VG Ansbach, Urteil v. 14.12.2021 – AN 4 K 20.02757
Titel:

Widerruf einer Approbation als Apothekerin bei überschießendem Erwerbssinn - Ausnutzen von sich bietenden beruflichen Vorteilen

Normenkette:
BApO § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 2
Leitsatz:
Auch wenn die Vertrauenserwartung der Bevölkerung in die Apothekerschaft und deren ordnungsgemäße Abrechnung mit den Krankenkassen nicht von zentraler Bedeutung sein dürfte, so wird regelmäßig in zulässiger Weise erwartet, dass ein nichteigennütziges Verhalten der Apothekerin im Vordergrund steht. Ein überschießender Erwerbssinn (hier: dadurch, Medikamente in das Kasseneingangssystem einzugeben, Privatrezepte mit diesen Medikamenten zu bedrucken und danach den Verkaufsvorgang abzubrechen, die Rezepte dann aber bei der privaten Krankenversicherung für sich, den Ehemann und eigene Kinder einzureichen und insofern erstatten zu lassen) erscheint damit trotzdem geeignet, die Bevölkerungserwartung zu beeinträchtigen, da insoweit die Erwartung weniger die außerberufliche Untadeligkeit sein dürfte als die ordnungsgemäße Befolgung der Berufspflichten, zu denen auch gehört, sich beruflich bietende Vorteile nicht auszunutzen.(Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf der Approbation als Apothekerin, Nachquittieren von Rezepten, Verurteilung zu einem Jahr und drei Monaten, Approbation, Apotheker, Berufsrecht, Apothekerrecht, Zuverlässigkeit, Vertrauen, Bevölkerung, überschießender Erwerbssinn, Untadeligkeit, Berufspflicht, Rezept, Betrug, Abrechnung, Unzuverlässigkeit, Unwürdigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2021, 47768

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen den Entzug ihrer Approbation als Apothekerin.
2
Auf eine Anzeige des früheren Arbeitgebers der Klägerin folgten umfangreiche strafrechtliche Ermittlungen, die am 8. Oktober 2019 zu einer Verurteilung der Klägerin zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten durch das Amtsgericht Nürnberg - Strafrichter - wegen Betrugs in 17 Fällen führte, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung wurde folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:
„Die Angeklagte arbeitete vom 01.10.2011 bis 30.06.2017 als Apothekerin in der …-Apotheke im …, …, …, sowie von 01.07.2017 bis 27.11.2018 als Apothekerin in der … Apotheke, …, … Dort gab die Angeklagte im Tatzeitraum 26.01.2014 bis 27.08.2018 Medikamente in das Kasseneingangssystem ein, bedruckte Privatrezepte mit diesen Medikamenten und brach den Verkaufsvorgang sodann ab. Es kam weder zu einem Geld- noch zu einem Warenfluss. Die Angeklagte, ihre Ehemann Dr. … und deren zwei Töchter sind bei der Fa. … …, …, privat krankenversichert […]. Durch das geschilderte Vorgehen war es der Angeklagten möglich, die Privatrezepte bei der Krankenkasse einzureichen und die vermeintlichen Kosten für die tatsächlich nicht bezogenen Medikamente abzurechnen. Die gefälschten Rezepte wurden entweder auf den Vertrag [der Klägerin] oder den Vertrag [des Ehemannes und der Töchter] (insoweit ohne Kenntnis der Vertragsinhaber) abgerechnet.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:
Es entstand der Fa. … ein Gesamtschaden in Höhe von 43.505,33 EUR, was die Angeklagte zu den von ihr verfolgten Bereicherungszwecken billigend in Kauf nahm. Die Angeklagte handelte hierbei in den Fällen 1-4, 6-17 in der Absicht, sich durch fortgesetzte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen. Die Staatsanwaltschaft hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung in Fall Nr. 5 ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund des Geständnisses der Angeklagten. Das Geständnis ist auch glaubhaft, da es sich mit den polizeilichen Ermittlungen deckt.“
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Strafmildernd wurde hierbei berücksichtigt, dass die Klägerin mit der Fa. … am 31. Januar 2019 eine Ausgleichsvereinbarung abgeschlossen hatte und daraufhin der gesamte Schaden durch Rückzahlung beglichen wurde (Bl. 71 d.A.).
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Die Klägerin hatte sich im Strafverfahren dahingehend (insb. Bl. 65 ff. d.A.) geäußert, dass in der Familie ausschließlich sie für buchhalterische Angelegenheiten zuständig und ihr Mann niemals mit diesen Angelegenheiten befasst gewesen sei. Sie sei - anders als vom Anzeigeerstatter berichtet - stets sehr engagiert und motiviert für ihren Beruf gewesen, vielmehr sei sie in der Konfrontation sehr schockt gewesen und habe deshalb die fristlose Kündigung sofort hingenommen. Sie gehe davon aus, dass das Ermittlungsergebnis hinsichtlich der erreichten Gesamtsumme von 43.505 EUR zutreffe. Sie wolle aber darauf hinweisen, dass sie in der Regel nur ein- bis zweimal im Jahr Einreichungen getätigt habe. Eine Nachquittierung in Apotheken auch für Patienten werde tagtäglich in Deutschland vorgenommen. Sie habe die Summen inzwischen bei der … beglichen.
