VG Ansbach, Urteil v. 07.09.2021 – AN 9 K 19.01325, AN 9 K 20.00799
Titel:

Anfechtungsklage gegen Aufhebung zweier Abmarkungsbescheide mangels unrichtiger Sachbehandlung unbegründet

Normenketten:
BayAbmG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 21 Abs. 2 S. 2
VwGO § 42 Abs. 1
Leitsätze:
1. Zum Zweck der Aufhebung eines Abmarkungsbescheides muss ein Beteiligter gegen den Bescheid mit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO vorgehen. (Rn. 80 – 82) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung einer Abmarkung beschränkt sich darauf, ob die Abmarkung mit den Vermessungsfeststellungen des Liegenschaftskatasters bzw. der Katasternachweise übereinstimmt oder ob ein Abmarkungsmangel vorliegt. Für Streitigkeiten zwischen den Grundstückseigentümern über den Verlauf der Eigentumsgrenze sind hingegen die ordentlichen Gerichte zuständig. (Rn. 89 – 95) (redaktioneller Leitsatz)
3. Vage Schilderungen vermeintlicher Erinnerungen sind nicht imstande, den objektiven Nachweis des Grundstückskatasters zu erschüttern. (Rn. 96 – 105) (redaktioneller Leitsatz)
4. In bestimmten Fällen gibt das einschlägige Fachrecht dem Rücknahmeermessen eine Richtung vor, so dass das Ermessen in diesem Rahmen fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung, namentlich die für die Rücknahme des Verwaltungsaktes, ausgeübt werden kann. (Rn. 106 – 117) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anfechtungsklagen gegen Abmarkungsbescheide, Nachweis der Grundstücksgrenze im Liegenschaftskataster, Zuständigkeit ordentlicher Gerichte für Grenzstreitigkeiten, Abmarkungsbescheid, Anfechtungsklage, Rücknahme eines Verwaltungsakts, Korrektur von Eigentumsgrenzen, Grenzstreitigkeiten
Fundstelle:
BeckRS 2021, 29286

Tenor

Die Klagen AN 9 K 19.01325 und AN 9 K 20.00799 werden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Mit seinen Klagen begehrt der Kläger die Aufhebung zweier Abmarkungsbescheide.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. …, Gemarkung … (* …*). Das Grundstück des Klägers grenzt östlich an das Grundstück Fl.-Nr. …(* …*) und südlich an das Grundstück Fl.-Nr. … (* …*).
3
Der Kläger beantragte am 7. Mai 2019 beim durch das … (* …*) … vertretenen Beklagten die Abmarkung der Grenzen seines Grundstücks. Daher stellte dieses am 3. Juni 2019 die Umfangsgrenzen des Flurstücks … der Gemarkung … fest und markte die Grundstücksgrenzen mit zwei Grenznägeln und vier Meißelzeichen ab (Fortführungsriss 10653, Gemarkung …*).
4
Der Kläger war beim Abmarkungstermin anwesend. Er erkennt die Grenzfeststellung und die Abmarkung nicht an.
5
Das … … gab dem Kläger die vorgenommene Abmarkung des Grundstücks … der Gemarkung … mit Abmarkungsbescheid vom 12. Juni 2019 bekannt.
6
Dagegen hat der Kläger am 8. Juli 2019 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Anwesen auf seinem Grundstück sei auf einem aus Sandstein bestehenden Sockel als Fundament errichtet worden. Der Sockel verlaufe geradlinig entlang der östlichen Grundstücksgrenze- und sei Bestandteil der baulichen Substanz seines Hauses; der Sockel müsse daher als zu einem Grundstück gehörig behandelt werden. Als Ergebnis der Vermessung werde aber seine heutige Gebäuderückwand als Grundstücksgrenze angenommen. Mithin sei der östliche Grenzverlauf zum Flurstück … zu seinen Lasten verschoben worden.
7
Sein Anwesen habe früher eine gemeinsame Rückwand mit einem auf Fl.-Nr. … errichteten Hinterhaus aufgewiesen. Von der Rückwand seien 16 cm seinem Haus zugerechnet worden. Im Jahr 1966 sei das Hinterhaus abgerissen worden. Daher sei die gemeinsame Rückwand ersetzt worden. Im Innern seines Hauses sei dazu eine neue tragende Rückwand mit einem gewissen Abstand zur alten gemeinsamen Rückwand errichtet worden. Seither bestehe ein baulicher Abstand der Rückwand zum Sockelende (Anlagen K 24, K6-K8).
8
Anlässlich des Abrisses des Anbaus 1966/1967 sei im Haus des Klägers eine Brandschutzmauer errichtet worden. Das damalige Protokoll (Anlage K 1) beweise, dass die frühere Brandmauer abgerissen und mit 25 cm Hohlbacksteinen wiedererrichtet worden sei; auch historische Dokumente wie die diesbezügliche Baugenehmigung belegten die Errichtung der Brandmauer (Anlagen K 16-K 22). Von der ursprünglich errichteten gemeinsamen Brandschutzmauer seien 16 cm zum Grundstück des Klägers … zu rechnen. Es sei bautechnisch nicht möglich gewesen, die neu errichtete Brandmauer exakt an der Grundstücksgrenze zu bauen. Daher sei der unbebaute Streifen von 16 cm beim Grenzpunkt F und 25 cm beim Grenzpunkt G verblieben. Heute wisse er, dass das Fundament ~ 24 cm hinter der Rückwand des klägerischen Anwesens verlaufe. Dies belegten auch Fortführungskarten der Gemarkung … Nach dem Stadtblatt Nr. 24, 2 (Anlage K 15) sei die nördliche Wand von … früher dicker gewesen (dazu auch Fotografie, Anlagen K 7, K 14). Der Verlauf der früheren Rückwand entspreche dem Verlauf des nun freigelegten Fundaments; dies sei der reale östliche Grenzverlauf.
9
Die damals neuen Verhältnisse stelle auch ein unterschriebenes Dokument aus dem Jahr 1967 dar. Dieses habe der Kläger beim Beklagten einmalig für 45 Sekunden einsehen dürfen. Mittlerweile enthalte der Beklagte ihm dies vor.
10
Nach dem Abriss der ursprünglichen Rückwand im Jahr 1966 sei der freigewordene Abstand zur Grenze hinter der neuen Rückwand mit einer ~15 cm dicken Zementmischung aufgefüllt worden. Dieser Zementauftrag sei in Kenntnis des damaligen Nachbarn von Flurstück … auf dem Grundstück des Klägers hinter der neuen Brandwand erfolgt. Es habe keine Grenzüberschreitung gegeben. Der Zementauftrag befinde sich voll auf dem Grundstück des Klägers entlang der neuen Rückwand und sei baulicher Bestandteil seines Hauses.
11
Das Abmarkungsprotokoll zur Katasterneuvermessung 1912 zeige den östlichen Grenzverlauf gut auf. Der freistehende Teil der damaligen gemeinsamen östlichen Wand der Grundstücke Fl.-Nr. … und … befinde sich im Alleineigentum von … Die Grenze verlaufe zwar innerhalb der gemeinsamen Mauer, nicht aber innerhalb des freistehenden Teils der Mauer.
12
Der Handriss der Vermessung des Jahres 1912 zeige, dass der Abschluss der inneren Mauer des Hauses auf … auf einer Linie mit dem weiteren östlichen Grenzverlauf liege. Im Anschluss sei der östliche Grenzverlauf um eine Mauerbreite zurückversetzt und verlaufe in Richtung Norden entlang des Sockels auf dem klägerischen Grundstück.
13
Der Vermessungsbeamte habe dem Kläger beim Abmarkungstermin vom 3. Juni 2019 den Verlauf der östlichen Grenze zwischen den benachbarten Häusern … und … demonstriert. Dies habe gezeigt, dass der Beamte von der irrigen Annahme ausgegangen sei, dass die Grundstücksgrenze innerhalb der freistehenden Mauer von … verlaufe.
14
Der Kläger meint, der freistehende Teil der Mauer sei noch existent (Anlagen K 2, K 3, K 10, K 26). Er stehe voll auf dem Grundstück … Es wäre untypisch gewesen, die Mauer auf der Grundstücksgrenze zu errichten. Es handele sich um die tragende Seitenwand von …, die oberhalb des Firstes von … freistehend sei. Der freistehende Mauerfortsatz habe schon vor dem Jahr 2012 gestanden. Auch er gehöre zum Grundstück … Dabei sei ein Teil der freistehenden Mauer um eine Mauerbreite versetzt in den Hofraum gebaut worden. Dies belege, dass der Grenzverlauf im Osten um eine Mauerbreite versetzt sei. Zudem belege der im Sommer 2019 erfolgte Abriss des Gebäudes auf Fl.-Nr. …, dass die verbliebene Mauer des Gebäudes auf dem Flurstück … vollständig zu diesem Flurstück gehöre (Anlage K 4).
