl L 119 vom 4.5.2016 S. 89) - im Folgenden: Richtlinie (EU) 2016/680. Diese bildet zusammen mit der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl L 119 vom 4.5.2016 S. 1, im Folgenden: DSGVO) das sog. EU-Datenschutzpaket. Gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Richtlinie (EU) 2016/680 gilt diese nach ihrem Anwendungsbereich für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Auch bei der Regelung des Art. 60 a PAG werden nach dem Willen des Gesetzgebers datenschutzrechtliche Vorgaben der Richtlinie (EU) 2016/680 umgesetzt (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 18/16620 S. 3).
55
Für die Begriffe der „Erhebung“, der „Übermittlung“ und der anderweitigen „Verarbeitung“ personenbezogener Daten durch die Polizei in Art. 60 a Abs. 1 und 2 PAG kann daher auf Art. 3 der Richtlinie (EU) 2016/680 zurückgegriffen werden (vgl. auch LT-Drs. 17/20425 S. 47), zumal die Begriffe weder in Art. 60 a PAG noch sonst im Polizeiaufgabengesetz näher bestimmt sind. Dafür spricht auch die Begründung zum Gesetzentwurf, wonach bei der Regelung des Art. 60 a PAG den datenschutzrechtlichen Vorgaben der Richtlinie (EU) 2016/680 Rechnung getragen werden sollte (vgl. LT-Drs. 18/16620 S. 3).
56
Nach Art. 3 Nr. 2 Richtlinie (EU) 2016/680 bezeichnet der Begriff der „Verarbeitung“ als Oberbegriff (vgl. LT-Drs. 17/20425 S. 47) jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung. Was hierunter im Einzelnen zu verstehen ist, legt auch die Richtlinie (EU) 2016/680 nicht weiter fest. Eine Definition findet sich in Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie aber zum Begriff der „personenbezogenen Daten“. Danach bezeichnet dieser Ausdruck alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind. Beispiele für solche Daten finden sich etwa in Art. 53 Abs. 4 PAG (Grunddaten einer Person) und in Art. 30 Abs. 2 PAG i. V. m. Art. 10 Richtlinie (EU) 2016/680 (besondere Kategorien personenbezogener Daten).
57
Für den Begriff der „öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen“ kann auf die allgemeinen Legaldefinitionen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zurückgegriffen werden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs für ein Bayerisches Datenschutzgesetz, LT-Drs. 17/19628 S. 31). Nach § 2 Abs. 1 und 2 BDSG sind „öffentliche Stellen“ des Bundes die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlichrechtlich organisierte Einrichtungen des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, der Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform. Öffentliche Stellen der Länder sind die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlichrechtlich organisierte Einrichtungen eines Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbands oder sonstiger der Aufsicht des Landes unterstehender juristischer Personen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform. Nach Art. 1 Abs. 2 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG), der gemäß Art. 66 Satz 1 PAG für den Bereich der Polizei ergänzend Anwendung findet, sind „öffentliche Stellen“ auch Vereinigungen des privaten Rechts, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen und an denen - ungeachtet der Beteiligung nichtöffentlicher Stellen - eine oder mehrere der in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder durch eine solche Vereinigung beteiligt sind. Der Begriff der „nichtöffentlichen Stelle“ ist in § 2 Abs. 4 Satz 1 BDSG definiert. Demzufolge handelt es sich bei den nichtöffentlichen Stellen um natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter § 2 Abs. 1 bis 3 BDSG fallen. Nimmt eine nichtöffentliche Stelle hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, ist sie insoweit öffentliche Stelle (§ 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG).
58
Dieses Begriffsverständnis zugrunde gelegt, verstößt Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG nicht gegen die Bayerische Verfassung.
59
B. Dem Freistaat Bayern steht für die Regelung des Art. 60 a PAG die Gesetzgebungskompetenz zu, sodass das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV insoweit nicht wegen eines offensichtlichen und schwerwiegenden Verstoßes gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes (Art. 70 ff. GG) verletzt ist (vgl. VerfGH vom 24.5.2012 VerfGHE 65, 88/98; vom 28.8.2020 BayVBl 2020, 803 Rn. 72 f.).
60
Die Gesetzgebungskompetenz für die Materie der Gefahrenabwehr liegt nach Art. 70 GG grundsätzlich bei den Ländern. Zur Aufgabe der Gefahrenabwehr gehört auch die Gefahrenvorsorge, bei der bereits im Vorfeld konkreter Gefahren staatliche Aktivitäten entfaltet werden, um die spätere Entstehung von Gefahren zu verhindern (vgl. BVerfG vom 18.12.2018 BVerfGE 150, 244 Rn. 70; BVerwG vom 25.1.2012 BVerwGE 141, 329 Rn. 29). Auf eine solche Gefahrenvorsorge ist die Bestimmung des Art. 60 a PAG gerichtet. Sie regelt die Voraussetzungen und das Verfahren zur Überprüfung der Zuverlässigkeit einer Person bei Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind. Mit der Norm wird eine Befugnis geschaffen, die es der Polizei ermöglicht, Gefahren für die öffentliche Sicherheit frühzeitig zu erforschen und zu erkennen, um gegebenenfalls Maßnahmen zu deren Verhinderung ergreifen zu können. Die in Art. 60 a PAG normierten Befugnisse zur Datenerhebung, -übermittlung und anderweitigen Verarbeitung durch die Polizei dienen mithin der Ermittlung von Gefahrenlagen, die bei Anlässen mit erheblichen Sicherheitsrisiken von Personen ausgehen können, die bei diesen Anlässen privilegierte Zugangsberechtigungen haben und/oder bestimmte Tätigkeiten ausüben. Ziel der in Art. 60 a PAG festgelegten Befugnis ist mithin die Gefahrenprävention im Vorfeld konkreter Gefahren, in denen nur ein besonderes Risiko für die öffentliche Sicherheit besteht. Wie weit der Gesetzgeber derartige Maßnahmen in das Vorfeld künftiger Rechtsgutverletzungen verlegen darf, ist eine Frage des materiellen Rechts, berührt aber nicht die Gesetzgebungskompetenz des Landes (vgl. BVerfG vom 27.7.2005 BVerfGE 113, 348/368; 150, 244 Rn. 70; BVerwGE 141, 329 Rn. 29).
61
C. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 100 i. V. m. Art. 101 BV ist nicht verletzt.
62
Zwar greift Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG in mehrfacher Hinsicht in dieses Grundrecht ein (dazu unten 1.). Auch ist der Eingriffscharakter nicht infolge der tatbestandlich erforderlichen Zustimmung der Betroffenen ausgeschlossen (dazu unten 2.). Die Eingriffe sind jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt (dazu unten 3.).
63
1. Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG greift in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ein.
64
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches der Verfassungsgerichtshof in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz persönlicher Daten erstmals in seiner Entscheidung vom 9. Juli 1985 (VerfGHE 38, 74) anerkannt hat, ist eine spezielle Ausprägung der Menschenwürde und der Handlungsfreiheit (Art. 100 i. V. m. Art. 101 BV; ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 28.3.2003 VerfGHE 56, 28/43; vom 19.4.2007 VerfGHE 60, 80/99; vom 12.10.2010 VerfGHE 63, 173 Rn. 24). Zur Auslegung dieses Rechts lassen sich die einschlägigen Grundaussagen des Bundesverfassungsgerichts (vgl. insbesondere BVerfG vom 15.12.1983 BVerfGE 65, 1/41 ff.) heranziehen. Das Grundrecht gewährleistet die Befugnis jedes Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen, und schützt so vor unbegrenzter Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten (vgl. VerfGH vom 7.2.2006 VerfGHE 59, 29/34; vom 11.9.2014 VerfGHE 67, 216 Rn. 36, 52; vom 24.5.2019 NVwZ-RR 2019, 881 Rn. 45; BVerfG vom 1.12.2020 BVerfGE 156, 63 Rn. 198).
65
Vorschriften, die zum Umgang mit personenbezogenen Daten durch staatliche Behörden ermächtigen, begründen in der Regel verschiedene, aufeinander aufbauende Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Insbesondere ist insoweit zwischen Erhebung, Speicherung und Verwendung von Daten zu unterscheiden (vgl. BVerfG vom 24.1.2012 BVerfGE 130, 151/184; vom 27.5.2020 BVerfGE 155, 119 Rn. 93; 156, 63 Rn. 199). Soweit dabei zu einem Datenabgleich ermächtigt wird, bilden die Erfassung und der Abgleich der Daten grundsätzlich je eigene Grundrechtseingriffe (vgl. BVerfGE 150, 244 Rn. 42; 156, 63 Rn. 199). Bei der Regelung eines Datenaustauschs ist darüber hinaus zwischen der Datenübermittlung seitens der Auskunft erteilenden Stelle und dem Datenabruf seitens der Auskunft suchenden Stelle zu unterscheiden. Ein Datenaustausch vollzieht sich durch die einander korrespondierenden Eingriffe von Abfrage und Übermittlung, die jeweils einer eigenen Rechtsgrundlage bedürfen. Der Gesetzgeber muss, bildlich gesprochen, nicht nur die Tür zur Übermittlung von Daten öffnen, sondern auch die Tür zu deren Abfrage. Erst beide Rechtsgrundlagen gemeinsam, die wie eine Doppeltür zusammenwirken müssen, berechtigen zu einem Austausch personenbezogener Daten (vgl. BVerfGE 155, 119 Rn. 93 m. w. N.).
66
Durch die Befugnisse der Polizei nach Art. 60 a PAG zur Erhebung, Übermittlung und anderweitigen Verarbeitung von Daten einer Person wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt:
67
a) Einen eigenständigen Grundrechtseingriff begründet zunächst die in Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG normierte Befugnis der Polizei zur Erhebung personenbezogener Daten bei öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen.
