Inhalt

LG München I, Endurteil v. 30.03.2021 – 12 O 11163/20
Titel:

Intransparenz von Klauseln einer Betriebsschließungsversicherung trotz Aufzählung meldepflichtiger Krankheiten

Normenketten:
IfSG § 6, § 7, § 28, § 32
BGB § 307 Abs. 1 S. 2
AVB-BSV § 2 Nr. 2
Leitsätze:
1. Es ist zwar jeder Versicherung selbst überlassen, wie sie ihre vertraglichen Leistungen in den Versicherungsbedingungen beschreibt. Versicherungen sind auch nicht verpflichtet Betriebsschließungsversicherungen „dynamisch“ anzulegen oder Versicherungsschutz für Pandemien zu gewähren. Treu und Glauben gebieten jedoch, dass Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. 
2. Weder die Belehrungen nach § 42 IfSG noch nach § 4 Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) vermitteln den typischen Versicherungsnehmern einer solchen Versicherung Kenntnis über die in §§ 6 und 7 IfSG enthaltenen Bestimmungen. Daher kann entsprechendes Wissen auch nicht vorausgesetzt werden. Es kann zudem nicht erwartet werden, dass die Versicherungsnehmer den Text der Auflistung in den Versicherungsbedingungen Wort für Wort mit dem IfSG vergleichen, wobei sie sich den Text selbst besorgen müssen. 
3. Den Versicherungsnehmern muss in den Bedingungen der Betriebsschließungsversicherungen deutlich gemacht werden, dass der Versicherungsschutz in Bezug auf Betriebsschließungen nach dem IfSG Lücken aufweist, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, nach einem anderen Versicherungsprodukt zu suchen, den Versicherungsschutz entsprechend anzupassen oder anderweitig Vorsorge zu treffen. Dies wird in den vorliegenden Versicherungsbedingungen jedoch durch die gewählten Formulierungen nicht geleistet, weil die Lückenhaftigkeit verschleiert wird.
4. § 2 Nr. 2 der besonderen Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherungen ist mithin gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent und damit unwirksam.
5. Wird während der Zeit der behördlich angeordneten Schließung der Präsenzgastronomie Außerhausverkauf betrieben, ist der Betrieb nicht geschlossen und es besteht kein Versicherungsschutz nach der Betriebsschließungsversicherung.
1. Eine Versicherungsbedingung, die im Falle einer Betriebsschließung wegen aufgezählter meldepflichtiger, im Infektionsschutzgesetz namentlich genannter, das Sars-Cov-2 Virus nicht umfassender Krankheiten Deckung verspricht, ist unwirksam.  (Rn. 32 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Gastronomiebetrieb ist im Sinne der Betriebsschließungsversicherung nicht geschlossen, wenn er mit Außerhausverkäufen 50 bis 70 % des früheren Umsatzes erzielt. (Rn. 47 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betriebsschließungsversicherung, Betriebseinschränkung, Corona, Meldepflichtige Krankheiten, Aufzählung, Intransparenz, Allgemeine Versicherungsbedingungen
Rechtsmittelinstanzen:
LG München I, Berichtigungsbeschluss vom 01.04.2021 – 12 O 11163/20
OLG München, Endurteil vom 12.11.2021 – 25 U 2045/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 18.05.2022 – IV ZR 454/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 27.07.2022 – IV ZR 454/21
Weiterführende Hinweise:
Berichtigt durch Beschluss vom 01.04.2021.
Fundstellen:
MDR 2021, 684
VersR 2021, 641
BeckRS 2021, 5919
LSK 2021, 5919

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird bis zum 14.02.2021 auf 40.592,69 € und danach auf 57.179,11 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit den Maßnahmen wegen der Coronakrise geltend.
2
Die Klägerin betreibt eine Gaststätte in M.. Sie unterhält dafür seit dem 08.07.2015 bei der Beklagten eine „Profi-Schutz Sach-Versicherung“, die neben einer Firmen-Sachversicherung auch Schäden durch Betriebsschließungen erfasst (Versicherungsschein vom 08.07.2015, Anlage K 1 mit Versicherungsbedingungen Teil A und Teil B „verbundene Firmen-Sachversicherung - 2008“ (08), Anlage K 2 und Zusatzbedingungen für die Betriebsschließungsversicherung - 2008 (08), Anlage K 3. Vereinbart war für den Versicherungsbestandteil Betriebsschließun gen ein Versicherungsbeitrag von 1314,19 €.