15
Der Kläger wende sich dagegen, dass die im Jahr 2019 durchgeführte Grenzermittlung das gültige Abmarkungsprotokoll des Jahres 1911 nicht berücksichtige.
16
Der östliche Grenzverlauf sei falsch ermittelt worden. Er sei zum Nachteil des Klägers etwa um die Sockelbreite verschoben worden. Das Fundament, das durch Bauarbeiten auf dem Grundstück … freigelegt worden sei, verlaufe 24 cm hinter der Rückwand seines Anwesens. Der östliche Grenzverlauf zwischen den Fl.-Nrn. … und … verlaufe bis zu den Häusern an der … eigentlich geradlinig. Dies entspreche dem Verlauf des Fundaments hinter der Rückwand von … (Anlagen K 11-K 14).
17
Weiter sei der Katasterfestsetzungspunkt 5019 im Jahr 2013 entfernt worden; er habe deshalb bei der Vermessung am 3. Juni 2019 nicht mehr vorhanden sein können. Ferner sei am 3. Juni 2019 der Katasterfestsetzungspunkt 5017 nicht berücksichtigt worden. Der Punk 5020 sei gar nicht erst gesucht worden. Bei der Neufestsetzung von 5019, 5018 und 5017 seien einfach Korrekturwerte festgesetzt worden. Dies habe dazu geführt, dass der westliche Grenzverlauf nach Süden in Richtung des Grundstücks Fl.-Nr. … verschoben worden sei. Dennoch seien nicht auch die vorderen Maßzahlen verändert worden - etwa durch einen Ausgleich in Richtung Einfahrt von … Dadurch sei das Grundstück des Klägers geschmälert worden, da der durch … überbaute Bereich nicht nutzbar sei. Die Überbauung vom Grundstück … auf dem Grundstück des Klägers betrage ursprünglich 26 cm. Hinzu komme eine nachträglich angebrachte Isolierung am Gebäude auf dem Grundstück …; insgesamt ergebe sich eine Überbauung von ~ 50 cm. Das klägerische Grundstück sei bereits durch die vorhandene Überbauung des Grundstücks … benachteiligt, eine weitere Benachteiligung durch eine einseitige Anwendung von Korrekturen zugunsten … sei nicht zu rechtfertigen.
18
Neben dem beschriebenen Dokument von 1967 enthalte der Beklagte dem Kläger weitere Dokumente vor: Der Neumessungsriss 390 von Oktober 1912 sei nicht das endgültige Ergebnis der damaligen Grenzermittlung und stelle nicht den amtlichen Katasternachweis dar. Der Riss 390 sei ungenau; es gebe eine überarbeitete Fassung, die nach einer Überprüfung mit den beteiligten Eigentümern erstellt und durch deren Unterschrift anerkannt worden sei: Der Beklagte halte den womöglich ersten Fortführungsriss nach der landesweiten Neumessung 1912 zurück. Der Riss sei im Jahr 2018 noch Bestandteil der Akte gewesen. Das Dokument zeige das Ergebnis der Neumessung von 1914. Es sei dem Kläger einmalig für 45 Sekunden gezeigt worden. Er zeige auf eine DIN A4-Seite vor allem die Bebauung auf den Grundstücken …, … und … Anders als im Fortführungsriss 390 seien im überarbeiteten Riss die Grundstücks- bzw. Spannmaße deutlich ablesbar. Nur letzterer enthalte deutlich ablesbare Grundstücks- und Spannmaße. Da sich die Maße auf dem Riss 390 wohl nicht mit den Angaben im Protokoll zur Grunddienstbarkeitsbestellung vom 5. Juli 1911 (Anlage K 24) deckten, sei wohl die Fertigung eines überarbeiteten Risses nötig geworden.
19
Für das Vorenthalten spreche auch, dass über die Vermessung ein Protokoll zu fertigen sei, das die Eigentümer hätten unterzeichnen müssen. Dies sei am 7. November 1911 erfolgt - dagegen sei der Neumessungsriss 390 nicht unterzeichnet, sondern amtlich beglaubigt.
20
Vorenthalten werde auch das Neuvermessungsverzeichnis von 1914. Dieses sei im Grundbuchauszug erwähnt. Die Eintragung sei am 14. März 1917 erfolgt. Im Grundbucheintrag finde sich die Formulierung „laut Neuvermessungsverzeichnis v.J. 1914, …“ (Anl. K 5).
21
Der Verlauf der östlichen Grenzmauer auf dem Riss 390 widerspreche der Grenzbeschreibung im Protokoll vom 5. Juli 1911. Die damalige Mauer an der Ostgrenze habe in der genannten Stärke von 16 cm im Eigentum von … gestanden (Anlagen K 6-K 8).
22
Außerdem sei im Jahr 2012 ein Fortführungsriss erstellt worden, der erstmals Veränderungen und Anpassungen im östlichen Grenzverlauf von Flurstück … und Flurstück … dokumentiere (der Handriss 10092). Der Grenzverlauf … sei unter der Annahme angepasst worden, dass die Seitenwand von Flurstück … auf Flurstück … stehe. Der weitere östliche Grenzverlauf sei anders als jetzt immer geradlinig gewesen. Dies zeige der Handriss 10092. Das Spannmaß von … zu Grenzpunkt D im Bereich der Einfahrt zur … habe zuvor 2,45 m betragen. Das habe der Beklagte 2010 mündlich mitgeteilt. Im Auszug des Liegenschaftskatasters sei aber 2,48 m als Einfahrtbreite eingetragen. Nach dem Fortführungsriss 10653 sei sie nun 2,49 m breit. Der Fortführungsriss 10653 zeige, dass der Unterscheid durch einen Knick im nördlichen Grenzverlauf (Grenzpunkte D, E und F) möglich geworden sei.
23
Die angebrachte Isolierung von … schließe mit der Hauswand bündig ab. Die dort eingezeichnete Grenze besage, dass die Seitenwand von Flurstück … auf dem Flurstück … stehe. Auf dem Handriss 10092 habe eine Verschiebung der gesamten Grenze von Flurstück … und Flurstück … zu Flurstück … stattgefunden, die den östlichen Grenzverlauf umfasse. Der Fortführungsriss 10092 des Jahres 2012 sei fehlerhaft. Die Mauer, die voll auf Flurstück … stehe, sei im Handriss auf beiden Flurstücken … und … stehend eingezeichnet. Es wäre auch gänzlich unüblich, ein Mauer auf der Grenze zwischen zwei Grundstücken zu errichten. Obwohl der Fortführungsriss 10092 von 2012 maßgeblich den östlichen Grenzverlauf seines Grundstücks betreffe, sei der Kläger damals nicht beteiligt worden.
24
Der Fortführungsriss stamme vom Nachbarn des Klägers und sei 2012 vom Beklagten übernommen worden. Gebäudevermessungen könnten nach Recherche des Klägers nach der sog. Gebäudeübernahmeverordnung ins amtliche Liegenschaftskataster übernommen werden. Hiervon habe der Beklagte wohl Gebrauch gemacht. Sachliche Voraussetzung der Übernahme sei aber, dass die Vermessung und Koordinierung des Gebäudegrundrisses bezüglich der rechtmäßigen Grenzen der von der Vermessung betroffenen Grundstücke möglich sein müsse. Hierzu müssten die Grenzzeichen der maßgeblichen Grundstücke entweder vorhanden oder durch amtliche Bezugspunkte nach dem Prinzip der Nachbarschaft örtlich mit der im Liegenschaftskataster vorgeschriebenen Genauigkeit repräsentiert sein.
25
Der Fortführungsriss 10653 vom 3. Juni 2019 sei ebenfalls fehlerhaft. Der Grenzpunkt F liege an der heutigen östlichen Rückwand (Anlagen K 27, K 6, K 10). Dies sei falsch, da die Rückwand des Klägers ehemals weiter in Richtung Innenhof (östlich) errichtet worden sei, bevor sie 1966 abgerissen und durch eine innenseitig im Haus des Klägers errichtete Außenwand ersetzt worden sei. Der Grenzpunkt D an der Einfahrt zur … sei im Fortführungsriss 10653 um drei Zentimeter nach Süden in Richtung … verschoben worden. Folglich habe sich die überbaute Fläche zugunsten … und zulasten seines Grundstücks … vergrößert.
26
Nach einer Grunddienstbarkeit aus dem Jahr 1909 (Anlagen K 23 und K 24) sei ein 26 cm breiter Streifen zugunsten … auf dem Grundstück … bewilligt worden. 2012 sei eine etwa 21 cm dicke Isolierung angebracht worden. Es ergebe sich eine Überbauung von 47 cm.