5
Beweggrund für ihre Taten sei gewesen, dass ihr Ehemann nach erfolgreicher Tätigkeit als Oberarzt im Jahr 2009 unter schwierigen gesundheitlichen Voraussetzungen eine … Praxis übernommen und diese mit hohem persönlichen Einsatz zum Laufen gebracht habe. Daraufhin habe er dann leider im Jahr 2011 einen Burnout und 2012 einen Rückfall erlitten mit der Diagnose „rezidivierende depressive Episode“, er sei dann mehrere Wochen ausgefallen. Währenddessen habe sie selbst verzweifelt versucht, alles in der Praxis und zu Hause mit den damals …- und …-jährigen Töchtern zu regeln. Zum Glück habe sich ihr Mann von dieser schweren Erkrankung wieder erholt und habe trotz teilweise extremer Belastung keinen Rückfall erlitten.
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Seit dieser für sie dramatischen Erfahrung leide sie latent unter der panischen Angst, dass ihr Mann bei widrigen Umständen wie beispielsweise unerwarteten finanziellen Investitionen oder Engpässen wieder einen Rückfall erleiden könnte. Daher habe sie sich hinreißen lassen, bereits von ihrem Mann unterschriebene Privatrezepte aus der Praxis zu entwenden und teilweise auch selbst handschriftlich Medikamente zu verordnen. Diese habe sie in den Apotheken bezogen und meist erst nachträglich quittiert und dann bei der Krankenkasse zur Erstattung eingereicht. Die verheerende Tragweite ihres Tuns habe sie schlichtweg verdrängt. Sie habe sich damals in die Ausrede geflüchtet, dass es sich bei der Versicherung um einen anonymen Großkonzern handle. Außerdem sei ihre persönliche Hemmschwelle gesenkt gewesen, weil sie seit 1993 praktisch tagtäglich erlebe, dass Kunden sich in der Apotheke Rezepte nachquittieren ließen. Sie bedauere und bereue ihr Verhalten inzwischen zutiefst.
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Die Bayerische Landesapothekerkammer erließ wegen dieses Sachverhalts am 22. Juli 2020 eine (seit 24. August 2020 bestandskräftige) Rüge wegen Betrugs (§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 4, § 248a StGB, § 1 Abs. 2, 3 Berufsordnung für Apotheker i.V.m. Art. 59 Abs. 3 und Art. 38 Abs. 1 HKaG) (Bl. 8 d. Behördenakte). Zur Begründung wurde ausgeführt, ein wenn auch nur begrenzter, berufsrechtlicher Überhang sei zu bejahen, weil der Betrug im Rahmen des Anstellungsverhältnisses in der Apotheke begangen worden sei und die Klägerin die ihr als Apothekerin zur Verfügung gestellten Kassensysteme der Apotheke benutzt habe. Damit habe sie nicht dem Vertrauen entsprochen, das ihr als Angehörige des Heilberufs „Apotheker“ entgegengebracht worden sei. Trotz Festsetzung der Freiheitsstrafe auf Bewährung sei die Rüge geboten, weil dieses Verhalten nach dem Verständnis des Berufsstandes „berufsunwürdig“ sei. Von einer Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens werde abgesehen, weil sie den Vorwurf umfassend eingeräumt und versichert habe, in Zukunft dem ihr entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Außerdem sei sie bislang noch nicht berufsrechtlich in Erscheinung getreten.
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Durch Übermittlung der Rüge durch die Bayerische Landesapothekerkammer an die Regierung von … mit Schreiben vom 21. September 2020 erhielt der Beklagte erstmals Kenntnis vom oben genannten Sachverhalt.
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Mit Schreiben der Regierung von … vom 16. Oktober 2020 wurde die Klägerin zum beabsichtigen Approbationswiderruf wegen berufsrechtlicher Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit angehört.
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Die Klägerin ließ durch ihre Bevollmächtigte mit Schreiben vom 23. Oktober 2020 darauf verweisen, dass der Schaden vollständig beglichen worden sei. Die Rückzahlung sei insbesondere schon zu einem Zeitpunkt erfolgt, bevor das Strafverfahren offenkundig geworden sei. Patienten oder Dritte seien niemals involviert gewesen oder zu Schaden gekommen.
11
Die Beklagte erließ am 3. Dezember 2020, der Bevollmächtigten der Klägerin am 10. Dezember 2020 zugestellt, den streitgegenständlichen Bescheid, durch den der Klägerin die am … 1993 durch das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales erteilte Approbation als Apothekerin widerrufen wurde (1.), die Urkunde eingezogen und die Klägerin zur Übermittlung des Originals, der Ausfertigungen, Zweitschriften und beglaubigten Kopien innerhalb von zwei Wochen nach Bestandskraft verpflichtet wurde (2.) und ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 EUR für die nicht fristgerechte Erfüllung der Verpflichtung aus Ziffer 2. angedroht wurde (3.) (Bl. 103 d.A.).
12
In der Begründung wurde ausgeführt, der Bescheid werde auf § 6 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1. Nr. 2 BApO gestützt, weil die Klägerin als unwürdig und als unzuverlässig anzusehen sei. Dabei könnten die strafgerichtlichen Feststellungen auch in diesem Verfahren zu Grunde gelegt werden.
