VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 17.03.2021 – B 8 K 20.1045
Titel:
Kein Corona-Pflegebonus für hauswirtschaftliche Assistentin im Altenheim
Normenkette:
GG Art. 3
Leitsatz:
Reinigungsarbeiten und das Versorgen bzw. Verteilen von Speisen sind als „klassische“ hauswirtschaftliche Aufgaben nicht als „pflegerische Tätigkeiten“ im Sinne der CoBoR unter Berücksichtigung der Behördenpraxis zu verstehen. (Rn. 21)
Schlagworte:
Vorliegen der Fördervoraussetzungen, Gleichbehandlung, Corona, Pflegebonus, hauswirtschaftliche Assistentin, Hauswirtschaft, Reinigung, Essensausgabe
Fundstelle:
BeckRS 2021, 44534
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Gewährung eines Bonus nach der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR vom 30.04.2020, zuletzt geändert mit Bekanntmachung vom 15.05.2020).
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Sie stellte am 11.05.2020 online einen Antrag beim Bayerischen Landesamt für ... auf Gewährung dieses Bonus. Dabei gab sie an, aktuell als hauswirtschaftliche Assistentin in einer stationären Alten- und Pflegeeinrichtung tätig zu sein. Der Arbeitgeber, die …, bestätigte diese Tätigkeit im Umfang von mehr als 25 Stunden mit Schreiben vom 04.05.2020.
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Mit Bescheid vom 17.09.2020, versandt als einfacher Brief, lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Klagepartei als hauswirtschaftliche Assistentin keine Pflegetätigkeit nach der CoBoR ausübe.
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Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 13.10.2020 Klage an das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth, dort eingegangen am 14.10.2020, erhoben. Darin wird beantragt,
Der Bescheid des Bayer. Landesamt für ..., K. Straße 1, 9... A. vom 17.09.2020 unter dem Geschäftszeichen: … wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, der Klägerin den Corona-Pflegebonus zu bewilligen.
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Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass ihr Aufgabenbereich Folgendes umfasse: „Reinigung des Zimmers, Reinigung von WC und Dusche, Verteilung der Speisen, Hilfskraft an der Seite der Pflegekraft, außerordentliche Reinigungseinsätze.“ Die Klägerin habe sich in der Einrichtung, die nach Erinnerung des Bevollmächtigten von der Pandemie im Frühjahr betroffen gewesen sei, mit dem Corona-Virus angesteckt. Der Dienst der Klägerin an alten und kranken Menschen sei schlechter gestellt, als von derjenigen Arbeitskraft, die rein pflegerische Tätigkeiten ausführe. Vom Corona-Pflegebonus müsste derjenige profitieren, der soziale Verantwortung gegenüber den wirklich Schwachen an den Tag gelegt habe. Gleichgültig sei, ob die Tätigkeit der Klägerin weder in den Anlagen ausdrücklich benannt noch im Rahmen der tatsächlichen Ausübung mit einer Tätigkeit der Pflege vergleichbar sei oder einer solchen entspreche. Die Ansteckungsgefahr während der Arbeit der Klägerin sei genauso groß, wenn nicht größer. Obwohl das Virus in dem Heim gewütet habe, sei sich die Klägerin ihrer sozialen Verantwortung bewusst gewesen und habe ihren Beruf und den einer Hilfspflegekraft bis zur eigenen Ansteckung ausgeübt.
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Weiter verweist die Klägerin auf zwei ihrer Arbeitskolleginnen, die im gegenständlichen Zeitraum die gleiche Arbeit ausgeführt und den Pflegebonus erhielten. Hierzu wird die Arbeitgeberbescheinigung einer Arbeitskollegin (Anlage K2) sowie ein Schreiben des Beklagten zur deren Bewilligung vom 09.06.2020 vorgelegt (Anlage K3). Auch wenn nur eine von dreizehn Kolleginnen den Bonus erhalten habe, handele es sich offensichtlich um zwölf falsche Entscheidungen, was die Klägerin umso mehr ansporne, den Beklagten zu einem Umdenken zu bewegen.
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Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 12.10.2020,
die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin erfülle aufgrund des Tätigkeitsbereichs die Anspruchsvoraussetzungen nicht. Die von der Klägerin angegebenen Tätigkeiten seien keine Pflegetätigkeiten. Die Frage der ausgeübten Tätigkeit sei nach der CoBoR gerade nicht irrelevant. Auch die Honorierung eines persönlichen Risikos einer Infektion rechtfertige nicht, von der Differenzierung abzusehen.
9
Es seien einer von dreizehn hauswirtschaftlichen Assistentinnen der Corona-Pflegebonus gewährt worden. Es handele sich bei der Bewilligung der benannten Kollegin um eine Fehlentscheidung eines Sachbearbeiters, die in einem Massenverfahren (über 350.000 Anträgen) nicht gänzlich hätte vermieden werden können. Das Landesamt für ... habe im Falle der unberechtigten Auszahlung gemäß Ziff. 8 CoBoR die Rückforderung zu prüfen.
