VG München, Urteil v. 12.07.2021 – M 23 K 20.3870
Titel:

Kein Anspruch auf Bewohnerparkausweis bei vorhandenem eigenen Stellplatz

Normenkette:
StVO § 45 Abs. 1b S. 1 Nr. 2a
Leitsatz:
Allein, dass das Fahrzeug der Klägerin nicht in ihren vorhandenen Duplex-Stellplatz hineinpasst, begründet von sich aus keinen besonderen Härtefall, der die Ausstellung eines Bewohnerparkausweis trotz vorhandenem Stellplatz rechtfertigen könnte. Allenfalls bei Unzumutbarkeit bzw. Unmöglichkeit der Stellplatzfreigabe für Dritte wäre an einen Härtefall zu denken. Eine solche Ausnahme mag also dann bestehen, wenn es sich nahezu aufdrängt, dass ein angegebener "Stellplatz" in Wahrheit für keinerlei neuzeitliches Fahrzeug nutzbar wäre (hier nicht bejaht). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bewohnerparkausweis, Vorhandener Stellplatz zu klein, Straßenverkehr, Anwohnerparken, Parkausweis, vorhandener Stellplatz, Härtefall, zu kleiner Duplex-Stellplatz
Fundstelle:
BeckRS 2021, 23278

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.     
Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt als Anwohnerin des am 10. Oktober 2011 eingerichteten Bewohnerparklizenzgebiets "M. S.straße" einen Bewohnerparkausweis.
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Die Klägerin beantragte am 4. März 2020 für ihr Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … … einen Bewohnerparkausweis und begründete dies damit, dass ihr Fahrzeug nach einem Umzug nicht in die ihr verfügbare Duplex-Garage passe. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 22. April 2020 lehnte die Beklagte den Antrag mit Verweis auf den vorhandenen Stellplatz ab.
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Am 18. Juni 2020 beantragte die Klägerin erneut unter Darlegung derselben Gründe wie bereits im Antrag vom 4. März 2020 einen Bewohnerparkausweis. Einen Nachweis der Hausverwaltung fügte sie bei. Danach könne das Fahrzeug aufgrund dessen Höhe nicht auf dem zur Wohnung gehörenden Duplex-Stellplatz geparkt werden.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13. Juli 2020 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit Verweis darauf, dass der Klägerin eine private Stellfläche zur Verfügung stünde. Die Anschaffung eines Fahrzeugs mit einer zur Stellfläche passenden Größe obliege der Klägerin.
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Mit am 21. August 2020 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz erhob die Klägerin über ihren Bevollmächtigten Klage mit dem in der mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2021 aufrechterhaltenen Antrag,
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1. den Bescheid vom 13. Juli 2020 aufzuheben und
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2. die Beklagte zu verpflichten, ihr einen Bewohnerparkausweis für die S. straße in München auszustellen.
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Zur Begründung ließ sie schriftsätzlich unter dem 5. März 2021 ausführen, ihr stünde eine Ausnahmegenehmigung zu. Sie sei so zu stellen als stünde ihr kein Stellplatz zu Verfügung. Schließlich könne die Klägerin die vorhandene Duplex-Garage tatsächlich nicht nutzen.
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Die Beklagte trat der Klage schriftsätzlich am 26. Oktober 2020 entgegen und beantragte
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Klageabweisung.
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Es sei aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität allein darauf abzustellen, ob ein privater Stellplatz vorhanden sei. Gleich aus welchen Gründen der Stellplatz nicht benutzt werde, verstärke die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung den Parkdruck.
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Die Kammer hat die Streitsache mit Beschluss vom 25. Juni 2021 zur Verhandlung und Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Am 12. Juli 2021 fand die mündliche Verhandlung statt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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Der Klage steht nicht die Bestandskraft des Bescheids vom 22. April 2020 entgegen. Die Beklagte selbst hat die Klagemöglichkeit eröffnet, indem sie sich sachlich auf den weiteren Antrag eingelassen hat und damit im Wege eines Zweitbescheids eine anfechtbare eigenständige Sachentscheidung getroffen hat. Diese hat die Beklagte im Übrigen durch eine selbständig tragende Rechtsmittelbelehrungversehen.
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Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 1b Nr. 2a StVO (bzw. § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO) im Raummanagement S. straße nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auch der hierin enthaltene Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) wurde von der Beklagten bereits rechtsfehlerfrei erfüllt.