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Die Unwürdigkeit ergebe sich daraus, dass die Gefährdung der finanziellen Basis der gesetzlichen Krankenkassen oder privaten Krankenversicherungen durch betrügerische Falschabrechnungen in großem Umfang eine gravierende berufliche Verfehlung darstelle. Die korrekte Abrechnung stelle einen wesentlichen Bestandteil einer würdigen Erfüllung der beruflichen Pflichten dar. Ein fehlerhaftes Abrechnungsverhalten gegenüber Kostenträgern der Gesundheitspflege sei geeignet, dem Vertrauen in den Apotheker und seinem Ansehen in der Öffentlichkeit zu schaden. Gravierendes, vor allem selbstsüchtiges Fehlverhalten diesen gegenüber führe wegen der unteilbaren, einheitlichen Persönlichkeitsbeurteilung durch die Öffentlichkeit zur Berufsunwürdigkeit in vollem Umfang, da solches Verhalten den Keim der Ausdehnung auch auf das Verhalten gegenüber den Patienten in sich trage, wenn dies dem Vorteil des Apothekers entspreche. Dies erschüttere das Vertrauen gegenüber einem solchen Apotheker insgesamt. Es werde Untadeligkeit in allen berufsbezogenen Bereichen erwartet, wozu auch eine korrekte Abrechnung gehöre. Die vorgebrachte Argumentation der Klägerin, nämlich Angst vor finanziellen Engpässen bei krankheitsbedingten Rückfällen des Ehemanns, überzeuge nicht, zumal der Ehemann als selbständiger Orthopäde in finanzieller Hinsicht durchaus als privilegiert anzusehen sei. Unter Berücksichtigung des hohen Schadens bei der Versicherung, sowie Art, Schwere und Dauer des Fehlverhaltens sei die Straftat als gravierend anzusehen. Auch spiele die Verurteilung zu einer Freiheits-, statt nur einer Geldstrafe eine Rolle wegen der Wirkung auf die Allgemeinheit. Daneben seien der Berufsbezug und die planmäßige Begehung über eine lange Dauer entscheidend. Der Schadensausgleich sei auch erst nach Bekanntwerden der Vorwürfe erfolgt.
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Daneben sei auch die Unzuverlässigkeit anzunehmen, weil wegen der offenbarten charakterlichen Schwäche regelmäßig keine kurzfristige Wandlung zu erreichen sei. Insbesondere Handlungen, die auf einen übersteigerten Erwerbssinn schließen ließen, rechtfertigten die Annahme, die zutage getretene Bedenkenlosigkeit könne auch in vergleichbar schwerwiegende Verstöße gegen gesetzliche Pflichten einmünden.
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Der Widerruf verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinsichtlich des Eingriffs in die Berufsfreiheit der Klägerin. Daneben entfalte die Einschätzung der Bayerischen Landesapothekerkammer keine Sperrwirkung.
16
Die Klägerin ließ gegen diesen Bescheid mit einem am 15. Dezember 2020 beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenen Schriftsatz Klage erheben.
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Zur Begründung führt sie aus, die Voraussetzungen für die Annahme der Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit lägen nicht vor. Hinsichtlich der Unwürdigkeit erwarte die Allgemeinheit schon keine Fehlerfreiheit eines Apothekers in finanzieller Hinsicht. Deren Vertrauenserwartung gegenüber einem Apotheker sei regelmäßig als gering, jedenfalls als deutlich nebensächlich anzusehen, primär verbinde die Allgemeinheit den Aspekt des Heilberufs mit dem Apotheker. Außerdem sei in Deutschland nur ein Anteil von etwa 11% privat versichert, weshalb nicht der Zusammenhang mit dem System der Gesundheitsvorsorge als Ganzem in Frage stehe. Daneben sei die große Angst der Klägerin vor einer erneuten Erkrankung ihres Mannes zu berücksichtigen. Außerdem habe sich die Klägerin entschuldigt und den Schaden wieder gut gemacht. Die Bewährungsstrafe werde allgemein auch als weniger stark empfunden.
18
Auch die Unzuverlässigkeit sei konkret nicht anzunehmen, weil die Klägerin inzwischen eingesehen habe, dass es nicht zu einem Rückfall des Mannes kommen werde, außerdem erledige sie ihre Tätigkeit beanstandungslos. Tagtäglich würden in Apotheken beispielsweise Rezepte nachgestempelt oder nachquittiert; auch würden Rezepte erst hinterher eingereicht und die Medikamente vorher rausgegeben. Hieran habe sich die Klägerin nie beteiligt, sie arbeite völlig beanstandungsfrei, es liege auch kein „übersteigerter Erwerbssinn“ vor. Auch unter Berücksichtigung der Auffassung der BLAK sei ein Approbationswiderruf völlig unverhältnismäßig, weil er ein komplettes Berufsverbot bedeuten würde.
19
Die Klägerin lässt beantragen,
Der Bescheid des Beklagten vom 03.12.2020, Az: …, wird in Ziffer 1-5 aufgehoben.
