VG Bayreuth, Urteil v. 28.01.2021 – B 2 K 19.701
Titel:

Ermessen bei der Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts

Normenketten:
BauGB § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 6, § 27 Abs. 1 S. 1, S. 3, § 28 Abs. 2 S. 1
VwGO § 114 S. 1
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Art. 40
Leitsätze:
1. Eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung bei Ausübung eines Vorkaufsrechts setzt voraus, dass nicht nur einzelne Entscheidungsgesichtspunkte ermittelt und dargestellt werden, sondern auch eine Gewichtung oder Abwägung des „Für und Wider“ der sich gegenüberstehenden öffentlichen und privaten Belange erkennbar ist oder andere Alternativen im Rahmen des Ermessensspielraums diskutiert werden. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da das Vorkaufsrecht auf Grundlage einer an Gemeinwohlaspekten orientierte Abwägung unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers und des Erwerbers nach pflichtgemäßem Ermessen auszuüben ist, besteht Veranlassung, an die Anhörung qualifizierte Anforderungen zu stellen. Im Hinblick auf die Abwendungsbefugnis des Käufers ist bereits in der Anhörung der Zweck, zu dem das Vorkaufsrecht ausgeübt wird, anzugeben. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Käufer muss durch die Anhörung in die Lage versetzt werden, zu prüfen, ob die Verwendung des Grundstücks bestimmbar ist, und ob er zu einer zweckentsprechenden Verwendung in der Lage ist. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausübung des Ermessens bei Entscheidung über ein Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 BauGB, Anforderungen an die Anhörung vor Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts, Ermessensentscheidung im Gemeinderat als zuständiges Organ, Diskussion von Alternativen, Abwendungsbefugnis des Käufers, Verwendungszweck
Fundstelle:
BeckRS 2021, 8881

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 18.07.2019, Az …wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre Kosten selbst.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen den Bescheid des beklagten Marktes … vom 18.07.2019, Az. … mit dem der Beklagte ein gemeindliches Vorkaufsrecht am Grundstück … Gemarkung … gegenüber der Klägerin ausübt.
2
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks … Gemarkung … Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 16.05.2019 (… des Notars …) verkaufte die Klägerin eine noch zu vermessende Teilfläche von ca. 2300 m² hiervon an die Beigeladene, vgl. Abschnitt I. 2. des notariellen Kaufvertrages. Die verkaufte Teilfläche liegt vollständig im Geltungsbereich des Bebauungsplans … vom 20.11.2011, zuletzt geändert am 22.03.2012. Am 21.05.2019 ging die Mitteilung des Notars bei der Gemeinde über den Kaufvertrag ein, mit der Bitte um Erteilung eines Negativzeugnisses i. S. d. §§ 24 ff. BauGB.
3
Mit Schreiben vom 02.07.2019 hörte die Gemeinde die Klägerin hinsichtlich der beabsichtigten Ausübung eines Vorkaufsrechts an. Ihr wurde Frist zur Äußerung bis zum 10.07.2019 gegeben. Mit Schreiben vom 10.07.2019 hörte die Gemeinde die Beigeladene hinsichtlich der Ausübung des Vorkaufsrechts an. Ihr wurde Frist zur Äußerung bis 16.07.2019 gesetzt. In den Anhörungsschreiben wurde jeweils angegeben, dass der Markt … beabsichtigt, das Vorkaufsrecht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB auszuüben, da die Fläche als Tausch- und Ersatzfläche für die Bebauung mit Wohngebäuden (Mehrfamilienhäuser) benötigt wird.
4
Die Klägerin und die Beigeladene schlossen am 10.07.2019 einen notariell beurkundeten Aufhebungsvertrag (… des Notars …) über den ursprünglichen Grundstückskaufvertrag. Eine Mitteilung hierüber ging durch Schreiben des Notars vom 10.07.2019 bei der Gemeinde am 11.07.2019 ein. Ebenfalls am 11.07.2019 fasste der Marktgemeinderat des Beklagten in öffentlicher Sitzung nach Beratung den Beschluss, das gesetzliche Vorkaufsrecht am Grundstück … der Gemarkung … zum Zweck der Bereitstellung von Wohnbauland gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB auszuüben. Mit Schreiben vom 18.07.2019, zugegangen am gleichen Tage, erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin den streitgegenständlichen Bescheid. In Umsetzung des Gemeinderatsbeschlusses wurde die Ausübung des Vorkaufsrechts alleine auf § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB gestützt. Eine weitergehende Begründung mit einer Verwendung des Grundstücks als Tausch- oder Ersatzfläche findet sich im streitgegenständlichen Bescheid nicht. Aus dem Auszug aus der Niederschrift der Sitzung des Marktgemeinderates des Beklagten ergibt sich, dass der Beschluss des Marktgemeinderates ebenfalls mit einer möglichen Verwendung als Tausch- und Ersatzfläche begründet wurde. Ein Ergebnis der Anhörung wurde dem Marktgemeinderat nach dem Auszug nicht mitgeteilt.
5
Mit Bescheid des Landratsamts … vom 16.09.2014 ist die bauaufsichtliche Genehmigung für den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit neun Wohnungen für das Grundstück erteilt worden. Eine Bebauung des Grundstücks ist seither nicht erfolgt.
