VGH München, Urteil v. 04.08.2021 – 19 B 21.1268
Titel:

Kein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung 

Normenkette:
AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1, S. 3, § 60c Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Nr. 5
Leitsatz:
Eine Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen Gründen kann sich zwar ergeben, wenn die Verkehrswege für eine Abschiebung unterbrochen sind. Dies ist jedoch von bloß zeitweiligen Behinderungen oder Verzögerungen zu unterscheiden, die sich etwa aus vorübergehenden Beschränkungen der Verkehrswege ergeben (hier: pandemiebedingte Grenzschließung in Spanien). (Rn. 32 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausbildungsduldung, Pandemiebedingte Grenzschließung, Ausschlussgrund, Duldungsbescheinigung, Dreimonatszeitraum, Aussetzung der Abschiebung, tatsächliche Unmöglichkeit, pandemiebedingte Grenzschließung, Spanien, Übernahmebereitschaft
Vorinstanz:
VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 07.10.2020 – RN 9 K 20.1174
Fundstelle:
BeckRS 2021, 22534

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten hin wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Verfahrenskosten in beiden Instanzen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Klägerin, eine am 6. Juni 2004 geborene syrische Staatsangehörige, begehrt die Erteilung einer Ausbildungsduldung.
2
Mit Schreiben vom 12. Februar 2020 beantragte die Klägerin, der in Spanien seit dem 4. Oktober 2017 (zusammen mit ihrer Familie) subsidiärer Schutz gewährt worden ist (die dortige Einreise erfolgte nach einem Zwischenaufenthalt im Libanon im Rahmen eines Resettlementprogramms) und deren Asylverfahren aus diesem Grund in der Bundesrepublik erfolglos war (den Asylantrag vom 29.1.2018 als unzulässig ablehnender Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20.2.2018; seit 26.11.2019 rechtskräftiges ablehnendes verwaltungsgerichtliches Urteil vom 19.9.2019; die Frist zur freiwilligen Ausreise endete mit Ablauf des 26.12.2019), am 13. Februar 2020 unter Vorlage eines Ausbildungsvertrages erstmals die Erteilung einer Ausbildungsduldung gemäß § 60c AufenthG für eine am 1. September 2020 beginnende Ausbildung zur Floristin beim Ausbildungsbetrieb "D.B." in F.
3
Nachdem (zwischen den Beteiligten unstreitig) am 17. März 2020 der für den 18. März 2020 vorgesehene Vorladungstermin abgesagt werden musste, hörte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 24. März 2020 zur geplanten Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Ausbildungsduldung an. Die damalige Rechtsanwältin erklärte auf das Anhörungsschreiben hin mit Schreiben vom 20. April 2020 u.a., es bestehe darüber hinaus die Möglichkeit eine Ermessensduldung zu erteilen. Es bestehe auch ein öffentliches Interesse, dass gut integrierte Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland eine Ausbildung ausüben und damit das Wirtschaftsleben fördern.
4
Mit Schreiben ihrer Eltern vom 18. Mai 2020, beim Beklagten am 28. Mai 2020 eingegangen, wurde erneut ein Antrag auf Erteilung der Ausbildungsduldung für die Klägerin gestellt.
5
Mit Bescheid vom 3. Juni 2020 lehnte der Beklagte die Anträge der Klägerin auf Erteilung einer Ausbildungsduldung bzw. einer Beschäftigungserlaubnis zum Zwecke einer am 1. September 2020 beginnenden Ausbildung zur Floristin bei der Firma "D.B." in F. "vom 12. Februar 2020" und "vom 18. Mai 2020" unter Hinweis auf den Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG und den Antrag vom 20. April 2020 wegen Überwiegens der migrationspolitischen Wertungen des Gesetzgebers ab.
6
Mit Beschluss vom 4. August 2020 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung, der Klägerin vorläufig bis zu einer Entscheidung über die Hauptsacheklage eine Ausbildungsduldung mit Beschäftigungserlaubnis für die am 1. September 2020 beginnende Ausbildung zur Floristin bei der Firma "D.B." in F. zu erteilen (RN 9 E 20.1173). Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG stehe der Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht entgegen. Zwar sei der Klägerin, deren Ausreisepflicht bereits seit 26. November 2019 vollziehbar sei, erst am 10. Juni 2020 eine Duldungsbescheinigung ausgehändigt worden. Allerdings habe ihr in Anbetracht (noch) nicht gesicherter Rückübernahmebereitschaft Spaniens bereits ab Ablauf der im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gesetzten Ausreisefrist am 26. Dezember 2019 und damit seit weit über drei Monaten ein Rechtsanspruch auf vorübergehende Aussetzung ihrer Abschiebung nach § 60a AufenthG zugestanden, der den Zeiten eines Duldungsbesitzes gleichzustellen sei. Es sei auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Verständnis des in § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG ebenfalls normierten Begriffs "geduldet" zu verweisen. Die Herbeiführung der für die Stellung des Rückübernahmeersuchens notwendigen Voraussetzungen (Fotos, Fingerabdrücke) stellten keine rein verwaltungsorganisatorischen Gründe bei der Vorbereitung der Abschiebung dar, die einen Duldungsanspruch ausschlössen. Vielmehr handele es sich um konstitutiv notwendige Nachweise, ohne die ein Rückübernahmeersuchen gar nicht gestellt werden könne, mithin erst recht nicht der Schubauftrag. Ohne die Zustimmung zu solch einem Ersuchen könne aber nicht gleichsam automatisch eine individuelle Übernahmebereitschaft des