3
Am 20.03.2020 erließ das bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege eine Allgemeinverfügung zum Vollzug des IfSG nach der Gastronomiebetriebe jeder Art untersagt wurden mit Ausnahme der Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen. Die Allgemeinverfügung trat am 21.03.2020 in Kraft und wurde inhaltlich durch nachfolgende Verordnungen bis mindestens 10.05.2020 aufrechterhalten. Mit der 8. und 9. BayIfSMV vom 30.11.2020 bzw. 30.11.2020 (Anlagen K 16 und K 17) wurde dieses Verbot zum 02.11.2020 mit Wirkung bis zum 20.12.2020 wieder in Kraft gesetzt.
4
Nach der Schadensmeldung der Klägerin aufgrund der ersten Betriebsschließung im März/April 2020 bot die Beklagte der Klägerin zur Abgeltung einen Betrag von 1400 € an, verweigerte jedoch weitere Zahlungen (Vergleichsangebot Anlage K 7, vorgerichtliche Korrespondenz, Anlage K8).
5
Der Versicherungsschein enthält folgende Bestimmungen:
„Diese Profi-Schutz Sach-Versicherung umfasst:
Profi-Schutz
Betriebsart: Gaststätte (nicht Bar, Diskothek, Tanzlokal)
Besondere Vereinbarungen/Hinweise:
- Erläuterung der Gefahrenabkürzungen:
…; (BS) = Betriebsschließungen; …
Versicherungsumfang:
… Schäden durch Betriebsschließungen (08)
beim Auftreten meldepflichtigen Infektionskrankheiten oder Krankheitserreger nach dem Infektionsschutzgesetz (Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen):
- der Ertragsausfallschaden bei Schließung des Betriebes durch die zuständige Behörde bis zu einer Haftzeit von 30 Kalendertagen
… Versicherte Gefahr gemäß Erläuterung:
(BS)
Ertragsausfall auf Erstes Risiko (08 B § 2)
Die Versicherungsbedingungen für die Verbundene Firmen-Sachversicherung-2008 (08) enthalten in Teil B folgende Bestimmungen:
§ 2 Ertragsausfall
2. Ertragsausfallschaden
a) Der Ertragsausfallschaden besteht aus den fortlaufenden Kosten und dem Betriebsgewinn in dem versicherten Betrieb, die der Versicherungsnehmer bis zu dem Zeitpunkt, von dem an ein Unterbrechungsschaden nicht mehr entsteht, längstens jedoch bis zum Ende der Haftzeit, infolge der Betriebsunterbrechung oder -beeinträchtigung nicht erwirtschaften konnte.“
6
Die Zusatzbedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließungen) - 2008 (08) ent halten folgende Bestimmungen:
㤠2 Versicherte Gefahren
1. Versicherungsumfang
Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb … schließt;
2. Meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten:
Es folgt eine Aufzählung von 22 Krankheiten, gegebenenfalls mit Varianten, jeweils in einem Fließtext durch einen Strichpunkt getrennt
b) Krankheitserreger:
Es folgt eine Aufzählung von 35 Krankheitserregern, gegebenenfalls mit Varianten, jeweils in einem Fließtext durch einen Strichpunkt getrennt
§ 4. Ausschlüsse
3. Krankheiten und Krankheitserreger
Der Versicherer haftet nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf.“
7
Die Klägerin behauptet, der Betrieb ihrer Gaststätte sei aufgrund der Allgemeinverfügung vom 20.03.2020 seit dem 21.03.2020 ununterbrochen bis zum 10.05.2020 geschlossen gewesen. Daher stünde ihr gemäß dem Versicherungsvertrag für die Zeit März/April 2020 ein Entschädigungsanspruch für die Maximalzeit von 30 Tagen zu. Der Betrieb der Klägerin sei vor der Schließung nicht auf einen Außerhausverkauf eingerichtet gewesen.
8
Wegen der zweiten Schließung im November/Dezember 2020 wurde die Klage erweitert.