6
Unter Abschnitt I. 5. des notariellen Kaufvertrags ist nunmehr als zu verwirklichendes Projekt der Neubau von zwei Sechsfamilienhäusern mit Kfz-Stellplätzen angegeben. Weiter wird im Kaufvertrag angegeben, dass der Verkäuferin in Erwägung ziehe, in dem zu errichtenden Objekt eine Wohnung zu kaufen. Die Fälligkeit des Kaufpreises wird unter Abschnitt III. an die Fertigstellungen der geplanten Wohnungen geknüpft.
7
Die Klägerin ist der Auffassung, der Bescheid sei rechtswidrig. Zunächst fehle es bereits an einem formwirksamen Kaufvertrag, an den das Vorkaufsrecht anknüpfen könne. Für das Entstehen des gemeindlichen Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BauGB sei ein wirksamer Kaufvertrag notwendig. Es seien nicht alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt, ordnungsgemäß beurkundet worden. Es habe zwischen den Parteien des Kaufvertrags eine Einigung dahingehend bestanden, dass der Kaufpreis einer Wohnung in dem auf dem Grundstück zu errichtenden Gebäude, die die Klägerin zu erwerben in Erwägung ziehe, um 15.000 EUR zu reduzieren sei, um den Aufwand der Klägerin für die von ihr bereits angelegte Hecke auszugleichen. Diese Abrede finde sich jedoch im notariellen Kaufvertrag nicht wieder. Die Abrede der Parteien, der Klägerin ein Optionsrecht für den Erwerb einer um 15.000 EUR verbilligten Wohnung einzuräumen, sei für die Klägerin treibende Kraft für den Verkauf gewesen. Andernfalls wäre das Grundstück zumindest nicht zu dem vereinbarten Kaufpreis veräußert worden. Dadurch sei der Kaufvertrag formnichtig gemäß §§ 311b Abs. 1 Satz 1,125 Abs. 1 BGB, was eine Nichtigkeit von Anfang an bedeute. Trotz notarieller Beurkundung sei demnach kein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen.
8
Darüber hinaus sei der streitgegenständliche Bescheid auch formell fehlerhaft, da er an einer Vielzahl von Anhörungsfehlern leide. Zum einen würden die Anhörungszeitpunkte auseinanderfallen, obwohl die Parteien des Kaufvertrags aus dem vorliegenden Kaufvertrag für den Beklagten zeitgleich bekannt gewesen seien. Sachliche Gründe hierfür seien nicht ersichtlich. Vielmehr sei die Beigeladene, die als einzige das Vorkaufsrecht durch Abgabe einer Bauverpflichtung nach § 27 Abs. 1 BauGB hätte abwenden können, bewusst später angehört worden, um dadurch die Abgabe der Bauverpflichtung nach Möglichkeit zu verhindern. In die gleiche Richtung würden auch die überaus knapp bemessenen Anhörungsfristen selbst deuten. Es sei auffällig, dass der Beschluss des Marktgemeinderats fünf Tage vor Ablauf der dem Beigeladene gesetzten Frist erfolgte. Dies lasse nur den Schluss zu, dass der Beklagte, das Vorkaufsrecht in jedem Fall - und unabhängig vom Inhalt einer etwaigen Stellungnahme der Beigeladenen - ausüben wollte. Maßgeblich seien demnach für den Beklagten nicht die Umstände des Einzelfalles - deren genaue Ermittlung vor Ablauf der Anhörungsfrist noch ausgestanden habe - gewesen, sondern andere, bereits feststehende Beweggründe, auf die die Anhörung der Beigeladenen keinen Einfluss mehr genommen habe. In der Feststellung zur Ausübung des Vorkaufsrechts bereits vor Anhörung der Beteiligten liege aber ein Ermessensfehler, weil die Beklagte erkennbar nicht bereit gewesen sei, alle wesentlichen Umstände in ihre Entscheidung mit einfließen zu lassen bzw. sich von sachfremden Erwägungen geleitet, bereits im Vorfeld festgelegt habe. Schließlich sei durch ein Auseinanderfallen der Begründungen des Anhörungsschreibens und des streitgegenständlichen Bescheids dieser entweder materiell rechtswidrig, weil der Vorkaufsrechtsbescheid den beabsichtigten Verwendungszweck falsch wiedergibt, oder formell rechtswidrig, weil die Anhörung der Vertragsparteien unter falschen Prämissen erfolgte. Die Anhörung der Vertragsparteien sei auch insoweit rechtswidrig, als den Vertragsparteien nach der in dem Anhörungsschreiben gewählten Formulierung nicht klar gewesen sei, dass es der Beklagten primär darum ging, das Kaufgrundstück einer zeitnahen Wohnbebauung zuzuführen. Dies hätten die Vertragsparteien aus dem angegebenen Verwendungszweck „als Tausch- und Ersatzfläche“ nicht herauslesen können. Insbesondere der Beigeladenen hätten alle erforderlichen Informationen für eine Abwendungsentscheidung zur Verfügung gestellt werden müssen. Dies setze insbesondere die Mitteilung über die vorgesehene Verwendung voraus. Hätte der Beklagte den Vertragsparteien bei der Anhörung unmissverständlich deutlich gemacht, dass es ihm um eine zeitnahe Wohnbebauung gehe, hätten die Parteien sehr schnell auf die bereits bestehende Bauabsicht der Beigeladenen hinweisen können, weshalb es der Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Beklagten zur Sicherstellung einer zeitnahen Wohnbebauung gar nicht bedurft hätte. Die Beigeladene habe erstmals aus dem angefochtenen Vorkaufsrechtsbescheid von dem eigentlichen Vorkaufsgrund, „eine zeitnahe Bebauung sicherzustellen“, erfahren. Schließlich hätten die Anhörungsschreiben keinen ausdrücklichen Hinweis auf bestehende Abwehrrechte beinhaltet, da es am Ende jeweils nur heiße „Auf die angefügten §§ 26 und 27 BauGB wird hingewiesen.“. Hierdurch seien die Vertragsparteien nicht ausreichend über die Abwehrrechte unterrichtet worden, weil diese nach Art und Umfang für die Parteien als juristische Laien regelmäßig unverständlich seien. In Anbetracht der Kürze der den Vertragsparteien gesetzten Anhörungsfristen werde man diese sicherlich auch nicht auf die Möglichkeit der Einholung eines qualifizierten Rechtsrats verweisen können, da man nicht davon ausgehen könne, dass dieser stets so kurzfristig verfügbar sei.
