VG Bayreuth, Urteil v. 14.09.2021 – B 1 K 19.524
Titel:

Kontaktverbot, Platzverweis, Gefahrenprognose, Beleidigung, Gefahr für die Rechtsordnung

Normenketten:
PAG Art. 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1
PAG Art. 4, 5
Schlagworte:
Kontaktverbot, Platzverweis, Gefahrenprognose, Beleidigung, Gefahr für die Rechtsordnung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 49538

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen einen von Polizeivollzugsbeamten erteilten befristeten Platzverweis und ein befristetes Kontaktverbot.
2
Der Kläger und Frau K. führten eine ca. dreijährige Beziehung, welche im September 2017 beendet wurde. Frau K. wohnte zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Maßnahme unter der Adresse … in … Sie hatte einen neuen Lebensgefährten und erwartete damals Nachwuchs von diesem. Die Wohnung von Frau K. lag ca. einen Kilometer von der Wohnung des Klägers entfernt.
3
Am 14. Januar 2019 suchte der Kläger das Wohnhaus der Frau K. auf. Nachdem er bei ihr geklingelt hatte, sei diese nach Angaben des Klägers aus dem Haus gekommen, habe aber umgehend kehrt gemacht. Daraufhin klingelte der Kläger noch mehrmals bei Frau K. Nachdem diese sich - nach eigenen Angaben des Klägers - aus dem Fenster gelehnt und mit dem Finger schwungvoll die Straße entlang zeigend gerufen habe, dass er verschwinden solle oder sie die Polizei hole, klingelte der Kläger nochmal bei ihr. Frau K. habe dann das Haus zu einem Nachbarn verlassen wollen. Als sie versucht habe, die (eigene oder nachbarliche) Haustüre zu schließen, verhinderte der Kläger dies durch Gegendruck, woraufhin Frau K. die Lautstärke angehoben und den Namen des Nachbarn gerufen habe, als müsse sie Angst vor dem Kläger haben (Aussage des Klägers Bl. 9 d. Behördenakte). Frau K. alarmierte gegen 21.30 Uhr die Polizei. Bei deren Eintreffen war der Kläger nicht mehr vor Ort. Die Beamten PHMin P. und PHM M. fuhren daraufhin zur Wohnung des Klägers und erklärten diesem, dass er eine weitere Kontaktaufnahme mit Frau K. und auch ein Klingeln bei dieser unterlassen solle (Bl. 55 d. Behördenakte).
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In der Nacht vom 17. auf den 18. Januar 2019 erschien der Kläger erneut vor der Tür der Frau K. und spielte ein (nach eigenen Angaben) für die Beziehung prägendes Lied ab. Der Kläger habe nach eigenen Angaben nicht gewusst, ob die Klänge bis in die Wohnung dringen würden und habe nicht erwartet, dass ein Fenster geöffnet werde. Deshalb habe er ein Kartonschild mit einer Aufschrift dabeigehabt, welche „asoziale Schlampe“ gelautet habe. Dieses habe er hochhalten wollen, falls Frau K. aus dem Fenster sehen würde. Als sie dies dann tat, hielt er es - nach eigenen Angaben - kurz hoch. Als er danach versucht habe ein Gespräch mit ihr zu führen, sie ihn aber gefilmt habe, meinte er zu ihr, dass es doch gut für sie laufe und sie ein „Ersatzsperma“ gefunden habe (Aussage des Klägers Bl. 10 d. Behördenakte).
5
Am 19. Januar 2019 stellte Frau K. gegen den Kläger Strafantrag wegen Beleidigung. Bei ihrer Zeugenvernehmung um 20:51 Uhr (Bl. 16 d. Behördenakte) gab Frau K. an, dass der Kläger andauernd vorwiegend nachts vor ihrem Haus stehe und sie herausklingele. Sie habe ihm schon mehrmals gesagt, dass er das lassen solle. In der Nacht vom 17. Januar auf den 18. Januar 2019 habe er sie mit den Worten „Du widerliche Schlampe“ und damit, dass sie „einen Spermaersatz für ihn gefunden hätte“ beleidigt. Der Kläger habe noch weitere Beleidigungen gegenüber Frau K. geäußert, an deren Wortlaut sie sich jedoch nicht mehr exakt erinnern könne.
6
Gegen 23:00 Uhr wurde der Kläger von Polizeibeamten in seiner Wohnung aufgesucht. Ihm wurden mündlich ein Platzverweis und ein Kontaktverbot bekannt gegeben. Danach dürfe er sich in der Zeit vom 19. Januar 2019 bis zum 21. Januar 2019 nicht an der Adresse …, … aufhalten oder das Anwesen betreten. Zudem dürfe er vom 19. Januar 2019 bis zum 27. Januar 2019 mit Frau K. weder persönlich noch in sonstiger Weise in Kontakt treten.
