VG Ansbach, Urteil v. 24.11.2021 – AN 17 K 17.30353
Titel:

Asylrecht Iran

Normenketten:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsätze:
1. Dass ein Asylantragsteller aus der Region Ahwaz stammt und arabischer Volkszugehöriger ist, begründet für sich genommen noch keine ausreichende Verfolgungsgefahr im Falle einer Rückkehr. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Asylantragstellung in Deutschland führt, wenn sie im Iran bekannt wird, aller Voraussicht nach nicht zu Verfolgungsmaßnahmen bei einer Rückkehr. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylbewerber aus dem Iran (arabischer Volkszugehöriger aus der Region Ahwaz), unglaubhaftes Vorbringen, keine Verfolgung wegen Herkunft aus Ahwaz und (geringer und nicht bekannt gewordener) politischer Aktivitäten in Deutschland für die ADPF, arabischer Volkszugehöriger, keine Verfolgung wegen Herkunft aus Ahwaz, geringe und nicht bekannt gewordene politische Aktivitäten in Deutschland für die ADPF
Fundstelle:
BeckRS 2021, 43746

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1
Der 1996 geborene Kläger ist nach eigenen Angaben iranischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitisch-muslimischen Glaubens. Er reiste am 18. November 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 25. April 2016 einen Asylantrag.
2
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 20. Oktober 2016 gab der Kläger an, im Iran in … gelebt und den Iran am 4. November 2015 verlassen zu haben. Er habe, wie sein Vater früher, Probleme mit dem Regime gehabt. Ahwaz sei ein besetztes Gebiet, in dem die Araber um ihre Freiheit kämpften. Als er 14 Jahre alt gewesen sei, habe er seinen politischen Weg gewählt und z.B. Parolen an die Wände geschmiert. Sein politisches Interesse sei in Laufe der Zeit gewachsen und sie hätten sich politisch über Facebook ausgetauscht. Er habe auch vom schiitischen zum sunnitischen Glauben gewechselt. Mit seinem Freund … zusammen habe er den Iran verlassen. Er habe einen anderen Freund gehabt, den er sieben Jahre gekannt habe und dem er alles anvertraut habe. Dieser Freund sei homosexuell gewesen und habe eines Tages mit ihm schlafen wollen. Nachdem er dies abgelehnt habe, habe dieser Freund ihm gedroht, dass er alles, was der Kläger ihm anvertraut habe, den Behörden weitergebe. Zuvor sei er von dem Freund nicht belästigt worden, dieser habe nur immer Körperkontakt gesucht. Der Freund habe schließlich tatsächlich alles, d. h. die Wandschmierereien, die Freiheitsparolen über Facebook und dass sie die Leute für die Sache der Ahwaz gewinnen wollten, an den Geheimdienst, den Basij, im Viertel weitergegeben. Zum Glaubenswechsel habe er sich entschlossen, nachdem er Bücher gelesen hatte. Streng gläubig sei er nicht. Sein Onkel habe ihn überzeugt, seinen Glauben zu wechseln bzw. ihn einer Gehirnwäsche unterzogen. Er habe immer zwei saudi-arabische Sender, die auf den sunnitischen Glauben fixiert gewesen seien, gesehen.
3
Sein Ausreisegrund sei gewesen, dass beim Basij ein Geheimdienstler gewesen sei, der ein Verwandter seiner Mutter gewesen sei. Dieser habe eines Tages seinen Onkel angerufen und mitgeteilt, dass der Freund des Klägers alle seine Geheimnisse an den Basij weitergegeben habe. Sein Onkel habe ihn dann darauf angesprochen, dass der Basij alles über ihn und seinen Freund Jawad wisse und nach ihnen suche. Der Offizier beim Basij habe dem Onkel gesagt, dass der Kläger sofort das Land verlassen solle. Er sei dann sofort zu … gegangen. Sie hätten sich besprochen, ein paar Sachen gepackt und seien nach Abaden gefahren. Dort hätten sie sich in der Wohnung über der Shisha-Bar des Onkels von … zwei bis drei Monate versteckt gehalten und seien dann mit der Hilfe eines Schleusers, den der Onkel von … gekannt habe, ausgereist, nachdem es geheißen habe, Europa habe seine Grenzen für Syrer geöffnet. Vor dem Verrat durch den Freund sei er nie bedroht worden. Man habe etwas gegen ihn gehabt wegen der Schmierereien, der Konversion und des Kampfes zur Befreiung des arabischen Gebietes. Sie hätten auch Flugblätter und Informationsmaterial, darunter auch CDs und Bilder verteilt und die Hintergründe über die Besetzung von Ahwaz aufgezeigt. Sie hätten die Materialien nachts in die Höfe geschmissen. Es sei richtig, dass er selbst mit dem Geheimdienst keinen Kontakt gehabt habe. Der Freund, der ihn verraten habe, habe ihm eine SMS geschickt und alles zugegeben. Sein Vater sei wegen politischer Agitation hingerichtet worden, dadurch seien seine Daten dem Geheimdienst bekannt gewesen.