9
Die Klägerin ist der Ansicht, es komme nicht darauf an, dass das Coronavirus in den maßgeblichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten nicht ausdrücklich genannt sei. Aus dem Versicherungsschein ergebe sich im Verhältnis zum Inhalt des Infektionsschutzgesetzes keine Einschränkung. Die Formulierung „Versicherte Gefahr gemäß Erläuterung: (BS)“ sei unverständlich, weil der Begriff „(BS)“ dem ganzen Vertragswerk nicht entnommen werden könne. Sofern sich die Beklagte auf die gesonderten Versicherungsbedingungen (08) beziehe, gehe das Leistungsversprechen im Versicherungsschein vor. Im Übrigen habe die Beklagte an keiner Stelle gegenüber der Klägerin klarstellend zum Ausdruck gebracht, dass außer in den Versicherungsbedingungen ausdrücklich benannten Krankheiten im IfSG auch Auffangtatbestände verwendet würden. Die Beklagte habe es unterlassen, den Gegenstand der Versicherung klar zu benennen. Insbesondere seien im Versicherungsschein keine Leistungsausschlüsse enthalten. Das IfSG sei wegen der dort enthaltenen Auffangtatbestände dynamisch ausgelegt. Die Versicherungsbedingungen würden sich auf §§ 6, 7 IfSG beziehen. Die Beklagte habe unter Ziffer 1.3 der besonderen Bedingungen für „Krankheiten und Erreger“ Ausschlussgründe abschließend geregelt. Der Ausschluss sei auf Prionenerkrankungen beschränkt worden. Leistungsausschlussmerkmale seien eng auszulegen. Die Beklagte hätte es in der Hand gehabt, den Umfang und Gegenstand des Versicherungsschutzes abschließend und klar zu benennen.
10
Zum Beleg für ihren Schaden verweist die Beklagte auf betriebswirtschaftliche Auswertungen und Erfassungsberichte zu Ein- und Ausgaben im März und April 2020, sowie eine Auflistung beseitigter Waren (Anlage K 4, Anlage K 12 und Anlage K 14, Anlage K 18 und Anlagen K 19/1 und 19/2). Auf diese Unterlagen wird Bezug genommen.
11
Die Klägerin beantragt zuletzt,
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40.592,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5,0 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 12.05.2020 zu zahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1434,40 € freizustellen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.586,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5,0 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 03.12.2020 zu zahlen.
12
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
13
Die Beklagte ist der Auffassung, es handele sich bei dem Coronavirus nicht um eine versicherte Krankheit oder einen versicherten Krankheitserreger nach den vereinbarten Vertragsbestimmungen. Die Versicherungsbedingungen seien weder unklar, noch würde der Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligt. Wenn der Versicherer die versicherten Gefahren, wie hier, positiv benennt, käme damit der Zweck zum Ausdruck, dass keine anderen, als die namentlich genannten Gefahren versichert seien.
14
Der Versicherer und die dahinter stehende Versichertengemeinschaft habe ein für den verständigen Versicherungsnehmer erkennbares berechtigtes Interesse, einen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abschließend beurteilbaren Vertragsinhalt zu vereinbaren und die versicherten Gefahren abschließend zu definieren. Das sei internationaler Marktstandard, der Kaufleuten jederzeit bekannt ist.
15
Im Hinblick auf die weitreichenden wirtschaftlichen Folgen für alle Branchenteilnehmer im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Verhütung der Pandemiefolgen sei auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar, dass es sich nicht um eine spezifische Risikosituation für den einzelnen Gastbetrieb handelt, die mit der Versicherungsprämie kalkuliert sei.
16
Im Übrigen gehöre zu jedem Ausbildungsberuf im Gastgewerbe eine genaue Aufklärung über Hygienemaßnahmen. Alle in diesem Bereich Tätigen seien zwingend nach § 43 Abs. 1 IfSG von Gesundheitsämtern über die Risiken ihrer Tätigkeit zu belehren, bevor sie ihre Berufstätigkeit aufnehmen dürfen. Damit sei es Angehörigen im Gastgewerbe jedenfalls bekannt, dass es zu neu auftretenden Risiken kommen kann. Damit bestehe keinesfalls die Erwartungshaltung, dass jedes Risiko meldepflichtig sei und Versicherungsschutz auslöse. Es gäbe zu viele Krankheiten und Erreger, die einen verheerenden wirtschaftlichen Effekt auf einen Betrieb haben können und dennoch nicht Gegenstand des IfSG und der behördlichen Eingriffsnormen sind. Eine ganz deutliche Mehrheit der Landgerichte lehne daher die Rechtsprechung des Landgerichts München I (12. Zivilkammer) ab und stelle zutreffend fest, dass kein Versicherungsschutz bestehe.
