VG München, Urteil v. 07.10.2021 – M 27 K 19.872
Titel:
Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen, Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpfleger/in“, Serbische Berufsumschulung, Gleichartigkeit, Referenzberuf
Normenketten:
PflBG § 66a Abs. 1
KrPflG § 2 Abs. 3
Schlagworte:
Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen, Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpfleger/in“, Serbische Berufsumschulung, Gleichartigkeit, Referenzberuf
Fundstelle:
BeckRS 2021, 44985
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die im Jahr 1981 geborene Klägerin, eine serbische Staatsangehörige, macht mit ihrer Klage einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ geltend.
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Mit Schreiben vom 25. Juli 2018 beantragte die Klägerin bei der Regierung von Oberbayern, ihre in Serbien abgeschlossene Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin anzuerkennen und ihr die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ zu erteilen. Hierzu legte die Klägerin einen Lebenslauf vor, in welchem sie angab, in Serbien zunächst acht Jahre die Grundschule und von September 1996 bis Juni 2000 das Gymnasium besucht zu haben. Im Anschluss habe sie von September 2014 bis Juni 2015 die Berufsschule „… …“ (Republik Serbien) besucht und den Abschluss „examinierte Krankenschwester-Technikerin“ erworben. Hierzu legte die Klägerin in beglaubigter Übersetzung Unterlagen vor, unter anderem vier Jahreszeugnisse der Berufsschule für Gesundheits- und Krankenpflege „… …“ (Republik Serbien) vom 17. Juni 2014 (erste Klasse), vom 19. September 2014 (zweite Klasse), vom 26. Dezember 2014 (dritte Klasse) und vom 30. Juni 2015 (vierte Klasse). Darüber hinaus übersandte die Klägerin der Regierung von Oberbayern einen Lehrplan der Berufsschule für das Ausbildungsprofil „Gesundheits- und Krankenpfleger/in“, welcher 2345 Unterrichtseinheiten für allgemeinbildende Fächer und 1975 Unterrichtseinheiten für berufsorientierte Fächer zuzüglich 300 Unterrichtseinheiten Blockunterricht enthält. Vorgelegt wurden des weiteren ein Abschlusszeugnis der Berufsschule für Gesundheits- und Krankenpflege „… …“ vom 20. August 2015 sowie eine Bescheinigung des Gesundheitsministeriums der Republik Serbien vom 1. November 2016 über eine an diesem Tag von der Klägerin bestandene Fachprüfung „für Krankenschwester/Gesundheits- und Krankenpfleger/innen“ sowie Nachweise über Berufspraktika als Gesundheits- und Krankenpflegerin in …, Serbien im Jahr 2015 (drei Monate) und im Jahr 2016 (vom 30. März 2016 bis zum 30. September 2016). Ferner übersandte die Klägerin der Regierung von Oberbayern mit dem Antrag ein Zwischenzeugnis des … … … … vom 2. Juli 2018, in welchem eine dortige Vollzeittätigkeit der Klägerin im Bereich der Pflege seit dem 15. Juli 2017 bestätigt wird.
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Mit Bescheid vom 24. Januar 2019 stellte die Regierung von Oberbayern fest, die Gleichartigkeit der Ausbildung der Klägerin mit der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin nach dem Krankenpflegegesetz sei nicht gegeben (Nr. 1). Die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ könne nicht erteilt werden (Nr. 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei keine gleichartige Krankenpflegeausbildung nachgewiesen. Nach dem vorgelegten Lehrplan umfasse die Ausbildung der Klägerin 4.620 Unterrichtsstunden. Angesichts der kurzen Dauer der Umschulung sei nicht plausibel, dass die Klägerin die bescheinigten Unterrichtsstunden tatsächlich in Anwesenheit abgeleistet habe. Es bestehe der Verdacht, dass falsche Angaben zu der Ausbildung gemacht worden seien. Nach einer Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 11. Dezember 2017 lägen zudem zwischenzeitlich Erkenntnisse vor, dass es sich bei der außerordentlichen Ausbildung in den Balkanstaaten um eine Ausbildung handle, die vorwiegend angeboten werde, um eine Berufstätigkeit im Ausland aufzunehmen. Die Absolventen einer außerordentlichen Ausbildung arbeiteten in der Regel nicht im Herkunftsland und wenn dies doch der Fall sei, übten diese nur Helfertätigkeiten aus. Nach zwei Gutachten der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (Gutachterstelle für Gesundheitsberufe) vom … … 2018 und vom … … 2018 handle es sich bei derartigen verkürzten Umschulungen in der Krankenpflege nicht um reguläre vollzeitschulische Ausbildungen. Auch nach der Einschätzung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege und des Bundesministeriums für Gesundheit entspreche die erworbene Qualifikation eher dem deutschen Referenzberuf einer Pflegefachhelferin. Bei der von der Klägerin erworbenen Berufsqualifikation handle es sich daher nicht um den Referenzberuf einer Gesundheits- und Krankenpflegerin.