68
Unter der Erhebung personenbezogener Daten wird allgemein - und so auch in Art. 60 a PAG - das Beschaffen von Daten über die betroffene Person verstanden. Der Begriff bezeichnet einen Vorgang, durch den solche Daten erstmals in die Verfügungsmacht der erhebenden Stelle gelangen. Die Erhebung muss gezielt erfolgen, etwa durch elektronischen Abruf, durch eine Anforderung von Unterlagen oder durch die Befragung von Personen; eine zufällige Kenntnisnahme reicht nicht aus (vgl. Roßnagel in Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, 1. Aufl. 2019, Art. 4 Nr. 2 Rn. 15; Ernst in Paal/Pauly, DS-GVO, 3. Aufl. 2021, Art. 4 Rn. 23; Herbst in Kühling/Buchner, DS-GVO, 3. Aufl. 2020, Art. 4 Nr. 2 Rn. 21; Stief in Schröder, BayDSG, 1. Aufl. 2021, Art. 4 Rn. 51 ff.).
69
Die Datenerhebung durch die Polizei bildet den ersten Schritt und die Grundlage für eine mögliche Belastung der betroffenen Person (vgl. BVerfG vom 4.4.2006 BVerfGE 115, 320/343 f.; 150, 244 Rn. 43). Sie macht die Daten für die Polizei verfügbar. Auf diese Weise kann eine Vielzahl von Informationen über eine Person gewonnen werden. Durch die Erhebung personenbezogener Daten können diese in der Folge gespeichert, abgerufen, ausgewertet und an andere Stellen weitergeleitet werden. Die Erhebung von Daten nach Art. 60 a PAG ermächtigt die Polizei zudem - abweichend vom Grundsatz des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 PAG, wonach personenbezogene Daten grundsätzlich bei der betroffenen Person zu erheben sind - zur Datenerhebung bei öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen, sodass eine Beeinträchtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts vorliegt. Die nach dem Bild der „Doppeltür“ erforderliche Befugnis anderer Stellen zur Datenübermittlung an die Polizei richtet sich für öffentliche Stellen nach Art. 60 PAG und für nichtöffentliche Stellen nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DSGVO (vgl. LT-Drs. 18/16620 S. 3).
70
b) Auch die Speicherung der im Zuge der Erhebung übermittelten Daten bei der Stelle, an welche sie übermittelt und bei der sie aufbewahrt und für den Datenabgleich bereitgehalten werden, greift in das informationelle Selbstbestimmungsrecht ein, insbesondere bei den Personen, deren Daten nach einem solchen Datenabgleich Gegenstand weiterer Maßnahmen werden (vgl. BVerfGE 115, 320/344).
71
c) Ein weiterer Eingriff liegt im Abgleich der Daten mit solchen in polizeilichen Akten und Datenbanken oder bei anderen öffentlichen Stellen sowie mit öffentlich zugänglichen Daten als Akt der Auswahl für eine weitere Auswertung und Prüfung, ob zu der betroffenen Person Erkenntnisse von sicherheitsrechtlicher Bedeutung vorliegen (vgl. LT-Drs. 18/16620 S. 3 f.; BVerfGE 115, 320/344; 150, 244 Rn. 44). Der Eingriff liegt dabei zunächst in der Verknüpfung der Daten aus den unterschiedlichen Quellen mit dem Ziel, einen Kreis von Personen zu bestimmen, durch die das Sicherheitsrisiko verwirklicht werden kann, um erforderlichenfalls gegen diese Personen weitere Maßnahmen ergreifen zu können. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei den Daten teilweise um bereits anderweitig erhobene und deshalb in den Datenbanken der Polizei oder anderer öffentlicher Stellen schon befindliche Daten handelt. Denn sie werden nach eigenen Kriterien zusammengeführt und aufbereitet, um sie für eine eigene Zuverlässigkeitsüberprüfung auszuwerten und gegebenenfalls gemäß Art. 60 a Abs. 2 Satz 1 bzw. Satz 7 PAG weiteren Stellen für deren Zuverlässigkeitsüberprüfung zur Verfügung zu stellen (vgl. BVerfG vom 24.4.2013 BVerfGE 133, 277 Rn. 95). Der Datenabgleich durch die Polizei erfolgt dabei auf der Grundlage des Art. 61 Abs. 1 Satz 2 PAG i. V. m.
Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG (vgl. LT-Drs. 18/16620 S. 3).
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d) Ein zusätzlicher Eingriff liegt schließlich in den Regelungen zur Übermittlung des Ergebnisses der polizeilichen Zuverlässigkeitsüberprüfung an andere öffentliche Stellen nach Art. 60 a Abs. 2 Satz 1 PAG und zur Mitteilung von Zuverlässigkeitsbedenken an nichtöffentliche Stellen nach Art. 60 a Abs. 2 Satz 7 PAG. Deren Wirkung besteht nicht nur darin, dass der Personenkreis ausgeweitet wird, der von den übermittelten Angaben Kenntnis erhält, sondern vor allem darin, dass diesem Personenkreis mit den Angaben ermöglicht wird, selbst weitere Maßnahmen gegen die betroffene Person zu ergreifen, insbesondere sie von dem begehrten Zugang und/oder der gewünschten Tätigkeit auszuschließen (vgl. BVerfG vom 14.7.1999 BVerfGE 100, 313/367). Dass diese Maßnahmen nicht durch die Polizei selbst, sondern durch die anderen Stellen ergriffen werden, ist für die Eingriffsqualität unerheblich.
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2. Die Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung entfallen nicht dadurch, dass die Datenverarbeitung nur mit schriftlicher oder elektronischer Zustimmung der Betroffenen zulässig ist.
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Zwar kann der grundrechtseingreifende Charakter der durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützten Befugnis des Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen, ausgeschlossen sein, wenn sich die betroffene Person wirksam mit der jeweiligen Datenverarbeitung einverstanden erklärt und dadurch über die Preisgabe ihrer persönlichen Daten selbst bestimmt (vgl. BVerfG vom 23.2.2007 NVwZ 2007, 688/690). Auf geschäftsähnliche Handlungen wie den Verzicht auf die Ausübung eines Grundrechts sind die Vorschriften über Willenserklärungen, insbesondere über Auslegung und Anfechtung, entsprechend anwendbar (BayObLG vom 26.10.2004 BayVBl 2005, 348/349). Die Zustimmung der betroffenen Person kann den grundrechtseingreifenden Charakter einer behördlichen Maßnahme aber nur dann ausschließen, wenn sie freiwillig erteilt wird. Freiwilligkeit setzt neben der Einwilligungsfähigkeit zum einen voraus, dass die Erklärung auf der Grundlage der gebotenen Aufklärung über den Inhalt und die Folgen der Zustimmung erfolgt, sodass sich die erklärende Person in vollem Umfang der Konsequenzen ihrer Zustimmung bewusst ist. Zum anderen muss die Erklärung frei von unzulässigem Druck, etwa durch das Inaussichtstellen von Nachteilen oder die Vorenthaltung von Vergünstigungen im Fall der Verweigerung der Zustimmung, erfolgen (vgl. BVerfG vom 23.3.2011 BVerfGE 128, 282/301; vom 25.10.2011 NStZ-RR 2012, 60 Rn. 21; Schwabenbauer in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, Buchst. G Rn. 53, 57 ff.). Maßgeblich ist insoweit, ob die betroffene Person eine echte oder freie Wahl hat, die Einwilligung zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden; eine Entscheidung ohne „echte Wahlfreiheit“ ist keine freiwillig abgegebene Willensbekundung (vgl. Erwägungsgrund 35 der Richtlinie (EU) 2016/680 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 42 und 43 DSGVO).
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Eine echte oder freie Wahl liegt bei der Zustimmung nach Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG nicht vor. Zwar setzt eine wirksame Zustimmung im Sinn dieser Bestimmung gemäß Art. 60 a Abs. 2 Satz 4 PAG eine umfassende Information über Ablauf und Inhalt des polizeilichen Überprüfungsverfahrens voraus; dabei muss gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 1, Art. 66 Satz 1 PAG i. V. m. Art. 1, 28 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BayDSG, Art. 4 Nr. 11, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a, Art. 7 DSGVO die betroffene Person vor der Erteilung der Zustimmung umfassend auch über die vorgesehene Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten, über den Zweck der Verarbeitung sowie über die jederzeitige Widerruflichkeit der Zustimmung informiert werden. Es fehlt aber an der für die Freiwilligkeit erforderlichen echten Wahlfreiheit. Denn abgesehen davon, dass es im Polizeirecht schon angesichts des regelmäßig bestehenden Verhältnisses der Über- und Unterordnung zwischen Staat und Bürger an einer autonomen und freien Willensentscheidung mangeln dürfte (vgl. Schieder, GSZ 2021, 16/17 f.), muss die betroffene Person im Fall der Verweigerung der Zustimmung nach Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG Nachteile befürchten, nämlich die Vorenthaltung des von ihr begehrten privilegierten Zugangs und/oder der beabsichtigten Tätigkeit, die Anlass für die Zuverlässigkeitsüberprüfung war. Dass diese Nachteile nicht unmittelbar von der Polizei, sondern von den anderen Stellen bewirkt werden, ist aus Sicht der Betroffenen unerheblich.
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3. Die Eingriffe in das durch Art. 100 i. V. m. Art. 101 BV verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
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Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht vorbehaltlos gewährleistet. Vielmehr hat der Einzelne Einschränkungen im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen. Diese Einschränkungen bedürfen einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die insbesondere dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) ergebenden Gebot der Normbestimmtheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss (vgl. VerfGHE 59, 29/34 f. m. w. N.; VerfGH vom 15.5.2014 VerfGHE 67, 73 Rn. 134; BVerfGE 115, 320/344 f.). Dem genügt Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG.
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a) Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG verstößt nicht gegen das Gebot der Normbestimmtheit.
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aa) Der Bestimmtheitsgrundsatz verpflichtet den Normgeber, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Klarheit und Justiziabilität entsprechen. Normen müssen so formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen können und die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Vorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren. Dem Bestimmtheitserfordernis ist genügt, wenn mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden unter Berücksichtigung von Ziel, Tendenz, Programm, Entstehungsgeschichte und Zusammenhang mit anderen Vorschriften eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Vorschrift gewonnen werden kann (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 26.2.2021 BayVBl 2021, 336 Rn. 35 m. w. N.).
