VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 12.04.2021 – B 8 K 20.931
Titel:
Kein Corona-Pflegebonus für Beschäftigungs-/Ergotherapeutin im Krankenhaus
Normenkette:
GG Art. 3
Leitsätze:
1. Es ist nicht zu beanstanden, dass in der Bewilligungspraxis für den Corona-Pflegebonus die Tätigkeit eines Ergotherapeuten in Krankenhäusern als grundsätzlich nicht mit der Pflege vergleichbar angesehen wird. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. In einem Massenverfahren ist es zweckmäßig, dass der Begünstigte seine pflegerischen Tätigkeiten nachweist, wie in Nr. 5.2 S.1 CoBoR vorgesehen. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fördervoraussetzungen, Ergotherapie, Krankenhaus, Klinikum, Nachweis der Beschäftigung, Corona, Pflegebonus, Beschäftigungstherapie, Pflege, Nachweis
Fundstelle:
BeckRS 2021, 44537
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei darf die Vollstreckung der Beklagtenseite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagtenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Bewilligung des Corona-Pflegebonus nach der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR vom 30.04.2020, zuletzt geändert mit Bekanntmachung vom 15.05.2020).
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Sie stellte am 11.06.2020 online beim Bayerischen Landesamt für Pflege einen Antrag auf Gewährung dieses Bonus. Dabei gab sie an, aktuell als Beschäftigungstherapeutin in einem Krankenhaus/Klinikum, mit einem Arbeitszeitanteil ab 25 Stunden zu arbeiten. Die Arbeitgeberin, die …, bestätigte mit Schreiben vom 09.06.2020 ihre Tätigkeit als Beschäftigungstherapeutin mit einer Arbeitszeit von mehr als 25 Stunden (Bl. 5 d. Akten).
3
Mit Bescheid vom 11.08.2020, versandt als einfacher Brief, lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin gehe weder einer in der CoBoR genannten Tätigkeit nach noch übe sie eine der in den Anlagen zur CoBoR benannten Qualifikationen aus, weshalb sie nicht die Voraussetzungen für die Bewilligung des Corona-Pflegebonus erfülle.
4
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 03.09.2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg am 07.09.2020, Klage. Sie beantragt,
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin den beantragten Corona-Pflegebonus zu gewähren.
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Die Klägerin sei seit dem 01.09.2001 als Ergotherapeutin mit Schwerpunkt „Akutneurologie/Stock Unit“ bei der … … im Umfang von mehr als 25 Stunden beschäftigt. Sie sei in der „… Nervenklinik“ beschäftigt. Hierbei handele es sich um eine Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie.
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Die CoBoR erfasse Ergotherapeuten in deren Anlage 1. In einer Einrichtung der Langzeitpflege wäre ihre Tätigkeit in diesem Qualifikationsregister erfasst. Es könne keinen Unterschied machen, dass die Klägerin in einer Klinik arbeite. Im Sinne der Gleichbehandlung müsse die Klägerin als Ergotherapeutin in einem Krankenhaus genauso behandelt werden, wie ihre Kollegen in der Langzeitpflege.
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Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg erklärte sich nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 16.09.2020 für örtlich unzuständig (Ziff.
I. des Beschlusses) und verwies das Verfahren an das örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth (Ziff.
II. des Beschlusses), wo es am 24.09.2020 einging.
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Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 14.10.2020,
die Klage abzuweisen.
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Weder die von der Klägerin angegebene Tätigkeit als Beschäftigungstherapeutin in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der … … noch die angegebene Beschäftigung als Ergotherapeutin mit Schwerpunkt Akutneurologie/Stock Unit in der … … Nervenklinik seien begünstigt. Bei der … … Nervenklinik handele es sich um ein Krankenhaus und damit um eine Einrichtung der Anlage 2 der CoBoR. In der Anlage 2 seien Ergotherapeuten im Gegensatz zur Anlage 1 nicht als Begünstigte aufgeführt.