9
Zudem leide der angefochtene Vorkaufsrechtsbescheid auch an einer Vielzahl materieller Fehler. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei nicht gerechtfertigt, wenn der mit dem Zugriff auf das Grundstück verfolgte städtebauliche Zweck, nämlich die Wohnbebauung, durch den Käufer als dem künftigen Grundstückseigentümer erreicht werden könnte. Über dieses Kriterium gehe der angefochtene Bescheid lapidar mit der Behauptung hinweg, dass eine Verpflichtungserklärung des Käufers nicht vorliege und keinerlei Bestrebungen des Käufers in diese Richtung ersichtlich seien. Dies sei nach der verkürzten Anhörungsfrist und undeutlichen Anhörungsfrage ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Abwendungsrechte kaum verwunderlich. Es treffe auch nicht zu, dass für den Beklagten keinerlei Bestrebungen der Käuferin für eine Wohnbebauung ersichtlich waren. Es gebe eine Vielzahl von Quellen, aus denen dem Beklagten die Bauabsicht der Käuferin sehr wohl bekannt gewesen sei oder zumindest hätte gewesen sein müssen. Im Kaufvertrag vom 16.05.2019 werde die Bauabsicht als dessen Grundlage ausgewiesen. Die Baugenehmigung des Landratsamtes … vom 16.04.2014 sei unter Einbeziehung des Beklagten am 08.05.2019 verlängert worden. Der Geschäftsführer der Beigeladenen, habe beim Bauamt des Beklagten am 21.02.2019 vorgesprochen. Weiter bestünden Architektenplanungen für die Errichtung von zwei Mehrfamilienwohnhäusern auf dem streitgegenständlichen Grundstück. Auch die bereits durchgeführten Ausgleichsmaßnahme in Form der Anlegung einer Hecke spreche für eine Bauabsicht der Klägerin von Anfang an. Es könne daher nicht die Rede davon sein, dass keinerlei Bestrebungen der Beigeladenen für eine Bebauung ersichtlich gewesen wären. Bereits danach fehle es erkennbar am Allgemeinwohlinteresse und die Ausübung des Vorkaufsrechts sei in jedem Fall unverhältnismäßig. Weiter sei der angefochtene Bescheid auch insoweit nicht gerechtfertigt, als es im Gemeindegebiet des Beklagten ausreichend Baulücken und ausweisbares Bauland gebe. Dies betreffe insbesondere eine Vielzahl an unbebauten Grundstücken im Baugebiet des Bebauungsplans „Süd II“ sowie in den daran angrenzenden Gebieten westlich zur B…Straße und östlich zur L…Straße, vorgesehen für den neuen Bebauungsplan „Süd III“. Es sei zudem bekannt, dass auf einer Fläche nordöstlich des Bebauungsplans „Süd II“ der Eigentümer Wohnraum in Form von Mehrfamilienhäusern schaffen möchte. Die Gemeinde habe aber über längere Zeit einen bauwilligen Grundstückseigentümer die Bebauung nicht ermöglicht. Es wäre für den Beklagten ein Leichtes, selbst dem Mangel an Wohnraum abzuhelfen, ohne auf das Grundstück der Klägerin zuzugreifen.
10
Die Klägerin stellt daher die Anträge:
1. Der Bescheid des Marktes … vom 18.07.2019, Az. …, wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
11
Der Beklagte beantragt,
Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.