27
Ein weiterer Zentimeter Verschiebung des Grenzpunkts D nach Süden in Richtung des Grundstücks … folge daraus, dass Grenzpunkt C in Richtung Bürgersteig nach vorne verlegt worden sei (Anlage K 25). Der spitzere Winkel am Grenzpunkt C führe zu einer Verkürzung des westlichen Spannmaßes.
28
Die Position des Grenzpunkts G befinde sich nach der Neuvermessung zwar an der Grenze zwischen … und …, aber nicht direkt an der Grenze zu … Der Beklagte habe die Grenzmarkierung am 3. Juni 2019 direkt in die Rückwand an der Grenze zwischen den Grundstücken … und … geschlagen. Der Eigentümer des Grundstücks … habe 2012 eine etwa sechs Zentimeter dicke Isolierung an die Rückwand seines Gebäudes anbringen lassen, wodurch das Grundstück des Klägers im Bereich seiner Rückwand leicht überbaut worden sei. Der Beklagte habe die Grenzmarkierung am 26. März 2020 wieder entfernt.
29
Die Position des Grenzpunkt G könne nicht richtig sein, da die Außenwand von … im Jahr 1966 wie geschildert neu errichtet worden sei und zu dem auf dem Grundstück … errichteten Gebäude angepasst worden sei. Die Firstlinie des klägerischen Gebäudes verlaufe östlich versetzt zur Firstlinie des Gebäudes auf … (Anlage K 8). Zudem zeigten die auf K8 ersichtlichen Schornsteine des auf dem Grundstück … errichteten, 1966/1967 abgerissenen Gebäudes, dass dieses direkt an das Grundstück des Klägers angebaut gewesen sei. Das vormalige Gebäude auf … sei vor dem Abriss 1966 direkt an das Haus des Klägers angebaut worden; das Haus des Klägers sei zuvor mit eigenem Fundament errichtet worden (Anlage K 9).
30
Das Gericht möge die Maßzahlen von … sowie der benachbarten Grundstücke …, …, … und … mittels Auswertung der archivierten amtlichen Katasterpläne mit Aufmaß überprüfen.
31
Der Kläger beantragt zuletzt,
Der Bescheid des Landratsamtes vom 12. Juni 2019 - AZ Antrag … wird aufgehoben.
32
Der Beklagte beantragt,
Die Klage abzuweisen.
33
Der Beklagte führt im Wesentlichen aus, er habe am 3. Juni 2019 auf Antrag des Klägers die Grundstücksgrenzen der Fl.-Nr. … der Gemarkung … durch Marken bezeichnet. Die Grenzpunkte A, C, D, E und F seien am 3. Juni 2019 unabgemarkt vorgefunden worden. Die Grenzpunkte C, D, E und F seien abgemarkt worden; der südwestliche Grenzpunkt A falle in das südlich angrenzende Gebäude … Nach seiner Ansicht habe daher eine Ausnahme von der Abmarkungspflicht i.S.v. Art. 6 Nr. 5 AbmG bestanden. Deshalb sei der Grenzpunkts A über das Grenzzeichen B indirekt abgemarkt worden. Letzteres sei um 0,5 m von Grenzpunkt A in der westlichen Grenzlinie der Fl.-Nr. … angebracht worden; nach Nr. 16.2 der Bekanntmachung zum Vollzug des Abmarkungsgesetzes werde als Weiser ein Grenzzeichen möglichst um ein rundes Maß vom Grenzpunkt entfernt in die auf den Grenzpunkt zulaufende Grenzlinie eingebracht.
34
Der Beklagte habe vor der Abmarkung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 AbmG den Verlauf der Grundstückgrenzen entsprechend dem Nachweis im Liegenschaftskataster festgestellt. Der Beklagte habe die Abmarkung ohne Einverständnis des Klägers beziehungsweise trotz verweigerter Anerkennung der Abmarkung durchgeführt. Dies sei bezüglich der Abmarkung der Grenzpunkte B, C, D, E und F nach Art. 2 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 3 AbmG zulässig, da der Nachweis im Liegenschaftskataster eine einwandfreie Feststellung des Grenzverlaufs zugelassen habe:
35
Die Umfangsgrenzen von Fl.-Nr. … seien anlässlich einer Katasterneuvermessung in der Steuergemeinde … im Jahr 1912 aufgemessen worden. Damals seien die Umfangsgrenzen festgestellt, von den Beteiligten anerkannt und in den Grenzpunkten A, C, D, E und F durch genaues, mit Kontrollmaßen geprüftes Zahlenmaterial dokumentiert worden (Neumessungsriss 390 mit Abmarkungsprotokoll). Dieser Neumessungsriss sei der gültige amtliche Katasternachweis der streitigen Grenzpunkte A, C, D, E und F. Sonstige überarbeitete Fassungen gebe es im Liegenschaftskataster nicht; seit 1912 seien weder auf dem klägerischen Grundstück …, noch auf den Nachbargrundstücken …, … und … Grundstücksgeschäfte vollzogen worden, die sich auf den Grenznachweis dieser Flurstücke hätten auswirken können. Folglich existierten auch keine sonstigen für den Grenznachweis relevanten Dokumente, die dem Kläger vorenthalten werden könnten.
36
Es sei ohne weiteres möglich gewesen, die Grenzpunkte C, D, E und F sowie den in die Grenzlinie A nach C gerechneten Grenzpunkt B bei der Vermessung am 3. Juni 2019 technisch eindeutig in die Örtlichkeit zu übertragen. Die fachtechnische Prüfung, auch durch das Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung - Regionalabteilung Nord als Aufsichtsbehörde des den Beklagten vertretenden …habe ergeben, dass die Vermessung der Grenzpunkte A, B, C, D, E und F nicht zu beanstanden sei. Insofern seien die Grundlage und die Voraussetzungen für die Abmarkung der Grenzpunkte B, C, D, E und F gegeben gewesen.
37
Der südwestliche Grenzpunkt G des Grundstücks … sei bei der Abmarkung am 3. Juni 2019 ebenfalls unabgemarkt vorgefunden worden. Dieser Grenzpunkt habe ausweislich des Neumessungsrisses 390 im Jahr 1912 innerhalb einer doppelten Gebäudemauer gelegen und habe damals deshalb nicht abgemarkt werden können; damals sei der Grenzpunkt nach den Vorgaben der Beteiligten festgelegt und aufgemessen worden. Mit den im Neumessungsriss 390 dokumentierten Maßen und anhand vorkoordinierter Festpunkte sei die Lage des Grenzpunkts G am 3. Juni 2019 daher gutachterlich in die Örtlichkeit übertragen und mit einem Grenzpunkt abgemarkt worden.
38
Angesichts der Klage habe das … die für die Koordinierung des Grenzpunkts G maßgebliche Dokumentation der Grenze im Neumessungsriss 390 und in den hierzu erstellten Koordinatenberechnungsbänden überprüft. Dabei sei festgestellt worden, dass die für die Koordinierung des Grenzpunkts G maßgeblichen Vermessungspunkte (sogenannte Katasterfestpunkte als Ausgangspunkte beziehungsweise Hilfspunkte für die Vermessung) aufgrund eines Maßübertragungsfehlers in den historischen Koordinatenberechnungsbänden fehlerhaft koordiniert gewesen seien. Nach entsprechender Korrektur der Koordinate und deren Übertragung in die Örtlichkeit dürfte der Grenzpunkt G an die östliche Mauer ohne die dort vorhandene Verkleidung fallen, so dass der östliche Grenzverlauf von Flurstück … entlang der unverkleideten östlichen Bestandsmauer des Gebäudes … verlaufen werde.
39
Bei der Überprüfung sei zugleich festgestellt worden, dass der Grenzpunkt G nicht zweifelsfrei nachgewiesen gewesen sei. Die Einmessung des Grenzpunkt G im Jahr 1912 sei mangels Kontrollmaßen unzureichend dokumentiert und deshalb mit Unsicherheiten im Bereich von etwa zehn Zentimetern behaftet. Daher sei eine einwandfreie Feststellung der durch den Grenzpunkt G definierten Grenzen nicht möglich gewesen. Daher sei nach Art. 2 Abs. 3 AbmG für die Beseitigung der bestehenden Unsicherheiten im Grenzverlauf und zur rechtmäßigen Abmarkung eine Einigung der betroffenen Grundstückseigentümerenden notwendig geworden; insoweit bedürfe es eines Grenzfeststellungsvertrages.