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Hierauf entgegnete der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 25.11.2020, dass in der Anlage 2 der CoBoR die Tätigkeit als Ergotherapeutin zwar nicht ausdrücklich aufgeführt sei, diese Liste allerdings nicht abschließend sei, wie sich aus der Verwendung des Begriffs „insbesondere“ ergebe. Aus dem Zusammenhang sei ersichtlich, dass es sich bei den begünstigten Personen um Menschen handele, die pflegerisch tätig seien. Sie müssten insofern mit den in der Anlage genannten Regelbeispielen vergleichbar sein. Die Klägerin sei mit dem in der Anlage 2 ausdrücklich genannten Pflegehelfer vergleichbar.
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Sie sei seit 2005 in der „Stroke Unit (Schlaganfallakutstation)“ eingesetzt. Dies entspreche einer „kleinen Intensivstation“. Der Beruf der Ergotherapeutin betreffe viele Bereiche des täglichen Lebens im Hinblick auf die Arbeit am Patienten, sodass die Tätigkeit mit dem klassischen Pflegebereich vergleichbar sei. Betroffen seien beispielsweise die Körperpflege, das An- und Auskleiden, Hilfe bei Toilettengängen und das Anreichen von Essen. Die Klägerin gebe der Pflege Hinweise, wie ein Patient mobilisiert werden könne, die wiederum die Pflegehelfer unterweisen würden. Die Klägerin habe sich ständig durch Qualifizierung und langjährige enge Zusammenarbeit mit der Pflege eine erhebliche Kompetenz in diesem Bereich erarbeitet und bringe diese auch im Tagesgeschäft ein. So habe die Klägerin an einer Einweisung in die „Grundlagen der Pflege“ teilgenommen. Sie sei daher unter anderem in der Lage, Vitalwerte zu messen, Anti-Thrombosestrümpfe anzuziehen und Körperpflege durchzuführen. Hierzu legt der Bevollmächtigte ein „Handout“ einer Veranstaltung bei.
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Die Klägerin sei im selben Maße wie das Pflegepersonal den Risiken einer Ansteckung ausgesetzt. Sie arbeite nah am Patienten und sei einer Ansteckung nahezu schutzlos ausgeliefert. Viele neurologische Patienten hätten Schluckbeschwerden, sodass sie den Speichel zum Teil ausspuckten. Zu Beginn der Pandemie habe es weder Schutzkleidung noch Testungen gegeben.
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Ergotherapeuten seien in der Anlage 1 der CoBoR genannt. Es bestehe kein sachliches Unterscheidungskriterium, wonach diese schützenswerter sein sollten als die Kolleginnen in den Krankenhäusern. Insbesondere die vermehrten Kontakte sprechen tatsächlich eher dafür, dass Letztere sogar schützenswerter seien. In den Dauereinrichtungen würden die Kontakte nur selten wechseln. Offenbar handele es sich bei der Auslassung der Ergotherapeuten in der Anlage 2 um ein redaktionelles Versehen, jedenfalls aber eine planwidrige Regelungslücke. Dies erscheine möglich, weil der Normgeber nicht bedacht habe, dass auch in Akuteinrichtungen Ergotherapeuten beschäftigt seien.
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Mit gerichtlichem Hinweisschreiben vom 22.01.2021 wurde darauf aufmerksam gemacht, dass es an einem entsprechendem „Nachweis über die Beschäftigung“ entsprechend Nr. 5.2 der CoBoR fehle, soweit es darauf ankomme, ob die Klägerin die Voraussetzungen nach Nr. 2 Satz 2 der CoBoR erfülle, also als eine „tatsächlich in der Pflege Tätige“ anzusehen sei.
