SG München, Urteil v. 23.06.2021 – S 38 KA 5004/21
Titel:

Honorarkürzung infolge Degression

Normenketten:
SGB V § 85 Abs. 4b
GG Art. 3, Art. 12
Leitsätze:
1. Zeitanteilige (pro-ratatemporis) Punktmengengrenzen (§ 85 Abs. 4b SGB V) kommen auch bei der Abschaffung der Degression zum 10.05.2019 zur Anwendung. (Rn. 15)
2. Unberücksichtigt zu bleiben hat, dass es sich bei den ersten beiden Quartalen eventuell um die umsatzstärksten Quartale handelt. (Rn. 18)
3. Wird eine Abrechnung für ein Quartal zeitlich nach der vorgegebenen Einreichungsfrist eingereicht, sind die Leistungen dem Abrechnungsquartal und nicht im Leistungsquartal zuzuordnen. (Rn. 19 – 22)
4. Im Zusammenhang mit der Degression besteht rechtlich keine Veranlassung, Pauschalleistungen (BEMA-Nrn 119,120), für die quartalsweise Abschlagszahlungen gewährt werden, aufzuspalten. (Rn. 24)
Schlagworte:
Honorarkürzung, Punktmengengrenze, pro rata temporis, Degression
Fundstelle:
BeckRS 2021, 22228