Zielstaates sicher angenommen werden. Dieser müsse ungeachtet sicherlich dem Grunde nach anzunehmender Übernahmebereitschaft die Möglichkeit haben, mittels der geforderten Begleitunterlagen (Fotos, Fingerabdrücke) die Angaben des ersuchenden Staates zu Identität und Status der für eine Abschiebung vorgesehenen Drittstaatsangehörigen im Einzelfall zu überprüfen, um klären zu können, ob eine konkrete Übernahmezuständigkeit auch tatsächlich bestehe. Aus den Akten gehe hervor, dass ein Schubauftrag nicht ohne Rückübernahmeersuchen und dieses nicht ohne die erforderlichen biometrischen Nachweise gestellt werden könne, weswegen noch keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen eingeleitet seien. In der gegebenen Konstellation der beabsichtigten Abschiebung von Drittstaatsangehörigen in einen EUMitgliedstaat stehe also erst nach Zustimmung des Aufnahmestaates verbindlich fest, dass tatsächlich Übernahmebereitschaft für die durch Fotos und Fingerabdrücke spezifisch identifizierten Drittstaatsangehörigen bestehe. Sodann könnten weitere Schritte wie etwa die Stellung eines Schubauftrages umgesetzt werden. Die Durchführung einer Abschiebung ohne Schubauftrag sei jedoch offenkundig tatsächlich unmöglich. Die unter Hinweis auf dort zuerkannten subsidiären Schutz ergangene (ablehnende) Äußerung der spanischen Behörden im Dublin-Verfahren ersetze dieses Procedere nicht, hätte doch die Ausländerbehörde ansonsten ohne weitere Rücksprache mit den spanischen Behörden EU-Laissez passer ausstellen und die Familie abschieben können. Dass sich die Ausländerbehörde erst mit Abnahme der Fingerabdrücke (u.a.) der Klägerin am 10. Juni 2020 in der Lage gesehen habe, das Rückübernahmeersuchen für die Familie an Spanien zu richten, sei nicht der Klägerin und ihrer Familie zuzurechnen. Die Beibringung der Fingerabdrücke sei keine verwaltungsmäßige (pandemiebedingt ausgeschlossene) Vorbereitungsmaßnahme. Selbst wenn die Ausländerbehörden in dieser Zeit für Parteiverkehr geschlossen gewesen seien, hätte die Polizei um Amtshilfe gebeten werden können. Soweit behauptet werde, die örtlich zuständige Polizeiinspektion habe in dieser Zeit keine erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt, erscheine dies wenig nachvollziehbar. Ergänzend liege ein weiterer Duldungsgrund während der Zeit pandemiebedingter Grenzschließungen in Spanien (14.3. bis 21.6.2020) vor. Der Beklagte argumentiere widersprüchlich, wenn er für die Zeit bis zum 10. Juni 2020 - dem Tag der dortigen erkennungsdienstlichen Behandlung - keinen Duldungsanspruch als gegeben erachtet sehe, allerdings an diesem Tag gleichzeitig eine Duldungsbescheinigung ausstelle und deren bis 10. August 2020 bestimmte Geltungsdauer nicht nachträglich auf den Zeitpunkt der Öffnung der spanischen Grenzen verkürze. Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Beklagten hätte die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung gar keine Duldung mehr besitzen dürfen. Mithin habe die Klägerin zwar noch nicht zur Zeit des ersten, anwaltlich gestellten Duldungsantrags am "12. Februar 2020" die zeitliche Voraussetzung dieser Regelung erfüllt (Beginn des materiellen Duldungsanspruchs nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise am 27. Dezember 2019). Allerdings sei dies ausgehend vom "18. Mai 2020", dem Tag der erneuten Antragstellung durch die Eltern der Klägerin, sehr wohl der Fall. Unabhängig davon möge im Lichte des Zwecks der Regelung in § 60c Abs. 2 Nr. 1 AufenthG (Gelegenheit, die Aufenthaltsbeendigung oder Maßnahmen zur Vorbereitung aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu betreiben) sehr viel dafür sprechen, diese zeitliche Grenze im Zusammenhang mit dem Eintritt der in § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG bestimmten Sperrwirkung zu verstehen. Ein "verfrühter" Antrag könne demnach Maßnahmen im Sinne des § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG, die während des Dreimonatszeitraums ergriffen worden seien, nicht entgegengehalten werden. Gleichwohl stehe allein dieser Aspekt der Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht entgegen, wenn die betroffene Person im Laufe des entsprechenden Verwaltungsverfahrens für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten in obigem Sinne geduldet sei, ohne dass in dieser Zeit Maßnahmen im Sinne des § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG getroffen worden seien.
7
Auf die Beschwerde des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 23. September 2020 (19 CE 20.1953) den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. August 2020 mit der Begründung, zum maßgeblichen Zeitpunkt liege keine Duldung vor, abgeändert und den Antrag abgelehnt.
8
Mit Gerichtsbescheid vom 7. Oktober 2020 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 3. Juni 2020 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin die beantragte Ausbildungsstelle mit Beschäftigungserlaubnis für die Ausbildung zur Floristen bei der Firma "D.B." in F. zu erteilen. Zur Begründung verweist das Verwaltungsgericht auf die Ausführungen in seinem Eilbeschluss (RN 9 K 20.1174) und führt ergänzend aus, es sei im Rahmen des § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ausreichend, wenn der Ausländer - wie hier - zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Duldungsbescheinigung bzw. einen materiellen Duldungsanspruch nachweisen könne.
