VG München, Urteil v. 15.07.2021 – M 10 K 19.4620
Titel:
Verlustfeststellung, Wiederholungsgefahr
Normenketten:
FreizügG/EU § 6 Abs. 1
FreizügG/EU § 7
Schlagworte:
Verlustfeststellung, Wiederholungsgefahr
Fundstelle:
BeckRS 2021, 39926
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des Verlusts seines Rechts auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
2
Der Kläger wurde am 11. März 1984 in Litauen geboren und hat die litauische Staatsangehörigkeit. Er wuchs in Litauen auf, besuchte zwölf Jahre lang die Mittelschule und schloss eine Ausbildung zum IT-Fachmann ab.
3
Am 19. Dezember 2014 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein, um dort zu leben und zu arbeiten. Am 15. Mai 2015 wurde er nach Litauen ausgeliefert. Er war in Litauen zu einer Haftstrafe wegen Vergewaltigung verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war. Weil er sich nicht an die Bewährungsauflagen gehalten hatte, war ein Bewährungswiderruf erfolgt. Nach eigenen Angaben befand sich der Kläger deshalb für 11 Monate und 23 Tage in Litauen in Haft.
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Am 30. April 2017 kehrte er in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Er war als selbständiger Abbruchunternehmer tätig und verdiente dabei monatlich zwischen 1.000 und 1.500 EUR netto. Nach den Feststellungen des Berufungsurteils vom 15. Mai 2019 hatte der Kläger bis dahin im Jahr 2019 noch keine Aufträge erhalten.
5
Kinder hat der Kläger nicht. Auf dem rechten Auge ist er nach einem Unfall blind. Nach den Feststellungen des Strafurteils vom 21. Juni 2018 konsumierte der Kläger keine Drogen und größere Mengen Alkohol nur an Wochenenden oder Feiertagen.
6
Strafrechtlich ist der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland folgendermaßen in Erscheinung getreten:
7
Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 11. Mai 2015 wurde er wegen Erschleichens von Leistungen in Tatmehrheit mit versuchtem Betrug zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 15 EUR verurteilt.
8
Mit weiterem Urteil des Amtsgerichts München vom 18. November 2015 wurde er wegen fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 65 Tagessätzen zu je 15 EUR verurteilt.
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Mit weiterem Urteil des Amtsgerichts München vom 24. Oktober 2017 wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde (BA Bl. 32 ff.).
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Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 14. Mai 2017 begaben sich der Kläger und der Geschädigte P. zur Wohnung der Zeugin H. und tranken dort gemeinsam Alkohol. Aus nicht näher bekannten Gründen kam es in der Nacht zum Streit zwischen dem Kläger und dem P., sodass beide am 15. Mai 2017 gegen 0:30 Uhr das Anwesen verließen. Auf der Grünfläche vor dem Anwesen stieß der Kläger den P. von hinten und zog ihm gleichzeitig mit einem „Fußkick“ die Füße weg, sodass der P. mit dem Gesicht nach vorne auf den Boden fiel. Anschließend packte der Kläger den P. an dessen Jacke, zog ihn wieder hoch und schlug ihm daraufhin mehrmals mit der geballten rechten Faust gezielt in das Gesicht, sodass der P. gegen den dort befindlichen Baum prallte und zusammensackte. Der Kläger schlug weiterhin auf den am Boden liegenden P. ein. Er trat mindestens einmal mit dem rechten Fuß gegen den Bauch und mehrmals massiv und mit voller Wucht gezielt gegen den Kopf des P. Als der P. schließlich regungslos am Boden lag, ließ der Kläger von ihm ab. Ab 16. Mai 2017 befand sich der Kläger in dieser Sache in Untersuchungshaft. Zugunsten des Klägers wurde im Urteil eine alkoholbedingte Enthemmung gewertet.
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Mit weiterem Urteil des Amtsgerichts München vom 21. Juni 2018 wurde der Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt (BA Bl. 85 ff.).