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Im Kurzbericht „Häusliche Gewalt“ vom 20. Januar 2019 hielt PHM M. unter Sachverhalt unter anderem fest: „Die Folgemaßnahme des Platzverweises sowie des Kontaktverbotes wurden dem Beschuldigten erklärt. Er war sehr aufgebracht und wollte das alles nicht wahr haben.“
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Der Kläger reichte am 21. Januar 2019 ein mit „Widerspruch gegen die polizeiliche Maßnahme am 19. Januar 2019“ bezeichnetes Schreiben vom 20. Januar 2019 bei der Polizeiinspektion … ein. Hierin schilderte der Kläger die Geschehnisse vom 14. Januar 2019 und vom 19. Januar 2019 aus seiner Sicht und rügte, dass PHM M. zum Zeitpunkt der Ereignisse nicht vor Ort gewesen sei und daher die Maßnahmen allein auf Basis der Geschehensschilderung der Frau K. erlassen habe. Er habe Frau K. nicht nachgestellt. Zudem gehe psychische Gewalt gegen den Kläger von Frau K. im Rahmen der emotionalen Nachwirkung der beendeten Beziehung aus, da sich diese aufgrund des einseitigen Beziehungsendes und einer neuen Partnerschaft gegenüber dem Kläger in einer Machtposition befinde. Zum 14. Januar 2019 gibt der Kläger an, Frau K. habe ihn erkannt, nachdem sie erstmals aus der Tür getreten sei und zu sich selbst „Oh, ne, ne“ gesagt. Danach sei sie wieder ins Haus gegangen und habe „Idiot“ (Anmerkung: Äußerung wurde von Frau K. bestritten) gesagt.
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Da er annehmen habe müssen, dass Frau K. zum 14. Januar 2019 falsche Angaben gemacht habe, habe er die Sache nicht auf sich beruhen lassen wollen. Zu den Geschehnissen vom 18. Januar 2019 ergänzte der Kläger, dass er den Vorfall am 14. Januar 2019 als demütigend empfunden habe und in Folge dessen am 18. Januar 2019 erschienen sei. Als die Polizei am 19. Januar 2019 bei ihm geklingelt habe, habe er sich gedacht „einmal reicht“. Er habe gemeint, dass er sich nicht unterhalten müsse. Nachdem die Polizisten eingetreten seien, habe er lautstark protestiert. Als er nach den Maßnahmen bei der Polizei angerufen habe, hätten sie keinen Willen gezeigt seine Angaben in die Abwägung miteinzubeziehen, was aber zumindest nun im Rahmen des Widerspruchs erforderlich sei.
10
Am 22. Januar 2019 erstattete der Kläger Anzeige gegen Frau K. wegen Beleidigung und verneinte eine von ihm geäußerte Beleidigung. Am 4. Februar 2019 gab der Kläger die Beleidigung zu (Bl. 8 d. Behördenakte). Die jeweils eingeleiteten Verfahren wegen Beleidigung wurden unter Verweis auf den Privatklageweg eingestellt.
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Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2019 - Eingang bei Gericht am 6. Juni 2019 - erhob der Kläger Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die polizeilichen Maßnahmen vom 19. Januar 2019.
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Zur Begründung führte der Kläger aus, dass er trotz erhobenen Widerspruchs keinen Widerspruchsbescheid erhalten habe. Gegen ihn sei bereits, ohne ihn selbst zur Sache zu befragen, ein Verwaltungsakt „vollzogen“ worden. Er habe am 19. Januar 2019 mit angemessen vehementer Gegenrede gegenüber der Polizei reagiert. Die Polizeibeamten hätten gesagt „Jetzt war’n Sie ja schon wieder dort. Ich hab Ihnen doch gesagt, Sie soll’n da nicht mehr hin!“ Die Maßnahmen seien mit häuslicher Gewalt begründet worden, aber nicht erklärt worden, welche Art von Gewalt gemeint sei. Zu einer Nachfrage sei der Kläger nicht gekommen, da kein abwartendes Gespräch stattgefunden habe, sondern Druck gemacht worden sei. PHM M. könne jedoch niemals einen Eindruck ins tatsächliche Geschehen gehabt haben, sodass ihm eine Einschätzung, ob eine bestimmte Art von häuslicher Gewalt mit signifikanter Wahrscheinlichkeit vorgelegen habe, nicht möglich gewesen sei. Bei der Polizei sei ein einseitiges Bild entstanden. Die Beleidigung, die im privaten Rahmen erfolgt und der kein öffentliches Interesse beigemessen werde, sei kein Indiz für häusliche Gewalt. Indizien für häusliche Gewalt hätten nicht bestanden. Auch habe das am 14. Januar 2019 von PHM M. erfolgte Überbringen der Nachricht, dass Frau K. keinen Kontakt mehr zu dem Kläger wünsche, keine rechtliche Relevanz, um die später erfolgte Kontaktaufnahme als Indiz für kritisches Verhalten einstufen zu können. Er könne daher nur annehmen, dass weitere Angaben von Frau K. dazu beigetragen haben, den Hergängen eine Notwendigkeit zum Einschreiten zuzuschreiben. Die Maßnahmen seien zudem als unverhältnismäßig einzustufen. Die getroffenen Maßnahmen hätten den Kläger in seinen Grundrechten verletzt, ein Interesse an der Feststellung der Rechtmäßigkeit bestehe.
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Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2019 beantragte der Beklagte,
die Klage wird abgewiesen.