9
Mit der mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. April 2021 (19 ZB 20.2815) wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung gemäß § 60c AufenthG. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liege der Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vor. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach der Klägerin - der erstmals am 8. Juni 2020 eine bis zum 10. August 2020 gültige Duldung erteilt worden sei - bereits ab dem 27. Dezember 2019 und damit seit weit über drei Monaten ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Duldung, der den Zeiten eines Duldungsbesitzes gleichzustellen sei, zustehe, sei unzutreffend. Die Klägerin sei unstreitig bis zum 8. Juni 2020 nicht im Besitz einer förmlichen Duldungsbescheinigung gewesen. Diesen Besitz setze der Wortlaut des § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG voraus. Dieser unterscheide sich von dem des § 25b AufenthG, sodass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, ein "geduldeter Ausländer" i.S.d. § 25b AufenthG sei auch der faktisch geduldete Ausländer, auf § 60c AufenthG nicht anwendbar sei. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Duldung auch im Rahmen des § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ausreiche, sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht davon auszugehen, dass ein solcher Anspruch bestanden habe. Die Frist zur freiwilligen Ausreise der seit dem 26. November 2019 vollziehbar ausreisepflichtigen Klägerin sei mit dem 26. Dezember 2019 abgelaufen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Abschiebung jedoch keineswegs ab dem 27. Dezember 2019 tatsächlich unmöglich gewesen. Der Beklagte habe die Klägerin und ihre Familienangehörigen am 9. März 2020 - zeitnah nach Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht der Klägerin und Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise (die Abschlussmitteilung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sei zunächst am 22.12.2019 an die örtlich unzuständige Zentrale Ausländerbehörde geschickt worden) - für den 18. März 2020 vorgeladen. Die Vorbereitungsmaßnahmen für die Abschiebung, zu denen auch die Beschaffung der für die Stellung des Übernahmeersuchens erforderlichen Fingerabdrücke gehört habe, hätten somit bereits im März 2020 begonnen und hätten - wäre nicht der Parteiverkehr in den Ausländerbehörden bedingt durch die Corona-Pandemie quasi zum Erliegen gekommen und der Termin vom 18. März 2020 am 17. März 2020 aus diesem Grund abgesagt worden - innerhalb kurzer Frist zum Erfolg geführt. Nach dem Versand des ordnungsgemäßen und vollständigen Rückübernahmegesuchs an die spanischen Behörden am 10. Juni 2020 sei die Zustimmung zur Rücknahme nur ca. einen Monat später erteilt worden. Es sei davon auszugehen, dass bei Abnahme von Fingerabdrücken am 18. März 2020 eine Rückübernahmezusage als Voraussetzung für einen Schubauftrag im Laufe des Aprils 2020 erteilt worden wäre. Auch wenn ein Rückübernahmeersuchen nicht ohne Fingerabdrücke gestellt werden könne, gehörte die Beschaffung der notwendigen Fingerabdrücke dennoch zu den "normalen" verwaltungsmäßigen Vorbereitungen der Abschiebung, die die Abschiebung selbst nicht zeitweilig unmöglich machten. Da Spanien der Klägerin und ihren Familienangehörigen bereits internationalen Schutz gewährt habe und die Originale ihrer syrischen Reisepässe bei den spanischen Behörden verwahrt würden, habe vorliegend nicht von einer fehlenden oder auch nur nicht feststehenden Übernahmebereitschaft der spanischen Behörden ausgegangen werden können. Sowohl die Abnahme der Fingerabdrücke als auch das Rückübernahmeersuchen und der dann folgende Schubauftrag seien Bestandteil der mit einer Abschiebung in einen Drittstaat, der bereits internationalen Schutz gewährt habe, verbundenen technischen Vorbereitungsmaßnahmen der Abschiebung, die - ohne die Erschwernisse infolge der coronabedingten Einschränkungen - zeitnah in eine Abschiebung gemündet hätten, sodass keinesfalls bereits unmittelbar ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur freiwilligen Ausreise ein Duldungsanspruch bestanden habe. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Fingerabdrücke verschiedener Familienangehöriger der Klägerin zwar bereits in der EDV vorhanden gewesen seien und aufgrund zuständigkeits- und technikbedingter Schwierigkeiten erst Anfang Juni 2020 über das Bayerische Landeskriminalamt übermittelt werden konnten und die Fingerabdrücke aller Familienmitglieder (bis auf den jüngsten Bruder) am 10. Juni 2020 nochmals abgenommen worden seien. Dieser gesamte Vorgang - auch wenn er der Klägerin nicht zuzurechnen sei - habe noch innerhalb der administrativen Organisation der Abschiebung gelegen und habe diese auch nicht auf unabsehbare Zeit unmöglich gemacht, sondern habe lediglich sieben Wochen gedauert. Es sei vielmehr von vorneherein davon auszugehen gewesen, dass bei Vorliegen der erforderlichen Fingerabdrücke, dem Rückübernahmeersuchen und damit auch der Zustimmung zur Rücknahme und dem folgend dem Schubauftrag nichts im Wege stehen würde. Insbesondere sei auch keine Vergleichbarkeit zu denjenigen Fällen erkennbar, in denen erst noch Ausreisepapiere beschafft werden müssten und die Abschiebung solange wegen fehlender Reisedokumente unmöglich sei. Da der Klägerin und ihrer Familie in Spanien bereits internationaler Schutz gewährt worden sei, sie sich dort legal aufhalten dürften und Zugang zum Sozialsystem hätten, sei von einer grundsätzlichen Übernahmebereitschaft Spaniens auszugehen, die auch nicht dadurch relativiert werde, dass der Zielstaat durch das Übernahmeersuchen in die Lage versetzt werde, Identität und Status des Abzuschiebenden zunächst zu prüfen. Dies ergebe sich auch aus Art. 24 Abs. 2 RL 2011/95/EU. Damit korrespondiere auch die tatsächliche Erfahrung des