12
Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 25. Dezember 2017 gegen 19:00 Uhr besuchte der Kläger mit dem Zeugen P. die Geschädigte H. in deren Wohnung in München. Der Abend verlief zunächst friedlich, wobei H., P. und der Kläger gemeinsam in der Küche saßen und Alkohol tranken. Da die Geschädigte H. am nächsten Tag arbeiten musste, forderte sie den Kläger zu späterer Stunde, wohl bereits am 26. Dezember 2017 zwischen 2:30 Uhr und 2:48 Uhr auf, zu gehen. Der Zeuge P. lag zu diesem Zeitpunkt im Wohnzimmer auf der Couch und schlief aufgrund seiner starken Alkoholisierung. Der Kläger fing an, mit der Geschädigten zu streiten und sagte zu dieser, dass sie ihm noch Geld schulde. Das verneinte die Geschädigte und forderte den Kläger erneut auf, die Wohnung zu verlassen. Der Kläger wurde daraufhin sehr aggressiv und packte die Geschädigte kräftig an beiden Unterarmen. Der Geschädigten gelang es aber in der Folgezeit, sich aus dem Griff zu lösen. Der Kläger packte die Geschädigte an den Haaren und schlug sie mit dem Kopf mindestens zweimal wuchtig gegen die Wand. Er zog sehr kräftig an den Haaren der Geschädigten und riss ihr dabei auch ein Büschel Haare an der rechten Kopfseite aus. Da der Kläger nicht von ihr abließ, beschloss die Geschädigte, sich bewusstlos zu stellen und verblieb am Boden mit dem Rücken zur Wand. Der Kläger ließ kurz von ihr ab. Diesen Moment nutzte die Geschädigte und flüchtete. Als die Geschädigte bemerkte, dass der Kläger ihr gefolgt war und sie wieder an den Haaren griff, nahm sie ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von ca. 15 cm an sich und stach dem Kläger von vorne mit dem Messer einmal in den oberen Bereich der linken Brust, um weitere Angriffe zu verhindern. Der Kläger ließ daraufhin von ihr ab und verließ die Wohnung. Die Geschädigte erlitt starke Schmerzen sowie Hämatome am linken Ohr, in der linken Hinterohrregion bis in die behaarte Kopfhaut im oberen linken Bereich sowie an den Unterarmen, am Oberarm, im Bereich des rechten Ellenhakens und an den Oberschenkeln. Der Kläger hatte vor der Tat erhebliche Mengen an alkoholischen Getränken, insbesondere Wodka konsumiert. Seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit war nicht erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB, jedoch lag eine deutliche rauschbedingte Enthemmung vor.
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Mit Urteil des Landgerichts München I vom 15. Mai 2019 wurde die Berufung gegen das Urteil vom 21. Juni 2018 verworfen. Während des Berufungsverfahrens befand sich der Kläger nicht in Haft.
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Mit Schreiben vom 12. Juli 2019 wurde der Kläger von der Beklagten zur beabsichtigten Verlustfeststellung angehört.
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In seiner Stellungnahme vom 26. Juli 2019 gab der Kläger an, viel darüber nachgedacht zu haben, warum er straffällig geworden sei. Das habe hauptsächlich daran gelegen, dass er früher unkontrolliert Alkohol konsumiert habe und sich nicht kritisch mit seinem Freundeskreis beschäftigt habe, in dem man unter Einfluss von Alkohol oft in Streitigkeiten hineingezogen worden sei. Das Leben habe ihm noch eine Chance gegeben. Er habe eine bodenständige deutsche Frau getroffen, die ihm gezeigt habe, dass man auch ein anderes Leben haben könne. Seit einem Jahr wohne er mit seiner Verlobten zusammen. Seit er die Verlobte getroffen habe, habe sich sein Leben komplett geändert. Er habe aufgehört zu trinken und den alten Freundeskreis verlassen. Er arbeite fleißig als Abbrucharbeiter, zahle Steuern und achte auf die deutschen Gesetze, um weiterhin in … leben zu können. In Litauen habe er keine Wohnung, keine Arbeit und keine Möglichkeit, bei jemandem unterzukommen. Die litauische Sprache sei seine Muttersprache, aber er beabsichtige, während seiner Haft auch eine Deutschprüfung zu absolvieren, da seine Kenntnisse schon ganz gut seien. Er werde weiterhin in seinem Beruf arbeiten. Er habe einen sehr guten Ruf bei den Kunden. Auch habe er ein Angebot für eine Festanstellung, falls er sein Gewerbe aufgeben möchte. Er wolle sich bei der Beklagten als Vertreter aller bayerischen Bürger entschuldigen und versichere, aus seinen Fehlern gelernt zu haben. Er werde seine Verlobte nicht mehr im Stich lassen und ein straffreies Leben führen.