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Der Kläger legte eine Bestätigung der Ahwaz Democratic-Popular Front (ADPF) vom 10. September 2016 in englischer Sprache vor, dass der Kläger ein Gegner des iranischen Regimes, Mitglied der ADPF, politischer Aktivist und Kämpfer für Menschenrechte sei.
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Mit Bescheid vom 24. Januar 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Ziffer 1). Ebenso wurde sein Antrag auf Asylanerkennung und auf Gewährung subsidiären Schutzes abgelehnt (Ziffern 2 und 3). Weiter stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 4) und drohte dem Kläger die Abschiebung - in erster Linie - in die Islamische Republik Iran an, falls sie nicht innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens freiwillig ausreise (Ziffer 5). Es befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6).
6
Zur Begründung ist im Bescheid ausgeführt, dass der Kläger den Iran nicht unter dem Druck unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen habe, sondern sich mehrere Monate im Iran aufhalten habe, obwohl der Geheimdienst vermeintlich nach ihm gesucht habe. Es werde von einem konstruierten, unglaubhaften Vortrag ausgegangen.
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Mit beim Verwaltungsgericht Ansbach am 26. Januar 2017 eingegangenem Schriftsatz erhob der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte Klage und beantragte zuletzt,
den Bescheid des Bundesamtes vom 24. Januar 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
weiter hilfsweise festzustellen, dass beim Kläger Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Abs. 1 AufenthG vorliegen,
weiter hilfsweise über das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden ist, Mit Schriftsatz vom 27. November 2018 wurden Lichtbilder vorgelegt mit der Bemerkung, dass diese bei Demonstrationen vom … 2016 in Frankfurt und … 2018 in Berlin aufgenommen worden seien. Außerdem wurde eine Bestätigung des Ahwazischen Vereins für Menschenrechte e.V. in Hamburg vom 26. April 2018 vorgelegt, dass der Kläger arabisch-ahwazischer Bürger sei und die ahwazische Bevölkerung unter Verfolgung, Unterdrückung und Rassendiskriminierung seitens der iranischen Behörden leide. Der Kläger habe am … 2018 an einer Demonstration gegenüber dem Deutschen Bundestag und am …2016 gegenüber dem Iranischen Konsulat teilgenommen.
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Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2018,
die Klage abzuweisen und führte aus, dass die vorgelegten Beweismittel oppositionelle Tätigkeiten, die zu einer Verfolgung im Iran führen können, nicht belegten.
9
Mit Schriftsatz vom 19. November 2021 legte die Klägerseite weitere Unterlagen, die Menschenrechtslage im Ahwaz betreffend, eine Bestätigung vom 16. November 2021 des Ahwazischen Vereins für Menschenrechte e.V. in Hamburg, dass der Kläger am … 2018 und … 2019 an awahzischen Demonstrationen in Berlin teilgenommen habe und am … 2019 an einer Veranstaltung in Hamburg über die Menschenrechtslage in der Region Al-Alahwaz sowie Unterlagen den Tod seines Vaters betreffend, vor. Weiter machte der Kläger in einer beiliegenden Stellungnahme Angaben über sein Leben und seine Tätigkeiten in seiner Heimatregion, insbesondere zur zwei Facebook-Accounts, die er erstellt habe, die aber gesperrt worden seien. Obwohl er nicht religiös sei, sei er zum Sunniten konvertiert, um keine Verbindung zur iranischen Regierung zu haben. Nach dem Verrat durch seinen homosexuellen Freund sei er inhaftiert, gefoltert und auf Kaution freigelassen worden.