40
Der Beklagte helfe der Klage angesichts der Unsicherheiten in der Feststellung des Grenzpunktes G ab. Es sei ein neuer Messungstermin erforderlich. Dabei werde das … dem Kläger und den sonstigen Grundstückseigentümern die einschlägigen Unterlagen des Liegenschaftskatasters sowie deren Unsicherheit erläutern und den Beteiligten den nach den amtlichen Unterlagen wahrscheinlichsten Grenzverlauf vorweisen. Bei einer Einigung werde die Abmarkung entsprechend dem Willen der Beteiligten erfolgen. Andernfalls werde die bestehende Abmarkung am Grenzpunkt G entfernt und die Ost- und Südgrenze des Flurstücks … im Liegenschaftskataster als strittig eingetragen.
41
Im Übrigen sei für die Feststellung und Abmarkung der östlichen Grundstücksgrenze allein der Nachweis im Liegenschaftskataster maßgebend (Art. 2 Abs. 1 AbmG). Hier sei für die Feststellung der Umfangsgrenzen - mithin auch der östlichen Grenze des Flurstücks … - der Neumessungsriss 390 aus dem Jahr 1912 relevant. Dieser bilde die technische Dokumentation der erstmaligen genauen Einmessung des bis heute unveränderten Flurstücks … Weiter sei die Grenze auch im Abmarkungsprotokoll fortlaufende Nummer 1819 des Bandes 4 der Protokollsammlung zur Katasterneuvermessung der Steuergemeinde … dokumentiert.
42
Weder sei im Abmarkungsprotokoll die Festlegung der östlichen Grenze in Bezug zu einem Fundament beschrieben, noch seien technisch im Neumessungsriss Festlegungsmaße der Grenzpunkte bezogen zu einem Fundament dokumentiert. Es stehe dahin, ob es das klägerisch ohne Nachweise behauptete Fundament gebe, geschweige denn ob er dessen Eigentümer sei.
43
Ferner sei die Argumentation des Klägers mit Blick auf den östlichen Grenzverlauf zwischen den Flurstücken … und … anhand der Inhalte des Abmarkungprotokolls des Jahres 1912, der vermeintlich guten Erkennbarkeit der Grenze in der Örtlichkeit sowie der Schluss auf den Verlauf der östlichen Grenze des Flurstücks … nicht sachgerecht. Der Gebäudebestand auf dem Flurstück … habe sich seit dem Jahr 1912 aufgrund von Abriss, Neubau und dem Auftrag von Wärmedämmung im Vergleich zu den Flurstückgrenzen verändert.
44
Mit dem Riss 10092 habe das … im Jahr 2012 Gebäudeveränderungen am Flurstück … aufgemessen und dokumentiert. Es sei dabei nur um die Einmessung von Gebäudeveränderungen gegangen. Es seien weder Grenzen behandelt, noch verändert worden. Einer Beteiligung von Grundstückseigentümern habe es nicht bedurft.
45
Bei den Messungen sei auch ein Neubau einer Mauer an der Stelle des ehemals freistehenden Teils der gemeinsamen östlichen Wand der Grundstücke Flurstücke … und … dokumentiert worden. Der Kläger beziehe sich auf diesen nicht mehr bestehenden Teil der gemeinsamen östlichen Wand der beiden Grundstücke. Eine Erkennbarkeit der Grenze sei ohne Absteckung der Grenzpunkte anhand des Zahlenmaterials des Katasternachweises nicht möglich.
46
Der beschriebene Abriss und Aufbau der Rückwand des klägerischen Gebäudes mit der Konsequenz eines gewissen Abstandes zur östlichen Grenze erfolge bar jeden Belegs. Entgegenstehe, dass der nordöstliche Grenzpunkt beim Vermessungstermin am 3. Juni 2019 nach den Unterlagen des Liegenschaftskatasters abgesteckt worden und - wie im Neuvermessungsriss 390 dokumentiert sei - unverändert mit dem nordöstlichen Eck des Wohnhauses des Klägers zusammengefallen sei. Auch sei die nördliche Hauswand des Wohnhauses des Klägers bei der Vermessung am 3. Juni 2019 genauso lang gewesen wie 1912 und 2012. Nach den technischen Dokumentationen im Riss 390 ergebe sich rechnerisch ein Gebäudespannmaß von 5,08 m. Im Riss 10092 sei eine Gebäudelänge von 5,07 m zuzüglich neu aufgebrachter Verkleidung von zehn Zentimetern gemessen worden. Im Riss 10653 vom 3. Juni 2019 sei das nördliche Gebäudespannmaß ohne Verkleidung mit 5,08 m und mit Verkleidung mit 5,18 m dokumentiert worden. Die Differenz von einem Zentimeter liege innerhalb der zulässigen Toleranz.
47
Dabei beruhe die im Neumessungsriss 390 dokumentierte Lage des Grenzpunkts G auch nicht auf einem Mauerfortsatz, sondern allein auf der darin dokumentierten Messungslinie zwischen Katasterfestpunkten 5019 und 5020. Beide Punkte seien durch Koordinaten im Landeskoordinatensystem nachgewiesen und könnten daher in die Örtlichkeit übertragen werden. Für die Grenzfeststellung sei irrelevant, ob die Katasterfestpunkte in der Örtlichkeit physisch existierten.
48
Die Feststellung der östlichen Grenze des Flurstücks … basiere auf den im Jahr 1912 gewonnenen und im Neumessungsriss 390 dokumentierten Festlegungsmaßen. Diese seien auf das Vermessungspunktefeld (Katasterfestpunktfeld) bezogen gemessen und im Landeskoordinatensystem umgerechnet worden. Beim Vermessungstermin vom 3. Juni 2019 seien die Koordinaten der Grenzpunkte mithilfe des Vermessungspunktfeldes abgesteckt und abgemarkt worden. Dafür sei keine Feststellung der Grenzen der Fl.-Nrn. … und … nötig gewesen. Deshalb seien - anders als vom Kläger vorgetragen - weder Vorbereitungen auf digitaler Ebene, noch die Verschiebung der östlichen Grenze erfolgt. Dabei seine keine Abweichungen der festgestellten und abgemarkten Grenzen der Fl.-Nr. … gegenüber den Beschreibungen im zu Neumessungsriss 390 zugehörigen Abmarkungsprotokoll festgestellt worden.
49
Daneben sei auch keine Verschiebung der westlichen Grenze des Grundstücks … mittels „Korrekturwerten“ erfolgt. Die Vermessung vom 3. Juni 2019 und die in diesem Zusammenhang erfolgten Berechnungen seien im Berechnungsprotokoll zur Vermessung dokumentiert. In der Koordinatenliste am Ende des Protokolls seien alle bei der Vermessung genutzten Grenzpunkte, ihre amtlichen Koordinaten sowie gegebenenfalls im Rahmen der Vermessung geänderte Koordinaten aufgeführt. Seite 11 des Berechnungsprotokolls belege, dass die amtlichen Koordinaten der Grenzpunkte A, C und D an der westlichen Grenze nicht verändert worden seien. Die Abmarkung sei entsprechend dem Nachweis der Grenzen im Liegenschaftskataster erfolgt.
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Im Übrigen sei es richtig, dass die Überbauung des Gebäudes … ausweislich des Abmarkungsprotokolls zu Neumessungsriss 390 genau 26 cm betragen habe. Die Abmarkung des um 50 cm zurückgesetzten Grenzpunktes B an der Außenfassade führe zum Ergebnis, dass das Gebäude auf Fl.-Nr. … im Grenzpunkt B 50 cm auf Fl.-Nr. … überbaut sei; verglichen mit dem Jahr 1911 seien Veränderungen im Mauerbestand zu verzeichnen, die vermutlich aus Isolierungs- und Putzarbeiten einer Größenordnung von 24 cm resultieren. Träfe zu, dass nachträglich nur 21 cm Isolierung aufgebracht worden sei, gäbe die Abmarkung die Grenze im Rahmen der Fehlertoleranz von drei cm richtig wieder.
51
Bei Gegenüberstellung der im Neumessungsriss 390 gemessenen Spannmaße mit den aus den amtlichen Koordinaten berechneten Spannmaßen zwischen den Grenzpunkten A, C und D in der Westgrenze von Fl.-Nr. … zeige sich, dass die Summe der Spannmaße nach Neumessungsriss 390 genau 18,59 m und die nach den amtlichen Koordinaten berechneten und in die Örtlichkeit übertragene Summe der Spannmaße 18,63 m ergebe. Nach der - nicht sachgerechten - Argumentation des Klägers ergebe sich für diesen im Übrigen kein Nachteil, sondern ein Vorteil von vier Zentimetern.