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Unter dem 5. August 2019 äußerte sich die Verlobte des Klägers gegenüber der Beklagten und bat darum, auf die Verlustfeststellung zu verzichten. Der Kläger werde die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen. Sie kenne ihn als einen liebevollen Menschen, der auf die deutschen Gesetze achte, nicht trinke und immer seiner Arbeit nachgehe. Zudem bat sie darum, die Verlobung zu berücksichtigen. Sie könne sich ein Leben ohne den Kläger nicht vorstellen. Sie wolle ihn in der Haft auch besuchen kommen. Nach der Haftentlassung werde der Kläger weiterhin bei ihr gemeldet sein und sie würden weiterhin zusammenwohnen.
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Mit Bescheid vom 6. August 2019, zugegangen am 9. August 2019, stellte die Beklagte fest, dass der Kläger sein Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland verloren hat (Nummer 1 des Bescheids), untersagte dem Kläger die Wiedereinreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet für vier Jahre (Nr. 2), forderte den Kläger auf, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheids zu verlassen und drohte ihm für den Fall, dass er nicht fristgerecht ausreise oder aufgrund seiner Inhaftierung nicht ausreisen könne, die Abschiebung nach Litauen an (Nr. 3).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland durch sein Verhalten schwerwiegend beeinträchtigt habe. Im Hinblick auf die letzte Tat sei zugunsten des Klägers zu sehen, dass er im Zustand alkoholbedingter Enthemmung gehandelt habe und eine gewisse Provokation durch die Geschädigte H. nicht auszuschließen sei. Strafmildernd sei weiter zu sehen gewesen, dass der Kläger als unmittelbare Folge seiner Tat eigene lebensbedrohliche Verletzungen durch den Messerstich erlitten habe. Demgegenüber müsse sich zulasten des Klägers auswirken, dass er einschlägig vorbestraft gewesen sei und mit hoher Rückfallgeschwindigkeit innerhalb laufender Bewährungszeit gehandelt habe. Nur wenige Wochen nach Entlassung aus der Untersuchungshaft sei er erneut straffällig geworden. Die Vollstreckung habe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können. Angesichts der Tatsache, dass es sich nicht um die erste Straftat des Klägers gehandelt habe und ihn die vorhergehenden Verurteilungen nicht davon abhalten hätten können, erneut straffällig zu werden, sei von einer konkreten Wiederholungsgefahr auszugehen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die jetzige Erfahrung des Strafvollzugs den Kläger künftig abschrecken werde. Die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt sei zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unumgänglich.
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Im Rahmen der vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der Kläger seit seiner Einreise in das Bundesgebiet strafrechtlich nicht unerheblich in Erscheinung getreten sei. Er gehe aktuell einer Erwerbstätigkeit als selbständiger Abbruchunternehmer nach. Jedoch sei dies auch nach den Feststellungen des Amtsgerichts erheblich zu relativieren. Der Kläger sei als Subunternehmer ohne eigene Angestellte mit nur einem eigenen Abbruchhammer tätig und habe dieses Jahr noch keinen Auftrag bekommen. Nach eigenen Angaben habe er ein Angebot für eine Festanstellung, für den Fall, dass er sein Gewerbe aufgeben möchte. Der Kläger habe somit keine langfristig gesicherte wirtschaftliche Bindung im Bundesgebiet. Er habe eine starke Bindung zu seinem Herkunftsstaat Litauen. Dort sei er geboren und aufgewachsen. Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) habe er nicht erworben. Art. 6 GG und Art. 8 EMRK stünden dem Erlass des Bescheids nicht entgegen. Sollte der Beklagten eine Heiratsurkunde vorliegen, sei eine Verkürzung der Sperrwirkung erneut zu prüfen.
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Ab 21. August 2019 befand sich der Kläger in der Justizvollzugsanstalt München, seit 11. September 2019 in der Justizvollzugsanstalt … Er verbüßt dort sowohl die mit Urteil vom 21. Juni 2018 verhängte Freiheitsstrafe, als auch nach erfolgtem Widerruf der Bewährungsentscheidung die mit Urteil vom 24. Oktober 2017 verhängte Strafe.