10
In der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2021 machte der Kläger weitere Angaben, auch dazu, warum er beim Bundesamt teilweise abweichende oder noch keine Angaben gemacht habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte Bezug genommen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet und deshalb abzuweisen. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 24. Januar 2017 ist auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, auf den nach § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
13
Den Klägern steht weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG oder auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Auch im Übrigen stößt der angegriffene Bescheid auf keine rechtlichen Bedenken.
14
1. Die Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Ergänzende Regelungen ergeben sich aus § 3a AsylG für die Verfolgungshandlungen, aus § 3b AsylG für die Verfolgungsgründe, aus § 3c AsylG zu den Akteuren, von denen Verfolgung ausgehen kann, aus § 3d AsylG zu den Akteuren, die Schutz bieten können, und nach § 3e AsylG zu einem möglichen internen Schutz.
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Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, gilt dabei einheitlich der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“). Erforderlich ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene bei einer Rückkehr verfolgt werden wird. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25/10 - NVwZ 2011, 1463; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - NVwZ 2013, 936). Dabei ist die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie in Form einer widerlegbaren Vermutung zu beachten, wenn der Asylbewerber bereits Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgungscharakter erlebt hat und sich seine Furcht hinsichtlich einer Rückkehr in sein Heimatland aus einer Wiederholung bzw. Fortsetzung der erlittenen Verfolgung ergibt.
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Mit Rücksicht darauf, dass sich der Schutzsuchende hinsichtlich asylbegründender Vorgänge außerhalb des Gastlandes in einem gewissen, sachtypischen Beweisnotstand befindet, genügt bezüglich der Vorgänge im Herkunftsland für die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene richterliche Überzeugungsgewissheit in der Regel die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller und darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen. Es hat sich vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zu begnügen (vgl. BVerwG, U.v. 29.11.1977 - 1 C 33/71 - NJW 1978, 2463). Andererseits muss der Asylbewerber von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen, widerspruchsfreien Sachverhalt schildern. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann ihm in der Regel nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (vgl. BVerwG B.v. 21.7.1989 - 9 B 239/89 - NVwZ 1990, 171).
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Dies zu Grunde gelegt ist nicht von einer Vorverfolgung des Klägers, die zur Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie führen würde, auszugehen. Eine solche ist vom Kläger nicht glaubhaft geschildert worden. Vielmehr sprechen die zwischen den Vorträgen beim Bundesamt am 20. Oktober 2016 und bei Gericht im November 2021 hervorgetretenen Widersprüche, erheblichen Ungereimtheiten, Sachverhaltssteigerungen und -Anpassungen gegen ein tatsächliches Geschehen.
18
Zunächst erscheint schon der Ausgangspunkt der abenteuerlich anmutenden Geschichte des Verrats durch einen Freund, der sich als homosexuell und an dem Kläger interessiert herausgestellt habe und wegen der Zurückweisung des Klägers den Geheimdienst eingeschaltet habe, kaum nachvollziehbar. Dass er sich als Homosexueller an den Geheimdienst oder staatliche Behörden wendet und den engen Freund verrät, erscheint wenig lebensnah, da damit die erhebliche Gefahr des Aufdeckens der eigenen Homosexualität durch entsprechende Aussagen des Klägers verbunden gewesen wäre (vgl. zur Gefahr der Todesstrafe bei homosexuellen Handlungen z.B. Lagebericht zur Islamischen Republik Iran des Auswärtigen Amtes vom 5.2.2021, S. 18). Auch dass der Kläger vom schiitisch-muslimischen zum sunnitisch-muslimischen Glauben konvertiert ist, kann ihm nicht geglaubt werden, zumal bei Aufdeckung auch insoweit erhebliche Gefahren drohen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, S. 14/15). Seinen Vortrag beim Bundesamt zum Hintergrund der Konversion (Gehirnwäsche durch einen Onkel, Einfluss eines saudi-arabischen Senders) korrigierte der Kläger schließlich auch mit seiner Stellungnahme vom 19. November 2021, wobei die nunmehrige Angabe, dass er dadurch zeigen wolle, dass er keine Verbindung zur iranischen Regierung habe, angesichts der Geheimhaltung der Konversion noch weniger überzeugt. Nicht glaubhaft ist auch der Vortrag zu zwei errichteten und in der Folge wieder gelöschten Facebook-Accounts. Insoweit blieb der Vortrag des Klägers vor allem zu dem, was er gepostet haben will, sehr unkonkret. Auch das sinngemäße Vorbringen, dass die iranischen Machthaber seine Konten gelöscht hätten, ist so technisch nicht möglich. Soziale Netzwerke sind im Iran insgesamt weitgehend blockiert, bei Kenntnis von Veröffentlichungen regierungsfeindlicher oder „unmoralischer“ Nachrichten drohen auch schwere Strafen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe; Iran; Risiken im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von „kritischen“ Informationen in sozialen Netzwerken vom 25.4.2019, S. 3 und 5), zu denen es beim Kläger nicht bekommen ist. Seinen Angaben nach, die er allerdings beim Bundesamt noch nicht gemacht hat (was weiter erheblich gegen ein wahres Geschehen spricht), sei er zwar aufgegriffen und gefoltert, aber gegen Kaution wieder entlassen worden. Zu weiteren Gründen, die gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers sprechen, wird gem. § 77 Abs. 2 AsylG ergänzend auf die Ausführungen des Bundesamts im angegriffenen Bescheid verwiesen, denen das Gericht folgt.