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Im Liegenschaftskataster sei der klägerseits behauptete Protokolltermin vom 7. November 1911 nicht nachgewiesen. Der Riss 390 trage das Datum der Fertigstellung „am 4.VII.11“. Am 4. und 5. Juli 1911 sollen die Beteiligten die Ergebnisse der in Nr. 390 dokumentierten Vermessung im zugehörigen Abmarkungsprotokoll anerkannt haben. Weiter sei auf dem Riss 390 vermerkt, dass der königliche Katastergeometer das Ergebnis der Messung von 1911 nachgemessen habe. Etwaige Fehler bei der Nachmessung wären im Riss in roter Farbe eingezeichnet worden.
53
Der Kläger habe am 1. Februar 2019 eine Kopie des Neuvermessungsverzeichnisses des Jahres 1914 erhalten. Im Neumessungsverzeichnis sei für das Grundstück des Klägers basierend auf dem Neumessungsriss 390 des Jahres 1912 ein neuer Beschrieb und eine neue Flächenangabe im Liegenschaftskataster eingeführt worden (aufgrund der bei der Neumessung erfassten exakten Zahlen sei die Flächenangabe von 0,24 auf 0,25 ha geändert worden). Die Übernahme der geänderten Fläche zeige auch Anlage K 5.
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Lichtbilder und andere vom Kläger vorgelegte Unterlagen wie die Kopie des Stadtblattes seien a priori keine Unterlagen des Liegenschaftskatasters. Sie seien für die Feststellung des Verlaufs der Grundstücksgrenze des Klägerflurstücks …, Gemarkung … nicht relevant.
55
Schließlich treffe die klägerische Behauptung nicht zu, dass die Grenzpunkte D, E und F keine Gerade mehr bildeten. Der Beklagte lege insoweit einen Auszug aus einer digitalen Flurkarte vor. Aus der Zeichnung könne nicht auf die tatsächliche Lage eines Grenzpunkts geschlossen werden. Die Lage des Grenzpunkts D beruhe auf den örtlich erhobenen Festlegungsmaßen zum Zeitpunkt seiner Festlegung und Einmessung im Jahr 1911 sowie den daraus errechneten Koordinaten im Landeskoordinatensystem. Der Grenznachweis des Grenzpunkts D sei unabhängig von dem anderer Grenzpunkte. Schlussfolgerungen des Klägers bezüglich der Überbauung an der Grenze der Grundstücke … und … seien insofern nicht sachgerecht.
56
Das Grenzspannmaß betrage weiterhin 2,48 m. Eine vermeintlich anderslautende mündliche Auskunft im Jahr 2010 könne sich der Beklagte nicht erklären. Das am 3. Juni 2019 erhobene Maß von 2,40 m weiche um einen Zentimeter ab und liege innerhalb der Toleranz.
57
Mit Beschluss vom 6. Februar 2020 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.
58
Während des gerichtlichen Verfahrens gab der Beklagte am 2. April 2020 dem Gericht bekannt, dass der in der Klageerwiderung angekündigte Termin zur Feststellung des Grenzpunkts G am 26. März 2020 stattgefunden habe. Der Kläger sei anwesend gewesen. Der Kläger habe die Anerkennung des Grenzpunktes G in einem Grenzfeststellungsvertrag abgelehnt. Die Abmarkung des Grenzpunktes G sei entfernt worden. Die Entfernung des Grenzpunkts G sei im Abmarkungsprotokoll 10708 dokumentiert. Der Kläger habe das Protokoll nicht unterzeichnet. Die östliche und die südliche Grenze seien im Liegenschaftskataster als strittig vorgetragen worden.
59
Mit Abmarkungsbescheid vom 27. März 2020 gab der Beklagte dem Kläger das Ergebnis einer am 26. März 2020 von Amts wegen durchgeführten Abmarkung an dessen Grundstück … der Gemarkung … bekannt.
60
Dagegen hat der Kläger am 24. April 2020 eine weitere Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, er sei mit der erfolgten Grenzfeststellung nicht einverstanden. Aufgrund der zuvor erhobenen Anfechtungsklage gegen den Abmarkungsbescheid vom 12. Juni 2019 seien die Abmarkungen vom 3. Juni 2019 nicht bestandskräftig geworden. Die Entfernung des Grenznagels G sei insofern unnötig gewesen.
61
Im Übrigen wiederholt er, die Eintragung der Vermessung im Grundbuch sei 1917 erfolgt. Die Eintragung beziehe sich auf eine weitere Neumessung und deren Eintragung ins Grundbuch und ins Kataster. Für das, was im Jahr 1917 ins Kataster eingetragen worden sei, fehle das von den Eigentümern beglaubigte Dokument. Dies müsse die Beklagte vorlegen; sonst könne nur die Einsicht ins archivierte Kataster Klarheit schaffen.
62
Es sei falsch, wenn der Beklagte erkläre, der Neumessungsriss 390 sei am 4. Juli 1911 fertiggestellt und im Oktober 1912 nochmals nachgemessen worden sei. Am 4. Juli 1911 habe keine Messung stattgefunden. Die Titulierung 4. VII.11 verweise auf ein Dokument, das der Beklagte bislang nicht vorgelegt habe.
63
Es handele sich um einen Verweis auf das Dokument vom 4.VII.11, das bei der Grenzfeststellung und Abmarkung angefertigt worden sei. Auf dieses Dokument zur Grenzfeststellung verwiesen sowohl die Grenzbeschreibungen im Abmarkungsprotokoll, als auch der Handriss 390.
64
Da die Grenzverläufe zuvor unzureichend dokumentiert gewesen seien, seien sie im Vorfeld der Vermessung festzustellen und zu dokumentieren gewesen. Die Abmarkungen seien 1917 ins Kataster eingetragen worden. Damals sei vor einer Vermessung stets die Abmarkung erfolgt. Das Datum 4. Juli 1911 kennzeichne den Tag, an dem der erste Ortstermin zur Erfassung der Grenzverläufe und Abmarkung stattfand - nicht den Tag der Fertigstellung der Neumessung. Es sei am 4. Juli 1911 nicht möglich gewesen, die Grenzverläufe rechtswirksam festzustellen sowie die Messpunkte und die Abmarkungen zu setzen. Dies sei erst bei einem Ortstermin am 4. Juli 1911 zur Grenzfeststellung und Abmarkung geschehen, an dem auch das vorenthaltene Dokument 04.VII.11 unter Mitwirkung der Eigentümer angefertigt worden sei. Erst nachdem die Grenzfeststellung und Abmarkung am 4. Juli 1911 von … und … und am 5. Juli 1911 von … rechtskräftig geworden seien, habe ein Termin zur Messung der festgestellten Grenzen festgesetzt werden können (Anlage K. 24). Es treffe nicht zu, dass den Eigentümern am 4. Juli 1911 ein fertiggestellter Handriss zur Beglaubigung vorgelegt worden sei. 1917 habe das Grundbuchamt die Eintragung ins Kataster vorgenommen.
65
Der Handriss 390 könne nicht die Grundlage der Katastereintragungen beziehungsweise der einwandfreie Katasternachweis sein.
66
Es sei falsch, dass die Grenzpunkt D, E und F geradlinig verliefen (Anlagen K 26-K 28) - sie müssten dies zwar; dies würden sie aber nur bei einer korrekten Abmarkung. Die Abmarkung sei aber falsch. Dies zeige, dass der Grenzpunkt D nicht richtig gesetzt worden sei.
67
Schließlich sei bei den Aushubarbeiten des Klägers an der Rückwand seines Hauses ein Teil der ursprünglichen Grundmauer sichtbar geworden. Dies verdeutliche die frühere Mauerbreite östlich versetzt zur heutigen Rückwand. Der Grenzpunkt F liege nicht an der Kante der 1966 neu erbauten Rückwand, sondern in der Mitte der Grundmauer, die ursprünglich den Grenzverlauf zwischen beiden Grundstücken dargestellt habe.
68
Mit seiner Anfechtungsklage stelle der Kläger die Rechtmäßigkeit der Grenzermittlung vom 3. Juni 2019 insgesamt infrage.
69
Der Kläger beantragt zuletzt,
Die Bescheide des Amts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung vom 16. Juni 2019 Az. … und vom 27. März 2020, Az. … werden aufgehoben.
70
Der Beklagte beantragt,
Die Klage bezüglich des Bescheides vom 27.03.2020 ist abzuweisen.
71
Zur Begründung verweist er insbesondere auf seinen bisherigen Vortrag. Da zur Abmarkung des Grenzpunkts G am 3. Juni 2019 kein einwandfreier Nachweis vorgelegen habe, habe eine neue Abmarkung stattfinden müssen. Ein Grenzfeststellungsvertrag sei von den beteiligten Grundstückseigentümern nicht geschlossen worden; auch beim Vermessungs- und Abmarkungstermin vom 26. März 2020 habe keine Einigung erzielt werden können.