14
Frau K. habe am 14. Januar 2019 angegeben, dass der Kläger in letzter Zeit vermehrt an ihrer Wohnung klingele und um ein Gespräch bitte. Sie habe die Beamten gebeten, dem Kläger mitzuteilen, dass sie keinen Kontakt mehr zu ihm wünsche. Der Kläger sei sich keiner Schuld bewusst gewesen, warum er nicht bei seiner Exfreundin klingeln dürfe. Es sei ihm genügend Auskunft erteilt worden, weshalb er aufgesucht worden sei. Er habe es nicht wahrhaben wollen, dass Frau K. keinen Kontakt mehr mit ihm wünsche. Da Frau K. und der Kläger drei Jahre als Paar zusammengelebt haben, seien nach dem Vorfall vom 18. Januar 2019 die Voraussetzungen der häuslichen Gewalt gegeben gewesen. Es sei der Platzverweis und das Kontaktverbot ausgesprochen worden. Als die Polizeibeamten den Kläger aufgesucht haben, sei ein normales Gespräch mit dem Kläger nicht möglich gewesen. Die getroffenen Maßnahmen seien ausführlich erklärt worden. Der Kläger sei sich erneut keiner Schuld bewusst gewesen.
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Die getroffenen Maßnahmen seien rechtmäßig gewesen. Die Rechtsgrundlage für den Platzverweis ergebe sich aus Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PAG, die für das Kontaktverbot aus Art. 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAG. Die hierfür vorausgesetzte konkrete Gefahr habe vorgelegen. Der Kläger habe bereits in der Vergangenheit am 14. Januar 2019 und am 18. Januar 2019 gegen den Willen von Frau K. Kontakt zu dieser aufgenommen, wobei es auch zu Beleidigungen gekommen sei. Trotz der vorherigen Ansprache am 14. Januar 2019 sei es um 1 Uhr am 18. Januar 2019 zu einem erneuten Vorfall gekommen, bei dem der Kläger auch ein Schild mit beleidigenden Aussagen mitgeführt habe. Dieser Vorfall stelle eine Steigerung in der Intensität der Kontaktaufnahme dar und zeige, dass der Kläger auch nicht vor im Vorfeld geplanten Beleidigungen zurückschrecke. Das Verhalten des Klägers habe den Eindruck von gekränkter Eifersucht entstehen lassen, zumal Frau K. von ihrem neuen Freund schwanger gewesen sei. Nachdem eine erste Ansprache am 14. Januar 2019 keine Wirkung gezeigt habe, habe daher damit gerechnet werden müssen, dass der Kläger erneut Kontakt mit Frau K. aufnehme und es zu weiteren Straftaten kommen werde. Dies sei auch naheliegend gewesen, da die beiden Kontaktaufnahmen innerhalb von vier Tagen stattgefunden hätten und die Wohnung von Frau K. zu Fuß von der Wohnung des Klägers aus in ca. 10 Minuten zu erreichen sei. Die Polizei habe durch das Aussprechen des Platzverweises und des Kontaktverbotes zur Unterbindung weiterer Straftaten gehandelt. Aufgrund des dargestellten zeitlich-räumlichen Zusammenhangs, aber auch der Vehemenz des Verhaltens des Klägers sei davon auszugehen gewesen, dass weitere Straftaten im Zusammenhang mit einer Kontaktaufnahme mit Frau K. hinreichend wahrscheinlich seien. Die beiden getroffenen Maßnahmen seien nach Art. 4 PAG verhältnismäßig gewesen, da sie die mildesten zur Verfügung stehenden Maßnahmen dargestellt hätten. Eine Gefährderansprache sei nicht ergriffen worden, da bereits die einfache Ansprache vom 14. Januar 2019 keine Wirkung gezeigt habe. Die getroffenen formellen Maßnahmen seien für den Kläger wenig einschneidend gewesen, da er lediglich die Adresse der Frau K. bis zum 21. Januar 2019 habe meiden müssen und ihm bis zum 27. Januar 2019 eine Kontaktaufnahme zu Frau K. untersagt gewesen sei. Dies sei erforderlich gewesen, um Frau K. die Möglichkeit eines gerichtlichen Kontaktverbotes zu geben. Die Anordnung der Maßnahmen habe daher zum Schutz der Frau K. aufgrund des vorangegangenen Verhaltens des Klägers ausgesprochen werden dürfen. Hinweise für einen Ermessensfehlgebrauch seien nicht ersichtlich. Eine vorherige Anhörung habe aufgrund der Vorfälle vom 14. Januar 2019 und vom 18. Januar 2019 nicht stattgefunden, sei aber nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG entbehrlich und sei zudem im Sinne des Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geheilt worden. Der Kläger habe sich am 19. Januar 2019 bei Ankündigung der Maßnahmen und in Form des Widerspruchs geäußert. Dies sei zur Kenntnis genommen worden und habe in einen nachträglichen Abwägungsprozess einfließen können. Über den vom Kläger erhobenen Widerspruch sei nicht entschieden worden, da dieser wegen § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V. m. Art. 15 Abs. 2 und 1 AGVwGO als Gegenvorstellung angesehen worden sei.