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Ermächtigt eine gesetzliche Regelung zu einem Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so hat das Gebot der Bestimmtheit und Klarheit zudem die spezifische Funktion, eine hinreichend präzise Umgrenzung des Verwendungszwecks der betroffenen Informationen sicherzustellen. Auf diese Weise wird das verfassungsrechtliche Gebot der Zweckbindung der erhobenen Information verstärkt. Ist nämlich der Zweck nicht festgelegt, entsteht das Risiko einer Nutzung der Daten für Zwecke, für die sie nicht erhoben wurden. Anlass, Zweck und Umfang des jeweiligen Eingriffs sind daher durch den Gesetzgeber bereichsspezifisch, präzise und normenklar festzulegen (vgl. BVerfG vom 13.6.2007 BVerfGE 118, 168/187; vom 11.3.2008 BVerfGE 120, 378/408 f.; 130, 151/202; 155, 119 Rn. 133; 156, 63 Rn. 212). Bei gestuften oder in verschiedene Eingriffe gegliederten Formen des Informationsaustauschs erstreckt sich das Gebot der Normenklarheit auf jede dieser Stufen (vgl. BVerfGE 130, 151/202).
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Die konkreten Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Ermächtigung richten sich nach der Art und der Schwere des Eingriffs, die sich aus der Art der vorgesehenen Maßnahme und der von ihr auf die betroffene Person ausgehenden Wirkungen ergeben (vgl. BVerfG vom 3.3.2004 BVerfGE 110, 33/55; NVwZ 2007, 688/690; BVerfGE 155, 119 Rn. 133 m. w. N.; vgl. auch VerfGH vom 11.11.1997 VerfGHE 50, 226/249; 59, 29/35). Je tiefer Maßnahmen in das Privatleben hineinreichen und berechtigte Vertraulichkeitserwartungen überwinden, desto strenger sind die Anforderungen an die Bestimmtheit (vgl. BVerfG vom 20.4.2016 BVerfGE 141, 220 Rn. 90 und 105). Im Bereich von Vorfeldermittlungen und bei Maßnahmen zur Gefahrenvorsorge sind die Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz wegen des hohen Risikos einer Fehlprognose besonders hoch (vgl. BVerfGE 110, 33/56; 113, 348/377 f.; OVG Hamburg vom 13.5.2015 - 4 Bf 226/12 - juris Rn. 48). Je geringfügiger dagegen ein Grundrechtseingriff ist, desto niedriger sind die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit (vgl. VerfGH vom 12.10.1994 VerfGHE 47, 207/217; 56, 28/45).
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bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen erfüllen die Regelungen in Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG die Anforderungen, die das Rechtsstaatsprinzip an die Bestimmtheit und Normenklarheit gesetzlicher Regelungen richtet, die zu Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ermächtigen. Der Gesetzgeber hat insbesondere den Anlass der Datenverarbeitung sowie den Zweck, zu dem diese erfolgt und zu dem die dadurch erlangten Erkenntnisse verwendet werden dürfen, noch hinreichend präzise und normenklar festgelegt. Auch enthält die Norm eine ausreichende Beschreibung der Eingriffsvoraussetzungen und der Einschränkung der Eingriffsbefugnisse.
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(1) Der Anlass und der Zweck der Datenverarbeitung durch die Polizei sind in der Bestimmung noch hinreichend präzise und normenklar umgrenzt.
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Aus Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG ergibt sich mit ausreichender Klarheit, dass eine polizeiliche Zuverlässigkeitsüberprüfung nicht anlasslos bei jeder Gelegenheit erfolgen darf, sondern nur „bei Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind“. Ziel ist die Prävention vor erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, mithin die Gefahrenvorsorge in Situationen, bei denen ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Allgemeinheit (z. B. bei Großveranstaltungen) oder für einzelne gefährdete Personen oder Objekte besteht, das von Personen aufgrund ihrer besonderen Zugangs- und/oder Tätigkeitsberechtigung ausgehen kann. Durch Art. 60 a PAG soll die Polizei in die Lage versetzt werden, mögliche Gefahrenlagen für die öffentliche Sicherheit bereits im Vorfeld frühzeitig zu erkennen, die von Personen ausgehen, die mit einer besonderen Berechtigung für den Zugang zu bestimmten Orten oder für bestimmte Tätigkeiten ausgestattet sind, und vorbeugend Maßnahmen zu ergreifen, um insbesondere auf den Ausschluss dieser Personen von den Berechtigungen hinwirken oder selbst Gefahrenabwehrmaßnahmen durchführen zu können (vgl. zu letzterer Zielrichtung LT-Drs. 18/16620 S. 4).
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Ebenfalls hinreichend bestimmt lässt sich der Regelung entnehmen, dass Zweck der polizeilichen Datenverarbeitung die Überprüfung der Zuverlässigkeit einer Person ist. Diese Begrenzung der Datenverarbeitung kommt bereits in der Legaldefinition der Zuverlässigkeitsüberprüfung in Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG sowie in der Überschrift der Vorschrift zum Ausdruck und ist für die Datenerhebung als ersten Schritt der Datenverarbeitung ausdrücklich in Art. 60 a Abs. 1 Satz 2 PAG festgelegt. Hierdurch ist sichergestellt, dass die Polizei nur solche Daten erheben und in der Folge auch speichern und abrufen darf, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit einer Person relevant sind. Die Übermittlung von Daten an andere Stellen ist darüber hinaus durch die Regelungen des Art. 60 a Abs. 2 Sätze 1 und 7 PAG auf das Ergebnis der polizeilichen Zuverlässigkeitsüberprüfung bzw. auf die Mitteilung von Zuverlässigkeitsbedenken beschränkt.
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(2) Dass Art. 60 a Abs. 1 PAG unbestimmte Rechtsbegriffe, wie etwa die Wendung „bei Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind“ enthält, ist entgegen der Auffassung des Antragstellers unschädlich. Weder aus dem Rechtsstaatsprinzip noch aus den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Gewaltenteilung ergibt sich ein Verbot für den Gesetzgeber, unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden, also Begriffe, die bei der Gesetzesanwendung noch der Konkretisierung bedürfen. Gerade im Bereich polizeilicher Aufgaben lässt die Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte eine genauere Umschreibung und Darstellung einzelner Tatbestandsmerkmale häufig nicht zu (vgl. VerfGH vom 19.10.1994 VerfGHE 47, 241/256; SächsVerfGH vom 14.5.1996 - Vf. 44-II-94 - juris Rn. 212). Auch die Häufung mehrerer unbestimmter Rechtsbegriffe in einer Rechtsnorm ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, solange die Norm insgesamt den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normenklarheit und Justiziabilität entspricht (vgl. VerfGHE 56, 28/45; BVerfG vom 7.7.1971 BVerfGE 31, 255/264; vom 20.10.1992 BVerfGE 87, 209/225; 110, 33/57; vom 24.7.2017 NVwZ 2017, 1526 Rn. 38). Das ist bei der Regelung des Art. 60 a Abs. 1 PAG der Fall, wie sich im Einzelnen aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt.
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(3) Der Begriff des „Sicherheitsrisikos“ selbst ist hinreichend bestimmt; er ist als Risiko für die öffentliche Sicherheit zu verstehen, die nach überkommenem Verständnis die Unversehrtheit von Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen sowie den Bestand und das Funktionieren des Staates, seiner Rechtsordnung und seiner grundlegenden Einrichtungen bezeichnet (vgl. LT-Drs. 2/4660 S. 14 f.; VerfGH vom 13.10.1951 VerfGHE 4, 194/205; BVerfG vom 14.5.1985 BVerfGE 69, 315/352; BVerwG vom 28.3.2012 BVerwGE 143, 74 Rn. 23; Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Polizeiaufgabengesetz und Polizeiorganisationsgesetz, Art. 11 PAG Rn. 92 f.). Der Begriff des Risikos ist von dem der Gefahr abzugrenzen, von dem er sich strukturell unterscheidet (vgl. BVerwG vom 26.6.2014 - 4 C 2.13 - juris Rn. 17). Eine (konkrete) Gefahr ist nach der Legaldefinition des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 PAG eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung von Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führt (vgl. auch LT-Drs. 8/8134 S. 17; VerfGHE 47, 241/256; VerfGH vom 7.2.2006 VerfGHE 59, 27/41; BVerfGE 141, 220 Rn. 111; BVerwG vom 26.2.1974 BVerwGE 45, 51/57; vom 3.7.2002 BVerwGE 116, 347/351). Demgegenüber stellt sich ein Risiko als Vorstufe der Gefahr dar (vgl. BVerwG vom 26.6.2014 - 4 C 2.13 - juris Rn. 17). Unter dem Begriff des „Risikos“ im Rechtssinn wird nach allgemeiner Auffassung die Möglichkeit des Eintritts einer nicht nur geringfügigen nachteiligen Einwirkung auf ein Schutzgut verstanden, soweit sie nicht praktisch ausgeschlossen erscheint (vgl. Kahl, DVBl 2003, 1105/1107 f. unter Bezugnahme auf die Definition in § 2 Nr. 5 des Entwurfs der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch - UGB-KomE; vgl. auch Breuer, NVwZ 1990, 211/213). Die Begriffe unterscheiden sich mithin hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit von Schäden. Während die Gefahr die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgutverletzung voraussetzt, ist das Risiko dadurch gekennzeichnet, dass lediglich die Möglichkeit einer Verletzung eines Schutzguts der öffentlichen Sicherheit besteht, aber noch nicht hinreichend sicher prognostizierbar ist, ob sie sich verwirklicht. Die Geschehnisse können in harmlosen Zusammenhängen verbleiben, aber auch den Beginn eines Vorgangs bilden, der in eine Gefahr mündet.