72
Angesichts dessen sei die zuvor erfolgte Einbringung eines Grenznagels rechtswidrig gewesen. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt könne nach Art. 48 des BayVwVfG zurückgenommen werden. Die Rücknahme der rechtswidrigen Abmarkung sei infolge der Anfechtung der Abmarkung durch den Kläger und der Rechtsvermutung nach Art. 1 Abs. 4 AbmG nötig gewesen. Die gesetzlich intendierte Richtung der Ausübung des Rücknahmeermessens zeige auch Art. 2 Abs. 3 AbmG. Danach unterbleibe eine Abmarkung, wenn eine einwandfreie Feststellung des Verlaufs der Grundstücksgrenze auf Basis des Katasternachweises nicht möglich sei und eine Einigung über die Grundstücksgrenze zwischen den beteiligten Grundstückseigentümern nicht zustande komme (verwiesen werde auf: BayVGH, B.v. 17.3.2015 - 19 ZB 13.1582). Die Rücknahme einer rechtswidrigen Abmarkung bestehe regelmäßig in der Entfernung des Grenzzeichens. Nach Art. 1 Abs. 2 AbmG zähle zur Abmarkung auch das Entfernen von Grenzzeichen (verwiesen werde auf Art. 8 AbmG). Demnach habe das … beim Termin vom 26. März 2020 mit der Entfernung des Grenznagels beim Grenzpunkt G eine Abmarkung vorgenommen.
73
Da der Kläger die Abmarkung im Abmarkungsprotokoll 10708 nicht anerkannt habe, sei ihm zur Bekanntgabe der Abmarkung mit Schreiben vom 27. März 2020 (Az.: …*) ein Abmarkungsbescheid erteilt worden. In der Skizze zum Abmarkungsbescheid vom 27. März 2020 sei durch rotes Auskreuzen des Symbols Grenznagel und durch Beifügen der Anmerkung „entfernt“ in roter Farbe die am 26. März 2020 vorgenommene Abmarkung in Form der Entfernung des Grenznagels deutlich erkennbar.
74
Nach dem Termin vom 26. März 2020 habe das … am Grundstück des Klägers keine weiteren Abmarkungen beziehungsweise Grenzfeststellungen vorgenommen.
75
Im Termin der mündlichen Verhandlung am 11. Mai 2021 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert und auf die bereits schriftlich erhobenen Klageanträge Bezug genommen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2021 wird verwiesen.
76
Im Sinne des im Termin vom 11. Mai 2021 durch den Kläger gestellten Beweisantrags wandte sich das Gericht mit Schreiben vom 14. Mai 2021 unter Vorlage einer Kopie des von der Beklagten als Neumessungsverzeichnis 1914 genannten Dokuments (Bl. 94 der Verfahrensakte) schriftlich ans Amtsgericht Erlangen - Grundbuchamt und das Staatsarchiv … Dabei bat es das Staatsarchiv um Vorlage des im Beweisantrag vom 11. Mai 2021 als existent behaupteten Dokuments vom 14. März 1917 und sonstige dort eingelagerte Bestandteile des Liegenschaftskatasters sowie um eine Stellungnahme zum Vortrag des Klägers, ehemals das Amtsgericht -Grundbuchamt für die Führung des Liegenschaftskatasters zuständig gewesen sei. Das Amtsgericht Erlangen - Grundbuchamt wurde um Auskunft gebeten, ob dort Liegenschaftskataster geführt werden respektive ob dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist; weiter wurde die Beteiligung des Amtsgerichts - Grundbuchamt an der Führung des Liegenschaftskatasters erfragt. Zuletzt wurde gefragt, wo historische Katasterunterlagen eingelagert worden sind.
77
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Behördenakte verwiesen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

78
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die mit den Klagen angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 12. Juni 2019 und vom 26. März 2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
A.
I.
79
Beide Klagebegehren konnten nach Maßgabe des § 44 VwGO in einer Klage zusammen verfolgt werden.
II.
80
Der Kläger begehrt die Aufhebung zweier Abmarkungsbescheide. Insoweit ist jeweils die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO statthaft.
81
„Abmarkung“ ist das im Vollzug des Abmarkungsgesetzes von den zuständigen Behörden oder Personen vorzunehmende Kennzeichnen des Verlaufs der bei der Vermessung ermittelten Grenze durch Setzen dauerhafter Grenzzeichen (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.1959, BayVBl 1960, S. 22; Simmerding-Püschel, Bayerisches Abmarkungsrecht, 2010, Art. 21 Rn. 20). Die in natura erfolgte Abmarkung ist ein feststellender Verwaltungsakt (vgl. BayVGH, B.v. 7.6.2000 - 19 ZB 99.476 - juris Rn. 6; Simmerding-Püschel, Bayerisches Abmarkungsrecht, 2010, Art. 21 Rn. 7). Dieser wird denjenigen beteiligten Grundstückseigentümern im Abmarkungsbescheid bekanntgegebenen, die beim Abmarkungstermin nicht anwesend waren und keinen Vertreter entsandt haben oder beim Abmarkungstermin die Anerkennung der Abmarkung verweigern.
82
Zum Zweck der Aufhebung des Abmarkungsbescheides muss ein Beteiligter folglich gegen den Bescheid mit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1, Var. 1 VwGO vorgehen (VG München, U.v. 25.10.2017 - M 23 K 17.589 - juris Rn. 16). Eine isolierte Anfechtung des Abmarkungsbescheids kommt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 7.6.2000 - 19 ZB 99.476 - juris Rn. 6). Die Erteilung des Abmarkungsbescheids ist Nebenhandlung, die nicht mehr zur „Abmarkung“ gehört. Stellt das handwerkliche Einbringen, Anbringen, Aufrichten oder Entfernen des Grenzzeichens einen Realakt dar, so ist das Erklären der Verbindlichkeit ein Rechtsakt (Simmerding-Püschel, Bayerisches Abmarkungsrecht, 2010, Art. 1 Rn. 7a).
III.
83
Der Kläger hat die Grenzverhandlungs- und Abmarkungsprotokolle 10653 vom 3. Juni 2019 und 10708 vom 26. März 2020 jeweils nicht unterschrieben. Mit Schreiben vom 12. Juni 2019 und vom 27. März 2020 wurde ihm daher jeweils ein Abmarkungsbescheid bekanntgegeben, Art. 17 Abs. 2 AbmG. Dagegen erhob der Kläger jeweils fristgerecht Klage, § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO. B.
84
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die gegenständlichen Abmarkungsbescheide des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Erlangen vom 12. Juni 2019 und vom 26. März 2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
85
Zur Begründung nimmt das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zunächst nach § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die bereits dem Kläger übermittelten Stellungnahmen der Vertretungsbehörde des Beklagten, insbesondere vom 18. September 2019, vom 12. Februar 2020 und vom 10. Juni 2020. Der Kläger setzte den dortigen Ausführungen im gerichtlichen Verfahren im Wesentlichen keine neuen substantiierten Argumente entgegen.
86
Ergänzend bleibt noch auf das Folgende zu verweisen:
I.
87
Gegenstand der Klagen sind die am 3. Juni 2019 und am 26. März 2020 vorgenommenen Abmarkungen. Dabei wurden beim erstgenannten Termin die rot markierten Grenzzeichen (Grenzpunkte B, C, D, E, F und G) als Umfangsgrenzen des Grundstücks Fl.-Nr. …, Gemarkung … abgemarkt. Beim zweiten Termin erfolgte die Abmarkung in Gestalt der Entfernung des Grenzzeichens im Grenzpunkt G.
88
Indes sind die beiden Abmarkungen nicht zu beanstanden.
89
1. Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Bescheide sind die Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 und Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AbmG. Insoweit bestand eine Abmarkungspflicht der zuständigen Behörde. Denn nach Art. 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AbmG sind Grundstücksgrenzen festzustellen und abzumarken, wenn die Grenzen nicht richtig durch als solche erkennbare Grenzzeichen abgemarkt sind und ein Anlass zur Abmarkung gegeben ist. Ein Anlass für eine Abmarkung besteht stets, wenn Grundstücksgrenzen - wie hier im Vorfeld der Abmarkung vom 3. Juni 2019 - von der zuständigen Behörde auf Antrag ermittelt oder festgestellt werden (Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 AbmG).
90
Zweck der angefochtenen Abmarkung ist nach Art. 1 Abs. 1 AbmG, die Grenzen der Grundstücke durch Marken (Grenzzeichen) örtlich erkennbar zu machen. Maßgebend für die behördliche Feststellung des Verlaufs der Grundstücksgrenzen ist hierbei der Nachweis des Grenzverlaufs im Liegenschaftskataster (Art. 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AbmG). Nicht maßgeblich sind somit in der Örtlichkeit vorhandene Grenzzeichen, Grenzeinrichtungen oder die Anschauungen der Beteiligten (BayVGH, U.v. 30.11.1989 - 19 B 87. 01225 und 19 B 87/00424 - juris).