20
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
21
Zur Begründung trägt er vor, es handle sich keinesfalls nur um Fehler in finanzieller Hinsicht, sondern um ein mit erheblicher krimineller Energie begangenes strafbares Verhalten, weshalb auch ein schwerer Fall des Betruges angenommen worden sei. Insbesondere zeige dies auch die Verhängung einer Freiheitsstrafe für eine Ersttäterin. Das Vertrauen der Allgemeinheit beziehe sich keineswegs nur auf die Pharmaziekunde. Anders als dargestellt sei Aufgabe des Apothekers nicht die Heilung, sondern die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln.
22
Auch bei Handeln aus vermeintlicher Existenznot sei wegen der langen Begehungsdauer von einer Unzuverlässigkeit auszugehen. Die von der Klägerin vorgebrachten Argumente seien allenfalls in einem späteren Wiedergestattungsverfahren zu berücksichtigen.
23
Durch Schriftsatz vom 16. Juli 2021 (und nachfolgend vom 27. September 2021) replizierte die Bevollmächtigte der Klägerin hierauf und vertiefte ihr bisheriges Vorbringen. Außerdem wurde auf die Ungleichbehandlung von selbständigen und angestellten Apothekern verwiesen.
24
In seiner Duplik vom 22. Juli 2021 erwiderte der Beklagte hierauf unter Verweis auf die nicht gegebene Erforderlichkeit, dass der Öffentlichkeit das konkrete Verhalten bekanntgeworden sein müsse.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift.

Entscheidungsgründe

26
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 3. Dezember 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27
A. Der Entzugsbescheid konnte neben der angenommenen Unzuverlässigkeit auch auf die Unwürdigkeit gem. § 6 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO gestützt werden. Dabei ist diese Rechtsgrundlage zunächst als hinreichend bestimmt anzusehen. Die Regelung wird den Anforderungen des grundgesetzlich vorgegebenen Bestimmtheitsgebots gerecht. Zwar handelt es sich beim Begriff der Unwürdigkeit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, allerdings lassen sich die für die Auslegung maßgeblichen Gesichtspunkte hinreichend aus dem Gesamtzusammenhang herleiten. Für die entsprechenden Vorschriften der § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO für die Approbation als Arzt ergibt sich die aus der einem Arzt zukommenden Aufgabe, der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes zu dienen (§ 1 Abs. 1 BÄO), sowie aus seinen berufsrechtlichen Pflichten (vgl. insoweit BVerfG, B.v. 08.09.2017, Az. 1 BvR 1657/17, Rn. 11 - juris). Die Aufgaben eines Apothekers umfassen daneben vergleichbar die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, der Apotheker dient damit der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes (§ 1 Satz 1 und 2 BApO). Insoweit ist auch eine unterschiedliche Beurteilung des Approbationsentzugs bei Ärzten und Apothekern nicht angezeigt.
28
B. Die Voraussetzungen für einen Approbationsentzug wegen Unzuverlässigkeit und wegen Unwürdigkeit liegen vor.
29
Die Zuständigkeit für den Erlass des Bescheides lag dabei bei der Regierung von …, wie sich aus § 12 Abs. 4 Satz 1 BApO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 HeilBZustV ergibt.
30
Die Klägerin ist auch ordnungsgemäß i.S.d. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört worden. Insoweit wurde zwar keine ergänzende Frist nach Akteneinsicht gewährt, die Klägerin hatte sich vor Erlass des Bescheides jedoch mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 23. Oktober 2020 geäußert. Für den Beklagten war jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides nicht erkennbar, dass noch eine weitergehende Stellungnahme erfolgen würde. Auch dürfte die Zeit zwischen Gewährung der Akteneinsicht und Bescheiderlass als nicht unangemessen kurz anzusehen sein.
31
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO liegen im Fall der Klägerin vor, weil die dem Strafbefehl zugrundeliegenden Tatsachen und sonstigen Ermittlungsergebnisse für die Entscheidung verwertet werden durften (1.), keine Bindungswirkung durch die Entscheidung der Landesapothekerkammer vorliegt (2.), das Verhalten der Klägerin insgesamt damit geeignet ist, die Unzuverlässigkeit (3a.) bzw. Unwürdigkeit (3b.) zur Ausübung des Apothekerberufs zu begründen, kein Anhaltspunkt für eine anderweitige Einschätzung hinsichtlich der Schuldfähigkeit bzw. wegen ihres Nachtatverhaltens (4.) vorliegt und sich der Entzug der Approbation auch nicht als unverhältnismäßig darstellt (5.).
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1. Die dem Strafurteil vom 8. Oktober 2019 zugrundeliegenden Tatsachen konnten auch dem vorliegenden Verfahren des Beklagten zugrunde gelegt werden. Daneben konnte der Beklagte auch die weiteren im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse heranziehen. Dies gilt für die eigenständige Überprüfung von gewonnenen Erkenntnissen und Beweismitteln für den Widerruf der Approbation, verpflichtet aber zur kritischen Würdigung und evtl. zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts in eigener Zuständigkeit. Hierzu muss der Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, sich zu äußern und ihre eigene Sicht - gegebenenfalls unter Beweisangebot - darzulegen (BVerwG, B.v. 28.04.1998, Az. 3 B 174/97, Rn. 4 - juris. Dabei hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens das tatsächliche Vorliegen dieser Tatsachengrundlage in Zweifel gezogen.