Beklagten, nach dessen Kenntnis es in mehr als fünf Jahren nicht einmal vorgekommen sei, dass eine Rückübernahme verweigert worden sei. Aus den Erfahrungen wisse der Beklagte, dass mit Vorliegen der Fingerabdrücke das Übernahmeersuchen gestellt werden könne und die spanischen Behörden daraufhin regelmäßig der Übernahme zustimmten. Der Beklagte sehe sich in seiner Auffassung insoweit auch mit Blick auf die den Regularien der Dublin III-VO unterliegenden Personen bestätigt. Eine Überstellung eines internationalen Schutz beantragenden Antragstellers sei im Rahmen des Art. 29 Dublin III-VO mit einer Verfahrensduldung verbunden. Für diesen Zeitraum schreibe Art. 6 Abs. 4 der RL 2013/33 EU (Aufnahmerichtlinie) zwar die Gültigkeit einer dem Antragsteller auf internationalen Schutz auszuhändigenden Bescheinigung so lange vor, wie diesem der Aufenthalt im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats gestattet sei, ein weitergehender Anspruch auf Erteilung einer Duldungsbescheinigung gemäß § 60a AufenthG bestehe aber nicht. Selbst im Fall einer verlängerten Überstellungsfrist würden nicht per se Anhaltspunkte für eine über die administrative Abwicklung der Rücküberstellung hinausgehende Verzögerung der Rücküberstellung angenommen, die eine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 2 AufenthG begründen könnte. Im Falle eines Ausländers, dem bereits in einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz gewährt worden sei und der dort ein Aufenthaltsrecht habe, könne daher letztlich nichts anderes gelten und auch keine tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung angenommen werden, solange die lediglich administrative Abwicklung der Rückführung im Raum stehe und die grundsätzliche Rückübernahmebereitschaft und letztlich die Rückübernahmeverpflichtung nicht infrage ständen, sondern sich ausschließlich zeitlich überschaubare zeitliche Verzögerungen ergäben - unabhängig davon, wer für diese verantwortlich sei. Die Unmöglichkeit der Abschiebung bzw. Ausreise aus tatsächlichen Gründen infolge der vom 18. März 2020 bis 21. Juni 2020 pandemiebedingten Grenzschließungen sei jedenfalls kein auf unabsehbare Zeit bestehendes Hindernis. Bei dieser Sachlage werde die Abschiebung nicht in einen völlig ungewissen zeitlichen Rahmen verschoben. Dieser Einschätzung stehe nicht entgegen, dass der Beklagte ab dem 8. Juni 2020 bis 10. August 2020 eine Duldung erteilt habe. Die Duldung sei erteilt worden, ohne dass darauf ein materieller Anspruch bestanden hätte. Daraus könne kein Erteilungsanspruch für einen früheren Zeitraum hergeleitet werden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei es auch nicht widersprüchlich, dass der Beklagte bis zum Tag der erkennungsdienstlichen Behandlung am 10. Juni 2020 keinen Duldungsanspruch anerkannt habe und dann aber eine Duldung bis zum 10. August 2020 erteilt habe, ohne deren Geltungsdauer nachträglich auf den Zeitpunkt der Öffnung der spanischen Grenzen zu verkürzen, da zum einen die Duldung bereits am 8. Juni 2020 ausgestellt worden sei und zum anderen zugleich mit dem Übernahmegesuch vom 10. Juni 2020 jedenfalls der Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG eingetreten und es somit auf die begrenzte Weitergeltung der erteilten Duldung nicht angekommen sei. Die Klägerin habe daher weder im Zeitpunkt der ersten Antragstellung am "12. Februar 2020" noch im Zeitpunkt der erneuten Antragstellung am "18. Mai 2020" die erforderlichen Vorduldungszeiten erfüllt. Selbst wenn man vom Bestehen eines Duldungsgrundes während der Zeit pandemiebedingter Grenzschließungen ausgehen sollte, hätte zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zwar nicht mehr der Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, aber mit Stellung des Rückübernahmeersuchens am 10. Juni 2020 der Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. d AufenthG entgegengestanden. Dieser Ausschlussgrund greife auch, wenn das Rückübernahmeersuchen am 10. Juni 2020 und damit nach der Antragstellung vom "18. Mai 2020" gestellt worden sei, weil die Klägerin im Zeitpunkt der Antragstellung am "18. Mai 2020" die dreimonatige Vorduldungszeit nicht erfüllt habe und der Antrag verfrüht gestellt worden sei. Ein verfrühter Antrag schließe den Ausländer ungeachtet des Wortlauts nicht dauerhaft von der Ausbildungsduldung aus. Vielmehr könne er aus der negativen Erteilungsvoraussetzung herauswachsen. Ein verfrühter Antrag verschaffe dem Ausländer keine gesicherte Rechtsposition. Der Ausländer trage das Risiko, dass es der zuständigen Behörde gelinge, Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung innerhalb der Karenzfrist in einer Weise voranzutreiben, dass diese im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Vervollständigung der notwendigen Vorduldungszeiten im Sinne von Abs. 2 Nr. 5 bevorständen und die Erteilung der Ausbildungsduldung trotz dreimonatigen Duldungsbesitzes ausschlössen. Dies wäre unter der oben genannten Prämisse des Duldungsanspruchs infolge pandemiebedingter Grenzschließung in Spanien am 18. Juni 2020 der Fall. Zusätzlich fehle es mittlerweile am Vorliegen der Voraussetzung des § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, da die am 10. Juni 2020 erteilte Duldung am 10. August 2020 geendet habe und bislang nicht verlängert worden sei. Da die Duldung aufgrund der infolge der Corona-Pandemie zeitweise nicht durchführbaren Abschiebung nach Spanien (woraus sich jedoch kein materieller Duldungsanspruch ergebe) erteilt worden sei, Abschiebungen nach Spanien aber seit dem 22. Juni 2020 wieder möglich seien, komme die Verlängerung der Duldung weder aus diesem noch einem anderen Grund in Betracht, nachdem die spanischen Behörden am 16. Juli 2020 dem Rückübernahmeersuchen auch bezüglich der Klägerin zugestimmt hätten und ein Schubauftrag am 16. Juli 2020 gestellt worden sei.