91
Angesichts der Maßgeblichkeit des Liegenschaftskatasters wird nicht geprüft, ob der Grenznachweis im Liegenschaftskataster mit der materiell rechtmäßigen Grenze übereinstimmt. Die Richtigkeit bzw. Rechtmäßigkeit der Abmarkung besagt demnach nicht, dass die katastermäßigen Aufzeichnungen mit der wirklichen Eigentumsgrenze eines Grundstückes übereinstimmen (vgl. ebenso VG Augsburg, U.v. 15.1.2014 - Au 4 K 13.1299 - juris Rn. 40 m.w.N.; VG Ansbach, U.v. 17.7.2019 - AN 9 K 17.01928 -, Rn. 31, juris). Dementsprechend hat die Abmarkung keine konstitutive Wirkung bezüglich der Grundstücksgrenze. Sie schafft vielmehr ein Beweismittel dafür, wie weit das Eigentum reicht. Nach Art. 1 Abs. 4 Satz 1 AbmG wird vermutet, dass die abgemarkte Grenze die richtige ist, sofern sie mit dem Nachweis aus dem Liegenschaftskataster übereinstimmt (VG Ansbach, U.v. 10.02.2010 - AN 9 K 09.01053 - Beck RS 2010, 34340; U.v. 03.12.2008 - AN 19 K 07.03138 - BeckRS 2008, 44093). Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung der Abmarkung beschränkt sich darauf, ob die Abmarkung mit den Vermessungsfeststellungen des Liegenschaftskatasters bzw. der Katasternachweise (insbesondere der Fortführungsrisse) übereinstimmt (Art. 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AbmG) oder ob ein Abmarkungsmangel vorliegt (HessVGH, U.v. 15.02.1971, ESVGH Bd. 21 Seite 148; VG Ansbach, U.v. 3.12.2008, Az.: AN 9 K 07.03138 -, juris; U.v. 10.02.2010 - AN 9 K 09.01053 - BeckRS 2010, 34340). Für Streitigkeiten zwischen den Grundstückseigentümern über den Verlauf der Eigentumsgrenze sind hingegen die ordentlichen Gerichte zuständig (Simmerding-Püschel, a.a.O. Art. 21 Rn. 5). Geht das Ziel eines Rechtsschutzsuchenden dahin, den Freistaat Bayern zu einer vom Katasternachweis abweichenden Abmarkung zu veranlassen, ist Grenzfeststellungsklage vor den ordentlichen Gerichten zu erheben. Streitigkeiten über das Eigentum an Grund und Boden und Streitigkeiten über die örtliche Kennzeichnung der Grundstücksgrenzen liegen unterschiedliche Streitgegenstände zu Grunde (VG München, U.v. 30.1.2013 - M 23 K 12.156 - juris Rn. 17).
92
Wenn der Nachweis im Liegenschaftskataster eine einwandfreie Feststellung des Grenzverlaufes zulässt, kann das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung die Abmarkung einer Grundstücksgrenze auch im Bestreitensfall vollziehen, Art. 2 Abs. 2 AbmG.
93
Nach alledem sind nach Überzeugung des Gerichts Rechtsfehler der Abmarkung und der hierzu ergangenen Abmarkungsbescheide des … vom 12. Juni 2019 und vom 27. März 2020 nicht erkennbar. Die Abmarkungen sind nicht zu beanstanden.
94
a) In formeller Hinsicht weisen die verfahrensgegenständlichen Abmarkungsbescheide keine Fehler auf. Einwände gegen den förmlichen Ablauf des Abmarkungsverfahrens hat auch der Kläger nicht erhoben. Da der anwesende Kläger sich weigerte, die Abmarkung vom 3. Juni 2019 mit dem Grenzverhandlungs- und Abmarkungsprotokoll 10653 und die Abmarkung vom 26. März 2020 mit dem Grenzverhandlungs- und Abmarkungsprotokoll 10708 anzuerkennen, wurden ihm die streitgegenständlichen Abmarkungsbescheide zugestellt, Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AbmG. b)
95
Inhaltlich sind die Abmarkungsbescheide ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie geben die örtliche Lage der Grenzpunkte in Übereinstimmung mit dem Liegenschaftskataster wider. Die Abmarkung konnte insofern trotz des Bestreitens des Klägers vollzogen werden.
II.
96
Die Rügen des Klägers hinsichtlich des Bescheides vom 12. Juni 2019 sind nicht geeignet, eine unrichtige Sachbehandlung darzutun. Aus den vom Beklagten im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen sowie deren detaillierten schriftlichen und mündlichen Erläuterungen ergibt sich, dass die am 3. Juni 2019 erfolgte Abmarkung der Grenzpunkte B, C, D, E und F den abmarkungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Aus dem Neumessungsriss 390 und dem Abmarkungsprotokoll fortlaufende Nummer 1819 des Bandes 4 der Protokollsammlung zur Katasterneuvermessung der Steuergemeinde … ergibt sich, dass der jeweilige Grenzverlauf zwischen den Grundstücken mit den Fl.-Nrn. …, … und … in den Jahren 1911/1912 aufgemessen wurden. Die insoweit erfolgten Messungen sind hinreichend technisch und rechtlich dokumentiert.
97
Die Grenzpunkte konnten bei der Vermessung am 3. Juni 2019 technisch eindeutig in die Wirklichkeit übertragen werden. Die Vermessung und Abmarkung wurde technisch im Riss 0653 Gemarkung … sowie rechtlich im Abmarkungsprotokoll 10653 dokumentiert.
98
In ihren Verfahrensschriftsätzen sowie im Termin vom 11. Mai 2021 erklärten die Vertreter des … glaubhaft, dass der Neumessungsriss 390 der gültige Katasternachweis sei; seither habe keine Neu- oder Fortführungsvermessung mit Bezug zu den Grundstücksgrenzen stattgefunden - es gebe keine weiteren relevanten Unterlagen nach 1912. Insbesondere handele es sich beim Riss 10092 um einen Riss, mit dem im Jahr 2012 die Gebäudeveränderungen angemessen worden seien - Grenzen seien somit weder verändert, noch überhaupt behandelt worden.
99
Nicht zu beanstanden ist dabei die Auffassung des Beklagten dahingehend, dass die vom Kläger vorgelegten Fotografien von vorhandener Bebauung und ähnliche Unterlagen keine Rolle spielen können. Denn insoweit ist allein der Nachweis der Grenzpunkte im Liegenschaftskataster für eine eindeutige Feststellung des Grenzverlaufs maßgebend.
100
Anhaltspunkte für unzutreffende Vermessungsfeststellungen oder Abmarkungsmängel sind nicht ersichtlich. Vielmehr wurden die Vermessung und Abmarkung dem Liegenschaftskataster entsprechend vorgenommen. Mithin ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Katasternachweis hinsichtlich der streitgegenständlichen Grenzpunkte einwandfrei ist und eine der üblichen Messgenauigkeit entsprechende, einwandfreie Feststellung des Verlaufs der Grenze ermöglichte. Daher konnte die Abmarkung trotz des Bestreitens des Klägers vorgenommen werden (Art. 2 Abs. 2 AbmG).
101
Dabei steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte dem Kläger keine Unterlagen des Liegenschaftskatasters vorenthält: Substantiierte und schlüssige Einwendungen hat der Kläger diesbezüglich nicht vorgetragen. Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Kläger in seiner Ausgangs-Klageschrift zunächst die östliche Grundstücksgrenze zwischen den Fl.-Nrn. … und … in Frage stellte und im Wesentlichen mit der vermeintlichen Lage der Grundstücksgrenze an einem von ihm behaupteten, vermeintlich zu seinem Grundstück gehörigen Fundament argumentierte. Insoweit legte er mannigfaltige Unterlagen wie Fotografien vor, die im hiesigen Verfahren wie skizziert nicht maßgeblich sind. Im weiteren Verlauf betont er mit zunehmender Intensität, es gebe einen abweichenden Katasternachweis für sein Grundstück - die Unterlagen würden ihm nunmehr vorenthalten. Dies unterstreicht er mit Beschreibungen der ihm vermeintlich einmal für die Dauer von ~ 45 Sekunden vorgelegten Dokumenten oder mit nicht näher substantiierten Verdachtsmomenten oder der Erklärung, der Beklagte habe zwar Teile des Landesvermessungswerks vorgelegt, verwechsle dies aber wirklichen Katasterwerk.