21
Mit Schriftsatz vom 6. September 2019, eingegangen am 9. September 2019, hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,
Der Bescheid der Beklagten vom 6. August 2019 wird aufgehoben.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Kläger entgegen den Ausführungen der Beklagten eine wirtschaftliche Bindung zur Bundesrepublik Deutschland habe. Die Wahlmöglichkeit zwischen Selbständigkeit und einer Festanstellung zeige gerade die wirtschaftliche Bindung und Unabhängigkeit im Bundesgebiet. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger keine erneuten Straftaten begehen werde. Die Haft habe den Kläger stark beeindruckt. Im Rahmen der Haft sei das Ziel der Resozialisierung angestrebt. Der Kläger habe sein Leben komplett geändert. Er habe seinen Freundeskreis gewechselt und konsumiere keinen Alkohol mehr. Hinsichtlich der aufgeführten Verurteilung sei die erhebliche Alkoholisierung ein Grund für die Begehung der Tat gewesen. Durch die Änderung der Ausgangslage mit der Abstinenz des Klägers sei in der Prognose eine Wiederholungsgefahr daher nicht gegeben. Zudem habe sich das Leben des Klägers ebenfalls komplett geändert, da er mit seiner jetzigen Verlobten vor mehr als einem Jahr zusammengezogen sei. Ebenso habe er sich entschuldigt. Der Kläger bereue die Tat und sehe ein, in der Vergangenheit Fehler gemacht zu haben. Die Beziehung spiele im vorliegenden Fall eine besondere Rolle, da sich die Prognose des Klägers durch das Vorhandensein eines Familienmitglieds im Inland zum Positiven gewendet habe. Hilfsweise werde ausgeführt, dass die Dauer des Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbots unter den genannten Gesichtspunkten zu hoch sei. Verhältnismäßig sei im Rahmen der Abwägung ein Jahr. Im Übrigen wird auf die Begründung Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 19. September 2019 beantragt die Beklagte:
Die Klage wird abgewiesen.
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Zur Begründung bezog sie sich auf den angefochtenen Bescheid sowie die Behördenakte.
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Mit Führungsbericht vom 24. Juli 2020 führte die Justizvollzugsanstalt … aus, dass der Kläger regelmäßig Besuch von Bekannten sowie von seiner Verlobten bekomme. Er führe auch regelmäßig Telefonate mit ihr sowie seiner Mutter, welche in Litauen wohne. Laut eigenen Angaben könne der Kläger nach seiner Entlassung bei seiner Verlobten unterkommen. Über einen Arbeitsplatz verfüge er nicht. Trotz der Teilnahme am Behandlungsprogramm der Anstalt und dem stabilen sozialen Empfangsraum werde aufgrund der einschlägigen Vorahndungen, dem Bewährungswiderruf, der schnellen Rückfallgeschwindigkeit und der nicht abschließend behandelten Alkoholproblematik eine Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe aus Sicht der Justizvollzugsanstalt entgegengetreten.
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Unter dem 17. März 2021 nahm die Justizvollzugsanstalt … nochmals zur Frage der Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung Stellung. Seit dem Bericht vom 24. Juli 2020 hätten sich folgende Änderungen ergeben: Der Kläger werde von den Stationsbediensteten als redselig und unbekümmert beschrieben. Gegenüber den Bediensteten verhalte er sich oftmals aufdringlich. Sein Verhalten gegenüber den Mitgefangenen sei kameradschaftlich. Nach wie vor sei der Kläger in einem Unternehmerbetrieb beschäftigt und erbringe stets positive Arbeitsleistungen. Disziplinarisch sei der Kläger bis dato nicht in Erscheinung getreten. Hinsichtlich der Suchtmittelerkrankung des Klägers sei ergänzend anzumerken, dass er im letzten Jahr einen Therapieplatz vorweisen habe können. In einem Gespräch mit der zuständigen Sozialarbeiterin am 12. März 2021 habe der Kläger jedoch angegeben, dass er bei sich keine Abhängigkeitssymptomatik und keine Notwendigkeit einer therapeutischen Maßnahme sehe. Dies habe er nur zum Halbstrafenzeitpunkt versucht, um früher aus dem Strafvollzug entlassen zu werden. Ein Gesprächsangebot mit der hiesigen externen Suchtberatung habe er verweigert. Eine Entlassung komme für ihn nur ohne eine Therapieauflage in Frage. Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme vom 25. Juli 2020 spreche sich die Justizvollzugsanstalt weiterhin gegen eine Strafaussetzung aus.