17
Zudem habe eine ordnungsgemäße Ermächtigungsgrundlage gefehlt. § 28 IfSG sei keine Ermächtigungsgrundlage zum Schluss aller Gewerbebetriebe.Es habe keine behördliche Verfügung direkt gegen die Klägerin gegeben. In ihrem Betrieb sei kein Virus aufgetreten.
18
Die Klägerin habe ihren Anspruch auch der Höhe nach nicht schlüssig vorgetragen. Sie habe nämlich die im Haftungszeitraum tatsächlich an gefallenen Kosten angeben müssen, sowie eine betriebswirtschaftliche Auswertung der letzten 3 Jahre für den angegebenen Haftzeitraum und die Tage, an denen der Betrieb auch ohne behördliche Anordnung geschlossen gewesen wäre.
19
In der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2021 wurde der Geschäftsführer der Klägerin angehört. Auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2021 und vom 23.03.2021, sowie den gesamten übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
21
Das Coronavirus ist zwar von den Versicherungsbedingungen erfasst. Der Betrieb der Klägerin war aber nicht geschlossen. Die Klägerin hat während der Dauer der behördlich angeordneten Betriebsschließungen Umsatz durch Außerhausverkauf getätigt.
I.
22
1. Die Betriebsschließung wegen der Coronapandemie ist nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten vom Versicherungsumfang erfasst. Dies ergibt sich aus der Auslegung des Versicherungsscheins und der Versicherungsbedingungen der Beklagten.
23
a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung entsprechend der Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse auszulegen, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufmerksam liest und vollständig unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges würdigt. Dabei kommt es auf den betreffenden Versicherungszweig an. Spricht der Versicherungsvertrag üblicherweise einen bestimmten Personenkreis an, so kommt es auf die Verständigungsmöglichkeiten und Interessen der Mitglieder dieses Personenkreises an. Maßgeblich für die Auslegung ist in erster Linie der Klauselwortlaut. Die vom Versicherer verfolgten Zwecke sind maßgeblich, sofern sie in den AVB Ausdruck gefunden haben, sodass sie dem aufmerksamen und verständigen Durchschnittsversicherungsnehmer erkennbar sind. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. (BGH, Urteil vom 22.01.2020, Az: IV ZR 125/18, ständige Rechtsprechung).
24
b) Betriebsschließungsversicherungen werden von gewerblich tätigen Versicherungsnehmern abgeschlossen, insbesondere von Betrieben, die mit der Lebensmittelherstellung oder -verarbeitung zu tun haben, aber auch mit der Betreuung von Menschen (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 IfSG). Bei solchen Unternehmen besteht die Gefahr, dass eine Behörde den Betrieb aufgrund von Vorschriften des IfSG schließt. Bei den Inhabern handelt es sich damit um geschäftserfahrene und gewerblich tätige Personen. Diese Personen sind gemäß §§ 43,42 IfSG zwar vom Gesundheitsamt bezüglich der Tätigkeitsverbote zu belehren, die bestehen, wenn diese Personen an bestimmten in § 42 IfSG aufgezählten Krankheiten oder Krankheitserregern leiden oder dessen verdächtig sind. In § 42 IfSG sind jedoch nicht alle Krankheiten und Krankheitserreger genannt, die in §§ 6 und 7 IfSG enthalten sind. Es gibt auch keine Auffangtatbestände. Auch die Hygieneanforderungen gemäß § 4 Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV), die den in diesem Gewerbe tätigen Personen bekannt sein müssen, vermitteln ein derartiges Wissen nicht.
25
2. Für die Vertragsbestimmungen der Beklagten bedeutet dies Folgendes:
26
a) Der Versicherungsschein nimmt zunächst seinem Wortlaut nach auf die „meldepflichtigen Infektionskrankheiten oder Krankheitserreger nach dem Infektionsschutzgesetz“ Bezug, ohne eine Einschränkung gegenüber dem Geltungsbereich des Infektionsschutzgesetzes vorzunehmen. Darüber hinaus enthält der Versicherungsschein noch den nicht näher erläuterten Satz „Versicherte Gefahr gemäß Erläuterung: (BS)“. „BS“ ist nach der Legende im Versicherungsschein die Abkürzung für „Betriebsschließung“. Die Klägerin stellt infrage, ob die Beklagte nicht durch einen eindeutigeren Verweis auf ihre besonderen Bedingungen zur Betriebsschließungsversicherung hätte sicherstellen müssen, dass der Versicherungsnehmer realisiert, dass die Beklagte nur nach Maßgabe dieser Bedingungen, also nicht für jeden Fall der Betriebsschließungen nach dem IfSG einstehen möchte. Jedoch hat die Beklagte gemäß der Eingangsdefinition im Versicherungsschein den Bezug zu ihren besonderen Versicherungsbedingungen hergestellt, sodass der für sich genommen etwas unverständliche oben angegebene Satz für die Auslegung ohne Belang ist. Der verständige Versicherungsnehmer wird zur Beschreibung des Versicherungsumfangs im Detail auch die besonderen Versicherungsbedingungen zur Betriebsschließung zurate ziehen.