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Mit Schriftsatz vom 17.02.2021 hat die Beklagtenseite weiter vorgetragen, dass die Tätigkeit als Ergotherapeutin im Krankenhaus vom Richtlinienverfasser nicht begünstigt sei, was sich bereits aus der einschlägigen Anlage 2 der CoBoR ergebe. Die Aufzählung der begünstigten Einrichtungen sei abschließend. Die Klägerseite verkenne, dass in der Aufzählung des Ergotherapeuten nur in der Anlage 1 und nicht in der Anlage 2 eine bewusste Entscheidung des Richtliniengebers zugunsten des Ergotherapeuten in der stationären Langzeitpflege zu sehen sei. Daraus ergebe sich der Wille, dass ein Ergotherapeut in der Krankenpflege nach Anlage 2 nicht begünstigt werden solle. Dies werde auch dadurch deutlich, dass etwa der staatlich anerkannte Altenpfleger in beiden Anlagen genannt werde.
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Die Tätigkeit eines Ergotherapeuten sei auch nicht mit der Pflege vergleichbar, da er nicht pflegerisch, sondern therapeutisch-medizinisch tätig werde. Die streitgegenständliche Richtlinie verneine eine Vergleichbarkeit von Therapie und Pflege, was dem Wortlaut der Richtlinie sowie den Anlagen zu entnehmen sei. Ein Ergotherapeut gehe einer klassischen Therapietätigkeit nach. Ergotherapie unterstütze begleitend Menschen jeden Alters, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkungen bedroht seien. Ziel sei, sie bei der Durchführung für sie bedeutungsvolle Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit in ihrer persönlichen Umwelt zu stärken. Hierbei dienten spezifische Aktivitäten, Umweltanpassung und Beratung dazu, dem Menschen Handlungsfähigkeit im Alltag, gesellschaftliche Teilhabe und eine Verbesserung seiner Lebensqualität zu ermöglichen.
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Die Klägerin habe einen (Zeit-)Nachweis hinsichtlich einer über therapeutische Behandlungen hinausgehenden pflegerischen Tätigkeit nicht erbracht. Dem Handout der Schulung zum Thema „Einweisung in die Grundlagen der Pflege“ könne nur entnommen werden, dass die Klägerin theoretische Kenntnisse der Pflege habe, nicht ob und in welchem Umfang sie diese ausübe bzw. ob und in welchem Umfang dies im Antragszeitraum geschehen sei.
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Die Honorierung eines persönlichen Risikos der Arbeitnehmer vermöge ein Absehen von den ausdifferenzierten Anforderungen der Richtlinie nicht zu rechtfertigen.
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Mit Schriftsatz vom 19.02.2021 stellte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach Hinweis des Gerichts klar, dass sie im Klinikum … in der „Stroke Unit/Neurologie“ als Ergotherapeutin beschäftigt sei. Dies ergebe sich auch aus der dem Schriftsatz beigefügten Arbeitgeberbescheinigung vom 26.08.2020. Nach dieser Bescheinigung der … … arbeite die Klägerin als „Ergotherapeutin Schwerpunkt Akutneurologie/Stroke Unit“. Die Klägerin sei gelernte Beschäftigungs- und Arbeitstherapeutin.
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Die Klägerin habe den Kurs zum Pflegehelfer absolviert. Dieser sei in der Anlage 2 ausdrücklich als Berechtigter genannt. Sie stehe auf Abruf bereit, um ihre Arbeit zu unterbrechen und entsprechende Pflegetätigkeiten durchzuführen. Daneben habe ihre Tätigkeit als Ergotherapeutin weiterbestanden. In ihrer Funktion als Aushilfspflegerin habe die Klägerin dem Patienten beim An- und Auskleiden geholfen, bei der Nahrungsaufnahme, beim Toilettengang, beim Mobilisieren und der Körperpflege. All dies seien typische Pflegetätigkeiten.
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Sofern das Gericht einen Nachweis der pflegerischen Tätigkeit nicht als ausreichend ansehe, werde angeregt, die Arbeitgeberin im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes in geeigneter Form an dem Verfahren zu beteiligen. Die Klägerin habe ihrer Arbeitgeberin gegenüber nur eine begrenzte Einwirkungsmöglichkeit.