12
Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtmäßig war. Eine gesicherte Bauabsicht bestehe nicht. Die bisherigen Planungen für eine Bebauung seien alle nicht realisiert worden. Mit Bescheid des Landratsamtes … vom 16.09.2014 habe die Firma S. Z. GmbH & Co. KG, B… M…, die Genehmigung für ein Mehrfamilienhaus mit neun Wohnungen auf der Teilfläche der … der Gemarkung … erhalten. Am 21.04.2015 sei zudem von einem Herrn T. H., …, eine formlose Bauvoranfrage über den Neubau eines Einfamilienwohnhaus auf dem östlichen Teil des nach dem Bebauungsplan als Wohnbaufläche ausgewiesenen Bereichs der … der Gemarkung … beim Beklagten gestellt worden. Obgleich der Bau-, Umwelt- und Grundstücksausschuss des Beklagten in seiner Sitzung am 20.04.2015 erforderlichen Abweichungen vom Bebauungsplan zugestimmt habe, sei das Bauvorhaben nicht realisiert worden. Am 28.09.2015 sei von Herrn B. Z. eine neue Planung für ein Mehrfamilienhaus mit neun Wohnungen beim Beklagten eingereicht worden. Bauherr habe nun die …, sein sollen. Noch bevor der Bauantrag im Bau-, Umwelt- und Grundstücksausschuss des Beklagten am 15.10.2015 behandelt werden konnte, seien die Planunterlagen von Herrn Z. wieder abgeholt worden. Herr Z. habe mitgeteilt, dass noch weitere Planungen notwendig seien. Erst durch die E-Mail vom 13.08.2018 an das Landratsamt … von der E. M. GmbH, mit welcher die Verlängerung der Baugenehmigung der Firma S. Z. GmbH & Co. KG vom 16.04.2014 beantragt worden sei, habe der Beklagte davon Kenntnis erlangt, dass die Bauabsicht für die Realisierung des genehmigten Bauvorhabens noch nicht aufgegeben wurde. Mangels anderer Handlungsoptionen habe der Bau-, Umwelt- und Grundstücksausschuss des Beklagten in seiner Sitzung am 15.01.2019 der Verlängerung der Baugenehmigung zugestimmt. Eine Ablehnung wäre dem verfolgten Zweck - die zügige Herstellung von Wohnbebauung - zuwidergelaufen. Am 17.01.2019 sei durch E-Mail die Zustimmung zur Verlängerung der Genehmigung das gemeindliche Einvernehmen dem Landratsamt … mitgeteilt worden. Warum das Landratsamt … den Verlängerungsbescheid erst am 08.05.2019 erlassen hat, entziehe sich der Kenntnis des Beklagten. Weiter sei wohl zutreffend, dass der Geschäftsführer der Beigeladenen, im Februar 2019 bei einem Mitarbeiter des Beklagten, vorgesprochen habe. An konkretere Planabsichten könne sich dieser nicht erinnern, er habe jedenfalls darüber nichts aktenkundig gemacht, was allerdings erfolgt wäre, wenn die Planungsabsichten einen gewissen Konkretisierungsstand gehabt hätten. Ein konkretes und realisierungsbereites Konzept sei nicht vorgestellt worden. Hierdurch sei die Behauptung, eine Bebauung erfolge zeitnah, absolut unglaubwürdig. Wegen des zeitlichen Ablaufs habe der Beklagte von dem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht. Zudem seien im Hoheitsgebiet des Beklagten fast keine Bauplätze für einen Kauf verfügbar. Dies werde durch regelmäßig wiederkehrende Anfragen des Beklagten bei Eigentümern bestätigt. Im Hauptort des Beklagten sei die Nachfrage am größten. Für die geplanten Baugebiete in … seien die Aufstellungsbeschlüsse über die förmliche Einleitung des Bebauungsplanverfahrens nur vorsorglich getroffen worden. Hier stünden noch Grundstücksverhandlungen aus. Es könne derzeit nicht abgesehen werden, ob und wie viele Bauflächen letztlich entstehen. Auch das Gelände einer ehemaligen Brauerei stehe nicht für eine Wohnbebauung zur Verfügung. Vielmehr seien hier der Bau eines medizinischen Versorgungszentrums sowie Einrichtungen für betreutes Wohnen und ein Bürgerhaus geplant. Auch die Vertragsaufhebung führe nicht zum Entfallen des Vorkaufsrechts. Weiter habe es zum Kaufvertrag keine Nebenabreden gegeben, da andernfalls der Notar keine Beurkundung durchgeführt hätte. Geheime Vorbehalte seien unbeachtlich. Die Anhörung der Kaufvertragsparteien sei erfolgt. Es gebe keinen Grundsatz, dass die Anhörung bezüglich Käufer und Verkäufer gleichzeitig erfolgen müsse. Bei der einzuräumenden Äußerungsfrist sei die kurze gesetzliche Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts zu berücksichtigen. Ein Hinweis auf mögliche Einwendungen sei durch die Beifügung des entsprechenden Gesetzestextes erfolgt. Es bedürfe keine gesonderte Belehrung über die Abwendungsrechte. Sowohl aus der Anhörung als auch aus dem Ausübungsbescheid sei klar ersichtlich, dass es darum gehe, Mehrfamilienhäuser zeitnah in … gebaut zu bekommen. Alles andere sei Wortklauberei. Aus der Anhörung hätten sich keine neuen Erkenntnisse ergeben, die nicht schon dem Gemeinderat bekannt gewesen wären und in seine Entscheidung eingestellt worden seien.
13
Die mit Beschluss vom 20.11.2019 beigeladene … schließt sich mit Schriftsatz vom 17.04.2020 den Ausführungen der Klägerin vollumfänglich an. Der Vorkaufsbescheid des Marktes … sei für die Beigeladene überraschend gekommen, weil es mit dem Bauamt bereits über das geplante Objekt bestehend aus zwei Häusern Gespräche gegeben habe, ohne dass dabei von einem Vorkauf die Rede gewesen sei. Andernfalls hätte man die mit dem Beklagten besprochene Bauabsicht nochmals bestätigt und eine Bauverpflichtung abgegeben. Eigene Anträge stellt die Beigeladene nicht.
14
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die vorgelegten Behördenakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2021, § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.