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Der Beklagte beantragt,
11
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts vom 7. Oktober 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin hat sich weder im Zulassungsverfahren noch im Berufungsverfahren zur Sache geäußert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung, über die ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte, weil alle Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben (§§ 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 VwGO), ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Beklagten vom 3. Juni 2020 zu Unrecht aufgehoben. Der Bescheid erweist sich als rechtmäßig; er verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hatte zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung gem. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG i.V.m. § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Die Klage ist daher unter Aufhebung des erstinstanzlichen Gerichtsbescheids abzuweisen.
15
Nach dem durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1021) mit Wirkung zum 1. Januar 2020 in das Aufenthaltsgesetz eingefügten § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG (i.d.F.v. 1.3.2020) ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe i.S.v. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen, wenn der Ausländer in Deutschland im Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG ist, (insbesondere) eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf aufnimmt und die Ausschlussgründe des § 60c Abs. 2 AufenthG nicht vorliegen. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht.
16
1. Der Erteilung einer Ausbildungsduldung steht der Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG entgegen.
17
Eine Ausbildungsduldung wird gem. § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht erteilt, wenn der Ausländer im Fall von § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG bei Antragstellung noch nicht drei Monate im Besitz einer Duldung ist. Der in § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG aufgenommene dreimonatige Duldungsbesitzzeitraum soll den Ausländerbehörden - nach Ablehnung des Asylantrags - Gelegenheit geben, die Aufenthaltsbeendigung oder Maßnahmen zur Vorbereitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu betreiben, wie zum Beispiel den Ausländer aufzufordern, sich einen Pass- oder Passersatz zu beschaffen (eine solche Aufforderung stellt jedoch keine vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahme zur Abschiebung i.S.d. § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG dar, vgl. BT-Drs. 19/8286 S. 16 zu § 60b AufenthG, in dem ursprünglich die Ausbildungsduldung geregelt werden sollte). Dass dem Gesetzgeber im Rahmen des § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG an einem engen Zeitraum für die Maßnahmen der Ausländerbehörden gelegen war, zeigt sich daran, dass der zunächst vorgesehene Sechs-Monats-Zeitraum (vgl. BT-Drs. 19/8286 S. 15) im Laufe des Gesetzgebungsverfahren auf drei Monate reduziert worden ist.
18
1.1 Die Klägerin war im Bundesgebiet weder zu den Zeitpunkten der Beantragung einer Ausbildungsduldung am 13. Februar 2020 (mit Schreiben vom 12.2.2020) und am 28. Mai 2020 (mit Schreiben vom 18.5.2020) noch zu einem anderen Zeitpunkt drei Monate im Besitz einer Duldungsbescheinigung.
19
Der Klägerin ist lediglich eine Duldungsbescheidung für den Zeitraum vom 8. Juni 2020 bis zum 10. August 2020 (die Ausgabe erfolgte wohl im Rahmen einer Vorsprache am 10.6.2020) ausgestellt worden. Da die Duldung nach der letztmaligen Beantragung der Ausbildungsduldung am 28. Mai 2020 ausgestellt worden ist, kann dahinstehen, aus welchem Grund die Ausstellung erfolgt ist und ob materielle Duldungsgründe vorgelegen haben.