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Der Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss vom 26. März 2020 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde damit begründet, dass ein Kontaktabbruch nach einer Beziehung bei dem Verlassenen das Recht auf Normalisierungsversuche nur zeitlich begrenzt aufhebe. Er habe am 14. Januar 2019 das erste Mal seit 17 Monaten zu Frau K. Kontakt aufgenommen, nicht vermehrt, wovon die Polizeibeamten nach Angaben der Frau K. ausgegangen seien. Das Klingeln am 14. Januar 2019 sei ein neutral einzuordnender Vorgang. Der Kläger beschreibt sein Erleben am 14. Januar 2019 folgendermaßen:
„Klingeln Unflätigkeit
Deswegen mehrmals klingeln Grobe Unflätigkeit, Drohung mit Polizei Deswegen nochmal klingeln Haus wird gewechselt mit Hinweis, Polizei wurde gerufen So nicht!-Reaktion Tür-vor-der-Nase-Absicht Lautes Rufen des Nachbarn“.
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Durch die Polizei sei fehlende Evidenz der Hergangsdaten durch Zuschreiben einer Wahrscheinlichkeit im Rahmen von Rollenbildern ersetzt worden. Er hätte dazu befragt werden müssen, was er zu den Aussagen der Frau K. zu erwidern habe. Aus ex ante - Sicht bliebe verwehrt, inwieweit Frau K. durch das mit falschen Angaben forcierte Nachschicken der Polizei die zweite Kontaktaufnahme provoziert habe. Er sehe keine von sich initiierte Steigerung bei seinen Handlungen, sondern eine Reaktion auf häusliche Gewalt von Frau K. in seiner persönlich erweiterten Interpretation. Es sei also beidseitige Ausübung psychischer häuslicher Gewalt nicht auszuschließen gewesen. Der Vorfall in der Nacht des 18. Januar 2019 sei keine so grobe Unachtsamkeit, da er den berufsbedingten Rhythmus von Frau K. kenne und Licht gebrannt habe. Als er beim Versuch von Frau K. die Haustür des Nachbarn zu schließen, dagegen gedrückt habe und dies selbst angegeben habe, sei er davon ausgegangen, dass dadurch erkennbar werde, dass es sich um eine spontane Abwehrreaktion gehandelt habe und nur sekundär eine physische Intervention.
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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Beschluss vom 9. Februar 2021 - 10 C 20.867 zurück.
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Mit Gerichtsbescheid vom 25. März 2021, zugestellt am 31. März 2021, wurde die Klage abgewiesen. Mit am 28. April 2021 eingegangenen Schreiben beantragte der Kläger mündliche Verhandlung. Nachdem die mündliche Verhandlung auf den 10. August 2021 festgelegt wurde und der Kläger darauf hingewiesen wurde, dass der Termin abgesetzt werden könne, wenn alle Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichteten und dass in der Folge ohne mündliche Verhandlung entschieden werden würde (§ 101 Abs. 2 VwGO), ging am 4. August 2021 ein Schreiben des Klägers ein, in welchem er auf eine Verhandlung verzichtete. Zur Sache führt er weiter aus, dass das Gericht Sachverhalte nicht nachvollzogen habe, die sich nicht relativieren hätten lassen. Im Gerichtsbescheid sei beschrieben, dass Frau K. am 14. Januar 2019 den Kläger aufgefordert habe sich zu entfernen, tatsächlich aber habe sie mit schwungvoll ausgestrecktem Fingerzeig die Straße entlang gesagt: „Verschwinde oder ich hole die Polizei“. Dies sei kein leicht erregter Umgangston, der keiner Erwähnung bedürfe. Es verdeutliche zusammen mit dem vorherigen Kehrtmachen, dass Frau K. jede rational artikulierte Kommunikation von Beginn an unterbunden habe. Seine Handlungen dürften nicht isoliert bewertet werden, da deutlich werde, dass er sich unversehens nach dem Klingeln in nicht rationaler Kommunikation befunden habe. Es würde mit zweierlei Maß gemessen. Ein singuläres Sturmklingeln sei nicht von vornherein zu verurteilen im Kontext einer ehemals häuslichen Verbindung zweier Menschen, es komme niemand zu Schaden. Es dürfe nicht auf allgemein vorhandene Uneinsichtigkeit geschlossen werden. Auch das Verhindern des Zuschlagens der Nachbarstür müsse in einem noch nachhallenden häuslichen Verhältnis bewertet werden. Es entziehe sich einer unmittelbaren Bewertung von außen. Nur weil er bei Frau K. objektiv Stress verursacht habe, heiße das nicht, dass sie dies nicht hätte ertragen müssen. Eine Beleidigung sei laut Bundesverfassungsgericht immer im Kontext der Beziehung der Beteiligten zu bewerten. Der Kläger stellt die Fragen in den Raum, weshalb Frau K. nochmal vor dem Haus an ihm vorbei spaziert sei, was seltsam sein könnte, da sie sich der unmittelbaren Bedrängung ausgesetzt habe und warum ihr das Recht zugestanden werde in Ruhe gelassen zu werden. Es werde ihm Uneinsichtigkeit unterstellt, obwohl der tatsächliche Hergang ungeklärt gewesen sei. Das Ausrichten, dass kein Kontakt erwünscht sei, sei bei einem nur einmaligen Kontaktversuch keine Belehrung. Die Polizisten wären bei einem nur einmaligen Kontaktversuch nach sehr langer Zeit nicht zu dem Entschluss gelangt, eine Belehrung sei verhältnismäßig oder es bestünde Handlungsbedarf. Die „Belehrung“ könne in ihrer Nachdrücklichkeit bei nur einmaligem Kontaktversuch nicht genauso eindringlich und substantiell aufgefasst werden wie von den Polizeibeamten beabsichtigt. Er müsse sich nichts ausrichten lassen. Er habe von Frau K.s Aussagen zu vorherigen Kontaktversuchen auch beim zweiten Polizeibesuch nichts Konkretes erfahren, was die ganze Situation hätte verändern können. PHM M. habe die Aussagen der Frau K. als Tatsachen eingestuft. Seine Einschätzung als uneinsichtig ergebe aber nur dann Sinn, wenn das Verhalten des Klägers während der ersten Kontaktaufnahme Grund zur Einsicht geliefert hätte.