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Mit Schriftsatz vom 03.03.2021 führt die Beklagtenseite weiter aus, dass entsprechend der Richtlinie Anträge von in Krankenhäusern tätigen Ergotherapeuten, die keine tatsächliche pflegerische Tätigkeit nachweisen, in ständiger Verwaltungspraxis des Landesamtes negativ verbeschieden würden.
23
Nach gerichtlichem Hinweis führt der Beklagte zu den im gerichtlichen Verfahren vorgebrachten Tätigkeiten der Klägerin im Wesentlichen aus:
- In der Hilfestellung bei der Nahrungsaufnahme könne eine begünstigte Tätigkeit liegen, dies jedoch erst bei der tatsächlichen Eingabe von Nahrungsmitteln und/oder Getränken. Das Vorbereiten oder Anreichen genüge nicht.
- Auch in der Unterstützung bei der Körperpflege könne eine begünstigte Tätigkeit liegen, wenn es sich dabei um eine körpernahe Tätigkeit am Patienten handele, die sich nicht im bloßen Anreichen von Körperpflegeprodukten erschöpfte. Begünstigte Tätigkeiten wären hier etwa das Waschen, Abtrocknen und Eincremen.
- Die bloße Hilfe beim Aufstehen und der Gang zur Toilette stelle noch keine von der Richtlinie begünstigte Tätigkeit dar. Hier bedürfe es der tatsächlichen Unterstützung bei der Verrichtung der Notdurft.
- Maßnahmen zur Förderung der körperlichen und/oder geistigen Beweglichkeit sowie zur Teilhabe am Alltagsleben seien eher therapeutischer Art und damit keine pflegerische Tätigkeit.
- Beim An- und Auskleiden könne es sich um pflegerische Tätigkeiten handeln, solange es sich nicht um sozial übliche (unterstützende) Höflichkeiten handele, wie etwa jemandem in den Mantel zu helfen. Auch nicht ausreichend sei das bloße Anreichen von Kleidungsstücken.
- Beim Erteilen von Hinweisen zur Mobilisierung an die Pflege handele es sich wiederum um therapeutische Tätigkeiten.
- Das Messen von Vitalwerten sei medizinischer Natur.
- Das Anziehen von Anti-Thrombosestrümpfen sei pflegerischer Art.
24
Insbesondere im Hinblick auf das Berufsfeld der Ergotherapeutin seien Tätigkeiten, die grundsätzlich pflegerischer Art sein mögen, allerdings dann nicht begünstigt, wenn sie allein im therapeutischen Kontext, in Ausübung der üblichen ergotherapeutischen Tätigkeit, erfolgten. Beispielsweise wäre etwa die Unterstützung beim An und Auskleiden dann nicht begünstigt, wenn dies im Rahmen einer Therapie zur (Wieder-)Herstellung entsprechender Fähigkeiten erfolge.
25
Die bloße Behauptung von Tätigkeiten durch die Klägerin bzw. deren Prozessbevollmächtigten genüge nicht für eine Bewilligung. Vielmehr müsse eine Bestätigung und ggf. eine Einordnung der tatsächlichen Tätigkeit seitens des Arbeitgebers erfolgen.
26
Das Gericht hat der Klägerin mit Schreiben vom 09.03.2021 aufgegeben, sich bis zum 26.03.2021 substantiiert zu etwaigen Tätigkeiten im maßgeblichen Zeitraum zu äußern und einen entsprechend geeigneten Nachweis vorzulegen. Ihr Prozessbevollmächtigter erklärte mit Schriftsatz vom 24.03.2021, dass ein Nachweis über den Anteil der pflegerischen Tätigkeiten nicht erbracht werden könne. Für die Klägerin sei lediglich nicht nachvollziehbar, weshalb Kollegen von ihr, die weniger am Patienten als sie gearbeitet hätten, den Corona-Bonus erhalten hätten. Diesbezüglich sehe die Klägerin eine Gleichbehandlung nicht gegeben.
