Inhalt

LG München I, Beschluss v. 23.12.2021 – 14 S 10254/21
Titel:

Rückforderungsprozess des Mieters bei Mietpreisbremse: Darlegungs- und Beweislast für ortsübliche Miete bei qualifiziertem Mietspiegel

Normenketten:
BGB § § 556d Abs. 1, § 556g Abs. 2, § 558d Abs. 3
ZPO § 287
Leitsatz:
Im Rückforderungsprozess nach § 556g Abs. 2 BGB kommt dem Mieter die Vermutungswirkung eines qualifizierten Mietspiegels aus § 558d Abs. 3 BGB auch für die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete in § 556d Abs. 1 BGB zugute. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mietpreisbremse, Rückforderungsprozess, Rückzahlung überzahlter Mieten, ortsübliche Vergleichsmiete, qualifizierter Mietspiegel, Vermutungswirkung, Darlegungslast, Beweislast, Feststellungsantrag, Schätzung
Vorinstanz:
AG München vom 23.06.2021 – 453 C 22593/20
Fundstelle:
BeckRS 2021, 45685

Tenor

1. Die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 23.06.2021, Aktenzeichen …, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf … festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Parteien streiten über das Bestehen von Rückzahlungsansprüchen hinsichtlich überzahlter Mieten sowie über den klägerseits geltend gemachten Feststellungsantrag betreffend die ab Oktober 2020 zu zahlende Miete.
2
Mit schriftlichem Vertrag vom 20.09.2019 mieteten die Kläger von den Beklagten die im 1. OG des Anwesens … gelegene Wohnung zu einer monatlichen Grundmiete in Höhe von 1.171,00 € nebst Vorauszahlungen auf die Betriebskosten für Heizung und Warmwasser sowie auf die übrigen Betriebskosten gem. § 2 Betriebskostenverordnung in Höhe von 50,00 € bzw. 80,00 € an. Die vereinbarte Miete belief sich daher auf insgesamt 1.251,00 €. Das aus der Sphäre der Beklagten stammende und den Klägern vor Abschluss des Mietvertrags zur Verfügung gestellte Wohnungsexposé hatte die Wohnungsgröße mit 69,00 m² beziffert.
3
Mit Schreiben des Mietervereins vom 25.03.2020 rügten die Kläger gem. § 556g Abs. 2 S. 1 BGB einen Verstoß gegen § 556 d BGB.
4
Mit weiterem Schreiben vom 24.09.2020 forderte der Mieterverein für die Kläger - erfolglos - die Rückzahlung überzahlter Mieten in Höhe von 3.296,44 € bis zum 16.10.2020.
5
Die Kläger vertraten bereits erstinstanzlich die Auffassung, dass die ortsübliche Miete nach dem Mietspiegel der Landhauptstadt München des Jahres 2019 lediglich 819,89 € betrage. Die Obergrenze der nach § 556 d BGB zulässigen Miete liege somit bei 896,38 €.
6
Die Beklagten bestritten insbesondere, dass der Münchner Mietspiegel die ortsübliche Miete angebe und dass die Wohnung 69,00 m² groß sei. Es bestehe daher weder ein Rückzahlungsanspruch noch ein Anspruch auf die klägerseits begehrte Feststellung.
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Ergänzend wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
8
Mit Endurteil vom 07.07.2021 hat das Erstgericht der Klage sowohl hinsichtlich des Zahlungsanspruchs in Höhe von 3.295,44 € als auch in Bezug auf den Feststellungsantrag vollumfänglich stattgegeben.
9
Das Urteil ist beiden Parteivertretern am 08.07.2021 (Klägerseite) bzw. 07.07.2021 (Beklagtenseite) zugestellt worden.
10
Mit Schriftsatz vom 29.07.2021, beim Berufungsgericht am selben Tage eingegangen, hat die beklagte Partei gegen das vorstehende Urteil Berufung eingelegt. Die diesbezügliche Begründung ist mit Schriftsatz vom 07.10.2021 erfolgt, der innerhalb der - bis dahin verlängerten - Berufungsbegründungsfrist eingegangen ist.
11
Die Klagepartei hat mit Schriftsatz vom 03.11.2021 beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
12
Die beklagte Partei führt in der Rechtsmittelinstanz im Wesentlichen aus, dass das Amtsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben habe.
13