19
Dass der Kläger aus der Region Ahwaz stammt und arabischer Volkszugehöriger ist, begründet für sich genommen noch keine ausreichende Verfolgungsgefahr im Falle einer Rückkehr (ebenso VG Ansbach, U.v. 29.9.2020 - AN 1 K 17.30532; VG Aachen, U.v. 11.11.2020 - 10 K 3601/18.A - juris Rn. 54 ff.; VG Würzburg, U.v. 19.8.2019 - W 8 K 19.30846 - juris Rn. 34 ff.). Eine Verfolgung wegen der Herkunft als solcher kann anhand der Erkenntnislage nicht festgestellt werden (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, S. 12/13; BFA Länderinformationblatt der Staatendokumentation Iran vom 2.7.2021, S. 62/63; UK Home Office, Country Policy and Information Note Iran: Ahwazis and Ahwazi political groups, Januar 2019; Danish Refugee Council: Iran, Februar 2018, S. 9-11). Zwar existieren für arabische Volkszugehörige in der Region Ahwaz nach den Erkenntnisquellen Vernachlässigungen z.B. im schulischen und beruflichen Bereich und Diskriminierungen in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht und erfolgen zur Einschüchterung Willkürakte gegen arabisch-stämmige Aktivisten bzw. Verdächtige. Mangels eines glaubhaften Vortrags des Klägers insgesamt, kann dieser jedoch nicht als Aktivist eingestuft werden. Offenbleiben kann auch, ob es sich beim Vater des Klägers um einen entsprechenden Aktivisten gehandelt hat und dieser in der Folge dessen ins Blickfeld der Behörden geraten und hingerichtet worden ist (wobei die Einzelrichterin auch insoweit deutliche Zweifel hat, nachdem der Kläger auch in dieser Hinsicht beim Bundesamt wenig Konkretes vorgetragen hat), da Anhaltspunkte dafür, dass allein deshalb Verfolgungsmaßnahmen drohen, nicht existieren (vgl. oben genannte Erkenntisquellen; VG Aachen, a.a.O. - juris Rn. 55; VG Würzburg, a.a.O. - juris Rn. 35).
20
Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts schließlich auch nicht glaubhaft gemacht, dass ein beachtlicher Nachfluchtgrund durch ein politisches Tätigwerden in Deutschland eingetreten ist. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass ein eventuelles politisches Engagement für die ADPF den staatlichen Kräften im Iran bekannt geworden ist. Der Vortrag zu Aktivitäten in sozialen Netzwerken von Deutschland aus blieb äußerst pauschal, blass und auch unbelegt, so dass von nennenswerten und ihm erkennbar zuzurechnden Aktivitäten nicht ausgegangen werden kann. Dass die Teilnahme an Demonstrationen vor der Botschaft in Berlin und Frankfurt im Iran bekannt geworden sind, ist ebenfalls nicht anzunehmen, zumal es sich um nur drei Demonstrationen gehandelt hat, an denen der Kläger teilgenommen hat. Insbesondere sind Nachfragen oder Ermittlungen bei ihm bzw. bei Familienangehörigen in letzter Zeit nicht erfolgt; jedenfalls konnte der Kläger trotz regelmäßiger Kontakte zu seiner Mutter in Iran davon nichts berichten. Dass eine Teilnahme an einer Parteisitzung in Hamburg über Umwege im Iran sichtbar geworden ist, ist schon nicht glaubhaft (der Vortrag erfolgte erst in der mündlichen Verhandlung am 23. November 2021), jedenfalls spricht nichts dafür, dass Regierungskräfte hiervon Kenntnis erlangt haben.