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Mit der Beschränkung auf Anlässe, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind, bringt der Gesetzgeber - wie bei dem Begriff der erheblichen Gefahr (vgl. dazu Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Polizeiaufgabengesetz und Polizeiorganisationsgesetz, Art. 11 PAG Rn. 79 unter Bezugnahme auf den Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, Beschluss der Innenministerkonferenz vom 11.6.1976 S. 19) - zum Ausdruck, dass nicht jedes geartete Sicherheitsrisiko die Polizei zur Überprüfung der Zuverlässigkeit einer Person berechtigt, sondern nur ein Sicherheitsrisiko für ein Rechtsgut von erheblichem Gewicht, wie für den Bestand und das Funktionieren des Staates, Leib und Leben oder die Freiheit einer Person oder bedeutende Eigentums- oder Vermögenspositionen. Der jeweilige Anlass muss aufgrund objektiver Kriterien mit erheblichen Risiken für ein gewichtiges Rechtsgut verbunden sein. Solche Kriterien können etwa die politische, religiöse oder sonstige Symbolträchtigkeit eines gefährdeten Orts oder Objekts (wie z. B. Ministerien, Konsulate ausländischer Staaten, militärische Einrichtungen, Synagogen), ein überregionales Medieninteresse an einer Veranstaltung oder die Anwesenheit einer besonders gefährdeten Persönlichkeit sein. Mit Veranstaltungen und Festivitäten typischerweise verbundene Phänomene, die etwa von Besuchern ausgehen können, wie Taschendiebstahl oder Beleidigungen, stellen für sich genommen noch keine derartigen Kriterien dar.
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Im Übrigen werden Anlässe, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind, exemplarisch durch die in Art. 60 a Abs. 1 Satz 3 PAG aufgeführten Regelbeispiele konkretisiert. Die Regelbeispiele geben der Wendung „Anlässe, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind“ Konturen und bilden einen Vergleichsmaßstab, bei welchen Gegebenheiten die Polizei von einem erheblichen Sicherheitsrisiko ausgehen kann (vgl. BVerfG vom 8.1.1981 BVerfGE 56, 1/16; SächsOVG vom 25.8.2000 - 2 B 381/00 - juris Rn. 28). Die Regelbeispiele nach Art. 60 a Abs. 1 Satz 3 Nrn. 1 bis 5 PAG sind auch für sich betrachtet hinreichend bestimmt. Dass einzelne Regelbeispiele wiederum unbestimmte Rechtsbegriffe aufweisen, ist nicht zu beanstanden und Ausdruck der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte, bei denen der Gesetzgeber eine polizeiliche Zuverlässigkeitsüberprüfung als sinnvoll und gerechtfertigt ansieht. So handelt es sich etwa bei dem Begriff des „gefährdeten Objekts“ in Art. 60 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 PAG um einen im Polizei- und Sicherheitsrecht gängigen Begriff (vgl. etwa Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 PAG, § 23 Abs. 2 Nr. 2 BPolG, § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZSKG, § 28 Abs. 1 Satz 1 WaffG), der ohne Weiteres im Rahmen der Gesetzesanwendung mit den herkömmlichen juristischen Auslegungsmethoden hinreichend konkretisiert werden kann (vgl. zur Bedeutsamkeit allgemein gebräuchlicher Gesetzesbegriffe VerfGHE 50, 226/249). So werden etwa in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 PAG als besonders gefährdete Objekte beispielhaft Verkehrs- oder Versorgungsanlagen oder -einrichtungen, öffentliche Verkehrsmittel und Amtsgebäude angeführt. Ebenso unbedenklich bezüglich ihrer Auslegungsfähigkeit sind weitere in den Regelbeispielen enthaltene Begriffe wie etwa der des „privilegierten Zutritts“ in Art. 60 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 PAG, welcher schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als Gegenbegriff zu einem allgemeinen, nicht durch besondere Berechtigung eingeräumten Zutritt zu verstehen ist. Gleiches gilt für die im Zusammenhang mit dem Begriff der „Unterlagen“ stehende Formulierung der „ähnlichen Inhalte“ in Art. 60 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 PAG, die nach allgemeinem Wortverständnis mit Unterlagen in Papierform vergleichbare, etwa in digitaler Form dokumentierte oder auf Tonträger aufgezeichnete Informationen erfasst, sowie für den in demselben Regelbeispiel enthaltenen Begriff der „sicherheitsrelevanten Erkenntnisse“, welcher aus dem Zusammenhang ohne Weiteres dahingehend verstanden werden kann, dass es sich hierbei um Erkenntnisse handelt, die für die öffentliche Sicherheit von Bedeutung sind.
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(4) Auch der Begriff der „Zuverlässigkeit“ ist hinreichend bestimmt. Es handelt sich hierbei um einen überkommenen, ursprünglich aus dem Gewerberecht (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO) stammenden, in zahlreichen sicherheitsrechtlichen Vorschriften (z.B. Art. 38 Abs. 6 PAG, Art. 8 Abs. 1 Nr. 1 BaySÜG, Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG, Art. 11 Abs. 1 Satz 2 SWG, Art. 20 Abs. 1 Satz 2 BayESG, § 7 Abs. 1 a LuftSiG, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG, § 5 Abs. 1 und 2 WaffG, § 34 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, Satz 4 GewO, § 14 Abs. 1 Nr. 3 AMG, § 13 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 DüngG) verwendeten unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist unzuverlässig, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens prognostisch nicht die Gewähr dafür bietet, dass er die in Rede stehende Tätigkeit zukünftig ordnungsgemäß durchführen wird (vgl. BVerwG vom 26.2.1997 - 1 B 34.97 - juris Rn. 8; vom 8.7.2020 BVerwGE 169, 131 Rn. 21; Brüning in Pielow, Gewerbeordnung, 2. Aufl. 2016, § 35 Rn. 19 ff.). Die Zuverlässigkeit einer Person ist nicht absolut, sondern auf die ausgeübte Tätigkeit ausgerichtet zu beurteilen, die betrieben werden soll (vgl. BVerwG vom 27.6.1961 NJW 1961, 1834; vom 11.11.1996 - 1 B 226.96 - juris Rn. 4; Marcks in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, § 35 Rn. 34). Auf dem Gebiet des Sicherheitsrechts ist die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel zu verneinen, wenn die betroffene Person eine Straftat begangen hat, die ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung erkennen lässt (vgl. BVerwG vom 16.10.1995 - 1 C 32.94 - juris Rn. 11 f. zu § 5 WaffG; vom 1.9.2021 - 1 WB 24.20 - juris Rn. 30 zu § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG; BayVGH vom 18.12.2018 - 8 CS 18.21 - juris Rn. 15 zu § 7 LuftSiG). Je schutzwürdiger die Rechtsgüter sind, die gefährdet werden können, und je höher der mögliche Schaden ist, umso höhere Anforderungen kann der Gesetzgeber an die Zuverlässigkeit von Bewerbern für eine entsprechende (berufliche) Tätigkeit stellen (vgl. BVerwG vom 14.12.1990 NVwZ 1991, 889/890). An der rechtsstaatlich hinreichenden Bestimmtheit dieses Begriffs bestehen daher keine Zweifel, mögen auch für jeden neuen Sachbereich neue Konkretisierungen erforderlich sein (vgl. BVerfG vom 4.8.2009 NVwZ 2009, 1429; vom 24.11.2010 BVerfGE 128, 1/60).
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(5) Ebenso kann durch Auslegung hinreichend bestimmt werden, was unter „Gefährdungsanalyse“ im Sinn von Art. 60 a Abs. 1 Satz 2 PAG zu verstehen ist. Es handelt sich insoweit um einen im Sicherheitsrecht gebräuchlichen Begriff, mit dem im Sinn der Gefahrenvorsorge ein Verfahren zur Ermittlung und Bewertung von Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit anhand objektiver Kriterien umschrieben wird (vgl. § 3 Nr. 13 TrinkwV; Nr. 1.2.2 Korruptionsbekämpfungsrichtlinie - KorruR - vom 13.4.2021, BayMBl Nr. 298). Der Begriff der Gefährdung bezeichnet im Unterschied zur Gefahr die bloße Möglichkeit eines Schadens ohne bestimmte Anforderungen an ihr Ausmaß oder ihre Eintrittswahrscheinlichkeit (vgl. BAG vom 12.8.2008 BAGE 127, 205/210). Nach der Gesetzesbegründung stützt sich die Gefährdungsanalyse auf den konkret geplanten Einsatzbereich der betroffenen Personengruppe sowie das ermittelte Gefährdungspotenzial im vorgesehenen Bereich (LT-Drs. 18/16620 S. 4).
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(6) Keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen auch hinsichtlich der Bestimmtheit des persönlichen Anwendungsbereichs des Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Norm nicht „grenzenlos“ weit gefasst. Zwar lässt sie grundsätzlich zu, dass bei Anlässen mit erheblichen Sicherheitsrisiken ein weitgefasster Personenkreis einer Zuverlässigkeitsüberprüfung durch die Polizei unterzogen werden kann. Durch Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG („soweit dies im Hinblick auf den Anlass und die Tätigkeit der betroffenen Personen erforderlich und angemessen ist“) ist aber sichergestellt, dass regelmäßig nur solche Personen überprüft werden, deren spezifische „Tätigkeit“ im Rahmen des mit einem erheblichen Sicherheitsrisiko verbundenen Anlasses Grund für die Überprüfung bietet. Das sind, wie sich auch aus den in Art. 60 a Abs. 1 Satz 3 Nrn. 1 bis 5 PAG angeführten Regelbeispielen hinreichend deutlich ergibt, in erster Linie Personen, die für ihre Tätigkeit im Rahmen des sicherheitsrelevanten Anlasses im Sinn des Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG mit einer besonderen Zugangsberechtigung ausgestattet (vgl. Regelbeispiele Nrn. 1, 2 und 4) oder - wie beim Personen- oder Objektschutz und bei der Unterstützung behördlicher Aufgaben (vgl. Regelbeispiele Nrn. 3 und 5) - mit einer schützenden oder unterstützenden Aufgabe betraut werden sollen, welche ein besonderes Vertrauen in die Verlässlichkeit bezüglich der Sicherheit von Personen oder Objekten oder der Erfüllung staatlicher Aufgaben begründet.