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Mit als „Wiederspruch gegen den Bescheid vom 24.01.2019“ bezeichnetem Schreiben vom 6. Februar 2019 wies die Klägerin darauf hin, dass sie entgegen den Ausführungen in dem Bescheid vom 24. Januar 2019 ihre Ausbildung nicht in Bosnien-Herzegowina, sondern in Serbien absolviert habe und bat um Mitteilung, ob die von ihr vorgelegten Unterlagen unvollständig seien und ob es notwendig sei, Klage zu erheben.
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Die Regierung von Oberbayern teilte der Klägerin daraufhin mittels E-Mail vom selben Tag mit, dass sich auf Seite 5 des Bescheides ein Schreibfehler befinde, da die Klägerin die Umschulung in Serbien und nicht in Bosnien-Herzegowina abgeschlossen habe. Ferner verwies die Regierung von Oberbayern auf Art. 15 AGVwGO und teilte der Klägerin mit, dass sie gegen den Bescheid vom 23. Januar 2019 lediglich Klage erheben könne.
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Am 25. Februar 2019 ließ die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte beim Bayerischen Verwaltungsgericht München gegen diesen Bescheid Klage erheben und der Sache nach beantragen,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Januar 2019 zu verpflichten, der Klägerin die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ zu erteilen.
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Zur Begründung ließ die Klägerin vortragen, dass sie von September 2013 bis Juni 2015 die medizinische Berufsschule „… …“ (Republik Serbien) besucht habe. Sämtliche allgemeinbildenden Fächer (2345 Stunden) sowie aus den berufsorientierten Fächern die Fächer Latein (72 Stunden) und Psychologie (72 Stunden) seien der Klägerin aufgrund der bereits vorhandenen Hochschulreife anerkannt worden. Der Beklagte sei ausweislich des streitgegenständlichen Bescheides fehlerhaft von einer Ausbildungszeit der Klägerin von lediglich 20 Monaten ausgegangen. Darüber hinaus seien bei der Entscheidung offensichtlich nicht die bereits vorhandene Hochschulreife (12-jährige Schulbildung) und die damit einhergehende Anerkennung der allgemeinbildenden Fächer, die Teilnahme an dem Blockunterricht sowie die Praktika in … berücksichtigt worden. Ebenfalls nicht berücksichtigt worden sei die Tätigkeit der Klägerin bei der … … … …, welche diese seit dem 15. Juli 2017 ausübe.
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Die Regierung von Oberbayern legte mit Schriftsatz vom 27. März 2019 die Behördenakten vor und beantragte für den Beklagten,
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die Klage abzuweisen.
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Es wurde ausgeführt, dass die von der Klägerin absolvierte Ausbildung einer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin nach dem deutschen Recht nicht gleichwertig sei. Zudem sei Referenzberuf nicht der Beruf der „Gesundheits- und Krankenpflegerin“, sondern vielmehr der Beruf einer „Pflegehelferin“. Die in Serbien absolvierte Zweitausbildung der Klägerin weise einen hohen allgemeinbildenden Fächeranteil auf und bleibe hinter dem fachbezogenen theoretischen Stundenanteil der deutschen Ausbildung (deutlich) zurück. Weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht könne von einer Ausbildung ausgegangen werden, die dem Referenzberuf „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ entspricht.