Entscheidungsgründe

15
Die Klage hat Erfolg, da der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig ist und er die Klägerin in subjektiven Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
16
Der streitgegenständliche Bescheid ist - unabhängig von der Frage, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt ist gem. § 24 Abs. 3 Satz 1 Baugesetzbuch - BauGB - jedenfalls ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig.
17
Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist eine Ermessensentscheidung (Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 28 Rn. 3). Der Gemeinde kommt hier ein Entschließungsermessen hinsichtlich der Ausübung zu (Art. 40 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz - BayVwVfG -). Sie kann bei Vorliegen der Voraussetzungen ihr Vorkaufsrecht ausüben, muss dies aber nicht tun (BayVGH, U v. 06.02.2014 - 2 B 3.2570 -). Das Verwaltungsgericht prüft daher, ob der Verwaltungsakt deswegen rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, § 114 Satz 1 VwGO. Hinsichtlich der zweiten Variante kann weiter danach differenziert werden, ob die Behörde ihre Entscheidung auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen hat, sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder die einzelnen Gesichtspunkte nicht entsprechend ihres Gewichts gewürdigt hat (Rennert; in: Eyermann, VwGO, § 114, Rn. 22 ff.).
18
Eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung bei Ausübung eines Vorkaufsrechts setzt voraus, dass nicht nur einzelne Entscheidungsgesichtspunkte ermittelt und dargestellt werden, sondern auch eine Gewichtung oder Abwägung des „Für und Wider“ der sich gegenüberstehenden öffentlichen und privaten Belange erkennbar ist oder andere Alternativen im Rahmen des Ermessensspielraums diskutiert werden (BayVGH, U. v. 22.01.2016 - 9 ZB 15.2027 -). Ob im Einzelfall die konkreten Ausübungsvoraussetzungen vorliegen, beurteilt sich nach den Erwägungen der Gemeinde im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts. Insoweit hat der Gemeinderat als im hiesigen Fall nach Art. 29 GO zuständiges Entscheidungsorgan der Gemeinde den entscheidenden Sachverhalt zu ermitteln und die einzelnen Sachverhaltsbestandteile selbständig und im Verhältnis zueinander zu bewerten. Es sind bei der Entscheidung alle maßgeblichen Umstände und die Interessen der Beteiligten ausreichend zu berücksichtigen und abzuwägen (vgl. BayVGH, B. v. 13.10.2009 - 14 B 07.1760 - juris Rn. 40).
19
Gemessen daran erweist sich der streitgegenständliche Bescheid als ermessensfehlerhaft. Ob das Ermessen in rechtmäßiger Weise ausgeübt wurde, ist anhand der Niederschrift der Sitzung des Gemeinderats, in der die Ausübung des Vorkaufsrechts beschlossen wurde, und der Begründung des Bescheids (Art. 39 Abs. 1 Satz 2, 3 BayVwVfG) zu ermitteln.
20
Für den maßgeblichen Marktgemeinderatsbeschluss wird dem Marktgemeinderat zwar mitgeteilt, dass im Kaufvertrag, zu dem das Vorkaufsrecht ausgeübt werden soll, der Neubau von zwei Sechsfamilienhäusern als Vertragszweck angegeben ist. Dem Marktgemeinderat nicht mitgeteilt wird die Tatsache, dass unter Beteiligung der Marktgemeinde die Geltungsdauer der Baugenehmigung des Landratsamtes … vom 16.04.2014 am 08.05.2019 verlängert wurde. Auch im Bescheid wird hierauf nicht eingegangen, vielmehr wird fehlerhaft zugrunde gelegt, dass keinerlei Bestrebungen der Käuferin in Richtung einer Wohnbebauung des Grundstücks ersichtlich sind. Insoweit wird von einem zumindest teilweise fehlerhaften Sachverhalt ausgegangen. Dafür, dass nicht alle Tatsachen ermittelt wurden und von einem umfassend dargestellten Sachverhalt ausgegangen wurde, spricht auch die faktisch ausgefallene Anhörung der Käuferin. Erst mit Schreiben vom 10.07.2019 wurde die Käuferin angehört. Der Marktgemeinderat fasste seinen Beschluss am 11.07.2019. Entsprechend wird in den Bescheidsgründen darauf hingewiesen, dass der Marktgemeinderat seine Ermessensbetätigung auf die Aktenlage beschränkte. Jedoch ist nicht einmal die bestehende Aktenlage dem Marktgemeinderat vollständig vorgetragen worden.
21
Es wurde im hiesigen Fall nämlich auch übersehen, dass auch die Verkäuferin ausnahmsweise ein Interesse an der Bebauung durch die Käuferin haben kann und nicht nur ein Interesse am bloßen Verkauf selbst. Ganz unabhängig von der Frage einer möglichen Verbilligung der zu erwerbenden Wohnung um 15.000 EUR, die im Moment der Ermessensausübung nach der Aktenlage der Gemeinde nicht bekannt war, wird im Kaufvertrag dennoch das bei der Klägerin bestehende Interesse an einer Realisierung der Wohnbebauung deutlich, um daran partizipieren zu können. Im Kaufvertrag wird nämlich zum einen festgehalten, dass die Klägerin erwägt, eine Wohnung in dem geplanten Vorhaben zu erwerben. Zum anderen wird die Fälligkeit des Kaufpreises an die Fertigstellung der Wohnbebauung geknüpft. Gemäß §§ 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB, 464 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - würden diese Bedingungen auch gegenüber der Gemeinde gelten, da sich die Frage der Fälligkeit des Kaufpreises primär nach der Vereinbarung mit dem ursprünglichen Käufer richtet (Faust, in: BeckOK BGB, § 464 Rn. 5).