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2. Der Beklagte war bei der Einschätzung der Unzuverlässigkeit und der Unwürdigkeit i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO nicht an die Würdigung der Bayerischen Landesapothekerkammer gebunden, die mit Schreiben vom 22. Juli 2020 lediglich eine Rüge wegen Betrugs (§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 4, § 248a StGB, § 1 Abs. 2, 3 Berufsordnung für Apotheker i.V.m. Art. 59 Abs. 3 und Art. 38 Abs. 1 HKaG) erlassen hatte. Grundsätzlich ist dabei der Ausgang eines berufsrechtlichen Verfahrens schon nicht maßgeblich, da es für das Approbationswiderrufsverfahren keinerlei Bindungswirkung entfaltet (BayVGH, B.v. 09.07.2012 - 21 ZB 11.2997 - Rn. 14 - juris).
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Die nach Art. 52 Abs. 1 HKaG eingerichtete Landesapothekerkammer ist nach Art. 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Art. 17, Art. 18 Abs. 1, 2 und 4 sowie Art. 39 Abs. 1 HKaG für die Einleitung berufsgerichtlicher Verfahren zuständig. Aus der Zielrichtung der in Art. 59 Abs. 1 Satz 1, Art. 17 HKaG genannten Berufspflichten ergibt sich zwar auch die Anforderung, dem im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Zwar hatte der Vorstand der Bayerischen Landesapothekerkammer im vorliegenden Fall es noch für vertretbar gehalten, von einer Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens abzusehen, war allerdings auch von einer bedenklichen Verletzung der Berufspflichten ausgegangen und hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das der Klägerin vorgeworfene Verhalten nach dem Verständnis des Berufsstandes als berufsunwürdig angesehen werde.
35
Damit kann insbesondere nicht der Schluss gezogen werden, die Apothekerschaft sehe das Verhalten der Klägerin als nicht relevant für das Ansehen des Berufsstandes an.
36
3. Die Klägerin ist auch als unzuverlässig (a) und unwürdig (b) zur Ausübung des Apothekerberufs im Sinne der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO anzusehen.
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(a) Die Unzuverlässigkeit der Klägerin ergibt sich daraus, dass unter Berücksichtigung des vergangenen bestraften Verhaltens der Klägerin in Art und Schwere, sowie ihrer Einlassungen im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren eine negative Prognose gerechtfertigt ist. Das Merkmal der Unzuverlässigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der Behörde weder einen Beurteilungs- noch einen Ermessensspielraum eröffnet. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist daher die Frage, ob die im Rechtsstreit für den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung festgestellten Tatsachen die rechtlichen Kriterien der Unzuverlässigkeit erfüllen (BVerwG, U.v. 26.09.2002 - 3 C 37/01 - NJW 2003, 913 (915)) Der unbestimmte Rechtsbegriff der Unzuverlässigkeit ist erfüllt, wenn eine Apothekerin nicht mehr die Gewähr für die ordnungsgemäße Ausübung ihres Berufs bietet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, die Apothekerin werde entsprechend ihrem bisherigen Verhalten auch in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten (BayVGH, U.v. 15.02.2000 - 21 B 96.1637 - Rn. 24 - juris).
38
Damit kommt es auf eine Zukunftsprognose an, die anzustellende Prognose ist jedoch nicht darauf beschränkt, ob die nach Art, Zahl und Schwere beachtlichen Verstöße gegen Berufspflichten in der Vergangenheit erwarten lassen, die Betreffende werde gleiche (oder zumindest ähnliche) Berufspflichten in der Zukunft schwerwiegend verletzen. Es ist dabei keinesfalls ausgeschlossen, dass beispielsweise Handlungen, die auf einen übersteigerten Erwerbssinn schließen lassen, wie dies bei Abrechnungsbetrug der Fall sein kann, nicht nur die Erwartung rechtfertigen können, auch das zukünftige Verhalten der Apothekerin könnte von solchem falschen Gewinnstreben beeinflusst und gekennzeichnet sein und sich in ähnlichen Vermögensdelikten ausdrücken, sondern auch die begründete Annahme, die insoweit zu Tage getretene Bedenkenlosigkeit könne auch einmünden in vergleichbar schwerwiegende Verstöße gegen ausdrücklich normierte Pflichten, wie beispielsweise die unzulässige Abgabe von Arzneimitteln (BVerwG, a.a.O. (914)).
39
Bei der Wahrnehmung ihrer beruflichen Aufgaben hat sich eine Apothekerin nicht nur von rechtlichen Bestimmungen, sondern von ihrer Verantwortung für das Leben und die körperliche Unversehrtheit im Rahmen der Gesundheitsberufe leiten zu lassen. Sie darf das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Apothekerberuf nicht dadurch verletzen, dass sie sich von einem unangemessenen Gewinnstreben beherrschen lässt. Der Schutz der Gesundheitsversorgung erfordert nicht nur, dass die Apothekerin keinen Anlass zu Zweifeln an der objektiven Richtigkeit ihrer Tätigkeit bietet. Gerade wegen der besonders vertrauensgeprägten Beziehung zwischen Apotheker und Patient geht das Gemeinschaftsgut der Gesundheitsversorgung über den eigentlich pharmazeutisch-fachlichen Bereich deutlich hinaus. Denn die Grundlagen des spezifischen Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Apotheker finden sich auch jenseits der bloßen Erfüllung der Berufspflichten, nämlich in der charakterlichen Integrität der Apotheker (OVG Lüneburg, B.v. 02.05.2012 - 8 LA 78/11 - Rn. 15 - juris unter Verweis auf VGH Mannheim, B.v. 19.04.2006 - 9 S 2317/05 - Rn. 11 - juris).