20
1.2 Zu den Zeitpunkten der Stellung der Anträge auf Erteilung einer Ausbildungsduldung am 13. Februar 2020 und am 28. Mai 2020 hatte die Klägerin jeweils nicht drei Monate zuvor einen Anspruch auf Aussetzung ihrer Abschiebung gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
21
Ob insoweit - wie das Verwaltungsgericht meint - im Rahmen des § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG entgegen dem Gesetzeswortlaut ("im Besitz einer Duldung") allein ein Anspruch auf Erteilung einer Duldungsbescheinigung gem. § 60a Abs. 4 AufenthG ausreichend ist, kann vorliegend dahinstehen (offenlassend: SächsOVG, B.v. 20.4.2021 - 3 B 37/21 - juris Rn. 13; dafür: wohl OVG Bln-Bdg, B.v. 26.5.2021 - OVG 3 S 32/21 - juris Rn. 5, 7; wohl OVG LSA, B.v. 4.3.2021 - 2 M 14/21 - juris Rn. 23; wohl OVG RhPf, B.v. 7.5.2020 - 7 B 10178/20.OVG - juris Rn. 9; wohl VG Düsseldorf, B.v. 21.7.2021 - 22 L 1398/21 - juris Rn. 16; Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Stand Februar 2021, § 60c Rn. 17; Breidenbach in BeckOK AuslR, Kluth/Heusch, Stand 1.7.2020, § 60c Rn. 5; Röder in BeckOK Migrations- und IntegrationsR, Decker/Bader/Kothe, Stand 1.5.2021, § 60c Rn. 34; Eichler/Mantel in Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 3. Auflage 2021, § 60c Rn. 17).
22
Selbst wenn man einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung im Rahmen des § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG als ausreichend ansehen würde, erfüllt die Klägerin zu den insoweit maßgeblichen (vgl. OLG Bln-Bbg, B.v. 26.5.2021 - OVG 3 S 32/21 - juris Rn. 5; Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Stand Februar 2021, § 60c Rn. 17) Antragszeitpunkten ("bei Antragstellung") einen mindestens drei Monate bestehenden Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nicht.
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2.1 Bei Beantragung der Ausbildungsduldung am 13. Februar 2020 durch ihre damalige Rechtsanwältin konnte ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung schon deshalb nicht über drei Monate bestehen, weil die Ausreisepflicht erst Ende November 2019 vollziehbar geworden ist.
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2.2 Auch unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt am 28. Mai 2020 hat ein Anspruch der Klägerin auf Aussetzung der Abschiebung gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, wonach die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen ist, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist, über einen Zeitraum von drei Monaten nicht bestanden.
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Vorliegend kommt allein ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung aus tatsächlichen Gründen in Betracht. Maßgeblich ist insoweit, ob der Abschiebung tatsächliche Hindernisse entgegenstehen, die es der Ausländerbehörde unmöglich machen, ihrer Abschiebeverpflichtung nachzukommen (BVerwG, U.v. 21.3.2000 - 1 C 23/99 - juris Rn. 12 m.w.N.). Das Rechtsinstitut der Duldung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die Ausreisepflicht eines Ausländers nicht in allen Fällen ohne Verzögerung durchgesetzt werden kann und ihre Durchsetzung auf nicht absehbare Zeit unmöglich ist (BT-Drs. 11/6321 S. 76 zu § 55 Abs. 1 AuslG 1990). Das Gesetz geht davon aus, dass ein ausreisepflichtiger Ausländer entweder abgeschoben wird oder zumindest eine Duldung erhält. Die tatsächliche Hinnahme des Aufenthalts außerhalb förmlicher Duldung, ohne dass die Vollstreckung der Ausreisepflicht betrieben wird, sieht das Gesetz nicht vor (BVerwG, U.v. 21.3.2000 - 1 C 23/99 - juris Rn. 13; U.v. 25.9.1997 - 1 C 3/97 - juris Rn. 16 jeweils zu § 55 Abs. 2 AuslG 1990).
26
Entgegen der im Eilbeschluss vom 4. August 2020 vertretenen und durch Verweisung im angegriffenen Gerichtsbescheid aufrechterhaltenen Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Klägerin habe "in Anbetracht (noch) nicht gesicherter Rückübernahmebereitschaft Spaniens" bereits ab Ablauf der im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gesetzten Ausreisefrist am 26. Dezember 2019 ein Rechtsanspruch auf vorübergehende Aussetzung ihrer Abschiebung nach § 60a AufenthG zugestanden (an anderer Stelle im Eilbeschluss meint das Verwaltungsgericht aber, die Durchführung einer Abschiebung "ohne Schubauftrag" war jedoch offenkundig tatsächlich unmöglich), war die Abschiebung der Klägerin nicht i.S.d. § 60a Abs. 2 AufenthG tatsächlich unmöglich.
27
Die Ausländerbehörde hat im Rahmen der Prüfung einer Aussetzung der Abschiebung nicht nur zu untersuchen, ob die Abschiebung des Ausländers überhaupt durchgeführt werden kann, sondern auch, innerhalb welchen Zeitraums eine solche möglich ist (BVerwG, U.v. 25.9.1997 - 1 C 3/97 - juris Rn. 22 zu § 55 Abs. 2 AuslG). Dies gilt nicht nur für die Fälle, in denen eine Abschiebung grundsätzlich möglich ist (kommt die Ausländerbehörde in solchen Fällen zu dem Ergebnis, eine Abschiebung kann - trotz grundsätzlicher Möglichkeit - nicht ohne erhebliche Verzögerung durchgeführt werden, ist eine Duldung zu erteilen, vgl. BVerwG, U.v. 25.9.1997 - 1 C 3/97 - juris Rn. 22 f. zu § 55 Abs. 2 AuslG), sondern auch in den Fällen, in denen eine Abschiebung derzeit unmöglich ist. In den letztgenannten Fällen ist von der Ausländerbehörde zu prüfen, wann dieses Hindernis behoben sein wird. Kommt die Ausländerbehörde zu dem Ergebnis, dass die Abschiebung nicht ohne Verzögerung durchgeführt werden kann oder der Zeitpunkt der Abschiebung ungewiss ist, ist eine Duldung zu erteilen (BVerwG, U.v. 21.3.2000 - 1 C 23/99 - juris Rn. 20 zur Frage der Erteilung einer Duldung bei ungeklärter Identität und/oder Staatsangehörigkeit).
