ArbG München, Endurteil v. 28.04.2021 – 20 Ca 14019/20
Titel:

Arbeitnehmer, Arbeitszeit, Einkommen, Tarifvertrag, Arbeitsleistung, Berufung, Zahlung, Anspruch, Verpflichtung, Leistung, Langzeitkonto, Klage, Berechnung, Kostenentscheidung, kein Anspruch

Schlagworte:
Arbeitnehmer, Arbeitszeit, Einkommen, Tarifvertrag, Arbeitsleistung, Berufung, Zahlung, Anspruch, Verpflichtung, Leistung, Langzeitkonto, Klage, Berechnung, Kostenentscheidung, kein Anspruch
Rechtsmittelinstanz:
LArbG München, Urteil vom 31.01.2022 – 1 Sa 371/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 57354

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf € 171,65 festgesetzt.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Zahlung einer sog. Überzeitzulage.
2
Der Kläger ist bei der Beklagten in Vollzeit seit dem 01.10.2011 als qualifizierter Instandhalter (Facharbeiter 3) im Werk in A-Stadt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beidseitiger Tarifbindung der Funktionsgruppenspezifische Tarifvertrag für Tätigkeiten der Funktionsgruppe 1 - Anlagen und Fahrzeuginstandhaltung - verschiedener Unternehmen des DB Konzerns (FGr 1-TV, im Folgenden auch so benannt) in der Fassung vom 14.12.2018 Anwendung (vgl. Anlage K 2, Bl. 29 ff. d.A.).
3
Dieser regelt auszugsweise Folgendes:
„§ 18 Überzeitzulage
(1) Arbeitnehmer erhalten für Überzeit eine Überzeitzulage in Höhe von 4,13 EUR (ab 01. Juli 2019 in Höhe von 4,27 EUR, ab 01. Juli 2020 in Höhe von 4,38 EUR) je Stunde.
(…)
§ 38 Überzeit
(1) Überzeit ist die Zeit, die vom Arbeitnehmer auf Anordnung über das individuelle regelmäßige Jahresarbeitszeit-Soll abzüglich des Vortrags nach § 39 Abs. 5 - mindestens jedoch über 1.827 Stunden - geleistet wurde, einschließlich der Zeit, die nach den tarifvertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen zu verrechnen bzw. anzurechnen ist.
(…)
§ 39 Arbeitszeitkonto (…)
(5) Bei Überschreiten des individuellen Jahresarbeitszeit-Solls am Ende des Abrechnungszeitraums werden 50 v.H. der Überschreitung auf den folgenden Abrechnungszeitraum vorgetragen. Für die verbleibenden Zeiten der Überschreitung können Arbeitnehmer eine vollständige oder auch teilweise Übertragung voller Stunden inklusive eines möglichen auf diese Stunden entfallenden Zeitzuschlags nach § 38 Abs. 3 in das Langzeitkonto beantragen. Die nicht in das Langzeitkonto übertragenen Zeiten werden ebenfalls auf den folgenden Abrechnungszeitraum vorgetragen. Der Antrag für die Übertragung ins Langzeitkonto muss vom Arbeitnehmer einen Monat vor Ende des Abrechnungszeitraums, in dem die Stunden entstehen, gestellt werden.
Der Vortrag in das Arbeitszeitkonto führt zur Reduzierung des individuellen Jahresarbeitszeit-Solls im folgenden Abrechnungszeitraum.
§ 41 Arbeitszeitbewertung (…)
(6) Bei Versäumnis von Arbeitszeit ohne Anspruch auf Entgeltfortzahlung und bei Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung des Entgelts verringert sich das individuelle Jahresarbeitszeit-Soll um die entsprechende Arbeitszeit.“
4
Nach § 3 Abs. 1 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages (Anlage K 1, Bl. 7 f. d.A.) wurde mit dem Kläger ein individuelles regelmäßiges Jahresarbeitszeit-Soll von 100% der tariflichen Referenzarbeitszeit vereinbart. Die tarifliche Referenzarbeitszeit beträgt 2036 Stunden im Jahr.
5
Abzüglich des sollreduzieren Vortrags nach § 39 Abs. 5 FGr 1-TV belief sich für das Jahr 2019 das Jahresarbeitszeit-Soll auf 2.035,47 Stunden.
6
Zwischen dem Kläger und der Beklagten wurde vereinbart, dass der Kläger im Zeitraum vom 21.03.2019 bis 12.04.2019 einen sogenannten „Sabbatmonat“ nimmt, d.h. der Kläger wurde von der Verpflichtung zur Erbringung seiner Arbeitsleistung in diesem Zeitraum freigestellt, ohne dass ihm für diese Zeit Entgelt gezahlt wurde. Für diesen Zeitraum brachte der Kläger aus seinem Langzeitkonto Stunden ein, um nicht ohne Einkommen gestellt zu sein.
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Mit seiner am 24.11.2020 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Klage macht der Kläger einen Anspruch auf Gewährung der Überzeitzulage für das Kalenderjahr 2019 geltend. Der Kläger trägt vor, er habe im Jahr 2019 tatsächlich 1951.32 Stunden gearbeitet. Mit den eingebrachten 124,8 Stunden aus dem Langzeitkonto ergebe sich ein insgesamt zu berücksichtigendes Stundenvolumen für das Jahr 2019 in Höhe von 2.075,59 Stunden. Somit habe der Kläger über die von ihm geschuldete Arbeitszeit hinausgehend 40:12 Überstunden erbracht. Für diese 40:12 Stunden habe der Kläger Anspruch auf je € 4,27 Überzeitzulage, woraus sich der Klageanspruch in Höhe von € 171,65 errechne. Entscheidend sei, dass sich nach § 41 Abs. 6 FGr 1-TV das individuelle Jahresarbeitszeit-Soll bei Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung des Entgelts verringere.
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Weiter beruft sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.12.2018 (10 AZR 231/18, BAGE 165, 1).
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Der Kläger beantragt zuletzt,
Die Beklagte wird verurteilt, EUR 171,65 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger sei im Jahr 2019 keine Überzeit entstanden, sodass ihm auch kein Anspruch auf eine Überzeitzulage zustehe. Ausweislich der Bestimmung in § 38 Abs. 1 FGr 1-TV sei zur Bestimmung der Überzeitschwelle lediglich das individuelle regelmäßige Arbeitszeit-Soll (hier 2036 Stunden) sowie ggf. der Vortrag aus dem vorherigen Jahr von Bedeutung. Der Kläger habe im Jahr 2019 eine Arbeitsleistung von 1939:23 Stunden erbracht. Für den „Sabbatmonat“ erfolge keine Arbeitszeitbewertung im Hinblick auf die Überzeit, weil der Arbeitnehmer während dieses Zeitraums infolge der unbezahlten Freistellung keine Arbeitsleistung erbringe.
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Da die tatsächlich geleistete Arbeitszeit des Klägers unter der Überzeitschwelle von 2035,47 liege, sei dem Kläger keine Überzeit und damit auch kein Anspruch auf eine Überzeitzulage nach dem einschlägigen Tarifvertrag entstanden. Die Regelung nach § 41 Abs. 6 FGr 1-TV habe nach dem Wortlaut des Tarifvertrags für die Bestimmung der Überzeit keine Bedeutung.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze vom 24.11.2020, vom 24.02.2021 und vom 31.03.2021 - jeweils nebst Anlagen - sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 29.01.2021 und vom 28.04.2021 Bezug genommen, §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 495, 313 Abs. 2 ZPO.