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Auf Nachfrage des Gerichts stellte der Kläger klar, dass er den Gerichtsbescheid nicht wiederaufleben lassen wolle. Er würde die Klage zurücknehmen, wenn damit eine Gerichtskostenreduktion verbunden wäre. Er stellt erneut die Frage in den Raum, weshalb der Glaubwürdigkeit von Frau K. keine Bedeutung beigemessen werde, wenn doch lediglich zwei Kontaktaufnahmen stattgefunden haben.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die unter gleichem Aktenzeichen geführte Beiakte Prozesskostenhilfe Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

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1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, nachdem der Kläger nach entsprechendem Hinweis auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet hat. Der Beklagte hat sich mit Schreiben vom 25. August 2021 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
23
Eine Klagerücknahme hätte gemäß Ziffer 5111 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) keine Kostenreduktion mehr zur Folge gehabt, da dies lediglich dann gilt, wenn nicht bereits ein Gerichtsbescheid vorausgegangen ist.
24
2. Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Entsprechend der Auslegung der Klageschrift (§ 88 VwGO) begehrt der Kläger die Feststellung, dass der Platzverweis und das Kontaktverbot vom 19. Januar 2019 rechtswidrig waren.
25
a. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Platzverweises und des Kontaktverbotes. Ein Rehabilitationsinteresse aufgrund der Wirkung der Maßnahme als „öffentlich verlängerten Arm“ der von ihm empfundenen psychischen Gewalt Frau K.s wurde vom Kläger nicht substantiiert dargelegt, ebenso wenig wie eine ungünstige Nachwirkung der getroffenen Maßnahmen (vgl. hierzu ausführlich VG Karlsruhe, U.v. 28.6.2010 - 3 K 2326/09 - juris Rn. 16, 17 m. w. N.). Der Kläger hat jedoch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahmen aufgrund einer möglichen spezifischen Grundrechtsverletzung (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 28.6.2010 a.a.O. - juris Rn. 18, 19 m. w. N.). Der angeordnete Platzverweis und das Kontaktverbot, die beide auf drei bzw. acht Tage zeitlich begrenzt wurden, erledigten sich innerhalb eines Zeitraums, in dem erfahrungsgemäß gerichtlicher Rechtsschutz weder im Eil- noch im Hauptsacheverfahren zu erlangen ist.
26
b. Die Klage ist aber unbegründet, da der gegen den Kläger erlassene Platzverweis und das Kontaktverbot vom 19. Januar 2019 rechtmäßig waren und der Kläger durch die Maßnahmen nicht in seinen Rechten verletzt wurde (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 4 VwGO).
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aa. Die getroffenen Maßnahmen waren formell rechtmäßig. Es kann dahinstehen, ob der Kläger vor Erlass der Maßnahme, die wohl schon unmittelbar nach der Zeugenvernehmung der Frau K. beschlossen, aber erst mit Bekanntgabe an den Kläger äußere Wirksamkeit erlangt hat, dadurch angehört wurde, dass er sich am 19. Januar 2019 bei Ankündigung der Maßnahmen in Form einer Gegenrede äußerte.