10
Das Gericht hörte die Parteien mit Schriftsatz vom 20.01.2020 zur Entscheidung über die Klage durch Gerichtsbescheid an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägerin habe keine Bedenken gegen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid (vgl. Schriftsatz vom 05.02.2021). Der Beklagte erklärte sich einverstanden (vgl. Schriftsatz vom 03.02.2021). In einem gerichtlichen Schreiben vom 22.02.2021 führte das Gericht zum (Nicht-)Vorliegen der Voraussetzungen der CoBoR unter Zugrundelegung der von der Klägerin bislang vorgetragenen Tätigkeiten aus und wies auf die Kostenfolgen einer Entscheidung in der Sache hin. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Äußerung bis zum 09.03.2021. Es erfolgte vorsorglich eine erneute Anhörung zum Gerichtsbescheid, worauf sich der Beklagte einverstanden erklärte (vgl. Schriftsatz vom 02.03.2021).
11
Der Klägerbevollmächtigte übersandte mit Schriftsatz vom 10.03.2021 eine „Bestätigung“ des … vom 03.03.2021. Darin wird ausgeführt, dass die Klägerin als hauswirtschaftliche Präsenzmitarbeiterin im Pflegebereich der Einrichtung unmittelbaren Risikokontakt zu Bewohner/innen gehabt habe. Zudem sei sie in den Monaten März bis Mai 2020 aufgrund eines einrichtungsinternen Ausbruchsgeschehens massiv direkt einer Infektionsgefahr ausgesetzt gewesen. Die Klägerin sei in dieser Zeit als Kontaktperson der Kategorie 1 zu mehreren an COVID-19 erkrankten Bewohner/innen eingestuft gewesen. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin einer sehr hohen Virenlast ausgesetzt gewesen sei, was ihre eigene Infektion bestätigte.
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Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakte verwiesen, § 117 Abs. 3 VwGO.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört. Auf ein „Einverständnis“ eines Beteiligten kommt es nicht an.
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1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 17.09.2020 ist rechtmäßig und damit nicht aufzuheben (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Klägerin steht kein Anspruch auf Gewährung eines Pflegebonus nach der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern zu (Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR) zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
16
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Wesentlichen zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen im genannten Bescheid des Beklagten Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO. Ergänzend ist auszuführen:
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1.1 Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 23). Daran setzt der Maßstab der gerichtlichen Überprüfung an.
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Nach Ziff. 2 der CoBoR sind Begünstigte der Richtlinie Personen, die in bestimmten Einrichtungen (1.) eine geförderte pflegerische Tätigkeit (2.) in einem bestimmten Zeitraum (3.) nachweisen können. Dabei müssen alle Voraussetzungen für die Förderfähigkeit erfüllt sein.
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Die Klägerin erfüllt die persönlichen Voraussetzungen im Hinblick auf ihre Tätigkeit nicht:
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1.1.1 Eine Tätigkeit als „Pflegende“ nach Ziff. 2 Satz 1 der CoBoR kommt mangels Qualifikation nicht in Betracht. Die Bewilligungspraxis der Behörde ist gerade nicht darauf ausgerichtet, jede Person in den abschließend genannten Einrichtungen zu begünstigen, sondern „Pflegende“ (Ziff. 2 Satz 1) - und „tatsächlich in der Pflege Tätige“ (Ziff. 2 Satz 2) -. Eine „Auslegung“ im Sinne einer Generalklausel verbietet sich nach dem Maßstab der gerichtlichen Überprüfung. Die CoBoR darf nicht - wie Gesetze oder Rechtsverordnungen - gerichtlich ausgelegt werden, sondern dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BayVGH, a.a.O.). Anhaltspunkte für eine entgegenstehende Bewilligungspraxis sind nicht ersichtlich.
21
1.1.2 Die Klägerin ist auch keine „tatsächlich in der Pflege Tätige“ nach Ziff. 2 Satz 2 der CoBoR. Sie hat weder im behördlichen noch im Klageverfahren Tätigkeiten angeben bzw. nachweisen können, die einer Pflegetätigkeit entsprechen würden. Soweit sie angegeben hat, Reinigungsarbeiten auszuführen; Speisen zu verteilen oder als Hilfskraft an der Seite der Pflegekraft zu arbeiten, erfüllt dies nicht die Voraussetzungen, die regelmäßig an pflegerische Tätigkeiten zu stellen sind. Vielmehr handelt es sich dabei um klassische Aufgaben einer hauswirtschaftlichen Assistentin.
22
Hauswirtschaftshelfer/innen bzw. Hauswirtschaftsassistenten und -assistentinnen erledigen in der Regel hauswirtschaftliche Tätigkeiten in Krankenhäusern oder Seniorenheimen, wie die Versorgung mit Speisen und Getränken sowie die Reinigung der Wohn-, Schlaf-, Sanitär- und Wirtschaftsräume (vgl. z.B. Steckbrief der Bundesagentur für Arbeit, abrufbar unter https://berufenet.arbeitsagentur.de/berufenet/bkb/10186.pdf; abgerufen am 19.02.2021).