27
Nach § 2 Nr. 1 der besonderen Bedingungen leistet die Beklagte Entschädigung, „wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)“ den versicherten Betrieb schließt. In Nr. 2. heißt es dann, dass „meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen“ „die folgenden im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ sind.
28
Die Formulierung ist zwar etwas umständlich, weil sie suggeriert, dass es Krankheiten und Krankheitserreger gibt, die nach den Versicherungsbedingungen meldepflichtig seien, was tatsächlich nicht der Fall ist. Beim aufmerksamen Lesen wird dem Versicherungsnehmer einer solchen Versicherung jedoch deutlich gemacht, dass der Versicherungsschutz nur für die nachfolgend aufgelisteten Krankheiten und Krankheitserreger gelten soll. Damit kann man allein dem Wortlaut der Bestimmungen nicht entnehmen, dass das Coronavirus zu den versicherten Risiken gehört.
29
b) § 2 Nr. 2 besonderen Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherung ist unter Berücksichtigung des § 2 Nr. 1 besonderen Bedingungen und der generellen Risikobeschreibung im Versicherungsschein jedoch intransparent und damit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.
30
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so zu gestalten, dass die Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers möglichst klar und durchschaubar dargestellt werden. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass die Klauseln die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (st. Rspr., z.B.: BGH, Urteil vom 09.05.2001, Az.: IV ZR 121/00; Palandt, 79. Aufl., § 307 BGB Rn. 21 m.w.N.). Wird der Versicherungsschutz durch eine AVB-Klausel eingeschränkt, so muss dem Versicherungsnehmer klar und deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel besteht (BGH, r + s 2013, 601 Rn. 9; r + s 2013, 382 Rn. 40, 41; r + s 2001, 124). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass die Versicherungsbedingungen ihm dies hinreichend verdeutlichen (BGH, Urteil vom 10.04.2019, Az.: IV ZR 59/18, Quelle: juris, Rn. 21).
31
Diese Verpflichtung der Versicherung nach der Rechtsprechung des BGH wurde von der Beklagten hier nicht genügend beachtet:
32
aa) Dem Versicherungsnehmer wird hier Ertragsausfallersatz bei Betriebsschließungen nach dem IfSG versprochen. Auf die Vorschriften des IfSG wird schon im Versicherungsschein Bezug genommen. Auch § 2 Nr. 1 der besonderen Bedingungen enthält keine diesbezügliche Einschränkung mit Ausnahme der Verweisung auf Nr. 2. In dieser Bestimmung wird auf die „in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ Bezug genommen, ohne darauf hinzuweisen, dass in §§ 6 und 7 IfSG noch weitere Tatbestände genannt sind, die in der nachfolgenden Aufzählung nicht enthalten sind. Dem Text der AVB ist nicht zu entnehmen, dass sich die Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger sich nicht mit dem Inhalt des §§ 6 und 7 IfSG deckt. Denn es fehlen die im IfSG enthaltenen Öffnungsklauseln oder Auffangtatbestände, nach denen „das Auftreten bedrohlicher übertragbaren Erkrankungen“ (§ 6 Nr. 5 IfSG) oder eines Krankheitserregers, mit Hinweis „auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit“ (§ 7 Abs. 2 IfSG) ebenfalls namentlich (d. h. mit dem Namen der betroffenen Person, § 9 IfSG) zu melden sind. Diese Öffnungsklauseln ermöglichen es den Behörden auch bei neu auftretenden bedrohlichen Krankheiten und Erregern den Betrieb zu schließen, auch wenn sie (die Krankheit oder der Erreger) noch nicht namentlich in §§ 6 und 7 IfSG aufgelistet ist. Dies ist eine wirtschaftlich bedeutsame Regelung, deren Fehlen in der Aufzählung in § 2 Nr. 2 der besonderen Bedingungen dem Versicherungsnehmer beim Studium der AVB verborgen bleibt. Die Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger wurde seit Einführung des IfSG am 01.01.2001 mehrfach geändert. Auslöser waren jeweils neu aufgetretene Krankheiten und Krankheitserreger, wegen derer die Gesundheitsbehörden bereits vorher nach diesen Öffnungsklauseln Maßnahmen nach dem IfSG ergreifen konnten. Von einer vollständigen und redlichen Information des Versicherungsnehmers durch die AVB kann damit nicht die Rede sein.