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Journalistinnen und Journalisten mit besonderer Zugangsberechtigung (etwa zu Veranstaltungen), die über den jeweiligen Anlass berichten, der mit einem erheblichen Sicherheitsrisiko im Sinn des Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG verbunden ist, können zwar grundsätzlich einer Zuverlässigkeitsüberprüfung unterzogen werden, wenn dies auf der Grundlage der Gefährdungsanalyse erforderlich und angemessen ist. Allerdings darf dies nicht etwa der Unterbindung oder Behinderung einer kritischen Berichterstattung dienen, sondern ausschließlich dem durch Art. 60 a Abs. 1 PAG bezweckten Schutz vor Risiken für gewichtige Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit durch die Anwesenheit der betroffenen Person. Nur wenn insoweit im Einzelfall beachtliche Sicherheitsbedenken bestehen sollten, kommt eine Zuverlässigkeitsüberprüfung von Journalistinnen und Journalisten in Betracht. Entsprechendes gilt für Personen mit besonderer Zugangsberechtigung bei Veranstaltungen, die etwa Inhaber eines sog. VIP- oder Backstagepasses sind. Auch sie erhalten die Zugangsberechtigung in der Regel nicht für eine Tätigkeit im Rahmen der Veranstaltung, die ein besonderes Vertrauen in ihre Verlässlichkeit bezüglich der Sicherheit von Personen oder Objekten begründet. Im Übrigen richtet sich der persönliche Anwendungsbereich des Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG nach der jeweiligen Tätigkeit der betroffenen Person, weshalb etwa Künstler und Sportler, die im Rahmen einer Veranstaltung auftreten, im Unterschied zu externen Dienstkräften (z.B. Verkäufer, Reinigungspersonal) von der Vorschrift regelmäßig nicht erfasst werden dürften.
95
Ebenso wenig sind typischerweise Personen, die an öffentlichen Versammlungen teilnehmen, von der Befugnisnorm des Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG erfasst. Denn insoweit scheidet eine auf Art. 60 a PAG gestützte Maßnahme schon infolge der Sperrwirkung der speziellen versammlungsrechtlichen Regelungen des Bayerischen Versammlungsgesetzes von vornherein aus. Somit fallen auch ehrenamtliche Ordner einer Versammlung nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Soweit nämlich das Versammlungsrecht abschließende Regelungen in Bezug auf polizeiliche Eingriffsbefugnisse enthält, geht dieses als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vor (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts; vgl. BVerfG vom 26.10.2004 BVerfGK 4, 154/158; BVerwG vom 21.4.1989 BVerwGE 82, 34/38; vom 25.7.2007 BVerwGE 129, 142 Rn. 30 m. w. N.; vom 3.5.2019 NVwZ 2019, 1281 Rn. 8). Entsprechende abschließende spezielle Befugnisnormen zur Beschränkung öffentlicher Versammlungen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit - auch im Hinblick auf die Teilnehmer - sind in Art. 12 und 15 BayVersG (vgl. Schmidbauer/Holzner, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2019, Rn. 1860) und - speziell für Ordner bzw. Leiter einer Versammlung - in Art. 10 Abs. 3 und Art. 13 Abs. 5 und 6 BayVersG enthalten.
96
b) Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG genügt auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
97
Der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedeutet, dass das zur Erreichung eines bestimmten gesetzgeberischen Ziels eingesetzte Mittel hierzu nicht schlechthin ungeeignet sein darf; ferner besagt er, dass das Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich sein muss. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz enthält außerdem das Übermaßverbot, d. h., dass unter mehreren geeigneten Mitteln das am wenigsten belastende Mittel zu wählen ist und dass der Einzelne nicht in einem zu dem angestrebten Zweck in krassem Missverhältnis stehenden Maß belastet werden darf. Dem Gesetzgeber steht ein weiter Spielraum für die Beurteilung der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit eines Gesetzes zu. Dies gilt besonders, wenn es sich um ein vielschichtiges Rechtsgebiet wie die Datenerhebung und -verarbeitung handelt. Die Einschätzung des Gesetzgebers, ob ein von ihm eingesetztes Mittel zu dem angestrebten Zweck in einem angemessenen Verhältnis steht und ob die Grenze der Zumutbarkeit eingehalten ist, beruht ebenso wie die generelle Entscheidung über die Ausgestaltung des Schutzkonzepts im Recht der Datenverarbeitung auf einer wertenden Abwägung zwischen den betroffenen Rechtsgütern der Allgemeinheit und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der Verfassungsgerichtshof hat insoweit nur zu prüfen, ob sich die vom Gesetzgeber im Rahmen seiner weiten Einschätzungs- und Beurteilungsprärogative und auf Grund einer wertenden Abwägung getroffenen Einschätzungen, in bestimmten Fällen die von ihm angewandten Mittel als geeignet und erforderlich sowie für zumutbar anzusehen, in einem nach den Maßstäben der Verfassung vertretbaren Rahmen halten (vgl. VerfGHE 50, 226/249 f. m. w. N.).
98
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält die angegriffene Regelung der verfassungsrechtlichen Überprüfung stand.
99
aa) Die in Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG normierten polizeilichen Befugnisse zur Datenverarbeitung für die Überprüfung der Zuverlässigkeit einer Person verfolgen einen legitimen Zweck. Ziel der Regelungen ist, wie insbesondere dem Wortlaut „bei Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind“ in Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG zu entnehmen ist, die Prävention vor erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, mithin die Gefahrenvorsorge in Situationen, bei denen ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Allgemeinheit (z. B. bei Großveranstaltungen) oder für einzelne gefährdete Personen oder Objekte besteht, das von Personen aufgrund ihrer besonderen Zugangs- und/oder Tätigkeitsberechtigung realisiert werden kann. Mit der Gefahrenvorsorge zum Schutz von Personen und Objekten verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Ziel.
100
bb) Die polizeiliche Zuverlässigkeitsüberprüfung ist geeignet, dieses Ziel zu erreichen.
101
Das Gebot der Geeignetheit verlangt den Einsatz nur solcher Mittel, mit deren Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, d. h. die Möglichkeit der Zweckerreichung. Das benutzte Mittel muss nicht das bestmögliche sein und nicht in jedem Einzelfall Wirkung entfalten; es genügt ein Beitrag zur Zielerreichung. Dem Gesetzgeber steht ein weiter Beurteilungsspielraum bei der Beurteilung der Zwecktauglichkeit eines Gesetzes zu (vgl. VerfGH vom 30.9.2004 VerfGHE 57, 113/122 m. w. N.).
102
Mit den Befugnissen zur Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen bei den in Art. 60 a Abs. 1 PAG angeführten Anlässen werden für die Polizei Möglichkeiten zur Ermittlung und Aufklärung von Bedrohungslagen geschaffen, die sonst nicht bestünden. Der Gesetzgeber durfte auch davon ausgehen, dass polizeiliche Zuverlässigkeitsüberprüfungen, die ein frühzeitiges Eingreifen der Polizei ermöglichen, um Gefahren für hochrangige Rechtsgüter abzuwehren, zur Erkennung von Bedrohungslagen geeignet sind.
103
Die Regelung ist entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht deshalb ungeeignet, weil Bayern nach der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 in Deutschland die niedrigste Kriminalitätsbelastung zu verzeichnen hat. Denn für die Eignung ist unabhängig von dem bereits vorherrschenden Sicherheitsniveau allein entscheidend, dass die Regelung zur Förderung des verfolgten Ziels, also zur Verbesserung der Sicherheitslage, beitragen kann. Ohne Bedeutung für die Eignung ist auch der Umstand, dass sich mit der Regelung des Art. 60 a PAG Angriffe wie der Sprengstoffanschlag auf das Oktoberfest am 26. September 1980, der Anschlag in einer Regionalbahn bei Würzburg am 18. Juli 2016 oder das Attentat am Olympia-Einkaufszentrum am 22. Juli 2016 in München nicht hätten verhindern lassen. Denn von der Regelung sind von vornherein nur mit privilegierten Zugangsberechtigungen oder besonderen Aufgaben betraute Personen, nicht aber generell Besucher oder Nutzer öffentlich zugänglicher Bereiche erfasst, und die Regelung soll gezielt insoweit der Verbesserung der Sicherheitslage dienen.
104
cc) Die in Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG normierte polizeiliche Zuverlässigkeitsüberprüfung ist zur Erreichung des gesetzlichen Ziels erforderlich. Der Gesetzgeber durfte die Vorschrift für erforderlich halten, um den Zweck der Gefahrenprävention zu erreichen.
105
Das Erforderlichkeitsgebot ist verletzt, wenn das Ziel der staatlichen Maßnahme auch durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, welches das betreffende Grundrecht nicht oder deutlich weniger einschränkt. Voraussetzung ist, dass das mildere Mittel zur Erreichung des Regelungszwecks ebenso geeignet ist. Im Rahmen des dem Gesetzgeber auch insoweit zustehenden weiten Beurteilungsspielraums kommt es darauf an, ob bei einem als Alternative in Betracht kommenden geringeren Eingriff in jeder Hinsicht eindeutig feststeht, dass er den fraglichen Zweck sachlich gleichwertig erreicht (vgl. VerfGHE 57, 113/122).
106
Ein milderes Mittel, das zur Verhinderung des Eintritts von Gefahren für die öffentliche Sicherheit denselben Erfolg verspricht wie die Zuverlässigkeitsüberprüfung, ist nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller geltend macht, die Regelung des Art. 60 a PAG könne klarer und konkreter gefasst werden, wie entsprechende Ermächtigungen für polizeiliche Zuverlässigkeitsüberprüfungen in den Ländern Berlin (§ 45 a ASOG Bln), Hamburg (§ 51 PolDVG), Rheinland-Pfalz (§§ 67, 68 POG) und Hessen (§ 13 b HSOG) zeigten, wird kein milderes, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung weniger einschränkendes Mittel aufgezeigt. Dies gilt auch für die vorgeschlagene gesetzliche Verpflichtung zur verfahrensrechtlichen Beteiligung des Landesbeauftragten für den Datenschutz, wenn eine Zuverlässigkeitsüberprüfung beabsichtigt ist. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz ist in der Ausübung seines Amts unabhängig. Zu seinen wesentlichen Aufgaben gehört die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz bei den öffentlichen Stellen als Aufsichtsbehörde (vgl. Art. 33 a Abs. 2 und 3 Satz 1 BV, Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayDSG). Diese Kontrollfunktion übt der Landesbeauftragte für den Datenschutz neben derjenigen der Aufsichtsbehörden und der Gerichte aus (vgl. VerfGHE 50, 226/257). Sie ist von erheblicher Bedeutung für einen effektiven Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 65, 1/46). Inwiefern eine darüber hinaus zwingend vorgeschriebene verfahrensrechtliche Beteiligung des Landesbeauftragten für den Datenschutz vor der Durchführung einer beabsichtigten Zuverlässigkeitsüberprüfung zu einer die Betroffenen weniger belastenden Maßnahme führen könnte, hat der Antragsteller nicht nachvollziehbar dargelegt.