22
Hinzu kommt, dass die Klägerin bis zur Fälligkeit des Kaufpreises auf ausreichende Sicherheiten wegen freundschaftlicher und verwandtschaftlicher Verbindungen der Klägerin zur Beigeladenen verzichtet hat. Insoweit übernimmt die Klägerin bewusst das Insolvenzrisiko der Beigeladenen und ihrer Gesellschafter. Durch die Ausübung des Vorkaufsrechts kommt es zu einem Austausch der Schuldnerin. Auch mit dem Interesse der Klägerin an der Beigeladenen als Schuldnerin hätte sich der Beklagte in der Ermessensbetätigung auseinandersetzen müssen. Auch insoweit ist der Sachverhalt nicht vollständig ermittelt. In der angestellten Verhältnismäßigkeitsprüfung wird insoweit deshalb auch die Bedeutung der Vertragsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verkannt. Hierdurch wird auch die freie Wahl des Vertragspartners geschützt, in die durch die Ausübung des Vorkaufsrechts eingegriffen wird.
23
Ebenso kann eine eingehende Erörterung und Prüfung der Interessen der Verkäuferin und der Käuferin - wie sie im Bescheid behauptet werden - anhand der Niederschrift nicht nachvollzogen werden. Es fehlt eine substantiierte Auseinandersetzung im Sinne einer Bewertung und Gewichtung der einzelnen Belange zueinander. Insbesondere fehlt eine hinreichende Auseinandersetzung mit den Absichten der Beigeladenen, das erworbene Grundstück zur Wohnbebauung zu nutzen. Im hiesigen Fall wäre dies aber notwendig gewesen, da die Wohnbebauung bereits als Zweck des Kaufvertrages genannt wird. Die Käuferinteressen an einer Verwirklichung der geplanten Bebauung und den dazu notwendigen Grundstückserwerb werden den Interessen der Gemeinde an einer zügigen Wohnbebauung nicht gegenübergestellt. Es wird zwar dargelegt, weshalb die Gemeinde nicht mit einer zügigen Realisierung der Bebauung durch den Käufer rechnet, dies entbindet jedoch nicht davon, das Interesse am Grundstückserwerb mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Ermessenserwägungen einzustellen.
24
Endlich wird auch nicht dem vom VGH aufgestellten Kriterium, auch Alternativen zu diskutieren (BayVGH, B. v. 22.01.2016 - 9 ZB 15.2027 - juris Ls. 1) genüge getan. Diese strenge Anforderung an die Ausübung des Ermessens ergibt sich aus dem mit der Ausübung des Vorkaufsrechts verbundenen tiefgreifenden Eingriff in die Eigentums- und Vertragsfreiheit (Art. 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 Grundgesetz - GG -). In der Bescheidsbegründung wird nur knapp darauf abgestellt, dass keine milderen Mittel ersichtlich seien, eine Bebauung des Grundstücks sicherzustellen. Insoweit wird allerdings pauschal davon ausgegangen, dass keine Bauabsicht bestehen würde, unter Hintanstellung der Tatsachen, die Gegenteiliges belegen könnten und die auf weitere Möglichkeiten zur Sicherung der Bebauung schließen lassen.
25
Bereits aus der fehlerhaften Ermessensausübung ergibt sich die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides (Riese, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114 Rn. 72). Da auch Interessen der Klägerin nicht hinreichend berücksichtigt wurden, ist auch diese in ihrer grundrechtlich geschützten Eigentums- und Vertragsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG verletzt, womit ihr ein Aufhebungsanspruch zusteht.
II.
26
Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankommt, führt darüber hinaus auch die fehlerhafte Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG zur Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheides. Die Anhörung dient zwar auch zur Sachverhaltsaufklärung, ihr kommt aber ebenso die rechtsstaatliche Aufgabe zu, den im Verwaltungsverfahren Beteiligten Gehör zur Rechts- und Interessenswahrung zu ermöglichen.
27
a) Aus dem Wortlaut „ist Gelegenheit zu geben“ ergibt sich, dass es sich um einen verfahrensrechtlichen Anspruch handelt. Entscheidend ist daher, dass sich die Beteiligten äußern können und damit Möglichkeit erhalten, auf das Verfahren gestaltend einzuwirken. Die Behörde ist insoweit verpflichtet, die vorgebrachten Argumente zumindest in ihre Erwägungen einzubeziehen. Notwendig ist daher, dass dem Betroffenen die Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist gewährt wird. Dies kann im Einzelfall variieren. Jedenfalls ist aber Gelegenheit zu geben, die Interessen rechtzeitig in den Entscheidungsfindungsprozess einzubringen. Diese Pflicht hat der Beklagte jedenfalls gegenüber der Beigeladenen ersichtlich verletzt. Dieser wurde im Anhörungsschreiben vom 10.07.2019 Frist zur Äußerung bis 16.07.2019 gesetzt. Bereits am 11.07.2019 hat der Gemeinderat über die Ausübung des Vorkaufsrechts entschieden, ohne dass entsprechende Stellungnahmen der Beigeladenen hätten berücksichtigt werden können. Den mit der Anhörung verfolgten Zwecken genügt auch nicht die äußerst knappe Fristsetzung gegenüber der Klägerin. Das Anhörungsschreiben wurde ausweislich der Behördenakte am 02.07.2019 versandt, die Frist wurde bis 10.07.2019 gewährt. Selbst wenn das Anhörungsschreiben bei der Klägerin am 03.07.2019 eingegangen ist, wurden ihr nur 4 volle Arbeitstage zur Stellungnahme im Rahmen der Anhörung gewährt. In dieser Zeit kann kaum mit einer qualifizierten Stellungnahme betreffend die Ausübung eines Vorkaufsrechts gerechnet werden. Der Klägerin wurde insoweit die Möglichkeit genommen, sich gegenüber dem Beklagten im Verwaltungsverfahren zu den aus ihrer Sicht maßgeblichen Tatsachen zu äußern und so gestaltend auf die zu treffende Ermessensentscheidung einzuwirken.