Entscheidungsgründe

14
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
15
Die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich aus § 2 Abs. 1  Nr. 3 a ArbGG.
16
Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts München folgt aus § 48 Abs. 1 a ArbGG, da der Kläger seinen gewöhnlichen Arbeitsort im Bereich des Arbeitsgerichts München hat.
17
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen auch im Übrigen nicht.
II.
18
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Überzeitzulage für das Kalenderjahr 2019.
19
1. § 38 Abs. 1 des FGr 1-TV regelt, wann eine Überzeit im Sinne des Tarifvertrages vorliegt. Ausweislich des Wortlauts wird hierbei auf die tatsächliche Leistung von Arbeitszeit abgestellt. In der Zeit, in der der Kläger von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt war, d. h. während des sogenannten Sabbatmonats, hat der Kläger aber keine Arbeitszeit geleistet. Aus diesem Grund kann die Zeit, die der Kläger aus seinem Langzeitkonto in der Zeit des Sabbatmonats eingebracht hat, nicht nach § 38 Abs. 1 FGr 1-TV zu einer Überzeit führen.
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2. § 38 Abs. 1 stellt für die Ermittlung des maßgeblichen Jahresarbeitszeit-Solls auf das individuelle regelmäßige Jahresarbeitszeit-Soll abzüglich des Vortrags nach § 39 Abs. 5 FGr 1-TV ab. Unstreitig ergibt sich bei Zugrundelegung der entsprechenden Zahlen für das Jahr 2019 ein Volumen in Höhe von 2035,47 Stunden.
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Entgegen der Auffassung des Klägers ist hiervon nicht zusätzlich die Zeit der Freistellung nach § 41 Abs. 6 des FGr 1-TV abzuziehen. Die in § 41 Abs. 6 geregelte Reduktion der Jahresarbeitszeit ist gerade nicht in § 38 Abs. 1 des Tarifvertrages bei der Berechnung des für die Überzeit maßgeblichen Jahresarbeitszeit-Solls genannt. Vielmehr ist ausschließlich von dem regelmäßigen Jahresarbeitszeit-Soll abzüglich des Vortrags nach § 39 Abs. 5 des Tarifvertrages die Rede. Andere, das Jahresarbeitszeit-Soll reduzierende Tatbestände werden nicht genannt und haben demzufolge auch außen vor zu bleiben.
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3. Aus dem Verweis des Klägers auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.12.2018 (10 AZR 231/18) ergibt sich nichts Anderes. Anders als im Falle des Bundesarbeitsgerichts ist der Kläger Vollzeitarbeitnehmer. Er ist damit nicht vergleichbar mit einem Teilzeitarbeitnehmer, der erst dann eine Überzeitzulage erhalten würde, wenn er die Schwelle der Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitnehmers überschreitet.
23
4. Da der Kläger keinen Anspruch auf die Überzeitzulage für das Jahr 2019 hat, scheidet dementsprechend auch ein Zinsanspruch aus.
III.
24
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
25
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO. Dabei war der geforderte Betrag als Streitwert zugrundezulegen.
26
Die Berufung war nach § 64 Abs. 2 lit. a, Abs. 3 Nr. 2 lit. b ArbGG zuzulassen.