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Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Ablehnungsbescheids, sieht daher von einer eigenständigen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO) und ergänzt lediglich wie folgt:
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"Die VwV-StVO ist im Rahmen der Bundesaufsicht bei landeseigenem Vollzug von Bundesrecht, hier § 45 Abs. 1b Nr. 2a StVO, ergangen. Es handelt sich dabei um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, die eine einheitliche Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite sicherstellen soll. Es handelt sich dabei nicht um eine Rechtsnorm, sondern um innerdienstliche Richtlinien, die keine unmittelbaren Rechte und Pflichten für den Bürger begründen. Die Verwaltungsvorschriften begründen durch ständige Anwendung eine gleichmäßige Verwaltungspraxis, durch die sich die Verwaltung selbst bindet, da sie gleichgelagerte Fälle nicht ohne sachlichen Grund anders behandeln darf (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 5.12.2003 - 12 LA 467/03 - juris Rn. 15 ff. m.w.N.). Sie entfalten im Verhältnis zum Bürger nur deshalb Wirkungen, weil die Verwaltung zur Wahrung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet ist (vgl. OVG NRW, U.v. 23.8.2011 - 8 A 2247/10 - juris Rn. 27 m.w.N.). Allerdings kann von den Vorgaben der StVO-VwV abgewichen werden, sofern der Sachverhalt "wesentliche Besonderheiten" zu dem Fall aufweist, der für die Verwaltungsvorschrift als Regelfall zugeschnitten ist. Denn Ermessensrichtlinien gelten nur für den Regelfall und müssen für atypische Fälle Spielraum lassen (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1983 - BVerwG 1 C 5.83 - juris Rn. 24)."
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Es ist schon wegen der Fülle vergleichbarer Fälle der Vergabe von Parkausweisen in Lizenzgebieten im Stadtgebiet der Beklagten nicht zu beanstanden und entspricht gerade den ermessensbindenden Verwaltungsvorschriften, dass die Beklagte bei der Erteilung derartiger Lizenzen lediglich auf die - pauschale - Angabe des Betroffenen im Antragsformular abstellt. Wird dort die Angabe des Vorhandenseins einer (wie auch immer gestalteten) privaten Stellfläche - wie vorliegend - gemacht, so bedingt dies der ermessenslenkenden Vorgabe der Nr. X.1. der VwV-StVO zu § 45 und der in der mündlichen Verhandlung dargelegten ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten entsprechend die Ablehnung des Parkausweises.
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Ebenso erscheint die Verwaltungspraxis der Beklagten auch dahingehend als sachgerecht, auch solche Stellflächen als vorhanden zu berücksichtigen, die für das konkret betroffene Fahrzeug ungeeignet sind. Denn auch dies entspricht dem Zweck der Bewohnerparkzonen, Parkflächen dem Bewohnerkreis offen zu halten bzw. vergriffene Parkflächen dem öffentlichen Parksuchverkehr wieder zugänglich zu machen. Unter Beachtung dieses Zwecks erscheint es nachvollziehbar, dass die Beklagte vorhandene private Parkflächen berücksichtigt, sofern die zumutbare Möglichkeit besteht, diese als Parkfläche - gegebenenfalls Dritten - zur Verfügung zu stellen. Allein, dass das Fahrzeug der Klägerin nicht in den vorhandenen Duplex-Stellplatz hineinpasst, begründet von sich aus keinen besonderen Härtefall. Allenfalls bei Unzumutbarkeit bzw. Unmöglichkeit der Stellplatzfreigabe für Dritte wäre an einen Härtefall zu denken. Eine solche Ausnahme mag also dann bestehen, wenn es sich nahezu aufdrängt, dass ein angegebener "Stellplatz" in Wahrheit für keinerlei neuzeitliches Fahrzeug nutzbar wäre (vgl. VG München, U.v. 29.12.2020 - M 23 K 19.6499 - unveröffentlicht). Solche Umstände - für die die Klägerin darlegungs- und materiell beweispflichtig wäre - sind jedoch gerade nicht dargetan. Eine Angabe, wonach das angeschaffte Fahrzeug für einen vorhandenen Stellplatz zu groß sei, genügt nicht, denn es liegt tatsächlich im privaten Verantwortungsbereich der Klägerin, Adäquanz zwischen Fahrzeug und Stellplatz herzustellen, sei es durch die von der Beklagten anerkannten Möglichkeit (Bl. 13a der Behördenakte; in der mündlichen Verhandlung dargelegte Verwaltungspraxis) der Freigabe des Stellplatzes.
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Die Klage war daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO und mit dem Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung (§ 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO) abzuweisen.