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Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2021 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, dass das Verlöbnis des Klägers nicht mehr bestehe. Er habe aber weiterhin soziale Kontakte in Deutschland. Aufgrund der Corona-Pandemie seien Besuche derzeit nicht bzw. nur eingeschränkt möglich. Hinsichtlich der beruflichen Situation verhalte es sich so, dass der Kläger ein Angebot hinsichtlich eines Arbeitsplatzes habe. Der Kläger habe auch an einem Anti-Gewalt-Training teilgenommen.
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Der Kläger legte ein undatiertes Schreiben der Firma … vor, wonach er vor seiner Verhaftung mit dem Betrieb zusammengearbeitet habe. Er sei ein guter Mitarbeiter, immer pünktlich, zuverlässig und habe einen Blick für die Arbeit. Mit den Kollegen sei er immer sehr gut ausgekommen. Aus diesen Gründen würde man sich freuen, ihn bald als neuen Mitarbeiter begrüßen zu dürfen.
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Zudem legte der Kläger eine Teilnahmebestätigung der Justizvollzugsanstalt … vom 18. Juni 2020 vor. Der Kläger habe in der Zeit vom 12. März 2020 bis 18. Juni 2020 an einer Anti-Gewalt-Trainingsmaßnahme teilgenommen, die 14 Trainingstage mit je eineinhalb Stunden umfasst habe. Das Training habe den Teilnehmern theoretische Grundkenntnisse zum Themenkreis „Aggression und Gewalt“ vermittelt und ihnen im Rahmen der Selbsterfahrung die Ursachen und Funktionen von Aggression bewusst werden lassen. Wesentliche Module des Trainings seien gewesen: Biographiearbeit, theoretische Grundkenntnisse zum Thema Aggression und Gewalt, Umgang mit Gefühlen, Ärger und Empathie, Konfliktbewältigung und Einüben alternativer Verhaltensweisen, Deliktbearbeitung, Perspektivenwechsel, Entwicklung von Werten. Die Teilnehmer seien dazu ermutigt worden, ihren Ärger, der ursächlich für ihre Gewaltbereitschaft sei, rechtzeitig anzusprechen und dafür sensibilisiert, sich eigene Verhaltensmuster und Frustrationsmechanismen bewusst zu machen. Zudem seien sie motiviert worden, Strategien zu entwickeln, um adäquat mit ihren Frustrationen und Aggressionen umgehen zu können.
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Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2021 wies der Bevollmächtigte nochmals darauf hin, dass der Kläger seine alten Kontakte abgebrochen habe und seinen Freundeskreis gewechselt habe. Er sei weiterhin abstinent. Der Kläger wolle in Zukunft sein Leben in Deutschland einfach in Ruhe weiter leben und arbeiten. Weiter sei darauf hinzuweisen, dass es seit Ende 2017 keine weiteren Vorfälle gegeben habe. Insoweit stelle sich die Frage, inwieweit es sich aktuell um eine Alkoholabhängigkeit in Form einer Suchtkrankheit handeln könne. Der Kläger habe sich nun seit dreieinhalb Jahren straffrei geführt. Insofern habe sich eine Wiederholungsgefahr in diesem Zeitraum nicht verwirklicht.
31
In der mündlichen Verhandlung am 15. Juli 2021 gab der Kläger an, aktuell weiterhin Kontakt zu seiner früheren Verlobten und deren Familie zu haben.
32
Hinsichtlich des übrigen Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte, insbesondere die Niederschrift über die öffentliche Sitzung am 15. Juli 2021, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
33
A. Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der angefochtene Bescheid vom 6. August 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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I. Rechtsgrundlage für die Feststellung des Verlusts des Rechts des Klägers auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ist § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU.
35
Nach dieser Vorschrift kann der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit festgestellt werden.