28
Eine Anhörung war jedenfalls nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 BayVwVfG entbehrlich, da Gefahr in Verzug vorlag. Gefahr in Verzug meint hierbei, dass aus ex-ante Sicht selbst sehr kurze Fristen zu einem Zeitverlust führen würden und dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gefahr besteht, den Zweck der eigentlich beabsichtigten Maßnahmen nicht mehr erreichen zu können. Umfasst sind dabei anerkanntermaßen auch Fälle der Anscheinsgefahr (vgl. Pautsch in Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 1. Auflage 2016, § 28 Rn. 33 m. w. N.). Die unerwünschte Kontaktaufnahme des Klägers zu Frau K. vom 14. Januar 2019 wurde von ihm bereits vier Tage später - samt zu diesem Zeitpunkt noch nicht unstreitigen, aber von der Zeugin behaupteten Beleidigungen - durch den Kläger wiederholt und der Kläger hatte sich nach Einschätzung der Beamten in der Klageerwiderung (Bl. 21 d. Gerichtsakte) bereits beim ersten Polizeibesuch sehr uneinsichtig gezeigt, was auch durch das von ihm eigens beschriebene Verhalten glaubhaft erscheint. Er gibt selbst an, dass er nach dem erstmaligen Erscheinen der Frau K. vor der Tür noch mehrmals bei ihr klingelte und dies wiederholte, nachdem sie ihm - in welcher Form auch immer - gesagt hatte, dass er sich entfernen solle. Dies zeigt, dass der Kläger sich mit einer kontaktablehnenden Haltung der Frau K. nicht abfinden wollte. Hinzukommt der Gegendruck an der Tür. Aus ex ante Sicht durfte sich die Situation den Polizeibeamten daher so darstellen, dass sie aufgrund der Uneinsichtigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Gefahr ausgehen durften, dass es bei unterbliebenem sofortigen Einschreiten zu weiteren zeitnahen Beleidigungen im Rahmen weiterer unerwünschter Kontaktaufnahmen kommen würde und damit Gefahr in Verzug vorlag.
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Lediglich klarstellend wird darauf hingewiesen, dass entgegen der Ansicht des Beklagten eine Heilung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG nach der Erledigung eines Verwaltungsaktes jedenfalls nicht mehr möglich gewesen wäre, wenn es einer Anhörung bedurft hätte. Eine Heilung setzt voraus, dass die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 - 3 C 16/11 - juris Rn. 18). Das als Widerspruch bezeichnete Schreiben des Klägers vom 20. Januar 2019 konnte von der Polizeiinspektion bezüglich des Platzverweises für den 21. Januar 2019 sowie des Kontaktverbots ab diesem Tag nachträglich gewürdigt werden. Hinsichtlich der bereits verstrichenen Tage war Erledigung bereits eingetreten.
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bb. Der Platzverweis war materiell rechtmäßig. Gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PAG kann die Polizei zur Abwehr von Gefahren eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Orts verbieten. Für einen Platzverweis, bei dem ein Adressat nicht aus seiner eigenen Wohnung verwiesen wird, ist eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung notwendig. Unter einer konkreten Gefahr ist eine Sachlage zu verstehen, die im konkreten Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führt. Die Gefahrenprognose muss dabei auf erkennbaren Umständen, also Tatsachen, Sachverhalten und sonstigen greifbaren Anhaltspunkten beruhen, ein bloßer Verdacht oder bloße Vermutungen reichen nicht (vgl. Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 4. Auflage 2014, Art. 16 a.F. Rn. 14, 41, 43; VG München, B.v. 18.7.2018 - M 7 E 18.3382 - juris Rn. 22 m. w. N.). Dabei ist für die gerichtliche Beurteilung der Gefahrenlage auf eine ex-ante Sicht abzustellen. Hat der handelnde Amtsträger die Lage - ex-ante gesehen - zutreffend eingeschätzt, dann wird die getroffene Maßnahme - ex-post betrachtet - nicht dadurch rechtswidrig, dass die Entwicklung anders als prognostiziert verlaufen ist. Stellt sich nachträglich heraus, dass keine wirkliche Gefahr vorlag, sondern nur der Anschein einer Gefahr erweckt wurde, kommt es darauf an, ob die Gefahreinschätzung dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht. Die bei verständiger Würdigung der erkennbaren Umstände bestehende Anscheinsgefahr steht einer objektiven Gefahr gleich und rechtfertigt ein polizeiliches Einschreiten (vgl. BayVGH, U.v. 2.12.1991 - 21 B 90.1066 - juris Rn. 54).
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Legt man diese Maßstäbe zugrunde, lag im Zeitpunkt des Erlasses des vorübergehenden Platzverweises eine konkrete Gefahr - nicht bloß eine Anscheinsgefahr - für die öffentliche Sicherheit vor. Die handelnden Polizeibeamten stützten den Platzverweis auf Tatsachen, die nach ex ante - Betrachtung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens für die Unversehrtheit der Rechtsordnung begründeten, da konkrete Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass es künftig zu weiteren Beleidigungen im Sinne der §§ 185 ff. StGB durch den Kläger zu Lasten von Frau K. kommen wird. Bereits am 14. Januar 2019 kontaktierte die damals schwangere Frau K. die Polizei, da der Kläger entgegen ihres - unmittelbar nach Erscheinen des Klägers ihm gegenüber geäußerten - Willens Kontakt zu ihr gesucht hat. Daraufhin legten die Polizeibeamten dem Kläger in dessen Wohnung nahe, keinen Kontakt mehr zu Frau K. gegen deren Willen aufzunehmen. Diese Mitteilung hat durchaus rechtliche Relevanz. Am 18. Januar 2019 gegen 1 Uhr in der Nacht versuchte der Kläger erneut mit Frau K. Kontakt aufzunehmen. Dabei handelt es sich um Tatsachen. Die ungewollten Kontaktaufnahmen vom 14. Januar 2019 und vom 18. Januar 2019 fanden in einem engen zeitlichen Zusammenhang von nur vier Tagen statt. Das Verhalten des Klägers zeigte eine zunehmende Beharrlichkeit der Kontaktaufnahme und Uneinsichtigkeit, da er trotz der bereits erfolgten polizeilichen Ansprache vom 14. Januar 2019 Kontakt zu Frau K. suchte. Ob die dadurch schon feststehende fehlende Rücksichtnahme des Klägers in Bezug auf unerwünschten Kontakt noch dadurch bekräftigt wird, dass der Kläger den Kontakt trotz seinerzeitiger Schwangerschaft der Frau K. zu Nachtzeiten gesucht hat oder ob dies angesichts des vermeintlichen klägerischen Wissens um den berufsbedingten Rhythmus der Frau K. - wie er meint - nicht erschwerend hinzukommt, muss nicht vertieft werden.