107
dd) Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG verstößt nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinn.
108
(1) Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn verlangt insbesondere, dass die Einbuße an grundrechtlich geschützter Freiheit in keinem unangemessenen Verhältnis zu den Gemeinwohlzwecken steht, denen eine Grundrechtsbeschränkung dient. Der Gesetzgeber muss zwischen Allgemein- und Individualinteressen einen angemessenen Ausgleich herbeiführen. Dabei muss das Übermaßverbot gewahrt bleiben. Hierfür sind in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs der Bedeutung der Regelung für eine wirksame staatliche Aufgabenwahrnehmung gegenüberzustellen. Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn hat der Gesetzgeber die Ausgewogenheit zwischen der Art und Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und den zum Eingriff berechtigenden Tatbestandselementen andererseits zu wahren; zu Letzteren gehören die Eingriffsschwelle, die erforderliche Tatsachenbasis und das Gewicht der geschützten Rechtsgüter (vgl. VerfGHE 56, 28/49; BVerfGE 156, 11 Rn. 95 m. w. N.).
109
Das auf grundrechtlicher Seite einzustellende Eingriffsgewicht wird vor allem durch Art, Umfang und denkbare Verwendung der Daten sowie die Gefahr ihres Missbrauchs bestimmt. Dabei ist unter anderem bedeutsam, wie viele Grundrechtsträger wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind und unter welchen Voraussetzungen dies geschieht, insbesondere ob diese Personen hierfür einen Anlass gegeben haben. Maßgebend sind also die Gestaltung der Eingriffsschwelle, die Zahl der Betroffenen und die Intensität der individuellen Beeinträchtigung im Übrigen. Für das Gewicht der individuellen Beeinträchtigung ist erheblich, ob die Betroffenen als Personen anonym bleiben, welche persönlichkeitsbezogenen Informationen erfasst werden und welche Nachteile den Grundrechtsträgern aufgrund der Maßnahmen drohen oder von ihnen nicht ohne Grund befürchtet werden (vgl. VerfGHE 56, 28/49; BVerfG vom 4.4.2006 BVerfGE 115, 320/347; 156, 11 Rn. 95 f. m. w. N.; vom 26.4.2022 - 1 BvR 1619/17 - juris Rn. 157).
110
Auf Seiten der Gemeinwohlinteressen ist das Gewicht der Ziele und Belange maßgeblich, denen die polizeiliche Zuverlässigkeitsüberprüfung dient (vgl. VerfGHE 56, 28/49). Das Gewicht dieser Belange ist insbesondere von dem durch die Norm geschützten Rechtsgut und der Intensität seiner Gefährdung abhängig (vgl. BVerfGE 113, 348/385; BVerfG vom 11.3.2008 BVerfGE 120, 378/427).
111
(2) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs sind bei Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG die Grenzen des Übermaßverbots gewahrt. Der Gesetzgeber durfte die Interessen der von der Regelung betroffenen Personen geringer gewichten als das Gemeinwohlinteresse, das er mit der Regelung verfolgt.
112
(a) Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG ermächtigt die Polizei zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von mittelschwerem Gewicht.
113
Zunächst ist festzustellen, dass sämtliche von der Erhebung, dem Abgleich und der Übermittlung von Daten betroffenen Informationen Personenbezug haben und durch ihre Verknüpfung mit anderen Informationen persönlichkeitsbezogene Einblicke erlauben. Die Verarbeitung der Daten ist jedoch in mehrfacher Hinsicht beschränkt:
114
(aa) Durch die Erhebung personenbezogener Daten bei öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen werden die betreffenden Personen der Polizei bekannt mit der Folge, dass diese nach Maßgabe entsprechender Ermächtigungsgrundlagen weitere Grundrechtseingriffe vornehmen kann. Allerdings ist die Erhebung von Daten begrenzt durch den Anlass und die konkrete Tätigkeit der betreffenden Person (vgl. Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 a. E. PAG). Dies beschränkt den Kreis der Betroffenen insbesondere grundsätzlich auf den engeren Kreis von Personen, der bei dem betreffenden Anlass auch tatsächlich für die jeweilige Tätigkeit in Betracht kommt, z. B. Ordner bei einer Großveranstaltung, Personenschutz (vgl. Tischvorlage zur 41. Sitzung des Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes am 13.7.2021). Zudem ist die Datenerhebung durch den Zweck der Zuverlässigkeitsüberprüfung beschränkt (vgl. Art. 60 a Abs. 1 Satz 2 PAG), sodass nur solche Daten erhoben werden können, die zum Datenabgleich für die Überprüfung der Zuverlässigkeit einer Person für den jeweiligen Anlass und die Tätigkeit (z. B. Ordner bei einer Großveranstaltung, Personenschutz) benötigt werden; es handelt sich hierbei regelmäßig um die Grunddaten (Art. 53 Abs. 4 PAG) der zu überprüfenden Person, die der Bewerber um die besondere Zugangs- und/oder Tätigkeitsberechtigung der übermittelnden Stelle zur Verfügung gestellt hat und die für die Polizei zur eindeutigen Identifikation sowie gegebenenfalls zur Kontaktaufnahme mit dieser Person erforderlich sind (vgl. LT-Drs. 18/16620 S. 3). Hiervon sind typischerweise nicht erfasst die besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinn von Art. 30 Abs. 2 PAG i. V. m. Art. 10 Richtlinie (EU) 2016/680, also Daten, aus denen die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie genetische Daten, biometrische Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung, die den Kernbereich persönlicher Lebensgestaltung betreffen können. Von der Datenerhebung sind in der Mehrheit Personen betroffen, bei denen sich keine Zuverlässigkeitsbedenken ergeben und die daher für den Grundrechtseingriff lediglich durch ihre besondere Zugangsberechtigung und/oder beabsichtigte Tätigkeit Veranlassung gegeben haben. Insoweit handelt es sich um einen mit einer Identitätsfeststellung vergleichbaren Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen von geringfügigem Gewicht (vgl. VerfGHE 59, 29/39). Gleiches gilt für die Befugnis zur Identitätsfeststellung nach Art. 60 a Abs. 1 Satz 4 PAG.
115
(bb) Hinsichtlich der Speicherung der erhobenen Daten gelten die allgemeinen Regelungen der Art. 53 und 54 PAG. Nach Art. 53 Abs. 5 PAG ist die Dauer der Speicherung auf das erforderliche Maß zu beschränken. Für automatisierte Dateien sind Termine festzulegen, an denen spätestens überprüft wird, ob die Speicherung von Daten weiterhin erforderlich ist (Prüfungstermine); für nichtautomatisierte Dateien und Akten sind Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen festzulegen. Bereits laufende Speicherfristen werden im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfung aber nicht verlängert (vgl. LT-Drs. 18/16620 S. 5). Dies ergibt sich aus Art. 60 a Abs. 4 PAG, der ausdrücklich die Anwendung der sog. „Mitziehklausel“ des Art. 54 Abs. 2 Satz 6 PAG ausschließt, wonach für die Prüfungs- und Aufbewahrungsfrist der Zeitpunkt der letzten Speicherung maßgeblich ist, wenn innerhalb dieser Fristen weitere personenbezogene Daten über dieselbe Person gespeichert werden.
116
(cc) Auch der Abgleich der erhobenen und gespeicherten personenbezogenen Daten mit sicherheitsrelevanten Informationen, die bei der Polizei oder bei anderen öffentlichen Stellen vorhanden sind, ist durch den Anlass und die konkrete Tätigkeit der betreffenden Person sowie durch den Zweck der Zuverlässigkeitsüberprüfung begrenzt. Zum Abgleich dürfen daher nur solche Daten verwendet werden, die für den konkreten Anlass und für die Überprüfung der Zuverlässigkeit der betreffenden Person von Bedeutung sind, nicht aber Daten, die bei irgendwelchen öffentlichen Stellen über die betreffende Person vorhanden sind. Das Risiko einer unzulässigen Sammlung personenbezogener Daten auf Vorrat (vgl. BVerfGE 115, 320/350) wird dadurch ausgeschlossen. Welche Datenbanken konkret abgefragt werden und in welchem Umfang der Datenabgleich erfolgt, wird in der polizeilichen Gefährdungsanalyse festgelegt (vgl. LT-Drs. 18/16620 S. 3 f.) und damit nachvollziehbar dokumentiert. Ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Frage, inwieweit im Hinblick auf den jeweiligen Anlass und die Tätigkeit der betroffenen Person eine Datenverarbeitung nach Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 a. E. PAG erforderlich und angemessen ist, kommt der Polizei im Rahmen der Gefährdungsanalyse nach Art. 60 a Abs. 1 Satz 2 PAG nicht zu. Vielmehr ist auch für die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Datenverarbeitung von dem Grundsatz der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe auszugehen (vgl. BVerwG vom 1.3.1990 NVwZ 1991, 568/570; vom 25.11.1993 BVerwGE 94, 307; vom 22.9.2005 DVBl 2006, 574/577).