27
Die Beteiligten hörte das Gericht jeweils mit Schreiben vom 09.03.2021 zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid an. Klägerin und Beklagter erklärten jeweils schriftlich ihr Einverständnis.
28
Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakte verwiesen, § 117 Abs. 3 VwGO.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
30
1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
31
Das Gericht ist nach § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG örtlich zuständig. Der unanfechtbare Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 16.09.2020 ist entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit bindend (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 83 Rn. 12, 18).
32
Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 11.08.2020 ist rechtmäßig und damit nicht aufzuheben (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Klägerin steht kein Anspruch auf Gewährung eines Pflegebonus nach der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR) zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
33
Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 23). Daran setzt der Maßstab der gerichtlichen Überprüfung an.
34
1.1 Nach Nr. 2 der CoBoR sind Begünstigte der Richtlinie im Wesentlichen Personen, die in bestimmten Einrichtungen (1.) eine geförderte pflegerische Tätigkeit (2.) in einem bestimmten Zeitraum (3.) nachweisen können. Nr. 5.2 Satz 1 der CoBoR setzt voraus, dass die Beschäftigung mit Blick auf eine behauptete pflegerische Tätigkeit entsprechend nachgewiesen wird. Dabei müssen alle Voraussetzungen für die Förderfähigkeit erfüllt sein.
35
Die Klägerin vermochte allerdings eine entsprechend förderfähige Tätigkeit nicht nachzuweisen, wenngleich sie in einem Krankenhaus arbeitet, das als Einrichtung nach Nr. 2 Satz 1 CoBoR grundsätzlich die Fördervoraussetzungen erfüllt.
1.1.1
36
Die Klägerin ist mangels Qualifikation keine „Pflegende“ nach Nr. 2 Satz 1 CoBoR.
1.1.2
37
Die Klägerin ist auch nicht nach Nr. 2 Satz 2 CoBoR als „tatsächlich in der Pflege Tätige“ anzusehen, deren ausgeübte Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist. Das Gericht erkennt bereits keinen hinreichend substantiierten Vortrag der Klägerin zu etwaigen pflegerischen Tätigkeiten.
38
Der Beklagte machte dabei hinreichend deutlich, dass er bei der Gewährung des Pflegebonus zwischen pflegerischen und therapeutischen Tätigkeiten trennt. Gemäß seiner Verwaltungspraxis werden ergotherapeutische Tätigkeiten nur begünstigt, wenn Sie gemäß Anlage 1 der CoBoR in einer Einrichtung der Langzeitpflege stattfinden. Bei Tätigkeiten in anderen Einrichtungen, wie im vorliegenden Fall im Krankenhaus, kommt es nach Nr. 2 Satz 2 der CoBoR auf eine entsprechend pflegerische Tätigkeit bzw. nach Anlage 2 zur CoBoR auf eine bestimmte Qualifikation des Antragstellers an. Der Beklagte sieht in seiner Bewilligungspraxis die Tätigkeit eines Ergotherapeuten in nicht zu beanstandender Weise in Krankenhäusern als grundsätzlich nicht mit der Pflege vergleichbar an. Dies führt der Beklagte darauf zurück, dass Ergotherapeuten in der Regel nicht pflegerisch, sondern therapeutisch-medizinisch tätig seien. Wenngleich es bei der Arbeit mit Patienten im Krankenhaus zu inhaltlichen Überschneidungen kommen kann, macht dies die „klassischen“ Ergotherapeutin nicht automatisch zur Pflegekraft, solange ihr pflegerischer Einsatz nicht ein entsprechend eigenständiges Niveau erreicht. Dies drückt sich auch im Richtlinientext aus („entsprechend“ und „vergleichbar mit Pflege“, vgl. Nr. 2 Satz 2 CoBoR). Insofern nachvollziehbar ist, dass bei einer ergotherapeutischen Tätigkeit an Patienten in einem Krankenhaus typischerweise Aufgaben anfallen können, die im therapeutischen Kontext inhaltlichen Bezug zur Pflege aufweisen, allerdings regelmäßig dem Aufgabenbereich der Ergotherapie zuzuordnen sind und daher nicht der Pflege „entsprechen“. So wäre jedenfalls zu verlangen, dass die Klägerin angibt, inwiefern sie sich im maßgeblichen Zeitraum bei oder neben ihren „klassischen“ ergotherapeutischen Beschäftigung anfallenden Tätigkeiten Aufgaben auf „pflegerischen Niveau“ übernommen hat. Dies schließt eine zeitliche Angabe ein, da die Höhe des Bonus vom Stundenanteil abhängt (vgl. Nr. 3 Satz 1 CoBoR).