33
bb) Von dem typischen Versicherungsnehmer einer solchen Versicherung kann auch nicht erwartet werden, dass er den Text der Auflistung Wort für Wort mit dem IfSG vergleicht, wobei er sich den Text noch selbst besorgen muss (BGH, Urteil vom 27.01.2010, Az: IV ZR 50/09, Quelle: juris Rn. 13). Wie oben angegeben, ist Gastwirten auch kraft ihrer Hygienefortbildungen nach § 42 IfSG oder der Lebensmittelhygiene-Verordnung der hier maßgebliche Inhalt des Infektionsschutzgesetzes gerade nicht bekannt. Eine Klausel, die nur durch den Vergleich mit einer gesetzlichen Vorschrift in ihrer Tragweite erkennbar ist, die aber dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer dieser Versicherung nicht bekannt ist, ist intransparent (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 27.03.1995, Az: 4 RE-Miet 1/93; Quelle: juris, Rn. 18; so auch angedeutet in BGH, Urteil vom 21.07.2010, AZ: XII ZR 189/08, Quelle: juris Rn. 29 ff.). Die wahre Bedeutung der Aufzählung wird in § 2 der besonderen Bedingungen geradezu versteckt. Auch dies ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (OLG München, Urteil vom 08.08.2008, Az 25 U 5188/07; Quelle: juris, Rn. 32). Der Versicherungsnehmer kann den Wortlaut des § 2 Nr. 2 der besonderen Bedingungen mangels Kenntnis des Infektionsschutzgesetzes nämlich durchaus auch so verstehen, dass darin die §§ 6 und 7 IfSG vollständig zitiert und wiedergegeben werden.
34
cc) Es ist zwar jeder Versicherung selbst überlassen, wie sie ihre vertraglichen Leistungen in den Versicherungsbedingungen beschreibt. Es ist insbesnodere auch in anderen Versicherungszweigen üblich und anerkannt, dass einleitend in den Versicherungsbestimmungen die den Versicherungsfall verursachenden Ereignisse plakativ benannt und in weiteren Bestimmungen näher definiert werden. Derartiges findet sich z. B. in der Wohngebäudeversicherung, in der die versicherten Gefahren zunächst kurz benannt („Sturm “) und in den nachfolgenden Bestimmungen der Umfang des Versicherungsschutzes näher definiert wird (“wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort, …“). Diesen anderen Versicherungswerken ist gemeinsam, dass in der Einleitung überwiegend Begriffe aus der Alltagssprache verwendet werden, die eine gewisse Unschärfe beinhalten, sodass eine nähere Definition des Inhalts des Versicherungsumfangs erforderlich ist. Wo das legalerweise nicht der Fall ist, scheitert eine nähere Definition an der Zumutbarkeit, sodass der Verweis auf eine komplexe Gesetzeslage aus diesem Grund zulässig ist. Jedoch muss der Verwender zwischen mehreren möglichen Klauselfassungen diejenige wählen, bei der die kundenbelastende Wirkung einer Regelung nicht unterdrückt, sondern deutlich gemacht wird (vgl. dazu: BGH Urteil vom 10.07.1990, Az: XI ZR 275/89, Quelle: juris Rn. 18 und BGH Urteil vom 07.02.2019, Az: III ZR 38/18; Quelle: juris, Rn. 22 ff). Der Inhalt des Infektionsschutzgesetzes ist im Infektionsschutzgesetz selbst exakt definiert. Wenn nicht alles versichert werden soll, was sich aus dem Infektionsschutzgesetz ergibt, kann dies in einfachen und klaren Worten zum Ausdruck gebracht werden, zum Beispiel durch eine Negativliste oder durch Hinzusetzen eindeutig einschränkender Formulierungen. Eine klarere Ausdrucksweise ist demnach möglich und zumutbar.