28
2.2.1 Gemessen an diesen Maßstäben musste der Beklagte jedenfalls bis zum Zeitpunkt des pandemiebedingten "quasi" (vgl. Begründungsschrift vom 31.5.2021) zum Erliegen kommen des Parteiverkehrs in der zuständigen Ausländerbehörde nicht davon ausgehen, dass die Abschiebung der Klägerin nicht ohne Verzögerung durchgeführt werden konnte oder der Zeitpunkt der Abschiebung ungewiss ist.
29
Zwar konnte eine Abschiebung der Klägerin ohne die am 16. Juli 2020 beim Beklagten eingegangene Übernahmeerklärung der spanischen Behörden nicht vollzogen werden. Der Beklagte hat aber nachvollziehbar - und von der Klägerin nicht bestritten - dargelegt, dass in Fällen, in denen von einem anderen EU-Mitgliedstaat bereits internationaler Schutz gewährt worden ist, nach seinen mehr als fünfjährigen Erfahrungen noch nicht vorgekommen ist, dass eine Rückübernahme verweigert worden ist. Dass die Einschätzung des Beklagten, es sei von einer grundsätzlichen Übernahmebereitschaft Spaniens auszugehen gewesen, zu jeder Zeit zugetroffen hat, verdeutlicht der Umstand, dass nach dem Versand des ordnungsgemäßen und vollständigen Rückübernahmegesuchs an die spanischen Behörden am 10. Juni 2020 von diesen bereits am 16. Juli 2020 eine Rückübernahmezusage erteilt worden ist (hätte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Abschlussmitteilung nicht zunächst an eine unzuständige Zentrale Ausländerbehörde geschickt, wäre das Rückübernahmeersuchen sicher vor den pandemiebedingten Einschränkungen gestellt worden). Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich von Fällen, in denen noch Pass- oder Passersatzpapiere zu beschaffen sind.
30
Daran vermag zunächst nichts zu ändern, dass die zuständige Zentrale Ausländerbehörde die Klägerin (und ihre Familie) erst am 9. März 2020 für den 18. März 2020 vorladen konnte (um die Unterlagen zur Erstellung des Übernahmeersuchens zu beschaffen <Fotos und Fingerabdrücke der Klägerin>). Dies war dem Umstand geschuldet, dass die zuständige Zentrale Ausländerbehörde erst nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise Kenntnis von der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht der Klägerin erlangt hat. Ausschlaggebend dafür war, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Abschlussmitteilung vom 12. Dezember 2019 zunächst - trotz entsprechender Mitteilung über die zuständige Ausländerbehörde des Beklagten an das Bundesamt im Oktober 2018 - an eine unzuständige Zentrale Ausländerbehörde versandt hat und der Abschluss des Asylverfahrens der zuständigen Zentralen Ausländerbehörde erst mit Abschlussmitteilung vom 17. Januar 2020 mitgeteilt worden ist. Dieser zeitliche Verzug zwischen dem Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht und der Mitteilung über den Abschluss des Asylverfahrens (von dem die Klägerin nach Nichterfüllung der Ausreisepflicht zur Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands nunmehr profitieren will) vermag nicht dazu zu führen, dass der Zeitpunkt der Abschiebung als ungewiss einzustufen gewesen wäre.
31
Ebenso wenig folgt ein ungewisser Zeitpunkt der Abschiebung aus dem Umstand, dass der Klägerin vor der Stellung des Übernahmeersuchens noch Fingerabdrücke abzunehmen waren, da damit weder ein besonderer zeitlicher noch besonderer tatsächlicher Aufwand verbunden ist. Dies zeigt sich daran, dass das Rückübernahmeersuchen an die spanischen Behörden nach Abnahme der Fingerabdrücke der Klägerin am 10. Juni 2020 noch am selben Tag gestellt werden konnte. Der Beklagte hat die Klägerin zeitnah vorgeladen, um diese förmliche Voraussetzung für die Stellung des Rückübernahmeersuchens zu erfüllen. Insoweit ist unerheblich, dass einigen Familienangehörigen in der Vergangenheit bereits Fingerabdrücke abgenommen worden waren, der Beklagte auf diese elektronisch aber nicht zugreifen konnte (was der Beklagte deshalb versuchte, weil der Vorsprachetermin vom 18.3.2020 pandemiebedingt am 17.3.2020 abgesagt werden musste).
32
2.2.2 Ein Anspruch der Klägerin auf Aussetzung ihrer Abschiebung aus tatsächlichen Gründen ab dem Zeitpunkt der pandemiebedingten Grenzschließung in Spanien (dahinstehen kann, ob die spanische Grenze - wie das Verwaltungsgericht annimmt - vom 14.3.2020 bis 21.6.2020 oder - wie der Beklagte meint - vom 18.3.2020 bis 21.6.2020 geschlossen war) bestand ebenfalls nicht, da es sich dabei nicht (auch nicht ex ante) um ein auf unabsehbare Zeit bestehendes Hindernis gehandelt hat (vgl. BayVGH, B.v. 2.2.2021 - 19 CS 20.2598 - Rn. 14; B.v. 27.5.2020 - 10 CS 20.883, 10 C 20.886 - juris Rn. 10; B.v. 4.5.2020 - 10 ZB 20.666 - Rn. 19).