117
(dd) Bei der Bewertung der Schwere des Eingriffs im Rahmen der Datenübermittlung fällt ins Gewicht, dass die von der polizeilichen Zuverlässigkeitsüberprüfung Betroffenen nicht anonym bleiben, vielmehr deren Daten an Dritte weitergegeben werden mit dem Ziel, dass diese gegebenenfalls weitere Maßnahmen gegen die Betroffenen ergreifen. Allerdings werden nicht alle Daten an die Dritten weitergegeben, die vom Datenabgleich erfasst sind. Vielmehr beinhaltet die Datenübermittlung nach Art. 60 a Abs. 2 PAG eine Beschränkung dahingehend, dass nur das Ergebnis der polizeilichen Zuverlässigkeitsüberprüfung mitgeteilt werden darf, wenn die Beurteilung der Zuverlässigkeit einer öffentlichen Stelle obliegt (Art. 60 a Abs. 2 Satz 1 PAG), bzw. nur die Bewertung, dass Zuverlässigkeitsbedenken bestehen, wenn die Mitteilung an eine nichtöffentliche Stelle erfolgt (Art. 60 a Abs. 2 Satz 7 PAG). Die Übermittlung dieser Informationen hat für die betroffene Person jedoch nicht unerhebliche Folgen, weil sie bei einer negativen Zuverlässigkeitsbeurteilung befürchten muss, aus dem Akkreditierungsverfahren um die von ihr begehrte Zugangs- und/oder Tätigkeitsberechtigung ausgeschlossen zu werden und damit die gewünschte Tätigkeit nicht ausüben zu können. Zudem kann eine für die betroffene Person negative Mitteilung für sie nachteilige Auswirkungen auf ein bereits bestehendes Beschäftigungsverhältnis haben, etwa wenn dessen Fortführung von Seiten des Arbeitgebers infolge der Mitteilung, dass Zuverlässigkeitsbedenken bestehen, beendet wird.
118
Auch wenn die überwiegende Zahl der überprüften Personen keine Nachteile durch die Zuverlässigkeitsüberprüfung befürchten muss, weil sich aufgrund des Datenabgleichs keine Zuverlässigkeitsbedenken ergeben, fällt für die Eingriffsintensität ins Gewicht, dass auch diese Personen von der Zuverlässigkeitsüberprüfung betroffen sind. Für die Beurteilung der Angemessenheit einer Maßnahme ist aufgrund der objektiven Bedeutung des Grundrechts die Gesamtzahl aller davon erfassten Personen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG vom 12.3.2003 BVerfGE 107, 299/328; 115, 320/357).
119
Die Schwere dieses Eingriffs wird jedoch dadurch gemindert, dass der Gesetzgeber verfahrensrechtliche Vorkehrungen getroffen hat, um das Risiko fehlerhafter Mitteilungen aufgrund einer unberechtigten Bewertung der Zuverlässigkeit der Betroffenen zu minimieren. Hat die Polizei Zuverlässigkeitsbedenken, ist die betroffene Person darüber nach Art. 60 a Abs. 2 Satz 2 PAG vor der Datenübermittlung an die andere Stelle zu informieren, wenn die betroffene Person dies schriftlich oder in elektronischer Form gegenüber der Polizei zuvor erklärt hat. In diesen Fällen muss die Polizei der betroffenen Person Gelegenheit geben, in einem sog. „Clearing-Verfahren“ Einwände gegen die Sicherheitsbedenken schriftlich oder in elektronischer Form vorzubringen, und diese noch vor der Übermittlung des Ergebnisses der Zuverlässigkeitsüberprüfung an den Dritten nach Art. 60 a Abs. 2 Satz 1 PAG bzw. der Mitteilung der Zuverlässigkeitsbedenken nach Art. 60 a Abs. 2 Satz 7 PAG prüfen. Hierdurch wird sichergestellt, dass sich die betroffene Person bei Einwänden gegen polizeiliche Zuverlässigkeitsbedenken an die Polizei wenden und durch Mitteilung entscheidungsrelevanter Tatsachen eine Überprüfung dieser Bedenken veranlassen kann (vgl. LT-Drs. 18/16620 S. 4). Darüber hinaus steht den Betroffenen ein umfassendes Auskunftsrecht über sie betreffende personenbezogene Daten gemäß Art. 65 PAG zu sowie unter den Voraussetzungen des Art. 62 Abs. 1 und 2 PAG ein Anspruch auf Berichtigung und Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten.
120
(ee) Sämtliche Befugnisse zur Datenverarbeitung nach Art. 60 a PAG sind zudem von der Zustimmung der Betroffenen abhängig. Dies führt zwar nicht zum Ausschluss eines Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Zuverlässigkeitsüberprüfung wird hierdurch aber zu einer offenen Maßnahme, über die die betroffene Person - soweit nicht ein Ausnahmefall nach Art. 60 a Abs. 2 Satz 6 i. V. m. Art. 65 Abs. 2 und 3 PAG vorliegt - gemäß Art. 60 a Abs. 2 Satz 4 PAG sowie Art. 31 Abs. 2 Satz 1 und Art. 66 Satz 1 PAG i. V. m. Art. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BayDSG, Art. 4 Nr. 11, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a, Art. 7 DSGVO umfassend informiert wird und die sie durch eine Verweigerung der Zustimmung oder durch die Ausübung ihres jederzeitigen Widerrufsrechts selbst verhindern kann. Hierdurch wird es den Betroffenen ermöglicht, schwere Folgen für möglicherweise bereits bestehende Arbeitsverhältnisse und Aufträge auf eigene Veranlassung abzuwenden (vgl. LT-Drs. 18/16620 S. 4). Die zu befürchtenden Nachteile der Betroffenen beschränken sich daher im Wesentlichen auf das Entgehen künftiger Chancen zum Erhalt der von ihnen begehrten privilegierten Zugangs- und/oder Tätigkeitsberechtigungen.
121
In einer Gesamtschau ergibt sich durch die polizeiliche Zuverlässigkeitsüberprüfung damit ein mittelschwerer Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
122
(b) Dieser Eingriff ist angesichts des Schutzes hochrangiger Rechtsgüter, denen die Regelung des Art. 60 a PAG dient, angemessen.
123
Dem mittelschweren Eingriffsgewicht polizeilicher Zuverlässigkeitsüberprüfungen entspricht es, dass sie zu ihrer Rechtfertigung jeweils auf Gründe gestützt werden müssen, die dem Schutz von gewichtigen Rechtsgütern dienen. Hierzu zählen insbesondere Rechtsgüter wie Leib, Leben und Freiheit der Person und der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder sowie das Funktionieren des Staates. Darüber hinaus kommen aber auch Rechtsgüter in Betracht, die unterhalb dieser Schwelle liegen, wie etwa der Schutz von nicht unerheblichen Sachwerten (vgl. BVerfGE 150, 244 Rn. 99 m. w. N.).
124
Wie sich dem Begriff der „erheblichen Sicherheitsrisiken“ in Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG und insbesondere auch den Regelbeispielen des Art. 60 a Abs. 1 Satz 3 PAG entnehmen lässt, sollen mit der Zuverlässigkeitsüberprüfung von Personen Risiken für gewichtige Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit minimiert werden, zu denen vor allem Leben und Gesundheit einer Vielzahl (z. B. bei Großveranstaltungen) oder einzelner Personen (z. B. Personenschutz) oder bedeutende Sachwerte (Amtsgebäude, Objektschutz) zählen, aber auch Risiken für die ordnungsgemäße Erfüllung staatlicher Aufgaben (Unterstützung behördlicher Aufgaben, Zugang zu sicherheitsrelevanten Unterlagen). Hierbei handelt es sich um Schutzgüter von hoher verfassungsrechtlicher Bedeutung, die der Staat zu schützen verpflichtet ist. Gemäß Art. 99 Satz 2 BV hat der Staat die Aufgabe, den Schutz seiner Einwohner nach innen durch die Gesetze, die Rechtspflege und die Polizei zu gewährleisten. Dieser staatliche Schutzauftrag umfasst die innere Sicherheit in einem weiten Sinn, also die gesamte öffentliche Sicherheit, d. h. die Individualrechtsgüter, die Rechtsordnung sowie den Staat und seine Einrichtungen (vgl. Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 99 Rn. 17; Holzner, Verfassung des Freistaates Bayern, 2014, Art. 99 Rn. 21). Die Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit der Bevölkerung sind Verfassungswerte, die mit anderen Schutzgütern im gleichen Rang stehen und unverzichtbar sind (vgl. VerfGHE 47, 241/255).
125
Das Gewicht der Gemeinwohlbelange hängt allerdings nicht nur von dem Gewicht der Rechtsgüter ab, die von der angegriffenen Norm geschützt werden, sondern auch von der Intensität ihrer Gefährdung (BVerfGE 113, 348/385; 120, 378/427). In dem Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zum Rechtsgüterschutz und dem Interesse des Einzelnen an der Wahrung seiner von der Verfassung verbürgten Rechte ist es dabei zunächst Aufgabe des Gesetzgebers, in abstrakter Weise einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu erreichen. Dies kann dazu führen, dass Grundrechtseingriffe einer bestimmten Eingriffsintensität erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorgesehen werden dürfen. Entsprechende Eingriffsschwellen sind durch eine gesetzliche Regelung zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 120, 378/428).
126
Dem Gesetzgeber ist es dabei nicht verwehrt, Eingriffsbefugnisse bereits im Vorfeld konkreter Gefahren zu schaffen, sofern ein angemessener Ausgleich zwischen den Allgemein- und Individualinteressen vorliegt. Beim Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz ist eine Gefahrenvorsorge seit langem anerkannt (vgl. BVerwG vom 17.2.1984 BVerwGE 69, 37/44; vom 28.6.2004 - 6 C 21.03 - juris Rn. 25; vgl. auch VerfGH vom 18.3.2020 BayVBl 2020, 372 Rn. 43 m. w. N.). Auch im Polizeirecht sind Grundrechtseingriffe im Bereich der Gefahrenvorsorge noch im Vorfeld einer konkreten Gefahr und den damit verbundenen qualifizierten Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts grundsätzlich zulässig (vgl. VerfGHE 56, 28/51; 59, 29/41 ff.; BVerfGE 115, 320/362; 141, 220 Rn. 104, 112; 155, 119 Rn. 150).
127
Allerdings rechtfertigt die Gefahrenvorsorge im Polizeirecht keinen beliebigen Ausgriff auf das Gefahrenvorfeld. Vielmehr ist es notwendig, die Einschreitschwelle mit der Intensität des Grundrechtseingriffs abzustimmen (vgl. VerfGHE 59, 29/42). Dies gilt selbst dann, wenn überragende Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen in Rede stehen. Eine angemessene Balance zwischen der Freiheit des Einzelnen und dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit verlangt vom Gesetzgeber, die Eingriffsvoraussetzungen der betreffenden Vorfeldbefugnisse so zu fassen, dass sich die mit ihnen verfolgten Vorsorgezwecke in einem angemessenen Verhältnis zu dem Grundrechtseingriff halten. Allgemein gilt auch im Bereich der Gefahrenvorsorge: Je gewichtiger die mögliche Rechtsgutbeeinträchtigung und je weniger gewichtig der Grundrechtseingriff ist, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine drohende Verletzung des Rechtsguts geschlossen werden kann, und desto weniger fundiert dürfen gegebenenfalls die Tatsachen sein, die einem Verdacht zugrunde liegen (vgl. BVerfGE 115, 320/360 ff.; 120, 378/429; BVerwG vom 14.9.2017 NVwZ 2018, 504 Rn. 19; vgl. auch VerfGHE 47, 207/217; 56, 28/45).