28
b) Inhaltlich muss die Anhörung derart ausgestaltet sein, dass der Betroffene Art und Inhalt des in Aussicht genommenen Verwaltungsakts in seinen wesentlichen Zügen erfassen kann, damit für ihn der Verfahrensgegenstand überhaupt erkennbar ist und er sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen äußern kann. Erheblich sind insoweit die Tatsachen, von deren Vorliegen oder Nichtvorliegen die Entscheidung abhängig ist. Da das Vorkaufsrechts auf Grundlage einer an Gemeinwohlaspekten orientierte Abwägung (vgl. § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB) unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers und des Erwerbers nach pflichtgemäßem Ermessen auszuüben ist, besteht Veranlassung, an die Anhörung hier qualifizierte Anforderungen zu stellen. Im Hinblick auf die Abwendungsbefugnis des Käufers ist bereits in der Anhörung der Zweck, zu dem das Vorkaufsrecht ausgeübt wird, anzugeben. Insoweit ist die Schutzrichtung eine andere als die von § 24 Abs. 3 Satz 2 BauGB verfolgte. Zwar ist auch dort mit Blick auf die Abwendungsbefugnis der Verwendungszweck anzugeben, die Norm ermöglicht aber primär die Prüfung, ob die Inanspruchnahme des Grundstücks durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt ist und ob die Ermessensbetätigung rechtmäßig erfolgte. In erster Linie hat die § 24 Abs. 3 Satz 2 BauGB Bedeutung für die Anfechtung des Bescheids (EZBK § 24 Rn. 79; BeckOK BauGB § 24 Rn. 29).
29
Hingegen ist die Abwendungsbefugnis als subjektives öffentliches Recht ausgestaltet, welches zwar unabhängig von der Ausübung des Vorkaufsrechts besteht, aber nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB nur dann, wenn die Verwendung des Grundstücks nach den baurechtlichen Vorschriften bestimmbar ist. Insoweit muss der Käufer durch die Anhörung in die Lage versetzt werden, zu prüfen, ob die Verwendung bestimmbar ist, und ob er zu einer zweckentsprechenden Verwendung in der Lage ist. Fehlt es hieran, läuft auch die verfahrensrechtliche Möglichkeit nach § 27 Abs. 1 Satz 3 BauGB des Verkäufers leer, eine Verlängerung der Frist zur Ausübung der Abwendungsbefugnis bei der Gemeinde zu beantragen. Auch diese ist daran geknüpft, dass der Verkäufer glaubhaft machen kann, das Grundstück nach den baurechtlichen Vorschriften entsprechend zu verwenden. Die Verpflichtung zur Angabe des Verwendungszwecks bereits bei der Anhörung schützt daher den Käufer bei der Geltendmachung der Abwendungsbefugnis unter zwei Aspekten. Gemessen daran fehlt es im hiesigen Fall an einer inhaltlich hinreichenden Anhörung. Der Käuferin gegenüber wird der Zweck, zu dem das Vorkaufsrecht ausgeübt wird, nicht hinreichend bestimmt.
30
Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nummer 6 BauGB nur, wenn damit Flächen - unmittelbar oder mittelbar (als Tauschland) - für die Errichtung von Wohngebäuden oder für deren infrastrukturelle Ausstattung erworben werden sollen (BVerwG. B. v. 25.01.2010 - 4 B53/09, juris Rn. 5). Insoweit gibt der Beklagte in seinem Anhörungsschreiben einen zulässigen Zweck zur Ausübung des Vorkaufsrechts an. Der angegebene Zweck, Tauschgelände zu erwerben, schließt die Abwendung des Vorkaufsrechts allerdings nicht aus. § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB macht die Abwendung des Vorkaufsrechts nur davon abhängig, dass der Käufer bereit und in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist entsprechend den vorhandenen Festsetzungen des Bebauungsplans zu nutzen. Auch wenn die Gemeinde das Grundstück als Tausch- und Ersatzfläche verwenden möchte, kann sie damit die Abwendung des Vorkaufsrechts nicht hindern (OVG Saarlouis U. v. 23.06.1992 - 2 R 43/90, juris Rn. 46 a. E.).