39
Der Beklagte hat insoweit eingeräumt, dass die von der Klägerin allgemein vorgetragene „Hilfestellung bei der Nahrungsaufnahme“, die „Unterstützung bei der Körperpflege“ oder das „An- und Auskleiden“ sowie das Anziehen von Anti-Thrombosestrümpfen pflegerischer Natur sein können. Hierzu müssten die Tätigkeiten allerdings ein gewisses pflegerisches Niveau erreichen und nicht zum „klassischen“ ergotherapeutischen Aufgabenbereich gehören. Nach gerichtlichem Hinweis dazu erfolgte allerdings kein weiterer substantiierter Vortrag der Klägerin. Es verbleibt daher bei einem zu pauschalen Vortrag, um eine Zuordnung mit Blick auf die behördliche Handhabung zu treffen. Die Tatsache, dass die Klägerin eine Einweisung in die „Grundlagen der Pflege“ erhalten habe sowie das dazu vorgelegte „Handout“ können einen substantiierten Vortrag bzw. Nachweis den tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten nicht ersetzen.
40
Die Einordnung von ergotherapeutischen Tätigkeiten in Kliniken gemäß den Vorgaben der CoBoR unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens lässt keinen Auslegungsspielraum des Gerichts für eine Förderung der Klägerin als „vergleichbare“ Tätigkeit (i.S.v. Nr. 2 Satz 2 CoBoR). Es verbietet sich eine „weite Auslegung“ des Richtlinientextes aufgrund des oben beschriebenen Maßstabs der gerichtlichen Überprüfung. Die CoBoR darf nicht - wie Gesetze oder Rechtsverordnungen - gerichtlich ausgelegt werden, sondern dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BayVGH, a.a.O.).
41
1.1.3 Darüber hinaus konnte die Klägerin auch keine Tätigkeiten nachweisen, auf deren Basis sie gemäß Nr. 2 Satz 2 CoBoR als „tatsächlich in der Pflege Tätige“ anzusehen wäre. Nach Nr. 5.2 Satz 1 CoBoR ist dem Antrag ein Nachweis über die Beschäftigung und die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beizufügen.
42
a. Weder die im behördlichen Verfahren vorgelegte Bescheinigung vom 09.06.2020 noch die im gerichtlichen Verfahren eingeführte Bescheinigung vom 26.08.2020, die eine Tätigkeit als Beschäftigungstherapeutin bzw. Ergotherapeutin im Krankenhaus der Arbeitgeberin bestätigen, weisen nach, dass die Klägerin tatsächlich in der Pflege tätig gewesen sein soll.