Das Erstgericht habe bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete zu Unrecht den Münchener Mietspiegel 2019 herangezogen. Denn bei diesem handele es sich nicht um einen qualifizieren Mietspiegel. Soweit das Erstgericht von einer fehlenden Substantiiertheit der Angriffe auf die Qualifizierung des Mietspiegels ausgegangen sei, hätte es einen Hinweis erteilen müssen. Da dies unterblieben sei, habe das Amtsgericht gegen des Gebot rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen.
14
Jedenfalls schaffe § 558 d Abs. 3 BGB lediglich eine Vermutungswirkung für den Zustimmungsprozess. Zu Unrecht und - ebenfalls - unter Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs habe das Erstgericht zudem angenommen, dass die Wohnungsgröße lediglich bei 69,00 m² liege.
15
Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Vorvertragsmiete gem. Mietvertrag vom 01.10.20216 bereits 1.105,00 € betragen habe.
16
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts München vom 23.06.2021 Bezug genommen.
17
Im Berufungsverfahren wird beklagtenseits beantragt,
unter Aufhebung des am 07.07.2021 verkündeten Urteils des Amtsgerichts München, dieses aufzuheben und die Klage abzuweisen.
18
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
19
Mit Beschluss vom 03.11.2021 hat die Kammer darauf hingewiesen, dass sie beabsichtige, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 23.06.2021, Az. 453 C 22593/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung sei, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukomme, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordere und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten sei.
20
Mit Schriftsatz vom 21.12.2021 ist eine Gegenerklärung erfolgt, die im Wesentlichen den Standpunkt zum Ausdruck bringt, dass die Kammer vorliegend die Darlegungs- und Beweislast verkenne.
II.
21
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 23.06.2021, Aktenzeichen 453 C 22593/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
22
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer Bezug genommen.
23
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
Hierzu im Einzelnen:
24
1. Soweit die Berufung meint, dass die Kammer im vorliegenden Rückforderungsprozess die Darlegungs- und Beweislast verkenne, vermag dies nicht zu überzeugen.
25
Soweit die Berufung in der Gegenerklärung Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, BGB § 558 d Rn. 125 zitiert, ist auf die Unvollständigkeit des Zitats hinzuweisen.
26
Denn dort ist zwar zunächst in der Tat ausgeführt:
„§ 558 d Abs. 3 BGB gilt zunächst nur im Zustimmungsverfahren nach §§ 558 ff. BGB. Dies ergibt sich bereits aus der Stellung der Vorschrift. Sie hätte nur dann allgemeine Gültigkeit, wenn sie in die ZPO aufgenommen worden wäre.“
27
Der Kommentar fährt anschließend jedoch wie folgt fort: „Die Vermutungswirkung gilt ferner für die Ermittlung der maximalen Wiedervermietungsmiete gem. § 556 d Abs. 1 BGB. Auch dort ist die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln.“
28
Gerade auf diese Vorschrift stützt sich aber die Klagepartei im Rahmen des von ihr angestrengten Rückforderungsprozesses.
29
Somit kann von einer Verkennung der Darlegungs- und Beweislast durch die Kammer nicht ausgegangen werden.
30
Selbst wenn - wie nach wie vor nicht - der Auffassung der Berufung in diesem Punkt zu folgen wäre, hätte das Erstgericht gleichwohl auf den Mietspiegel der Landeshauptstadt München 2019 zurückgreifen können, § 287 ZPO.
31
2. Von der Verletzung einer Hinweispflicht des Erstgerichts wird weiterhin nicht ausgegangen.
32
3. Da die übrigen Ausführungen im Beschluss vom 03.11.2021 offenbar nicht angegriffen werden, bedarf es keiner weiteren Stellungnahme der Kammer.
III.
33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
34
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
35
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.