40
Zwar betrafen die strafbaren Handlungen der Klägerin nicht den Kernbereich apothekerischer Tätigkeit, weisen aber einen Berufsbezug auf (i.), sind auch nicht als minder schwer zu beurteilen (ii.). Daneben sind die Einlassungen der Klägerin nicht geeignet, die Prognoseentscheidung zu verändern (iii.).
41
(i.) Die Straftaten sind mit Berufsbezug erfolgt. Auch wenn die unmittelbare Tat durch Einreichen der Rezepte bei der Krankenkasse begangen wurde und derartiges jedem Privatversicherten möglich gewesen wäre, wurde die Einreichung überhaupt erst dadurch ermöglicht, dass die Klägerin - anders als jedermann - die Möglichkeit hatte, durch ihre apothekerische Tätigkeit an die entsprechenden Bescheinigungen zu gelangen, ohne dass sie hierfür tatsächlich die fraglichen Arzneimittel und Medikamente in einer Apotheke erworben hätte. Dabei wurden die späteren Betrugshandlungen erst durch Verstöße gegen berufsrechtliche Vorschriften wie § 17 Abs. 5 und 6 Satz 1 Nr. 4 ApBetrO ermöglicht, weshalb auch nicht mehr von der Betroffenheit lediglich im Randbereich beruflicher Pflichten ausgegangen werden kann (OVG Lüneburg, B.v. 02.05.2012 - 8 LA 78/11 - Rn. 13 - juris).
42
(ii.) Der strafrechtlich zugrunde gelegte Vorwurf ist dabei keinesfalls als gering anzusehen. Nach Ansicht des BayVGH ist entscheidend, dass die gravierende strafrechtliche Verfehlung einer Klägerin, die in Ausübung des Apothekerberufs erfolgte und über mehrere Jahre andauerte, nicht mit der Vorstellung in Einklang gebracht werden kann, die mit der Einschätzung der Persönlichkeit eines Apothekers gemeinhin verbunden ist. Ein solches Verhalten stimmt nicht mit dem gesamten Berufsbild und den Vorstellungen überein, die die Bevölkerung allgemein von einer Apothekerin hat, weshalb selbst eine geringere Verurteilung als im Falle der Klägerin als ausreichend erachtet wurde (vgl. BayVGH, B.v. 09.07.2012 - 21 ZB 11.2997 - Rn. 12 - juris). Nicht erforderlich ist dabei auch, dass der Ansehens- und Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit konkret eingetreten ist (OVG Lüneburg, B.v. 02.05.2012 - 8 LA 78/11 - Rn. 16 - juris; BayVGH, B.v. 07.02.2002 - 21 ZS 01.2890 - Rn. 12 - juris). Deshalb kann es auch nicht, wie von der Bevollmächtigten vorgetragen, darauf ankommen, dass regelmäßig in der Bevölkerung eine Bewährungsstrafe als weniger schlimm angesehen werde.
43
(iii.) Nach Ansicht der Kammer sind auch die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Motive für die damalige Tatbegehung nicht geeignet, abweichend vom oben Ausgeführten eine positive Prognose zu begründen. Soweit die Klägerin ausführt, sie habe nur aus einer irrationalen und für sie inzwischen objektiv nicht mehr nachvollziehbaren Angst vor einem Rückfall ihres Mannes gehandelt, ist dies schon nicht mit dem späteren Verhalten in Übereinstimmung zu bringen. Obwohl nämlich der von der Klägerin angeblich befürchtete Bedarfsfall nicht eingetreten ist, sind zum gleichen Zeitpunkt allerdings keine entsprechenden finanziellen Reserven mehr vorhanden gewesen, um die Summe sofort zurückzuzahlen. Hätte die Klägerin - wie behauptet - das Geld für einen eventuellen erneuten krankheitsbedingten Ausfall des Ehemannes zur Seite gelegt und angespart, hätte ihr folglich auch die sofortige Rückzahlung möglich sein müssen. Nachdem dies nicht der Fall ist, geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin das Geld jedenfalls überwiegend zu gänzlich anderen Zwecken genutzt hat, womit auch das geschilderte Motiv der Schaffung einer finanziellen Reserve zumindest stark in Zweifel gezogen zu sein scheint. Vielmehr erscheint die Annahme eines übersteigerten Erwerbssinnes - wie von der Beklagten angenommen - als naheliegend.
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Darüber hinaus erscheint der Kammer das zuletzt auch in der mündlichen Verhandlung durch die Klägerin angedeutete Verständnis, nicht die Allgemeinheit sei geschädigt worden, sondern nur ein kleiner Teil der privat Versicherten, im höchsten Maße befremdlich und keineswegs geeignet, einen grundlegenden Einstellungswandel nachzuweisen.