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Die Klägerbevollmächtigte brachte mit Schriftsatz vom 27. Mai 2019 ergänzend unter anderem vor, dass die Gesamtschuldauer der Klägerin an der Berufsschule für Gesundheits- und Krankenpflege entgegen der Darstellung des Beklagten nicht lediglich 20 Monate, sondern 21 Monate betragen habe. Die Klägerin habe die Berufsschule für Gesundheit- und Krankenpflege ausweislich der vorgelegten Jahreszeugnisse von September 2013 bis Juni 2015 besucht. Das von der Regierung von Oberbayern zitierte Gutachten der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen vom … … 2018 beziehe sich zudem nicht auf Serbien, sondern auf Bosnien-Herzegowina. Außerdem sei die von der Klägerin im Rahmen ihrer Beschäftigung im … … erworbene Berufserfahrung zu berücksichtigen. Vorgelegt wurde eine Bestätigung der Berufsschule für Gesundheits- und Krankenpflege „… …“ vom 11. Februar 2019, welche unter anderem die Feststellung enthält, dass die Klägerin alle Formen der Bildungs- und Erziehungsarbeit abgeleistet habe, die durch Lehrplan und -programm vorgesehen worden seien. Die Klägerin habe vor der Einschreibung in die Berufsschule für Gesundheits- und Krankenpflege „… …“ die erste, zweite, dritte und vierte Klasse des Gymnasiums „… …“ in … beendet. Der Klägerin sei ein Bescheid über die Anerkennung der Noten in den betreffenden Fächern und die Ablegung der Zusatzprüfungen ausgestellt worden.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 3. Oktober 2021 teilte die Klägerbevollmächtigte mit, dass die Klägerin nicht mehr bei der … … … …, sondern nunmehr bei der … … … beschäftigt sei. Vorgelegt wurde ein Zwischenzeugnis der … … … vom 15. September 2021.
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Die Verwaltungsstreitsache wurde am 7. Oktober 2021 mündlich verhandelt. Hierbei erklärte die Klägerin, dass ihre Ausbildung in Serbien im September 2013 begonnen habe. Die erste Klasse habe insgesamt ca. drei Monate gedauert, daran erinnere sie sich. Der Unterricht der zweiten Klasse habe im Januar 2014 begonnen. An die Länge der zweiten Klasse könne sie sich nicht konkret erinnern. Die Klägerin bat darum, ihre mittlerweile fünfjährige Berufserfahrung ebenso zu würdigen wie ihren Einsatz während der Corona-Pandemie. Hinsichtlich des weiteren Ergebnisses wird auf das Protokoll vom selben Tag verwiesen.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1).
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung.
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Für die von der Klägerin begehrte Anerkennung ihrer in Serbien erworbenen Berufsqualifikation ist nach der Übergangsregelung des § 66a Abs. 1 Pflegeberufegesetz (PflBG) trotz Inkrafttreten des Pflegeberufegesetzes zum 1. Januar 2020 (vgl. Art. 15 Abs. 4 des Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe vom 17.7.2017 - Pflegeberufereformgesetz - PflBRefG, BGBl I S. 2581) weiterhin die Regelung des bislang gültigen § 2 Krankenpflegegesetzes (KrPflG) maßgeblich. Nach § 66a Abs. 1 PflBG kann die Entscheidung über einen Antrag auf Anerkennung einer außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes und außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz erworbenen abgeschlossenen Berufsausbildung noch bis zum 31. Dezember 2024 nach dem Krankenpflegegesetz (KrPflG) in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung getroffen werden. Die Klägerin hat keinen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ nach dem Pflegeberufegesetz gestellt.
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Wer die Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ führen will, bedarf gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KrPflG der Erlaubnis. Diese ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KrPflG auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller - neben weiteren Voraussetzungen - die durch dieses Gesetz vorgeschriebene Ausbildungszeit abgeleistet und die staatliche Prüfung bestanden hat. Vorbehaltlich der hier nicht relevanten Absätze 4 bis 6 und des hier ebenfalls nicht einschlägigen § 25 KrPflG erfüllt gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 KrPflG eine außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes und außerhalb eines anderen Vertragsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums erworbene abgeschlossene Ausbildung die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KrPflG, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist.