35
dd) Es wird darauf hingewiesen, dass hier nicht die Auffassung vertreten wird, dass Betriebsschließungsversicherungen „dynamische“ Versicherungen seien, bzw. sein müssten, weil sich der Inhalt des Infektionsschutzgesetzes fortlaufend ändert oder dass Versicherungen verpflichtet seien, auch bei Pandemien Versicherungsschutz zu gewähren. Das ist nicht so. Den Versicherungsnehmern muss in den Bedingungen der Versicherungen jedoch deutlich gemacht werden, dass in Bezug auf Betriebsschließungen nach dem IfSG der Versicherungsschutz Lücken aufweist, um ihnen die Möglichkeit zu geben, nach einem anderen Versicherungsprodukt zu suchen, den Versicherungsschutz entsprechend anzupassen oder anderweitig Vorsorge zu treffen. Genau dies wird in den vorliegenden Versicherungsbedingungen jedoch durch die gewählten Formulierungen nicht geleistet, weil die Lückenhaftigkeit verschleiert wird.
36
ee) Zwar sind bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen auch die wirtschaftlichen Belange der Versicherung und der vom Versicherer verfolgte Zweck zu berücksichtigen, dies jedoch nur, wenn dies in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen Ausdruck gefunden hat. Die Beklagte beruft sich darauf, dass die regelmäßig vereinbarte Jahresprämie im Verhältnis zur Versicherungsleistung sehr gering sei, sodass der Versicherungsnehmer habe erkennen können, dass der Versicherungsschutz nicht bestehe, wenn nicht sein eigener Betrieb betroffen ist. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass das Auftreten derart ansteckender Erreger wie das Coronavirus äußerst selten ist. Ein Versicherungsnehmer, der sich über die Relation zwischen Versicherungsbeitrag und Versicherungssumme Gedanken macht, wird davon ausgehen, dass Versicherungsmathematiker das Risiko kalkuliert haben. Auf der anderen Seite ist für die Beklagte offensichtlich, dass es für einen von einer Schließung nach dem IfSG betroffenen Betrieb keinen Unterschied macht, ob die Ursache der Maßnahme in seinem Betrieb selbst liegt oder nicht.
37
ff) Ebenso wird bezweifelt, dass die von der Beklagtenseite zitierten vielen Entscheidungen für die gegenteilige Auffassung tatsächlich die herrschende Meinung in der Rechtsprechung wiedergeben. Jedenfalls wurden hier von den bisher bei der 12. Zivilkammer des Landgerichts München I eingegangenen 88 Verfahren zu diesem Themenkomplex bisher nur drei durch Endurteil entschieden. Alle übrigen Verfahren endeten mit Klagerücknahme nach vergleichsweise Einigung der Parteien oder wurden auf Antrag der beklagten Versicherungen an die Kammern für Handelssachen abgegeben.
38
Es bleibt festzuhalten, dass § 2 Nr. 2 (08) wegen Intransparenz unwirksam ist. Der Versicherungsschutz bestimmt sich demnach allein nach § 2 Nr. 1 a) (08). Dieser verweist auf das IfSG generell, ohne eine bestimmte Gesetzesfassung zur Grundlage des Versicherungsschutzes zu machen.
39
2. Die übrigen Voraussetzungen für eine Entschädigungspflicht durch die Beklagte für die Betriebsschließungen im ab März bzw. ab November 2020 liegen hier vor, mit Ausnahme der vollständigen Schließung.
40
a) Die Schließung der Präsenzgastronomie wurde von dem zuständigen Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege gemäß §§ 28 Abs. 1, 32 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 65 Satz 2 Nr. 2 BayZustV bzw. § § 6, 7 IfSG und Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 GDVG angeordnet. Die Betriebsschließung beruhte zunächst auf der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20.03.2020, später auf der Verordnung vom 24.03.2020, welche im Folgenden durch weitere Verordnungen aufrechterhalten wurde und im Herbst auf der Verordnung vom 30.10.2020 bzw. der Verordnung vom 30.11.2020.
