LG München I, Endurteil v. 18.05.2021 – 28 O 1023/21
Titel:

Aufhebung von Arrestbefehl und Pfändungsbeschluss nach Ablauf der Vollziehungsfrist

Normenketten:
ZPO § 766, § 924, § 929 Abs. 2
StPO § 111b Abs. 2 S. 1, § 111h Abs. 2 S. 1
Leitsatz:
Die bloße Zustellung des Arrestbefehls im Parteibetrieb genügt zur Wahrung der Frist nach § 929 Abs. 2 ZPO nicht. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Arrestbefehl, Vermögenssicherungsmaßnahme, Pfändungsbeschluss, Vollziehungsfrist, Zustellung im Parteibetrieb, Aufhebung, Widerpruch, Vorrang
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 27.09.2021 – 3 U3718/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 28919

Tenor

1. Der Arrestbefehl und der Pfändungsbeschluss vom 05.02.2021 werden aufgehoben. Der Arrestantrag und der Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses vom 04.02.2021 werden zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung des Antragsgegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 3.321,63 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Auf Antrag vom 04.02.2021 hat das Gericht am 05.02.2021 einen Arrest- und Pfändungsbeschluss gegen den Antragsgegner erlassen, der der Antragstellerin am 12.02.2021 zugestellt worden ist. Der Arrest- und Pfändungsbeschluss hat u.a. folgenden Inhalt:
2
1. Wegen und in Höhe eines Anspruchs der Antragstellerin (Gläubiger) von 9.964,90 € wird der dingliche Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Antragsgegners (Schuldner) angeordnet.
3
2. In Vollzug dieses Arrestes wird die angebliche Forderung des Antragsgegners auf Rückzahlung einer Kaution in Höhe von 5.000.000,- € nebst Zinsen gegen den
(Drittschuldner)
bis zum Höchstbetrag von 9.964,90 € gepfändet. Der Drittschuldner darf an den Schuldner nicht mehr leisten. Der Schuldner hat sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere der Einziehung, zu enthalten.
4
Aufgrund von Arrestbefehlen des Amtsgerichts München vom 31.07.2020 und vom 01.09.2020 hatte die Staatsanwaltschaft München I die Forderung auf Rückzahlung einer Kaution i.H.v. 5.000.000,00 € des Antragsgegners gegen den … nebst Zinsen pfänden lassen.
5
Der Antragsgegner trägt vor, die hiesige Pfändung sei nach § 111 h Abs. 2 Satz 1 StPO unzulässig und aufzuheben. Die Vollziehung des Arrestbefehls sei wegen Ablaufs der Monatsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO unstatthaft und der Arrestbefehl aufzuheben.
6
Der Antragsgegner beantragt:
1.
Der am 05.02.2021 vom Landgericht München I erlassene Arrest- und Pfändungsbeschluss wird aufgehoben.
2.
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass eines Arrest- und Pfändungsbeschlusses vom (4.02.2021 wird zurückgewiesen.
7
Die Antragstellerin beantragt,
den in dieser Sache ergangenen Arrest- und Pfändungsbeschluss vom 05.02.2021 zu bestätigen.
8
Die Antragstellerin trägt vor, der Arrestbeschluss sei durch Zustellung an den Antragsgegner am 17.02.2021 rechtzeitig vollzogen worden. Außerdem sei innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO ein Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek in den im Grundbuch von … Band …, Blatt Nr. … eingetragenen 63,41/1.000 Miteigentumsanteil des Antragsgegners an Grundstück Flurstücksnr. … Wohnhaus, Hofraum, Garten verbunden mit Sondereigentum an Wohnung Nr. … laut Aufteilungsplan gestellt worden. Es mangle dem gesamten Widerspruch am Rechtsschutzbedürfnis.
9
Weger der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

10
Der Widerspruch (§ 924 ZPO) und die Erinnerung (§ 766 ZPO) sind zulässig. Insbesondere mangelt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Die Unwirksamkeit von Vollziehungsmaßnahmen nach § 111b Abs. 2 Satz 1 StPO ist zwar von Amts wegen zu beachten, der Schuldner kann sie aber zur Beseitigung des Rechtsscheins nach den allgemeinen Regeln anfechten (BeckOK ZPO/Mayer ZPO § 929 Rn. 20).
11
Der Widerspruch ist begründet, weil die Vollziehungsfrist abgelaufen ist (§ 929 Abs. 2 ZPO). Die bloße Zustellung des Arrestbefehls im Parteibetrieb genügt zur Wahrung der Frist nach § 929 Abs. 2 ZPO nicht (BeckOK ZPO/Mayer ZPO § 929 Rn. 9).
12
Die Pfändung des Kautionsrückzahlungsanspruchs und die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek auf den im Grundbuch von …, Band … Blatt Nr. … eingetragenen Miteigentumsanteil sind nach § 111 h Abs. 2 Satz 1 StPO unzulässig. Denn in dem vom Antragsgegner vorgelegten Schreiben der Staatsanwaltschaft München I vom 26.03.2021 zu Vermögenssicherungsmaßnahmen sind der „Anspruch auf Rückzahlung der Haftkaution“ mit „Datum d. Zustellung/Eintragung“ 31.07.20 (aufgrund Arrests über 6,6 Mio. €) und 01.09.20 (aufgrund von Arresten über 12.971.559,52 € und 35.000.000 €) und eine „Sicherungshypothek … Bl. …“ mit Datum „09.09.2020 gem. Ersuchen vom 16.07.2020“ (aufgrund Arrests über 6,6 Mio. €) genannt. Die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der hiesigen Antragstellerin betreffen dieselben Vormögensgegenstände und sind auch nicht vorrangig. Denn der hiesige Pfändungsbeschluss hinsichtlich des Kautionsrückzahlungsanspruchs datiert vom 05.02.2021 und der hiesige Antrag auf Eintragung einer Zwangssicherungshypothek vom 08.03.2021.
13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
14
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.