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Das Verhalten des Klägers hat sich innerhalb weniger Tage gesteigert. Zunächst fand noch ein - in seiner Singularität akzeptables - Klingeln an der Haustüre von Frau K. am 14. Januar 2019 statt, welches aber schon nach ihrem unverzüglich gezeigten ablehnenden Verhalten in einen Klingelsturm und später Gegendruck gegen die Haustüre umschlug. Frau K. gab in ihrem Strafantrag und ihrer Zeugenaussage an, dass der Kläger sie beleidigt hat. Aus ex ante Sicht hatten die Polizeibeamten keinen Anlass an den Aussagen der Frau K. zu zweifeln. Selbst wenn der im Raum stehende Vorwurf einer Beleidigung durch Frau K. zutrifft und diese den Kläger am 14. Januar 2019 als „Idiot“ bezeichnet haben sollte, würde diese Beleidigung vier Tage später am 18. Januar 2019 keine unmittelbar provozierende Wirkung mehr auf den Kläger entfalten (dürfen), die zu einer spontanen Gegenbeleidigung hätte führen können.
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Eine polizeiliche ex ante - Einschätzung betreffend die Uneinsichtigkeit des Klägers hält das Gericht auch für zutreffend. Dies wurde von PHM M. schon in seinem Kurzbericht so festgehalten und wird durch das eigene Vorbringen des Klägers deutlich, wenn er beschreibt, dass er am 14. Januar 2019, nachdem Frau K. das Haus wechseln wollte und auf die Benachrichtigung der Polizei hingewiesen habe, eine „So nicht!-Reaktion“ gezeigt habe, was letztlich im Gegendruck an der Tür geendet hat. Das gezeigte Verhalten des Klägers gegenüber der Polizei ist eine weitere Tatsache. Er war unkooperativ durch seine eigens beschriebene „einmal reicht“- Einstellung und seiner Auffassung er müsse sich nicht unterhalten und die Beamten mögen ihm ihr Anliegen schriftlich mitteilen. Auch sieht er seine zweite Kontaktaufnahme durch Frau K. provoziert und keine von sich initiierte Steigerung bei seinen Handlungen, sondern eine Reaktion auf häusliche Gewalt von Frau K. in seiner persönlich erweiterten Interpretation. Dies war auch der Beschwerdeinstanz schon nicht nachvollziehbar (BayVGH, B.v. 9.2.2021 - 10 C 20.867 - n.v.). Es kommt nicht darauf an, ob die Polizeibeamten bei Erlass der Maßnahmen von bereits wiederholten Kontaktaufnahmen vor dem 14. Januar 2019 ausgingen (welche nach Angaben des Klägers nicht stattgefunden haben), da die geschilderten Umstände allein schon ausreichen, um aus ex ante - Sicht von einer Gefahrenlage auszugehen. Gerade wenn PHM M. zum Kläger gesagt hat „jetzt war’n Sie ja schon wieder dort. Ich hab Ihnen doch gesagt, Sie soll’n da nicht mehr hin!“, war für den Kläger dadurch deutlich, dass die Polizei zumindest von einer Wiederholung ausging, wozu er sich hätte äußern können.
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Aufgrund dieser Gesamtumstände war zum Zeitpunkt des Erlasses des Platzverweises damit zu rechnen, dass es in absehbarer Zeit zu weiteren Kontaktaufnahmen und Beleidigungen durch den Kläger, der nur einen Kilometer von Frau K. entfernt wohnt, kommen wird. Die den handelnden Polizisten damals bekannten Tatsachen deuteten bei der gebotenen ex ante - Betrachtung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die Unversehrtheit der Rechtsordnung (§§ 185 ff. StGB) hin. Dass es sich bei den geschilderten Vorfällen um rein private Auseinandersetzungen gehandelt hat und daher kein öffentliches Interesse bestand, mag zwar im repressiven Bereich im Rahmen einer Strafverfolgung (hier: Verweisung auf den Privatklageweg (§§ 374 ff. StPO) bezüglich der getätigten Beleidigungen) einschlägig sein, im Rahmen des Polizeirechts und der präventiven Gefahrenabwehr sollen hingegen künftige Straftaten gerade durch ein Einschreiten im Vorfeld vermieden werden, sodass auch im Rahmen privater Auseinandersetzungen polizeiliche Maßnahmen geboten sind.