36
Ob der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung aufgrund seiner beruflichen Situation die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU erfüllte, kann offen bleiben, da das Bestehen eines Freizügigkeitsrechts keine Voraussetzung für die Feststellung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU ist (vgl. VG München, U.v. 13.2.2020 - M 10 K 18.6271 - BeckRS 2020, 7932 Rn. 47 ff. m.w.N.). Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU mit der Folge der erhöhten Anforderungen an die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 6 Abs. 4 FreizügG/EU hat der Kläger, der sich aktuell seit dem Jahr 2017 und damit noch keine fünf Jahre in der Bundesrepublik aufhält, nicht erworben.
37
II. Die Beklagte hat den Verlust des Rechts des Klägers auf Einreise und Aufenthalt gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU in zutreffender Weise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit festgestellt.
38
1. Die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung genügt für sich allein nicht, um eine Verlustfeststellung zu begründen, § 6 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU. Es dürfen nur im Bundeszentralregister noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen und diese nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt, § 6 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU. Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU.
39
Das Gericht teilt die Einschätzung der Beklagten, dass die Umstände, die den vom Kläger begangenen Straftaten zugrunde lagen, ein persönliches Verhalten erkennen lassen, welches eine gegenwärtige, tatsächliche und hinreichend schwere, die Grundinteressen der Gesellschaft berührende Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU darstellt.
40
Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Wiederholungsgefahr ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (EuGH, U.v. 29.4.2004 - C-482/01 und C-493/01 - EuZW 2004, 402).
41
Ob die Begehung einer Straftat nach Art und Schwere ein persönliches Verhalten erkennen lässt, das ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, lässt sich nur aufgrund der Umstände des Einzelfalles beurteilen (vgl. EuGH, Entscheidung v. 27.10.1977 - 30/77 „Bouchereau“ - BeckRS 2004, 73063). Das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung verlangt eine hinreichende, unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit nach dem Ausmaß des möglichen Schadens und dem Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts differenzierte Wahrscheinlichkeit, dass der Ausländer künftig die öffentliche Ordnung beeinträchtigen wird (BVerwG, U.v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - NVwZ 2010, 389); bei gewichtigeren Straftaten reicht danach eine geringere Wahrscheinlichkeit der erneuten Straftatbegehung aus, um eine solche Gefährdung zu begründen (BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - BeckRS 2013, 47815). Aus den verwertbaren Straftaten sowie den sonstigen hinzutretenden Umständen ist also prognostisch abzuleiten, wie hoch auf Seiten des Betroffenen das Risiko der Begehung erneuter Straftaten und damit erneuter Verstöße gegen die öffentliche Ordnung ist.
42
Gemessen an diesen Vorgaben ist bei dem Kläger prognostisch eine Wiederholungsgefahr für die Begehung weiterer Körperverletzungsdelikte gegeben.
43
Der Kläger hat noch im Jahr seiner Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland im April 2017 mit hoher Rückfallgeschwindigkeit zwei einschlägige nicht unerhebliche Körperverletzungsdelikte begangen. Zwischen den beiden Delikten vom 15. Mai 2017 und 26. Dezember 2017 liegt ein Zeitraum von nur knapp 8 Monaten. Die Tat vom 26. Dezember 2017 erfolgte dabei nur gut zwei Monate nach der Verurteilung vom 24. Oktober 2017 und dem Ende der Untersuchungshaft sowie unter offener Bewährung. Zudem zeugen die Verurteilungen vom 11. Mai 2015 und 18. November 2015 sowie die Verurteilung wegen Vergewaltigung durch ein litauisches Gericht von einer fehlenden Akzeptanz der Rechtsordnung. Weder die zweimalige Verurteilung des Klägers zu Geldstrafen noch die in Litauen verbüßte Haftstrafe haben den Kläger von der Begehung der beiden Körperverletzungsdelikte abgehalten. Zwar ist zugunsten des Klägers zu werten, dass die letzte abgeurteilte Tat nach Aktenlage bereits am 26. Dezember 2017 begangen wurde. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass dem Kläger zunächst aufgrund der letzten Tat ein Widerruf der Aussetzung der mit Urteil vom 24. Oktober 2017 verhängten Strafe sowie eine erneute Verurteilung aufgrund der Tat vom 26. Dezember 2017 drohte, er sich später im Berufungsverfahren gegen das Urteil vom 21. Juni 2018 befand und schließlich seit 21. August 2019 inhaftiert war. Damit bestanden seit der letzten Tat durchweg erhebliche Gründe, die den Kläger von weiteren Taten abhalten konnten.