21
Auch die Asylantragstellung in Deutschland - falls diese, was ebenfalls nicht zu erwarten ist, im Iran bekannt geworden sein sollte - führt aller Voraussicht nach nicht zu Verfolgungsmaßnahmen bei einer Rückkehr. Den iranischen Sicherheitsbehörden ist bekannt, dass Asylbewerber aus dem Iran überwiegend aus anderen als politischen Gründen versuchen, in Deutschland einen dauernden Aufenthalt zu erreichen, hierzu Asylverfahren betreiben und dabei fehlerhafte asyltaktische Angaben machen (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2016 - 14 ZB 16.30380 - juris; B.v. 8.8.2017 - 14 ZB 17.30924; B.v. 28.8.2017 - 14 ZB 30.625 und B.v. 9.7.2018 - 14 ZB 30670).
22
Bei der Rückkehr in den Iran kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen, insbesondere zu Kontakten während dieser Zeit. Die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Keiner westlichen Botschaft ist aber bislang ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren oder im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Es gibt derzeit auch keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis (vgl. OVG NRW, B.v. 21.10.2019 - 6 A 3923/19.A - juris; B.v. 10.2.2017 - 13 A 293/17.A - juris; B.v. 15.6.2011 - 13 A 1050/11.A; VGH BW, U.v. 15.4.2015 - A 3 S 1459/13 - juris; SächsOVG, U.v. 14.1.2014 - A 2 A 911/11 - juris; BayVGH, B.v. 25.2.2013 - 14 ZB 13.30023 - juris; B. v. 21.1.2013 - 14 ZB 12.30456 - juris; OVG Lüneburg, B.v. 13.5.2011 - 13 LA 176/10 - AuAS 2011, 174; VG Düsseldorf, U.v. 11.10.2011 - 5 K 7134/10.A und v. 9.3.2011 - 5 K 3257/10.A).
23
b) Dem Kläger steht unter diesen Umständen auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG zu. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG). Hierfür ist angesichts fehlender Asylgründe nichts ersichtlich.
24
c) Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach § 60 Abs. 7 AufenthG ist eine Abschiebung unzulässig, wenn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Asylantragstellers bei einer Rückkehr in den Iran vorliegt. Hierfür wurde nichts vorgetragen und ist nichts ersichtlich. Insbesondere ist der Kläger nicht krank oder hilfebedürftig.
25
Ebenso wenig ergibt sich ein Abschiebungshindernis aus der gegenwärtigen Pandemie-Lage durch das Corona-Virus. Eine eine Rückkehr unzumutbar machende Situation in den Iran hat der Kläger weder vorgetragen noch liegt eine solche nach Einschätzung des Gerichts vor. Jedenfalls stünde § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG einer Berücksichtigung im vorliegenden Verfahren entgegen.
26
d) Auch die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG liegen vor.
27
e) Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Die Befristung steht im Ermessen der Behörde, vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG und wird vom Gericht in zeitlicher Hinsicht nur auf - hier nicht vorliegende - Ermessensfehler hin überprüft (§ 114 Satz 1 VwGO).
28
Die nicht dem heutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der einen behördlichen Erlass des Einreise- und Aufenthaltsverbots fordert, entsprechende Formulierung der Ziffer 6 im Bescheid vom 24. Januar 2017 („gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot“) ist insoweit unschädlich. Die nunmehr geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer ist regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu sehen (BVerwG, B.v. 13.7.2017 - 1 VR 3.17 - juris Rn. 72; s. auch BVerwG, U.v. 21.8.2018 - 1 C 21/17 - NVwZ 2019, 483 Rn. 25).
29
f) Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Bundesamtes in seinem Bescheiden vom 24. Januar ergänzend Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
30
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).