43
b. Das im gerichtlichen Verfahren in Kopie vorgelegte „Handout“ zu einer Einweisungsveranstaltung in die „Grundlagen der Pflege“ ist nicht geeignet, einen Nachweis zu führen, dass die Klägerin im förderrelevanten Zeitraum (vgl. Nr. 5.1 sowie Nr. 3 Satz 3 der CoBoR) tatsächlich pflegerisch eingesetzt gewesen sein soll. Abgesehen davon erkennt man auf der Kopie die handschriftliche Ergänzung: „Pflegepraktikantenniveau; […] nur das was man sich zutraut“ (Bl. 1 des Handouts, oben). Neben dem Gliederungspunkt „Grundpflege“ wurde handschriftlich vermerkt: „unterstützend, nicht alleine, therapeutisches Waschtraining“ (Bl. 3 des Handouts). Auch deshalb kann kein hinreichend gewichtiger Schluss gezogen werden, dass die Klägerin in beachtlicher Weise tatsächlich auf pflegerischem Niveau tätig gewesen sein soll. Zudem liegt es nahe, dass „Grundlagenwissen“ zur Pflege auch eine Voraussetzung der ergotherapeutischen Arbeit in einem Krankenhaus bilden dürfte.
44
c. Das Gericht hält im Übrigen einen vom Begünstigten zu erbringenden Nachweis seiner pflegerischen Tätigkeiten, wie in Nr. 5.2 Satz 1 CoBoR vorgesehen, in einem Massenverfahren für zweckmäßig. Regelmäßig - aber nicht in jedem Fall zwingend - kann ein solcher Nachweis mithilfe einer entsprechenden Arbeitgeberbescheinigung erfolgen. Grundsätzlich obliegt es zunächst dem Geförderten, das Vorliegen der Voraussetzungen nachzuweisen, zumal sie in seinem unmittelbaren Einwirkungsbereich liegen.
45
Das Gericht erkennt keine Anhaltspunkte, die im Fall der Klägerin auf eine unangemessene Anforderung oder gar willkürliche Praxis hinsichtlich eines geforderten Nachweises hindeuten würden. Auch zu weiteren Ermittlungen sieht sich das Gericht in Ansehung von § 86 Abs. 1 VwGO deshalb nicht veranlasst. Der pauschale Verweis darauf, dass die Klägerin gegenüber ihrer Arbeitgeberin nur „begrenzte Einwirkungsmöglichkeiten“ habe, ist nicht schlüssig. Auch nach gerichtlichem Hinweis, dass es nicht nachvollziehbar sei, weshalb es der Klägerin nicht möglich oder zumutbar sein sollte, eine entsprechende aussagekräftige Bescheinigung einzuholen, bzw. weshalb die Arbeitgeberin der Klägerin auf Verlangen und Mitwirkung der Klägerin hin nicht bestätigen könnte, dass ihre Beschäftigung zu einem ausweisbaren Anteil an entsprechend vorgebrachten Tätigkeiten im maßgeblichen Zeitraum (s.o.) bestanden hätte, erfolgte keine weitere Substantiierung der Klägerin sondern lediglich ein allgemeiner Hinweis, dass ein Nachweis nicht erbracht werden könne.
46
Es sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich, dass der Beklagte den Pflegebonus an andere Personen grundsätzlich ohne entsprechenden Nachweis ausgezahlt hätte.
1.1.4
47
Die Klägerin kann sich nicht auf eine Förderung nach Anlage 1 der CoBoR berufen, da nach dieser Auflistung (insbesondere) Ergotherapeuten in Einrichtungen der Langzeitpflege sowie im ambulanten Pflegedienst den Bonus erhalten sollen. In einer solchen Einrichtung arbeitet die Klägerin nicht. Die Voraussetzungen der Anlage 2 der CoBoR würde die Klägerin wiederum nicht erfüllen, da Ihre Qualifikation dort nicht genannt ist.
48
Eine „erweiternde“ Auslegung der Aufzählungen in den Anlagen verbietet sich (s.o.). Insofern unerheblich ist die in den Raum gestellte Behauptung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, es handele sich bei der Nichtnennung der Ergotherapie in der Anlage 2 der CoBoR um eine „planwidrige Regelungslücke“.
49
Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Beklagte abseits dieser Anlagen und außerhalb der Voraussetzungen nach Nr. 2 Satz 2 CoBoR (d.h. „tatsächlich in der Pflege Tätige“) Ergotherapeutinnen und -therapeuten in Kliniken entgegen seiner Richtlinienvorgaben den Pflegebonus auszahlt (s.o.).