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(b) Die Klägerin ist auch als unwürdig zur Ausübung des Apothekerberufs anzusehen. Für die Beurteilung der Unwürdigkeit ist nicht ausschließlich das Verhalten der Apothekerin bei der Betreuung und Beratung von Apothekenkunden im engeren Sinn, d.h. im Kernbereich der Apothekertätigkeit, maßgebend. Der wesentliche Zweck der Regelung über den Widerruf der Approbation wegen Berufsunwürdigkeit, der den damit verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das Recht der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit legitimiert, liegt darin, ein ungetrübtes Vertrauensverhältnis der Bevölkerung in die Apothekerschaft sicherzustellen. Im Interesse des Einzelnen und der Volksgesundheit sollen die von der Apothekerschaft betreuten Kunden und Patienten die Gewissheit haben, dass sie sich ohne Skrupel einem Apotheker voll und ganz anvertrauen können; sie sollen nicht durch ein irgend geartetes Misstrauen davon abgehalten werden, rechtzeitig die Hilfe einer Apothekerin in Anspruch zu nehmen. Diesem Anliegen ist nicht bereits dann Genüge getan, wenn die betreffende Apothekerin keinen Anlass bietet, an ihrer Pharmaziekunde zu zweifeln. Vielmehr wird Untadeligkeit weiter in allen berufsbezogenen Bereichen erwartet (VG Augsburg, U.v. 25.02.2016 - Au 2 K 15.1028 - Rn. 25 - juris, unter Bezugnahme auf korrekte Abrechnungen eines Apothekers mit den Krankenkassen).
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Der insoweit vergleichbare Tatbestand der Unwürdigkeit im ärztlichen Bereich ist nur dann zu bejahen, wenn ein Arzt vorsätzlich eine schwere, gemeingefährliche, gemeinschädliche oder gegen die Person gerichtete, von der Allgemeinheit besonders missbilligte, ehrenrührige Straftat begangen hat, die ein die Durchschnittsstraftat übersteigendes Unwerturteil enthält und zu einer tiefgreifenden Abwertung seiner Persönlichkeit führt. Hierbei müssen die Straftaten nicht unmittelbar im Verhältnis Arzt-Patient angesiedelt sein. Erfasst werden vielmehr darüber hinaus auch alle berufsbezogenen, d.h. mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem Zusammenhang stehenden Handlungen und ferner, abhängig von der Schwere des Delikts, auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises (VGH Mannheim, B.v. 28.07.2003 - 9 S 1138/03 - Rn. 3 - juris unter Verweis auf B.v. 27.10.1994 - 9 S 1102/92 - NJW 1995, 804; OVG Münster, U.v. 12.11.2002 - 13 A 683/00 - NVBl 2003, 233 und U.v. 15.01.2003 - 13 A 2774/01). Wegen der insoweit vergleichbaren Rechtslage sieht die Kammer keinen Anlass, für den apothekerischen Bereich von anderen Maßstabskonkretisierungen auszugehen.
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Erfasst werden mithin alle mit der eigentlichen Tätigkeit als Apothekerin in nahem Zusammenhang stehende Handlungen und darüber hinaus, abhängig von der Schwere des Delikts, auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises, wenn sie zu einem Ansehens- und Vertrauensverlust führen, die die Betroffene für den Apothekerberuf als auf absehbare Zeit untragbar erscheinen lassen. Entscheidend hierbei ist, ob das Vertrauen der Öffentlichkeit und der betreuten Kunden in die Seriosität der Apothekerschaft im Ganzen erheblich beschädigt ist, wenn eine Angehörige dieser Berufsgruppe trotz Begehens eines Delikts sowie einer dadurch bedingten Verurteilung weiter als Apothekerin tätig sein könnte (VG Augsburg, U.v. 25.02.2016 - Au 2 K 15.1028 - Rn. 25 - juris, unter Verweis auf die entsprechende Würdigung bei Ärzten, vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2009 - 21 ZB 09.1589 - Rn. 7 - juris).
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Unwürdig ist eine Apothekerin, wenn sie wegen ihres Verhaltens in der Vergangenheit nicht mehr das zur Ausübung ihres Berufs erforderliche Ansehen und Vertrauen genießt und dadurch den Beruf schwer belastet. Das ihr zur Last fallende Fehlverhalten muss so schwerwiegend sein, dass bei Würdigung aller Umstände eine weitere Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt als untragbar erscheint (VG Regensburg, U.v. 10.11.2011 - RN 5 K 10.1804 - Rn. 33 - juris mit Hinweis auf die ständige obergerichtliche Rechtsprechung, vgl. nur: BVerwG, B.v. 14.04.1998 - 3 B 95-97 - NJW 1999, 3425; B.v. 02.11.1992 - 3 B 87/92 - juris; BayVGH U.v. 15.02.2000 - 21 B 96.1637 - Rn. 24 - juris).
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Darüber hinaus erstreckt sich regelmäßig das Vertrauen der Bevölkerung auch auf die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen als einem wesentlichen Pfeiler des Gesundheitswesens. Die Gefährdung ihrer finanziellen Basis durch betrügerische oder leichtfertige Falschabrechnungen in großem Umfang stellt daher eine schwerwiegende Verletzung der Berufspflichten dar (BVerwG, U.v. 26.09.2002 - 3 C 37/01 - NJW 2003, 913 (914)).