41
Nach dem Text der Versicherungsbedingungen kommt es nicht darauf an, in welcher Rechtsform die Anordnung der Schließung vorgenommen wird oder ob sie rechtmäßig war. Der Versicherungsnehmer muss sich - wie jeder andere - grundsätzlich an Gesetze und Verordnungen halten. Diese sind selbst im Falle von Mängeln oder bei Rechtswidrigkeit nicht automatisch unwirksam und damit grundsätzlich zu befolgen. Es ist dem Versicherungsnehmer im Regelfall auch nicht zumutbar, vor der Geltendmachung von Versicherungsleistungen zur Schadensminderung vor den Verwaltungsgerichten gegen eine behördliche Anordnung vorzugehen.
42
b) Die Anordnung erging auch aufgrund des Infektionsschutzgesetzes Die Maßnahme wurde in der Allgemeinverfügung und den nachfolgenden Verordnungen auf Vorschriften des IfSG gestützt, konkret auf § 28 bzw. § 32 IfSG i.V.m. der Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 30.01.2020, mit der die Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 Satz 1 des IfSG auf das neuartige Coronavirus ausgedehnt wurde. Nach dem Bayerischen Verwaltungsgericht München, (Beschluss vom 20.03.2020, Az.: M 26 E 20.1209) und Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 30.03.2020, Az.: 20 NE 20.632) ist § 32 IfSG die richtige Rechtsgrundlage.
43
c) Die Anordnung richtete sich auch gegen den Betrieb der Klägerin.
44
Nach dem Wortlaut der Bedingungen ist nicht erforderlich, dass der Betrieb selbst betroffen sein muss. Die Maßnahme muss lediglich aufgrund des Infektionsschutzgesetzes erlassen worden sein.
45
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die übrigen Bestimmungen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten Bezug auf den versicherten Betrieb nehmen (Tätigkeitsverbote für sämtliche Betriebsangehörige, Desinfektion der Betriebsräume, Verwertung oder Vernichtung von Vorräten und Waren, Beschäftigungsverbote für Mitarbeiter oder Einleitung von Ermittlungsverfahren nach dem IfSG, usw.). Denn diese Versicherungsgegenstände werden neben der Betriebsschließung als eigener Versicherungsgegenstand genannt.
46
3. Der Betrieb war der Klägerin war jedoch nicht geschlossen.
47
In der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2021 erklärte der Geschäftsführer der Klägerin, dass er ab dem 21.03.2020 in kürzester Zeit einen Außerhausverkauf installiert habe, nämlich schon ab dem 22.03.2020. Demzufolge hätte er im März 2020 50% des Umsatzes des Vorjahres erzielt und im April 70%. Auch aus den von der Klagepartei übergebenen Erfassungsberichten für die Monate März und April 2020 ist ersichtlich, dass in der fraglichen Zeit ein entsprechender Umsatz getätigt wurde. Für den Zeitraum ab November 2021 ergibt sich dasselbe aus den betriebswirtschaftlichen Auswertungen, die für das gesamte Jahr 2020 vorgelegt wurden.
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Damit lag nach den vorliegenden Umständen des Einzelfalls gerade keine Betriebsschließung, sondern nur eine Betriebseinschränkung vor. Es kommt nicht darauf an, dass die Klägerin vor den entsprechenden behördlichen Anordnungen nahezu keinen Gewinn durch Außerhausverkauf erzielte, denn aufgrund der Anordnungen stellte sie ihren Geschäftsbetrieb um, was dem ersten Anschein nach belegt, dass sie es unter wirtschaftlichen Aspekten konnte. Der Betrieb war mithin nicht geschlossen.
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Damit stehen der Klägerin letztendlich keine Ansprüche aus den behördlichen Anordnungen im Frühjahr und Herbst 2020 zu. Auf die Bewertung der vorgelegten Beweise zum Ertragsausfall kommt es nicht an. (Maßgeblich wäre der tatsächlich in den entsprechenden Monaten erzielte Gewinn oder verbliebene Verlust gewesen, in Relation zu dem Gewinn vergleichbarer Monate in den Vorjahren, wobei betriebswirtschaftliche Auswertungen einen Sachvortrag hierzu grundsätzlich nicht vollständig ersetzen können.)
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4. Aus dem Vorgenannten ergibt sich, dass die Beklagte auch nicht mit geschuldeten Leistungen in Verzug war, sodass die Klägerin auch keine Zinsen und Rechtsanwaltskosten geltend machen kann.
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Die Klage war letztendlich insgesamt abzuweisen.
II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gemäß § 709 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO, §§ 43, 48 GKG.