33
Eine Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen Gründen kann sich zwar ergeben, wenn die Verkehrswege für eine Abschiebung unterbrochen sind (vgl. Nr. 60a2.1.2.3 VwV AuslR). Solche tatsächlichen Abschiebehindernisse sind jedoch von bloß zeitweiligen Behinderungen oder Verzögerungen zu unterscheiden, die sich beispielsweise aus verwaltungsorganisatorischen Gründen oder aus - wie hier - vorübergehenden Beschränkungen der Verkehrswege ergeben. Die Grenzschließungen in Spanien haben den Vollzug der Aufenthaltsbeendigung der Klägerin nicht in einen völlig ungewissen zeitlichen Rahmen verschoben. Es widerspricht insoweit nicht der Systematik des Aufenthaltsrechts (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.2000 - 1 C 23/99 - juris), bei einer solchen Sachlage einen Duldungsanspruch zu negieren (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2020 - 19 CE 19.1750 - Rn. 23).
34
2.2.3 Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass durch das pandemiebedingte "quasi" zum Erliegen kommen des Parteiverkehrs in der zuständigen Ausländerbehörde (17. März 2020) und die pandemiebedingte Grenzschließung in Spanien die Abschiebung der Klägerin nicht ohne Verzögerung durchgeführt werden konnte oder der Zeitpunkt der Abschiebung ungewiss geworden ist, lagen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung zum weiteren Antragszeitpunkt am 28. Mai 2020 nicht vor, da zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nicht drei Monate bestanden hätte.
35
2.2.4 Würde man zudem nicht nur annehmen, dass durch das pandemiebedingte "quasi" zum Erliegen kommen des Parteiverkehrs in der zuständigen Ausländerbehörde (17. März 2020) und die pandemiebedingte Grenzschließung in Spanien die Abschiebung der Klägerin nicht ohne Verzögerung durchgeführt werden konnte oder der Zeitpunkt der Abschiebung ungewiss geworden ist, sondern zudem vom im Rahmen des § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG maßgeblichen (vgl. OLG Bln-Bbg, B.v. 26.5.2021 - OVG 3 S 32/21 - juris Rn. 5; Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Stand Februar 2021, § 60c Rn. 17) Zeitpunkt ("bei Antragstellung") absehen, hatte die Klägerin auch in der Folgezeit keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung.
36
Unter diesen Voraussetzungen hätte ein Anspruch der Klägerin auf Aussetzung der Abschiebung frühestens am 14. Juni 2020 drei Monate bestanden, sodass - bei einem fiktiven Antrag an diesem Tag - der Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht mehr vorgelegen hätte. Unabhängig davon, dass das behördliche Verfahren durch den Bescheid vom 3. Juni 2020 bereits beendet war, hätte am 14. Juni 2020 der Erteilung einer Ausbildungsduldung nunmehr der Ausschlussgrund gem. § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG entgegengestanden.
37
Eine Ausbildungsduldung wird gem. § 60c Abs. 2 Nr. 5 Hs. 1 AufenthG nicht erteilt, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, die in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung stehen, bevorstehen. Konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung stehen insbesondere bevor, wenn eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit veranlasst wurde (§ 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a AufenthG), der Ausländer einen Antrag zur Förderung mit staatlichen Mitteln einer freiwilligen Ausreise gestellt hat (§ 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b AufenthG), die Buchung von Transportmitteln für die Abschiebung eingeleitet wurde (§ 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. c AufenthG) oder vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung des Ausländers eingeleitet wurden, es sei denn, es ist von vornherein absehbar, dass diese nicht zum Erfolg führen (§ 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. d AufenthG).
38
Vorliegend ist bei (einem unterstellten) Bestehen eines dreimonatigen Anspruchs auf Aussetzung der Abschiebung aufgrund der pandemiebedingten Schließung der spanischen Grenzen bereits eine vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahme zur Abschiebung der Antragstellerin eingeleitet worden, die nicht von vornherein als erfolglos anzusehen ist. Der Beklagte hat am 10. Juni 2020 (und damit noch vor dem Bestehen eines - unterstellten - dreimonatigen Anspruchs auf Aussetzung der Abschiebung) ein Rückübernahmeersuchen an die spanischen Behörden gestellt (das Verwaltungsgericht sieht diese Maßnahme ebenfalls als konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung an). Dieses war offensichtlich nicht von vornherein als erfolglos anzusehen, was sich daran zeigt, dass die spanischen Behörden der Rückübernahme bereits am 16. Juli 2020 zugestimmt haben und von dem Beklagten am 17. Juli 2020 ein Schubauftrag gestellt worden ist.
39
3. Aufgrund dieser Sachlage erübrigen sich weitere Ausführungen dazu, ob ein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung auch deshalb ausscheidet, weil die Klägerin seit dem Ablauf der ihr erteilten Duldungsbescheinigung am 10. August 2020 keine Duldung mehr erhalten hat und daher zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung der persönliche Anwendungsbereich gem. § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht mehr eröffnet ist.
40
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO i.V.m. § 167 Abs. 1 und 2 VwGO.
41
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe nicht vorliegen.