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Eine Prüfung der Gleichwertigkeit der im Ausland erworbenen Ausbildung nach § 2 Abs. 3 KrPflG findet jedoch nur statt, wenn sich die Ausbildung, die die Klägerin in ihrem Herkunftsstaat abgeschlossen hat, auf Tätigkeiten bezieht, die mit der Tätigkeit als „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ vergleichbar sind („Referenzberuf“) (vgl. VGH BW, U.v. 17.6.2021 - 9 S 368/20 - juris Rn. 37; ähnlich VG Karlsruhe, U.v. 20.7.2020 - 6 K 6925/18 - juris Rn. 42).
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Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 1 bzw. in § 9 Abs. 1 BQFG ausdrücklich ein zweistufiges Verfahren zur Bestimmung der Gleichwertigkeit im Ausland erworbener Ausbildungsnachweise vorgesehen, das einen konkreten Vergleich zwischen den nachgewiesenen Berufsqualifikationen und der entsprechenden inländischen Berufsbildung nur dann vornimmt (Nr. 2), wenn der im Ausland erworbene Ausbildungsnachweis die Befähigung zu vergleichbaren beruflichen Tätigkeiten wie der entsprechende inländische Ausbildungsnachweis belegt (Nr. 1).
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Auch wenn der Gesetzgeber ein entsprechend gestuftes Prüfverfahren in § 2 Abs. 3 KrPflG nicht ausdrücklich vorgesehen hat, ergibt sich ein solches Vorgehen aus dem Umstand, dass § 2 Abs. 3 Sätze 2 und 3 KrPflG zur Ermittlung wesentlicher Unterschiede des Ausbildungsstandes auf einen Vergleich des (deutschen) Berufs des Gesundheits- und Krankenpflegers mit dem Beruf der (ausländischen) Krankenschwester oder des Krankenpflegers abstellt. Denn dieser Vergleich könnte keine Aussage über die Gleichwertigkeit des „Ausbildungsstands“ des Antragstellers treffen, wenn dieser im Herkunftsstaat keine Ausbildung als Krankenschwester oder Krankenpfleger absolviert hat (vgl. VGH BW, U.v. 17.6.2021 a.a.O. Rn. 36). Begrifflich verfügt ein Absolvent eines anderen - ggf. auch medizinischen - Ausbildungsberufs schon nicht über einen „Ausbildungsstand“, der mit dem Ausbildungsstand eines Absolventen einer Ausbildung nach dem Krankenpflegegesetz und den einschlägigen Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften für die Berufe in der Krankenpflege verglichen werden könnte. Er hat vielmehr eine „andere Ausbildung“ im Sinne des § 6 KrPflG abgeschlossen. Auch die Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen deutet darauf hin, dass es sich nach dem Verständnis des Gesetzgebers bei dem Erfordernis des Referenzberufs um einen allgemeinen Grundsatz der Gleichwertigkeitsanerkennung handelt (vgl. BT-Drs. 17/6260, S. 39 f., 50, wonach Bezugspunkt „für die vorgesehenen Verfahren“ „grundsätzlich die inländische Berufsbildung (Referenzberuf)“ ist, „mit der die im Ausland absolvierte Berufsbildung verglichen wird.“).
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Nach diesen Grundsätzen ist die Gleichartigkeit der von der Klägerin in Serbien absolvierten Ausbildung zur „Krankenschwester/ Gesundheits- und Krankenpflegerin“ zu dem deutschen Referenzberuf der „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ nicht gegeben.
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Maßgeblich für die Bestimmung, ob eine im Ausland erworbene Berufsqualifikation einem inländischen Referenzberuf zugeordnet werden kann, ist grundsätzlich der Vergleich der Tätigkeiten, zu denen die im Ausland erworbene Berufsqualifikation berechtigt, mit den vom inländischen Referenzberuf umfassten Tätigkeiten (VGH BW, U.v. 1.9.2021 - 9 S 4172/20 - juris Rn 31; Art. 4 Abs. 2 RL 2005/36/EG). Gefordert ist insoweit jedoch keine Vollidentität, sondern lediglich die „Vergleichbarkeit“ der mit der Ausübung des Berufs verbundenen Tätigkeiten, Art. 4 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 RL 2005/36/EG. Indizwirkung kann dabei der Umstand entfalten, dass die im Ausland erworbenen Berufsbildung und die entsprechende Berufsbildung im Inland hinsichtlich ihrer Ausrichtung offensichtlich voneinander abweichen (vgl. VGH BW a.a.O. Rn. 33).