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Wenn auch die Klägerin zutreffend darauf verweisen lässt, dass die Vertrauenserwartung der Bevölkerung in die Apothekerschaft und deren ordnungsgemäße Abrechnung mit den Krankenkassen nicht von zentraler Bedeutung sein dürfte, so ist dennoch zu sehen, dass regelmäßig in zulässiger Weise erwartet wird, dass ein nicht-eigennütziges Verhalten der Apothekerin im Vordergrund steht. Der durch die Klägerin insoweit gezeigte überschießende Erwerbssinn erscheint damit trotzdem geeignet, die Bevölkerungserwartung zu beeinträchtigen, da insoweit die Erwartung weniger die außerberufliche Untadeligkeit sein dürfte als die ordnungsgemäße Befolgung der Berufspflichten, zu denen auch gehört, sich beruflich bietende Vorteile nicht auszunutzen. Insoweit kann es schon schlicht nicht darauf ankommen, ob nun die gesetzliche oder die private Krankenversicherung geschädigt wurde.
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Ohne Auswirkungen auf die Approbation einer Apothekerin bestünde die Gefahr der Minderung der Wertschätzung des Apothekerstandes in der Gesellschaft und des Vertrauens zwischen Patienten und Apotheker. Schließlich widerspricht ein solches Fehlverhalten auch der Vertrauensstellung, die die Kostenträger des Gesundheitswesens dem Apotheker einräumen. Im Hinblick auf die ungünstige Kostenentwicklung im Gesundheitswesen und die Bemühungen, diese Kosten zu senken, kommt den Apothekern, wie ausgeführt, eine besondere Vertrauensstellung zu. Das ihnen entgegengebrachte Vertrauen darauf, dass sie nur die verschreibungspflichtigen Mittel abgeben, die auch ärztlich verordnet sind, ist dabei von besonderer Bedeutung (OVG Lüneburg, B.v. 02.05.2012 - 8 LA 78/11 - Rn. 17 - juris; BVerwG, U.v. 26.09.2002 - 3 C 37/01 - NJW 2003, 913 (914)).
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Für die Kammer ist dabei weiterhin relevant, dass die Klägerin noch in der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2021 die Auffassung äußerte, sie habe keiner Person, sondern nur einer Institution geschadet. Außerdem habe sie von sich aus vor Kenntnis des Strafverfahrens eine Rückzahlung ausgehandelt und veranlasst.
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Diese Einlassung soll den für die Gesamtheit der privat krankenversicherten Menschen entstandenen Schaden unangemessen relativieren und lässt auch immer noch kein wirkliches Unrechtsbewusstsein insoweit erkennen. Darüber hinaus hat sie noch am Vortag der fristlosen Kündigung eine Rechnung quittiert. Damit kann nicht im Ansatz von einer freiwilligen Aufdeckung ausgegangen werden. Vielmehr wird der Eindruck bewirkt, die Klägerin habe sich lediglich vor einem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit drohenden Strafverfahren um größtmögliche Schadensminimierung bemüht. Verstärkt wird dieser Eindruck - aber schon nicht mehr entscheidungserheblich - dadurch, dass die Klägerin auch nach Beendigung des vorigen Arbeitsverhältnisses nach entsprechendem Verdacht durch die damalige Chefin nicht nur in einer weiteren Apotheke planmäßig weitermachte, sondern auch noch eine Abfindung in der alten Apotheke annahm.
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4. Wegen der unterschiedlichen Maßnahmenrichtung des Strafurteils und des letztlich auch hierauf beruhenden Entzugs der Approbation als Apothekerin kann auch nicht von einem unzulässigem Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung ausgegangen werden (BayVGH, B.v. 09.07.2012 - 21 ZB 11.2997 - Rn. 20 - juris).
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5. Schließlich erweist sich der Entzug der Approbation auch nicht als unverhältnismäßig. Auch ein erstmaliger, zumal strafrechtlich erfasster Verstoß genügt grundsätzlich für die Annahme der Berufsunwürdigkeit, wenn die Art der Straftat, das Ausmaß der Schuld und der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit von bedeutendem Gewicht sind (OVG Lüneburg, B.v. 02.05.2012 - 8 LA 78/11 - Rn. 20 - juris). Die Erheblichkeit ergibt sich dabei aus dem für die Unzuverlässigkeit und die Unwürdigkeit oben Ausgeführten.
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Anders als von der Klägerin angenommen erweist sich der Widerruf der Approbation auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil sie als angestellte Apothekerin gegenüber einem Apothekeninhaber schlechter gestellt würde, weil bei diesem die Möglichkeit des Entzugs der Apothekenbetriebserlaubnis in Betracht käme. Das mildere Mittel des Entzugs der Apothekenbetriebserlaubnis kann ausschließlich dann in Betracht kommen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation nicht erfüllt sind, also die Würdigung des inkriminierten Verhaltens des Betroffenen (noch) nicht die Annahme der Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs rechtfertigt (BayVGH, B.v. 09.07.2012 - 21 ZB 11.2997 - Rn. 13 - juris)
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D. Die Einziehung der Approbationsurkunde und die Verpflichtung zur Übermittlung der Approbationsurkunde (Ziffer 2.) ergeben sich aus Art. 52 Satz 1 und 2 BayVwVfG. Die Zwangsgeldandrohung (Ziffer 3 des Bescheides vom 3. Dezember 2020) begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
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E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.