44
Zudem wurde im vorliegenden Verfahren von Seiten des Klägers mehrmals besonders hervorgehoben, dass seine frühere Verlobte einen positiven Einfluss auf ihn gehabt habe. Auch wenn der Kläger angab, weiterhin Kontakt zu dieser zu haben, ist dennoch festzuhalten, dass ein aus Sicht des Klägers zuvor wesentlicher Faktor für seine Straffreiheit nach der Trennung von seiner Verlobten aktuell nicht mehr besteht und auch deshalb ein Rückfall in alte Verhaltensmuster droht.
45
Zu Lasten des Klägers ist auch zu berücksichtigen, dass sowohl die Tat vom 15. Mai 2017 als auch die Tat vom 26. Dezember 2017 unter nicht unerheblichem Alkoholeinfluss begangen wurden. Auch wenn in den ergangenen Strafurteilen keine Alkoholabhängigkeit festgestellt wurde, liegt hierin ein Aspekt, der sich im Rahmen der Prognose negativ auswirkt. Es ist davon auszugehen, dass sich das Risiko für erneute Körperverletzungsdelikte unter Alkoholeinfluss erhöhen wird. In seiner Stellungnahme an die Beklagte vom 26. Juli 2019 sowie in der Klagebegründung mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2019 begründete der Kläger seine Straffälligkeit selbst unter anderem mit seinem früheren unkontrollierten Alkoholgenuss. Auch in der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 17. März 2021 wurde von einer Suchtmittelerkrankung des Klägers ausgegangen. Damit ist auch ohne eine ärztliche oder strafgerichtliche Feststellung einer Alkoholabhängigkeit festzuhalten, dass Alkoholkonsum und die dadurch bedingte Enthemmung jedenfalls mitursächlich für die begangenen Straftaten waren.
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Zwar hat der Kläger nach seinen eigenen Angaben sowie den Angaben seiner früheren Verlobten nach den Taten eigenständig von weiterem Alkoholkonsum Abstand genommen. Allerdings ist auch hier zu berücksichtigen, dass die Beziehung des Klägers zu seiner Verlobten, die für seine positive Entwicklung maßgeblich war, nicht mehr besteht. Professionelle Hilfe zur Ausräumung der Alkoholproblematik hat der Kläger nicht in Anspruch genommen. Dass der Kläger ausweislich der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 17. März 2021 bei sich weder eine Abhängigkeitssymptomatik noch die Notwendigkeit einer therapeutischen Maßnahme gesehen habe und ein Gesprächsangebot der externen Suchtmittelberatung verweigert habe, spricht dafür, dass dem Kläger die Bedeutung und der Einfluss von Alkohol für sein zurückliegendes Verhalten nicht ausreichend bewusst sind, er daher auch in Zukunft nicht auf weiteren ggf. übermäßigen Konsum verzichten wird und hierin ein erheblicher Risikofaktor für die Begehung erneuter Körperverletzungsdelikte zu sehen ist.
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Positiv zu werten ist im Rahmen der Prognose die Teilnahme des Klägers an einer Anti-Gewalt-Trainingsmaßnahme in der Justizvollzugsanstalt, die für einen Willen des Klägers zur Veränderung spricht. Nachgewiesen wurde insoweit jedoch lediglich die Teilnahme an dem genannten Training. Ob es dem Kläger tatsächlich gelungen ist, sein eigenes Verhalten zu ändern, ergibt sich aus der bloßen Teilnahme noch nicht. Zudem ist nicht ersichtlich, dass im Rahmen der Trainingsmaßnahme gezielt auf die beim Kläger bestehende Gefahr von Gewalt in Folge des Genusses von Alkohol eingegangen worden wäre.