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Im Hinblick auf die Referenzqualifikation der „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ formuliert § 3 Abs. 1 Satz 1 KrPflG in Übereinstimmung mit Art. 31 Abs. 7, Art. 32 und 33 RL 2005/36/EG das Ausbildungsziel. Die Ausbildung soll nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrPflG insbesondere dazu befähigen, die Erhebung und Feststellung des Pflegebedarfs, Planung, Organisation, Durchführung und Dokumentation der Pflege, die Evaluation der Pflege, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege, die Beratung, Anleitung und Unterstützung von zu pflegenden Menschen und ihrer Bezugspersonen in der individuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit und die Einleitung lebenserhaltender Sofortmaßnahmen bis zum Eintreffen der Ärztin oder des Arztes eigenverantwortlich auszuführen. Bei der Durchführung der Ausbildung ist sicherzustellen, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die die Krankenschwestern und Krankenpfleger, die für allgemeine Pflege verantwortlich sind, befähigen, mindestens die in Art. 31 Abs. 7 der RL 2005/36/EG aufgeführten Tätigkeiten und Aufgaben in eigener Verantwortung durchzuführen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 KrPflG).
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Ausgehend hiervon ist der Beruf der „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ schwerpunktmäßig von der eigenverantwortlichen Organisation und Wahrnehmung von Pflegetätigkeiten unter Ausschluss bloßer Hilfstätigkeiten geprägt. Auf Grundlage dieser Maßstäbe kann eine ausländische Ausbildung daher nur dann dem Referenzberuf der Gesundheits- und Krankenpflegerin zugeordnet werden, wenn sich die im Herkunftsmitgliedsstaat abgeschlossene Ausbildung im Schwerpunkt auf die eigenverantwortliche Organisation und Wahrnehmung von Pflegetätigkeiten bezieht.
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Abzustellen ist hierbei auf die Gesamtheit der Ausbildungsnachweise, die geeignet ist, eine anerkennungsfähige Berufsqualifikation zu vermitteln. Dementsprechend sieht auch die allgemeine Regelung des § 9 Abs. 1 BQFG eine Prüfung des im Ausland erworbenen Ausbildungsnachweises „unter Berücksichtigung sonstiger nachgewiesener Berufsqualifikationen“ vor (vgl. im Kontext des Art. 3 Abs. 2 BayBQFG VG München, U.v. 27.6.2019 - M 27 K 17.430 - juris Rn. 22 f.).
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Nach diesen Grundsätzen kann die Berufsqualifikation der Klägerin dem Referenzberuf der „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ nicht zugeordnet werden. Denn die in Serbien erworbene Berufsbildung zur „Krankenschwester/ Gesundheits- und Krankenpfleger/in“ in Form einer Umschulung und die Ausbildung zur „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ nach dem Krankenpflegegesetz weichen hinsichtlich ihrer Ausrichtung offensichtlich voneinander ab. Die Ausübung des Berufs der „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ ist nach den Vorschriften des Krankenpflegegesetzes schwerpunktmäßig von der eigenverantwortlichen Organisation und Wahrnehmung von Pflegetätigkeiten unter Ausschluss bloßer Hilfstätigkeiten geprägt. Eine entsprechende Ausrichtung ist bei der von der Klägerin absolvierten Ausbildung zur „Krankenschwester/ Gesundheits- und Krankenpfleger/in“ nicht zu erkennen.