102
Indes vermag dies den Vortrag des Beklagtenvertreters in den Schriftsätzen respektive der mündlichen Verhandlung nicht zu erschüttern: So ist bereits kein Motiv des Beklagten für ein Vorenthalten von Unterlagen erkennbar. Der Beklagtenvertreter zeigte keinerlei Belastungseifer dahingehend, dem Kläger mit vermeintlich falschen Abmarkungen zu schaden; der Beklagte hat daran auch keinerlei Interesse. Zudem hat der Beklagtenvertreter stets schlüssig argumentiert. Beim Gericht entstand im Rahmen der Verhandlung der Eindruck, dass der Beklagte den klägerischen Einwänden stets geduldig begegnet ist; so hat der Vorwurf des Vorenthaltens stets nachvollziehbar aufzuklären versucht -vergleiche nur die Aufklärung des zwischenzeitlichen Einwandes, wonach der Beklagte das Neumessungsverzeichnis 1914 vorenthalte.
103
Von geringem Wert sind dagegen die klägerischen Beschreibungen vermeintlich vorgelegter Dokumente; hierbei ist zu bedenken, dass der Kläger als Laie jeweils innerhalb von 45 Sekunden erkannt haben will, dass die ihm vermeintlich vorgelegten komplexen Vermessungs-Unterlagen zwar annähernd dem Katasternachweis des Jahres 1911/1912 entsprochen haben sollen, jedoch in Details abwichen. Im Übrigen hilft es dem Kläger nicht, unablässig und ohne objektiven Anknüpfungspunkt die Existenz eines anderslautenden archivierten Katasterbuchwerks zu behaupten. Auch die Auskünfte des Amtsgerichts Erlangen sowie des Staatsarchivs … brachten keine Indizien dafür, dass es dieses gibt. Vielmehr zeigte sich, dass die Grundbuchämter nie selbst Liegenschaftskataster geführt haben, letztere dem … als Vertreter des Beklagten vorliegen und das historische Katasterunterlagen ans Staatsarchiv abgegeben werden. Dass letzteres keine gegenüber dem Handriss 390 nebst Abmarkungsprotokoll aktuelleren Katasterunterlagen vorlegen konnte, spricht weniger für ein Vorenthalten aktuellerer Unterlagen, als vielmehr dafür, dass der Handriss 390 aktueller Katasternachweis ist.
104
Im Ergebnis sind vage Schilderungen vermeintlicher Erinnerungen - der Kläger rekurriert zum Teil auf Erlebnisse aus einem dreiwöchigen Praktikum im Jahr 1991 - nicht imstande, den objektiven Nachweis des Grundstückskatasters zu erschüttern. Folglich konnte die Abmarkung vorgenommen werden, obwohl der Kläger den Grenzverlauf bestritten hat (Art. 2 Abs. 2 AbmG).
105
Soweit sich der Kläger gegen den abgemarkten östlichen Grenzverlauf zum Nachbargrundstück Fl.-Nr. … wendet und einen davon abweichenden Verlauf der Eigentumsgrenze behauptet, kann er diesem etwaigen eigentlichen Begehr der Korrektur der Eigentumsgrenzen im hiesigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit schon im Ansatz nicht durchdringen.
III.
106
Auch mit Blick auf den Bescheid vom 27. März 2020 sind keine Gründe ersichtlich, die zur Rechtswidrigkeit führen.
107
Als feststellender Verwaltungsakt ist eine Abmarkung nach den Vorschriften der Art. 48, 49 BayVwVfG aufzuheben. Vorliegend lagen für Entfernung des Grenzpunktes G die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 1, 4 BayVwVfG vor.
108
Konkrete Anhaltspunkte gegen die Anwendung des Art. 48 BayVwVfG hat der Kläger nicht vorgetragen. Er erklärte nur, die Abmarkung vom 26. März 2020 nicht anzuerkennen; im weiteren Verlauf wiederholte und vertiefte er den früheren Vortrag, der Neumessungsriss 390 könne nicht der Nachweis der Grundstücksgrenzen im Liegenschaftskataster sein - der Beklagte enthalte Unterlagen zu einer Neuvermessung vor.
109
Neben der Bezugnahme i.S.v. § 117 Abs. 5 VwGO sei daher auf die Ausführungen des erkennenden Gerichts zum Abmarkungsbescheid vom 12. Juni 2019 verwiesen. Im Übrigen ist anzumerken, dass die Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung der vorangegangenen Abmarkung vom 3. Juni 2019 vorlagen.
110
Erst nach der vom Kläger beantragten Abmarkung hatte sich gezeigt, dass der Grenzpunkt G mangels Kontrollmaße unzureichend dokumentiert war. Der Riss 390 als einziger Nachweis zu den Grenzabständen war mit Unsicherheiten von +/- zehn Zentimetern behaftet. Der Beklagtenvertreter hat diesbezüglich vorgetragen. Dieser Vortrag ist nachvollziehbar.
111
Angesichts dieser Unsicherheit bezüglich des Grenzpunktes G hätten sich die beteiligten Grundstückseigentümer einigen müssen. Einen wirksamen Grenzfeststellungsvertrag haben sie aber nicht abgeschlossen; auch eine Anerkennung des am 3. Juni 2019 abgemarkten Grenzpunktes ist nicht erfolgt (Art. 2 Abs. 3 Satz 1 AbmG). Die fehlende unterschriftliche Anerkennung konnte nicht durch den Abmarkungsbescheid vom 27. März 2020 ersetzt werden.
112
Die Rücknahme rechtswidriger Abmarkungen steht grundsätzlich im Ermessen des Beklagten (Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG). Allerdings hat das Gericht keine Bedenken dahingehend (§ 114 S. 1 VwGO), dass der Beklagte von einer Ermessensreduzierung auf null ausgegangen ist.
113
In bestimmten Fällen gibt das einschlägige Fachrecht (hier das Abmarkungsrecht) dem Rücknahmeermessen eine Richtung vor, so dass das Ermessen in diesem Rahmen fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung, namentlich die für die Rücknahme des Verwaltungsaktes, ausgeübt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 17.1.2007 - 6 C 32/06, U.v. 24.2.2011 - 2 C 50/09 - jeweils juris, Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 86).
114
Dies folgt aus dem Abmarkungsgesetz (zum Ganzen: BayVGH, B.v. vom 17. März 2015 - 19 ZB 13.1582 -, Rn. 11, juris): Nach Art. 1 Abs. 4 Satz 1 AbmG wird vermutet, dass eine abgemarkte Grenze die richtige ist, wenn sie mit dem Nachweis des Liegenschaftskatasters übereinstimmt. In der amtlichen Begründung zu Art. 1 Abs. 4 AbmG (zitiert nach Simmerding/Püschel, a.a.O., Art. 1 AbmG Anm. 10) heißt es: „Der in der Abmarkung zum Ausdruck kommenden amtlichen Erklärung über den richtigen Verlauf der Grundstücksgrenzen muss besonderes Gewicht beigemessen werden. Dies drückt die hier aufgestellte Vermutung aus, dass die abgemarkte, mit den Katasterunterlagen übereinstimmende Grundstücksgrenze bis zum Beweis des Gegenteils als richtig anzusehen ist. Damit ist im Streitfall eine den Verhältnissen angemessene Beweislastverteilung erzielt. Wer sich nämlich auf eine solchermaßen abgemarkte Grenze beruft, braucht seine Behauptung, dass diese die richtige sei, nicht besonders zu beweisen. Wer diese Behauptung mit Erfolg bestreiten will, muss beweisen, dass die Vermutung unrichtig ist.“
115
Da Art. 1 Abs. 4 Satz 1 AbmG der vorschriftsmäßig abgemarkten Grundstücksgrenze eine rechtliche Beweiskraft zumisst, ist ihr die Regel zu entnehmen, dass eine rechtswidrige Abmarkung zurückgenommen werden muss (im gleichen Sinn OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 14.10.2010 - 2 L 139/09 - juris - zum dortigen Vermessungsrecht). Diese gesetzlich intendierte Richtung der Ausübung des Rücknahmeermessens kommt zudem in Art. 2 Abs. 3 Satz 2 AbmG zum Ausdruck. Danach „unterbleibt“ die Abmarkung, wenn eine einwandfreie Feststellung des Verlaufs der Grundstücksgrenze auf der Grundlage des Katasternachweises nicht möglich ist und eine Einigung über die Grundstücksgrenze zwischen den beteiligten Grundstückseigentümern nicht zustande kommt.
116
Diesem Ergebnis stehen auch nicht durchgreifende Gesichtspunkte des Einzelfalls entgegen. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass eine Abmarkung zu unterbleiben hat.
117
Folglich kann der Kläger mit keinem Begehr durchdringen. Die Klage war abzuweisen.
C.
118
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.