128
Unter Umständen kann auf das Wahrscheinlichkeitserfordernis ganz verzichtet werden, sodass eine Risikolage, also die bloße Möglichkeit eines Schadenseintritts, ausreicht. Um Willkür auszuschließen, setzt dies aber objektive Anhaltspunkte für die Annahme der Möglichkeit eines Schadenseintritts voraus. Risikoannahmen ins Blaue hinein sind verfassungsrechtlich unzulässig. Zudem muss die Intensität des Grundrechtseingriffs entsprechend herabgesetzt sein (vgl. VerfGHE 59, 29/42 f.). Bei schweren Grundrechtseingriffen, wie dies etwa bei staatlichen Überwachungsmaßnahmen der Fall ist, die tief in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung eingreifen, kann selbst bei höchstem Gewicht der drohenden Rechtsgutbeeinträchtigung auf das Erfordernis einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht verzichtet werden (vgl. BVerfGE 115, 320/361; 120, 378/429; 156, 63 Rn. 205; BVerfG vom 26.4.2022 - 1 BvR 1619/17 - juris Rn. 174 ff.).
129
Ein nach Intensität und den mit ihm verbundenen Folgen schwerer Grundrechtseingriff liegt bei der polizeilichen Zuverlässigkeitsüberprüfung nicht vor. Zwar sind bei jeder Überprüfung auch Personen in den Wirkungsbereich der Maßnahmen einbezogen, die den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben. Es handelt sich bei diesen Personen aber lediglich um den beschränkten Bewerberkreis für den jeweiligen privilegierten Zugang und/oder die gewünschte Tätigkeit. Im Übrigen hat dieser Grundrechtseingriff keinerlei negative Folgen für diesen Personenkreis. Dagegen haben diejenigen Personen, bei denen die Polizei Zuverlässigkeitsbedenken feststellt, einen Ausschluss aus dem jeweiligen Bewerbungsverfahren zu befürchten. Die Grundrechtseingriffe wiegen in ihrer Gesamtheit jedoch nicht so schwer, dass dem Interesse am vorbeugenden Schutz der in Rede stehenden gewichtigen Rechtsgüter der Allgemeinheit nicht der Vorrang eingeräumt werden könnte, selbst wenn keine Wahrscheinlichkeit, sondern nur die Möglichkeit der Verletzung dieser Rechtsgüter besteht. Dem Erfordernis objektiver Anhaltspunkte für die Annahme der Möglichkeit eines Schadenseintritts ist ebenfalls Rechnung getragen. Art. 60 a Abs. 1 Satz 1 PAG erfordert nämlich neben einem mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbundenen Anlass als Eingriffsschwelle für polizeiliche Zuverlässigkeitsüberprüfungen anlass- und tätigkeitsbezogene Kriterien, die nachprüfbar in einer Gefährdungsanalyse zu dokumentieren sind.
130
Dementsprechend durfte der Gesetzgeber dem Interesse an der Vorsorge vor Risiken für bedeutende Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit gegenüber dem Gewicht der Grundrechtseingriffe den Vorrang einräumen.
131
D. Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG verstößt auch nicht gegen die durch Art. 101 BV geschützte Berufsfreiheit.
132
1. Nach Art. 101 BV hat jedermann die Freiheit, innerhalb der Schranken der Gesetze und der guten Sitten alles zu tun, was anderen nicht schadet. Dieses Grundrecht erfasst auch die Berufsfreiheit. Für den berufsrechtlichen Anwendungsbereich des Art. 101 BV kann die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG herangezogen werden, der die Freiheit der beruflichen Betätigung gewährleistet (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 19.10.2017 VerfGHE 70, 225 Rn. 55; vom 21.4.2021 - Vf. 85-VII-20 - juris Rn. 61 m. w. N.). Danach wird neben der - mangels Beschränkung eines eigenständigen Berufs der Betroffenen (vgl. VerfGHE 65, 88/100 f.; BVerfG vom 28.11.1984 BVerfGE 68, 272/281 f.; vom 25.3.1992 BVerfGE 86, 28/38) hier nicht einschlägigen - Berufswahl die Berufsausübung geschützt. Das Grundrecht entfaltet seine Schutzwirkung aber nur gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich entweder unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen oder die zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben. Eine objektiv berufsregelnde Tendenz ist gegeben, wenn eine Regelung im Schwerpunkt Tätigkeiten betrifft, die typischerweise beruflich ausgeübt werden, oder wenn sie die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändert und aufgrund ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs steht. Dabei kommt es nicht nur auf die Zielsetzung, sondern auch auf die tatsächlichen Auswirkungen an. Die berufliche Tätigkeit muss zudem durch die Regelung nennenswert behindert werden. Der Grundrechtsschutz aus Art. 12 GG ist daher nicht auf Eingriffe im herkömmlichen Sinn beschränkt. Vielmehr kann der Abwehrgehalt des Grundrechts auch bei faktischen oder mittelbaren Beeinträchtigungen betroffen sein, wenn diese in der Zielsetzung und in ihren Wirkungen imperativen Eingriffen gleichkommen (vgl. BVerfGE 156, 63 Rn. 224 ff. m. w. N.; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 12 Rn. 15 m. w. N.).
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2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe greift Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG zwar nicht unmittelbar in die Berufsausübung der Betroffenen ein, weil die Norm die Polizei nur zur Durchführung einer Zuverlässigkeitsüberprüfung von Betroffenen berechtigt, ihr aber keine Befugnis einräumt, unmittelbar regelnd in die freie Berufsbetätigung einzugreifen. Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG könnte aber objektiv berufsregelnde Tendenz zukommen, weil die Regelung über die Zuverlässigkeitsüberprüfung sowohl im Hinblick auf ihre Zielsetzung, die betroffene Person gegebenenfalls von der Berechtigung zu einem privilegierten Zugang und/oder einer bestimmten Tätigkeit auszuschließen (vgl. LT-Drs. 18/16620 S. 4), als auch im Hinblick auf die Auswirkungen für die Betroffenen, bei denen Zuverlässigkeitsbedenken bestehen und mitgeteilt werden, einem unmittelbaren Eingriff in das Grundrecht der Berufsausübung möglicherweise vergleichbar ist.
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Die Frage kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil ein angenommener Eingriff in die Berufsausübung jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Eine Regelung der Berufsausübung ist zulässig, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und wenn die durch sie bewirkte Beschränkung der Berufsausübung den Betroffenen zumutbar ist (vgl. VerfGH vom 28.6.2013 VerfGHE 66, 101/119; vom 21.4.2021 - Vf. 85-VII-20 - juris Rn. 61). Diese Voraussetzungen sind - entsprechend den Ausführungen zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung - erfüllt.
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E. Das Grundrecht der in Art. 111 BV verbürgten Pressefreiheit wird durch Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG ebenfalls nicht verletzt.
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Auch insoweit kann im Ergebnis dahinstehen, ob ein Grundrechtseingriff vorliegt. Die Pressefreiheit gewährleistet neben der Freiheit der Verbreitung von Nachrichten und Meinungen auch den gesamten Bereich publizistischer Vorbereitungstätigkeit, zu der insbesondere die Beschaffung von Informationen gehört (vgl. BVerfG vom 28.8.2000 NJW 2001, 503/504; BVerwG vom 29.8.2019 NVwZ 2020, 1114 Rn. 13; Krausnick in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 111 Rn. 7 m. w. N.). In die Pressefreiheit wird durch jede staatliche Maßnahme eingegriffen, die zu einer Unterbindung oder Behinderung der geschützten Pressetätigkeit führt. Der Schutz vor Einwirkungen betrifft dabei nicht nur durch die Kriterien der Unmittelbarkeit und Finalität geprägte Eingriffe im traditionellen Sinne, wie negative oder positive Sanktionen, sondern kann auch bei mittelbaren Einwirkungen auf die Pressetätigkeit ausgelöst werden, wenn sie in der Zielsetzung und ihren Wirkungen Eingriffen gleichkommen (vgl. BVerfG vom 24.5.2005 BVerfGE 113, 63/76; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 39). Dies dürfte bei Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG nicht der Fall sein, weil die Norm nicht darauf gerichtet ist, die journalistische Arbeit bei Anlässen mit erheblichen Sicherheitsrisiken durch die Polizei oder mittelbar durch andere Stellen zu unterbinden oder zu behindern. Soweit Journalistinnen und Journalisten aufgrund der Gefährdungsanalyse im Einzelfall einer Zuverlässigkeitsüberprüfung unterzogen werden können, darf dies nicht der Unterbindung ihrer journalistischen Tätigkeit dienen, sondern ausschließlich dem Schutz vor Risiken für gewichtige Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit durch die Anwesenheit der betroffenen Person (vgl. oben unter C. 3. a) bb) (6)). Eine derartige mittelbare Einwirkung dürfte in Zielsetzung und Wirkung zumindest in der Regel einem Eingriff nicht gleichkommen. Jedenfalls wäre die Norm auch im Fall der Annahme eines Eingriffs zum Schutz der hochrangigen Rechtsgüter aus den dargelegten Gründen verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Art. 60 a Abs. 1 bis 4 PAG mit dem Auftrag, die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme auch im Hinblick auf die Tätigkeit der betroffenen Person zu prüfen, verlangt, etwaige Auswirkungen auf die Pressefreiheit, die von der Zuverlässigkeitsüberprüfung ausgehen könnten, mit in die Abwägung einzustellen.
VI.
137
Durch die Entscheidung über die Popularklage hat sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.
VII.
138
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).