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Darüber hinaus hatte der Kläger keine Gelegenheit, die vorgetragenen Verhaltensänderungen außerhalb der Justizvollzugsanstalt unter Beweis zu stellen. Die Kammer ist damit weder zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nach seiner Entlassung keinen bzw. keine größeren Mengen Alkohol mehr zu sich nehmen wird, noch dazu, dass der Kläger im Falle des Alkoholkonsums der daraus folgenden Enthemmung hinsichtlich der Begehung von Körperverletzungsdelikten erfolgreich entgegentreten können wird. Auch unter Berücksichtigung der reduzierten Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit von weiteren Taten aufgrund des äußerst hohen Stellenwerts des Schutzgutes der körperlichen Unversehrtheit ist damit weiterhin von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Kläger auszugehen.
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2. Die Entscheidung der Beklagten über die Verlustfeststellung stellt sich auch unter Berücksichtigung der Umstände nach § 6 Abs. 3 FreizügG/EU als ermessensfehlerfrei dar.
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Gemäß § 6 Abs. 3 FreizügG/EU sind bei der Entscheidung insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
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Es ist vorliegend rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in ihrer Güter- und Interessenabwägung den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung des Klägers gegenüber seinen persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet den Vorzug gegeben hat.
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Das öffentliche Interesse wiegt vorliegend schwer. Der Kläger hat mit hoher Rückfallgeschwindigkeit erhebliche Straftaten begangen; es besteht eine konkrete Wiederholungsgefahr.
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Demgegenüber ist insbesondere keine besonders schützenswerte soziale, familiäre und wirtschaftliche Verwurzelung des Klägers im Bundesgebiet festzustellen. Der Kläger befindet sich nach einem etwa halbjährigen Voraufenthalt zwischen 2014 und 2015 erst seit dem Jahr 2017 im Bundesgebiet. Davor lebte er in Litauen, wo er auch geboren ist. Er hat hier weder eine eigene Kernfamilie noch Verwandte. Auch wenn er nach eigenen Angaben noch Kontakt zu seiner früheren Verlobten und deren Familie hat, liegen hierin aufgrund der nicht erfolgten Heirat keine familiären Beziehungen. Zudem dürften diese Beziehungen nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund der erfolgten Trennung und mehrjährigen Inhaftierung des Klägers an Intensität verloren haben. Die wirtschaftliche Integration des Klägers vor seiner Inhaftierung ist aufgrund der fehlenden Aufträge für seine selbständige Tätigkeit als nicht besonders gut zu bewerten. Auch wenn der Kläger angegeben hat, nach seiner Entlassung jederzeit wieder eine Stelle zu bekommen und hierfür auch das vorgelegte Schreiben der Firma … spricht, ist davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seiner mehrjährigen Berufserfahrung auch nach seiner Rückkehr nach Litauen eine ausreichende Beschäftigung finden wird.
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Auch im Übrigen sind keine Umstände erkennbar, weshalb dem Kläger eine Reintegration in Litauen, wo er aufgewachsen ist und lange gelebt hat, nicht gelingen sollte. Der Kläger dürfte als erwachsener, gesunder und arbeitsfähiger Mann, der Litauisch spricht und noch über familiäre Kontakte in Litauen verfügt, in der Lage sein, in Litauen ein ausreichendes Auskommen zu finden.
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III. Auch die von der Beklagten in Nummer 2 des angegriffenen Bescheids auf der Grundlage von § 7 Abs. 2 Satz 5 und 6 FreizügG/EU getroffene Befristung der Sperre zur Wiedereinreise und zum Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet für die Dauer von vier Jahren ist insbesondere vor dem Hintergrund fehlender familiärer Bindungen des Klägers im Bundesgebiet rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 7 Abs. 2 Satz 6 FreizügG/EU wäre grundsätzlich eine Frist von über fünf Jahren möglich gewesen, sodass die Beklagte den zulässigen Rahmen bei weitem nicht ausgeschöpft hat. Die von Seiten des Klägerbevollmächtigten angestrebte Reduzierung auf ein Jahr erweist sich aufgrund der bestehenden Wiederholungsgefahr als deutlich zu gering.
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IV. Schließlich stellt sich auch Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheids als rechtmäßig dar. Die festgesetzte Ausreisefrist von einem Monat ab Bestandskraft des Bescheids stützt sich auf § 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 FreizügG/EU. Die Abschiebung wurde zutreffend auf der Grundlage von § 7 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU angedroht.
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B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.