31
Auf diesen Umstand weist das Anhörungsschreiben nicht in der gebotenen inhaltlichen Form hin. Das bloße Abdrucken der §§ 26, 27 BauGB genügt in der vorliegenden Konstellation nicht. Die Käuferin hätte selbst nämlich gerade nicht die Gelegenheit, das Grundstück als Tausch- oder Ersatzfläche zu nutzen. Vielmehr hat sie nur die Möglichkeit das Grundstück entsprechend der Festsetzungen des Bebauungsplans der Beklagten, der für dieses Grundstück besteht, zu nutzen. Aus dem Anhörungsschreiben selbst geht nicht mit der hinreichenden Bestimmtheit hervor, dass dies zur Ausübung der Abwendungsbefugnis genügt. Dies mag in einfachen Konstellationen genügen, in denen das Grundstück unmittelbar zum Zweck des Vorkaufsrechts genutzt werden soll, jedoch nicht im hiesigen Fall, in dem zumindest laut Anhörungsschreiben nur eine mittelbare Nutzung zum angestrebten Verwendungszweck erfolgen soll. Die Käuferin wird nicht entsprechend des Zwecks der Anhörung in die Lage versetzt, darüber zu entscheiden, ob sie in der Lage ist, die Abwendungsbefugnis aus § 27 Abs. 1 BauGB auszuüben.
32
c) Auch ist nicht offensichtlich, dass die Verletzung der Anhörungspflicht keinen Einfluss auf die Entscheidung in der Sache hatte im Sinne des Art. 46 BayVwVfG. Im Bereich von Ermessensentscheidungen, wie der Ausübung eines Vorkaufsrechts, kann grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte bei Beachtung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Hier bestand die konkrete Möglichkeit, dass der Gemeinderat in seiner Entscheidung am 11.07.2019 anders entschieden hätte, hätte er um die Verwendungsabsicht der Käuferin gewusst. Auch hätte die Entscheidung anders ausfallen können, hätte der Beklagte bereits aufgrund der Anhörung Kenntnis von den tatsächlich bestehenden Voraussetzungen der Abwendungsbefugnis gehabt.
33
d) Die mangelhafte Anhörung im Rechtsverhältnis der Gemeinde zur Beigeladenen führt auch im Rechtsverhältnis zur Klägerin zu einem Verfahrensfehler. Dies deshalb, weil das Vorkaufsrecht nach seiner materiellen Konstruktion in den §§ 24 ff. BauGB gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 gegenüber dem Verkäufer ausgeübt werden muss, allerdings gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB nur der Käufer die Möglichkeit zu Abwendung hat. Käufer und Verkäufer sind in gleicher Weise von der Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die Gemeinde betroffen. Sobald tatsächlich eine Abwendungsbefugnis des Käufers besteht, kann der Verkäufer ein Interesse daran haben, dass dieses auch ausgeübt wird, damit es nicht zu einem Schuldnerwechsel kommt. Bereits im Gesetz findet sich mit § 28 Abs. 3 Satz 1 BauGB ein entsprechendes Beispiel. Nur durch die Ausübung der Abwendungsbefugnis kann verhindert werden, dass die Gemeinde einen vom Kaufvertrag abweichenden zu zahlenden Kaufpreis festsetzt. Dies ist hier zwar nicht der Fall, allerdings macht die Norm deutlich, dass die Interessen von Käufer und Verkäufer miteinander verknüpft sind und nicht getrennt, sodass sie nicht jeweils für sich alleine betrachtet werden können. Durch die vertraglichen Regelungen zur Fälligkeit und Sicherheit sowie der Möglichkeit eine Wohnung im zu errichtenden Objekt zu erwerben und den Kaufpreis zu verrechnen, sind auch hier die Interessen der Klägerin als Verkäuferin mit denen der Beigeladenen derart eng verknüpft, dass auch die Klägerin in die Lage versetzt werden muss, beurteilen zu können, ob eine Abwendungsbefugnis besteht. Auch hier greifen die qualifizierten Anforderungen an die Anhörung, wie sie oben dargestellt wurden. Die Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG bezweckt insoweit auch den Schutz der Klägerin als Verkäuferin des streitgegenständlichen Grundstücks.
34
Insoweit ist die Klägerin auch in ihren eigenen subjektiven Rechten verletzt.
III.
35
Nicht entscheidungserheblich ist die Frage, ob der Grundstückskaufvertrag formnichtig nach §§ 311b Abs. 1 Satz 1, 125 BGB sein könnte. Es sei aber darauf hingewiesen, dass dies voraussichtlich hier nicht anzunehmen wäre. Das Formerfordernis eines an das Grundstücksgeschäft gekoppelten weiteren Vertrags greift nur ein, sofern beide eine rechtliche Einheit bilden. Dies ist nur dann der Fall, wenn nach dem Willen der Parteien die beiden Verträge nicht einzeln gelten sollen, sondern in ihrer Wirksamkeit miteinander stehen und fallen sollen. Von einer rechtlichen Einheit in diesem Sinne kann nur ausgegangen werden, wenn der Grundstückskaufvertrag von dem weiteren Vertrag abhängig ist und nicht umgekehrt, wenn der weitere Vertrag von Grundstückskaufvertrag abhängig ist (zum Ganzen Gehrlein, in: BeckOK BGB, § 311b Rn. 25). Im letztgenannten Sinne stellen sich allerdings die Regelungen im hiesigen Kaufvertrag dar. Die Klägerin erwägt nur, eine Wohnung in dem geplanten Objekt zu erwerben. Hier wird weder eine Rechtspflicht begründet, noch wird der Grundstückskaufvertrag von einem eventuellen weiteren Kaufvertrag über eine Wohnung abhängig gemacht. Entsprechend könnte auch keine Nichtigkeit des Grundstückkaufvertrags angenommen werden.