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Auch wenn - wie vorgetragen - den Pflegekräften „assistiert“ werden sollte, wird daraus ohne Weiteres keine entsprechend pflegerische Tätigkeit der Klägerin ersichtlich. Insofern merkt die Beklagtenseite zutreffend an, dass der Vortrag zu pauschal ist, um davon ausgehend eine etwaig pflegerische Tätigkeit nachzuvollziehen (vgl. Schriftsatz vom 22.12.2020, S. 3). Die Klägerseite hat auch nach gerichtlichem Hinweis vom 22.02.2021 und Gelegenheit zur Stellungnahme keine konkreteren Angaben dazu gemacht.
24
Im Übrigen hätte die Klägerin nach wie vor versäumt, einen Nachweis ihrer Beschäftigung vorzulegen, aus dem hervorginge, inwiefern sie im streitgegenständlichen Zeitraum als „tatsächlich in der Pflege Tätige“ im Sinne von Ziff. 2 Satz 2 der CoBoR gearbeitet hätte. Auch dies ist Fördervoraussetzung nach Ziff. 5.2 der CoBoR. Aus der vorgelegten Arbeitgeberbescheinigung vom 04.05.2020 geht Entsprechendes nicht hervor. Auch die zuletzt vorgelegte „Bestätigung“ ihres Arbeitgebers vom 03.03.2021 lässt gerade keine pflegerischen Tätigkeiten nachvollziehen, sondern bestätigt sinngemäß, dass die Klägerin als hauswirtschaftliche Mitarbeiterin infolge der Corona-Pandemie einer „massiven direkten“ Infektionsgefahr ausgesetzt war.
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Gemäß den Voraussetzungen der Richtlinie kommt es allerdings nicht darauf an, inwieweit sich die Klägerin durch ihre Tätigkeiten einem besonderen Infektionsrisiko aussetzen musste. Vielmehr ist gemäß den Behördenvorgaben auf die Tätigkeit und damit auf das Erfordernis abzustellen, „tatsächlich in der Pflege tätig“ zu sein. Auch hier gilt, dass Subventionstatbestände einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich und nur eingeschränkt überprüfbar sind. Anhaltspunkte für eine seiner eigenen Richtlinie widersprechenden Bewilligungspraxis des Beklagten dahingehend sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Bei der konkret vorgebrachten Bewilligung des Pflegebonus für eine Kollegin handelt es sich nach Angaben des Beklagten um eine fehlerhafte Bewilligung, zumal der weit überwiegende Teil der Kolleginnen den Bonus ebenfalls nicht erhalten hat. Insofern sind damit keine weiteren Zweifel an einer Behördenpraxis abseits der Richtlinie nachvollziehbar.
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1.2 Die Klägerin erfüllt auch nicht die Voraussetzungen betreffend Ihre Tätigkeit mit Blick auf die beispielhaften Aufzählungen in Anlage 1 oder Anlage 2 zur CoBoR, da ihre Qualifikation dort nicht benannt ist. Deshalb kann sich daraus kein Anspruch ergeben.
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Dabei wird das persönliche Engagement der Klägerin durchaus wahrgenommen und mit hohem Respekt gewürdigt; trotz allem werden die Voraussetzungen der CoBoR unter Berücksichtigung der Bewilligungspraxis der Behörde nicht erfüllt.
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1.3 Auch aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) kommt kein Anspruch auf Bewilligung des Pflegebonus in Betracht.
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Es sind bislang keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Beklagte Personen mit dem konkret vorgetragenen Aufgabenbereich der Klägerin im hauswirtschaftlichen Bereich, der sich nicht auf pflegerische Tätigkeiten erstreckt (s.o.), generell einen Bonus nach der genannten Richtlinie gewährt hat und die Klägerin unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz davon ausgenommen hätte. Dies scheint auch nicht im Umfeld der Klägerin passiert zu sein (s.o.), sodass sich aus daraus ein stichhaltiger Anhaltspunkt ergäbe. Die fehlerhafte Bewilligung des Pflegebonus der Kollegin kann vor diesem Hintergrund keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Gewährung der Klägerin unter Bezugnahme auf den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen. Es obliegt dem Beklagten, erkannte fehlerhafte Bescheide zurückzunehmen, um Gleichheit innerhalb der gesetzlichen Grenzen wiederherzustellen. Dies will der Beklagte selbst auch in Ziff. 8 der CoBoR sicherstellen, was er auch mit Schriftsatz vom 22.12.2020 und sowie 13.01.2021 zu erkennen gegeben hat.
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2. Als unterliegender Teil trägt die Klägerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung - ZPO -.