50
1.1.5 Es ist vom Gericht nicht zu entscheiden, ob der Richtliniengeber die praktikabelste oder gerechteste Lösung für die Gewährung des Corona-Pflegebonus gefunden hat, sondern ob er sowie die tatsächliche Förderpraxis sich im Rahmen des weiten Gestaltungsspielraumes insbesondere unter Beachtung des Willkürverbotes hinsichtlich dieser freiwilligen Leistung gehalten hat. Dies ist vorliegend der Fall.
51
Die Bewilligungspraxis des Beklagten, die förderfähige Grenze entlang einer ausweisbaren Qualifikation bzw. Tätigkeit in bestimmten Einrichtungen zu ziehen, ist jedenfalls nicht offensichtlich willkürlich oder in sonstiger Weise offensichtlich rechtswidrig. In diesem Zusammenhang eventuell entstehende „Härten“ im Einzelfall sind der Notwendigkeit geschuldet, dass jede Förderentscheidung einer Grenzziehung zu nicht (mehr) förderfähigen Tatbeständen bedarf. Dass dabei im Bereich der unmittelbaren Grenzfälle die Unterschiede gering sein können und das Ergebnis unbefriedigend sein kann, liegt auf der Hand, ist aber systemimmanent.
52
Nach dem Wortlaut der Richtlinie kommt es entgegen der Argumentation auch nicht darauf an, inwieweit die Klägerin durch ihre Tätigkeiten einem besonderen Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen ist. Vielmehr ist nur auf die Art der Tätigkeit, „tatsächlich in der Pflege Tätige“ abgestellt. Auch hier gilt, dass Subventionstatbestände grundsätzlich eng auszulegen und deshalb einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sind.
53
Dabei wird das persönliche Engagement der Klägerin durchaus wahrgenommen und mit hohem Respekt gewürdigt; doch werden trotz allem die Fördervoraussetzungen der CoBoR unter Berücksichtigung der Bewilligungspraxis der Behörde nicht erfüllt.
54
1.2 Auch aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Grundgesetz - GG -) kommt kein Anspruch auf Bewilligung des Pflegebonus in Betracht. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beklagte Personen, die als Ergotherapeutinnen und -therapeuten in Kliniken tätig sind, generell (also ohne hinreichenden Vortrag und Nachweis einer pflegerischen Tätigkeit) einen Bonus nach der genannten Richtlinie gewährt hat und die Klägerin unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz davon ausgenommen hätte.
55
Sofern sich die Klägerin im Rahmen der Gleichbehandlung auf Kollegen beruft „die weniger am Patienten“ gearbeitet hätten, fehlt es bereits an Anhaltspunkten für eine zur Klägerin entsprechenden, aber nicht geförderten Personengruppe. Im Übrigen handelt es sich dabei eher um eine Frage der Fördervoraussetzungen im Sinne der Richtlinie, die grundsätzlich nach einer nachzuweisenden pflegerischen Tätigkeit in einer Einrichtung nach Nr. 2 der CoBoR i.V.m. den Anlagen unterscheidet (s.o.). Eine willkürliche Handhabung ist darin auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu erkennen.
56
Etwaige fehlerhafte Bewilligungen des Pflegebonus bei Arbeitskolleginnen und -kollegen, die als Ergotherapeutinnen und -therapeuten tätig sind, kann im Übrigen keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Gewährung des Bonus für die Klägerin unter Bezugnahme auf den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen. Es obliegt dem Beklagten, erkannte fehlerhafte Bescheide zurückzunehmen, um Gleichheit innerhalb der Grenzen des Rechts wiederherzustellen. Dies will der Beklagte selbst auch in Nr. 8 der CoBoR sicherstellen.
57
Die Klage hat deshalb inhaltlich keinen Erfolg und ist abzuweisen.
58
2. Als unterliegender Teil trägt die Klägerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.