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Die von der Klägerin absolvierte Ausbildung weicht schon vom Umfang her ganz erheblich von der Ausbildung zur „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ nach dem Krankenpflegegesetz ab. Unklar ist bereits die Dauer der schulischen Ausbildung der Klägerin. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie die streitgegenständliche Ausbildung im September 2013 begonnen und die erste Klasse einen Zeitraum von insgesamt ca. drei Monaten umfasst habe. Dies ist für das Gericht angesichts der Tatsache, dass das Berufsschulzeugnis der Klägerin für die erste Klasse das Datum „17.6.2014“ trägt, nicht nachvollziehbar. Auch die Dauer der zweiten Klasse kann anhand der Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung und des von ihr vorgelegten Zeugnisse der Berufsschule nicht nachvollzogen werden. Es erschließt sich dem Gericht zum einen nicht, warum die zweite Klasse wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben im Januar 2014 begonnen haben soll, das Zeugnis für die erste Klasse jedoch erst im Juni 2014 ausgestellt wurde. Zum anderen bestehen angesichts der Angaben der Klägerin zu der Dauer der ersten Klasse erhebliche Zweifel daran, dass die zweite Klasse von Januar 2014 bis September 2014 gedauert haben soll. Doch selbst für den Fall, dass die Klägerin die schulische Ausbildung tatsächlich wie von ihr in der mündlichen Verhandlung angegeben im September 2013 begonnen haben sollte, weicht die Dauer dieser Ausbildung von dann ca. 21 Monaten erheblich von der Ausbildung zur „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ nach dem Krankenpflegegesetz ab. § 4 Abs. 1 Satz 1 KrPflG sieht eine in Vollzeitform dreijährige, in Teilzeitform höchstens fünfjährige Ausbildung vor. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 KrPflG besteht die Ausbildung aus theoretischem und praktischem Unterricht und einer praktischen Ausbildung, wobei die Fehlzeiten nach § 7 KrPflG begrenzt sind. Die Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege umfasst nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Krankenpflege-Ausbildungsverordnung (KrPflAPrV) 2.100 Stunden theoretischen und praktischen Unterricht und 2.500 Stunden praktischer Ausbildung.
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Die Klägerin musste nach dem von ihr vorgelegten Lehrplan spezifisch im Bereich der „Gesundheitspflege“ lediglich 650 theoretische Ausbildungsstunden, 595 Übungsstunden und 240 Stunden Blockunterricht besuchen. Die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin in Deutschland sieht hingegen - zusätzlich zur Vermittlung medizinischer Fachkenntnisse - 950 Theoriestunden spezifisch im Bereich „Kenntnisse der Gesundheits- und Krankenpflege, der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sowie der Pflege- und Gesundheitswissenschaften“ vor und ergänzt diese um 2.500 Stunden der praktischen Pflegeausbildung (vgl. Anl. 1 KrPflAPrV).
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Auch inhaltlich kann angesichts der von der Klägerin vorgelegten Ausbildungsnachweise nicht von einem Ausbildungsschwerpunkt im Bereich der eigenverantwortlichen Organisation und Wahrnehmung von Pflegetätigkeiten ausgegangen werden. Dies zeigt der Umstand, dass die von der Klägerin vorgelegten individuellen Ausbildungsnachweise sich vorwiegend auf die Vermittlung allgemeiner Ausbildungsinhalte sowie medizinischer Fachkenntnisse beziehen. Weder die vorgelegten Jahreszeugnisse, noch die vorgelegte Bescheinigung der Berufsschule für Gesundheits- und Krankenpflege „… …“ vom 31. August 2015 über die Ableistung des Blockunterrichts durch die Klägerin und die Bestätigungen des Spezialisierten Krankenhauses für psychiatrische Krankheiten … vom 29. September 2015, vom 27. Oktober 2016, vom 28. Juni 2017 und vom 11. September 2017 enthalten Angaben zu der Vermittlung von Kenntnissen betreffend eine eigenverantwortliche Organisation und Wahrnehmung von Pflegetätigkeiten.
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Aus einer von dem Beklagten zitierten und in der Behördenakte befindlichen Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 11. Dezember 2017 ergibt sich darüber hinaus, dass die Absolventen einer außerordentlichen Ausbildung in den Balkanstaaten in ihrem Herkunftsland nur Helfertätigkeiten ausüben. Das Gericht hat keinen Anlass, an dieser Mitteilung zu zweifeln.
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Die Ausführungen der Klägerbevollmächtigten zu einem Ausgleich etwaiger Unterschiede in der Ausbildung durch Berücksichtigung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die die Klägerin im Rahmen ihrer Berufspraxis erworben hat, gehen fehl, da es in diesem Fall schon an der Vergleichbarkeit zum Referenzberuf mangelt und somit die Prüfung der Gleichwertigkeit der Ausbildung, bei welcher in der Berufspraxis erworbene Kenntnisse für die Anerkennung als Ausgleich relevant sein können, nicht eröffnet ist.
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Im Übrigen wird auf die Begründung im angefochtenen Bescheid vom 24. Januar 2019 gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen.
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II. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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III. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.