LG München II, Endurteil v. 25.10.2021 – 14 O 3705/20
Titel:
Keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Haftung der Fahrzeugherstellerin für den von einer Schwestergesellschaft hergestellten Motor
Normenkette:
BGB § 31, § 278, § 280, § 823 Abs. 2, § 826, § 831, § 852
Leitsätze:
1. Hat eine Schwestergesellschaft den von der Fahrzeugherstellerin verbauten Motor, der eine unzulässige Vorrichtung zur Abgasmanipulation enthält, was zum Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt führt, entwickelt, hergestellt und geliefert, genügt die bloße Entwicklungszusammenarbeit beider Unternehmen nicht, um eine Kenntnis der Herstellerin von der unzulässigen Abschalteinrichtung als substantiiert dargelegt ansehen zu können. (Rn. 3 und 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die schlichte Konzernverbundenheit von zwei Schwestergesellschaften führt nicht zu einer Kenntniszurechnung über §§ 31, 278, 831 BGB, auch nicht analog. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Aufgehoben und zurückverwiesen durch nachfolgend OLG München BeckRS 2022, 1093. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, Konzernverbundenheit, sekundäre Darlegungslast, Entwicklungszusammenarbeit, Kenntnis der Herstellerin, Schwestergesellschaft, Kenntniszurechnung, Versäumnisurteil
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 03.02.2022 – 8 U 8353/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 44610
Tenor
1. Das Versäumnisurteil vom 17.06.2021 wird aufrechterhalten.
2. Der Kläger hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 17.06.2021 darf nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags fortgesetzt werden.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 11.900,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger macht Ansprüche im Zusammenhang mit dem sog. Dieselskandal geltend.
2
Der Kläger kaufte am 23.07.2013 den von der Beklagten hergestellten, im Versäumnisurteil vom 10.12.2020 näher bezeichneten Pkw. In diesem war ein von der Konzernschwester der Beklagten, der …, entwickelter und hergestellter Motor des Typs … verbaut, der eine unzulässige Vorrichtung zur Abgasmanipulation enthielt, was zum Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt führte.
3
Der Kläger behauptet, die Beklagte habe aufgrund der engen Entwicklungszusammenarbeit mit der … um die unzulässige Manipulation gewußt und den Kläger vorsätzlich sittenwidrig getäuscht und geschädigt, welcher den Pkw bei Kenntnis nicht gekauft hätte. Er macht Schadensersatz geltend in Höhe des Kaufpreises.
4
Im Termin vom 10.12.2020 erging gegen die Beklagte
Versäumnisurteil
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.900,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 23.07.2013 sowie 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 31.03.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs …, Fahrgestellnummer ….
- 2.
-
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziffer 1 genannten Fahrzeugs im Verzug befindet.
- 3.
-
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- 4.
-
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5
Auf zulässigen Einspruch der Beklagten erging im Termin vom 17.06.2021 gegen den Kläger
Versäumnisurteil
- 1.
-
Das Versäumnisurteil des Landgerichts München II vom 10.12.2020 wird aufgehoben.
- 2.
-
Die Klage wird abgewiesen.
- 3.
-
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger mit Ausnahme der Kosten der Säumnis der Beklagten vom 10.12.2020, welche die Beklagte trägt.
- 4.
-
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
6
Der Kläger legte frist- und formgerecht Einspruch ein.
7
Der Kläger beantragt die Aufhebung des Versäumnisurteils vom 17.06.2021, vormals falsch bezeichnet als Versäumnisurteil vom 24.06.2021, und beantragt weiter, das Versäumnisurteil vom 10.12.2020 aufrechtzuerhalten.
8
Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil vom 17.06.2021, vormals fehlerhaft bezeichnet als Versäumnisurteil vom 24.06.2021, aufrechtzuerhalten.
9
Der Beklagt erhebt die Einrede der Verjährung.
10
Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 10.12.2020, vom 17.06.2021 und 16.09.2021 verwiesen.
Entscheidungsgründe
11
Das Versäumnisurteil vom 17.06.2021 ist aufrechtzuerhalten, da die zulässige Klage unbegründet ist, § 343 ZPO.
12
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch, insbesondere aus §§ 826, 823 Abs., 2, 852, 280 ff. BGB zu.
13
Eine Kenntnis der Beklagten hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, so dass eine sekundäre Darlegungslast derselben nicht zum Tragen kommt. Die bloße Entwicklungszusammenarbeit genügt hierfür ebenso wenig wie die Konzernverbundenheit, die nicht zu einer Kenntniszurechnung über §§ 31, 278, 831 BGB, je auch analog, führt.
14
Überdies ist der Anspruch auch verjährt.
15
Kosten: § 91 ZPO.
16
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.