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Am Vorliegen einer ordnungsgemäßen Gefahrenprogose ändert auch der Umstand nichts, dass dem Kläger gegenüber erwähnt wurde, dass er aufgrund häuslicher Gewalt einen Platzverweis erhalte. Wie das Formblatt „Folgeblatt Kurzbericht „Häusliche Gewalt““ (Bl. 13 d. Behördenakte) zeigt, wird der Begriff der häuslichen Gewalt von der Polizei weiter interpretiert als im allgemeinen Sprachverständnis üblich. Aus der Wertung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b GewSchG geht außerdem hervor, dass eine Kontaktaufnahme gegen den ausdrücklichen Willen der betroffenen Person unter das Gewaltschutzgesetz zu subsumieren ist und daher gesetzlich mit Gewalt im häuslichen Bereich gleichgestellt wird. Deshalb hat die Polizei richtigerweise die ungewollte Kontaktaufnahme und die Beleidigungen gegenüber der ehemaligen Freundin des Klägers unter diesen Begriff gefasst, obwohl keine körperliche Gewalt des Klägers unmittelbar gegen Frau K. stattgefunden hat.
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Der erteilte Platzverweis ist in zeitlicher und örtlicher Hinsicht hinreichend bestimmt. Er enthält die konkrete Adresse, die der Kläger zu meiden hatte und bestimmt tagesgenau den Zeitraum des Platzverweises.
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Die Dauer der angeordneten Platzverweisung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Grundsätzlich endet die konkrete Gefahr in dem Zeitpunkt, in dem nach dem Gewaltschutzgesetz eine Eilverfügung durch das Zivilgericht gegen den Störer ergehen kann. Erfahrungsgemäß kann der Zeitraum bis zur gerichtlichen Verfügung zwischen 10 und 14 Tagen betragen (vgl. VG München, B.v. 18.7.2018 - M 7 E 18.3382 - juris Rn. 22 m. w. N.). Daher bestehen gegen den Platzverweis vom 19. Januar 2019 bis zum 21. Januar 2019 keinerlei Bedenken. Der Zeitraum von drei Tagen diente zudem der Deeskalation der Situation zwischen dem Kläger und Frau K.
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Auch ein sonstiger Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 4 PAG ist nicht ersichtlich. Insbesondere stand den handelnden Beamten kein milderes Mittel zur Verfügung, das zur Verhütung künftiger Beleidigungen gegen Frau K. durch den Kläger gleich geeignet war. Eine mildere Gefährderansprache oder eine Verwarnung durch die Polizei wären nicht gleich geeignet gewesen, da bereits die Maßnahme vom 14. Januar 2019 offensichtlich keinen Erfolg hatte und den Kläger nicht zum Umdenken bewegte. Auch führt die Maßnahme nicht zu einem Nachteil, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht (Art. 4 Abs. 2 PAG). Die mit der Maßnahme für den Kläger verbundene Härte, die Adresse der Frau K. nicht aufzusuchen, steht nicht außer Verhältnis zu dem mit dem Platzverweis erstrebten Erfolg des Schutzes der Rechtsordnung. Ein Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO, Art. 5 PAG ist nicht ersichtlich.
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cc. Nach Art. 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAG kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder einer drohenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut einer Person verbieten, ohne polizeiliche Erlaubnis zu bestimmten Personen oder zu Personen einer bestimmten Gruppe Kontakt zu suchen oder aufzunehmen (Kontaktverbot). Das ausgesprochene Kontaktverbot erweist sich als rechtmäßig. Entsprechend des Wortlauts „Abwehr einer Gefahr“ und aufgrund der Gesetzeshistorie, dass ein Kontaktverbot vor der Normierung in Art. 16 Abs. 2 PAG auf Basis der Generalklausel des Art. 11 Abs. 1 und Abs. 2 PAG möglich gewesen ist, genügt auch für den Erlass dieser Maßnahme das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Eine solche Gefahr, dass weitere Beleidigungen von Seiten des Klägers gegenüber Frau K. geäußert werden, bestand (vgl. oben).
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Die Maßnahme steht ebenso wie der Platzverweis mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 4 PAG) in Einklang und war ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO, Art. 5 PAG). Auch das verfügte Kontaktverbot bezweckte die Deeskalation der Situation zwischen dem Kläger und Frau K. Zudem ergänzt ein Kontaktverbot regelmäßig den Platzverweis des Störers. Ohne die Anordnung des Kontaktverbots neben dem Platzverweis könnte der dadurch bezweckte Schutz der Frau K. bis zur Gewährung einer zivilrechtlichen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz nicht gewährleistet werden, da der Kläger sie andernfalls insbesondere bei zufälligen Begegnungen außerhalb ihrer Wohnung beleidigen könnte. Auch gegen die Befristung vom 19. Januar 2019 bis zum 27. Januar 2019, also auf acht Tage, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Diese Zeit war notwendig, um Beleidigungen durch den Kläger bei einer sonst möglichen Kontaktaufnahme mit Frau K. vorzubeugen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der - wenn überhaupt anfallenden - jedenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.