Tenor

I. Die Klage wird sowohl im Hauptantrag, als auch im Nebenantrag abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage ist der Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2020. Aufgrund der Degression wurde das Honorar der Gemeinschaftspraxis im Jahr 2019 um 138.978,72 € gekürzt. Zur Begründung wies die Beklagte auf die generell zur Degression ergangene Rechtsprechung. Diese sei als rechtmäßig anzusehen. Der Gesetzgeber habe die Degression erst zum 10.05.2019 abgeschafft, sodass diese noch bis zu diesem Zeitpunkt gelte, was einem Zeitraum von 130 Tagen entspreche. Soweit der Widerspruchsführer geltend gemacht habe, es entstehe eine Verzerrung, da die Quartale 1/19 und 2/19 erfahrungsgemäß am umsatzstärksten seien, sei dies nicht zu berücksichtigen. Ebenfalls nicht zu berücksichtigen sei, dass die BEMA-Nrn 119 und 120 in die Degressionsberechnung mit einbezogen wurden. Denn eine Unterteilung einzelner BEMA-Ziffern könne nicht erfolgen. Der Gesetzgeber sei befugt, zu pauschalieren, zu generalisieren und zu schematisieren.
2
Dagegen wurde Klage zum Sozialgericht München eingelegt. Der Prozessbevollmächtigte trug vor, nach den Berechnungen der Klägerseite sei der Kürzungsbetrag um etwa 50% zu korrigieren. Die Kläger hätten den Abrechnungstermin für das Quartal 4/18 versäumt und die Abrechnung für das Quartal 4/18 erst zusammen mit der Abrechnung für das Quartal 1/19 am 01.04.2019 eingereicht. Hinzuweisen sei grundsätzlich auf § 1 Abs. 1 S. 1 der Degressionsvereinbarung vom 13.10.2010. Die Punktmenge für das Quartal 4/18 sei unrichtigerweise dem Jahr 2019 zugeschlagen worden. Entscheidend sei danach der sogenannte Kalenderjahresbezug. Eine abrechnungszeitbezogene Zuordnung der Punktmengen und nicht eine leistungsbezogene Zuordnung von Punktmengen stehe in krassem Widerspruch zu der Gesetzeslage und der Rechtsprechung der Sozialgerichte. Dies sei willkürlich und verstoße gegen Art. 3 Grundgesetz. So würden Abrechnungen eines Quartals, die bis zum fünften Werktag des Folgequartals bei der Beklagten eingingen, nicht etwa dem Vorquartal, sondern dem Leistungsquartal zugeordnet. Die Beklagte durchbreche insbesondere für das Abrechnungsquartal 2/19 die eigene Vorgabe einer abrechnungswertbezogenen Zuordnung. Denn obwohl die Abrechnung für das Quartal 2/2019 regelmäßig erst bis zum 05.07.2019 vorliege, unterscheide die Beklagte mit ihrer Zuordnung zwischen dem Leistungszeitraum vom 01.04.2019 bis 10.05.2019 einerseits und dem Leistungszeitraum vom 11.05.2019 bis 30.06.2019 andererseits. Schließlich hätte eine abrechnungswertbezogene Zuordnung zur Folge, dass Zahnärzte, die ihre in den Quartalen 1/19 und 2/19 erbrachten Leistungen erst mit dem Quartal 3/19 am 07.10.2019 abgerechnet hätten, mit ihren in den Quartalen 1 /19 und 2/19 erbrachten Leistungen nicht der Degression unterfallen wären. Ferner sei darauf aufmerksam zu machen, dass die Leistungen nach den BEMA-Nrn 119 und 120 - es handle sich um pauschale Positionen (quartalsweise Abschlagszahlungen) - nur zu 40/91tel angesetzt werden dürften (= 40 Tage vom 01.04.2019 bis 10.05.2019 im Verhältnis zu 91 Tagen vom 01.04.2019 bis 30.06.2019). Von den insoweit angefallenen restlichen 60.955 Punkten seien somit zeitanteilig nur 26.793 Punkte zu berücksichtigen.
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In ihrer Stellungnahme wies die Beklagte auf § 2 Nr. 1 der Degressionsvereinbarung hin. Danach würden die Punkte dem jeweiligen Abrechnungsquartal zugerechnet, nicht dem Behandlungsquartal. Hypothetische Konstellationen (Abrechnung der Quartale 1 und 2 erst im dritten Quartal 2019) seien für das vorliegende Verfahren irrelevant. Was die BEMA-Nrn 119 und 120 betreffe, sei darauf aufmerksam zu machen, dass eine Aufspaltung einer einzelnen BEMA-Nr nicht möglich sei. Die Leistungen, die nach dem 10.05.2019 erbracht worden seien, seien von der Punktmengenberechnung ausgenommen worden.
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In der mündlichen Verhandlung am 23.06.2021 wurde vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG vom 05.05.2010, Az B 6 KA 21/09 R) hingewiesen. Nach diesem Urteil sei die gesamte Punktmenge maßgeblich, die im Laufe eines Kalenderjahres erbracht werde. Dies bedeute, es werde auf die Jahresleistung des Zahnarztes abgestellt. Es sei außerdem zwingend und logisch, auf den Leistungszeitpunkt abzustellen. Eine Vergleichbarkeit mit der Rechtslage im Jahr 1997 bestehe nicht. Damals sei die Degression „quartalsscharf“ abgeschafft worden. Die Beklagte habe sich selbst in das Dilemma begeben. Sie hätte beispielsweise mittels eines Vorbehaltsbescheides zur Degression, in dem noch nicht das vierte Quartal 2018 mit einfloss, Rechnung tragen können, dass zunächst die Degression nur über drei Quartale hinweg erfolge. Es seien handwerkliche Mängel des Gesetzgebers erkennbar.
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Dagegen betonte die Beklagte, die Zuordnung zum Abrechnungsquartal erfolge bereits seit dem Jahr 1993. Maßgeblich sei, zu welchen Quartal die Leistungen eingereicht wurden. Die Rechtmäßigkeit der Degression sei mehrfach von der Rechtsprechung geklärt worden. Zu beachten sei, dass es zwei Rechtskreise gebe, nämlich zum einen den Rechtskreis der Kassenzahnärztlichen Vereinigung mit den Krankenkassen und zum andern den Rechtskreis der KZVB zum Zahnarzt. Die Zuordnung zum Abrechnungsquartal sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass die Rechtskreise gleichlaufen müssten. Die Abschaffung der Degression in der Mitte eines Quartals sei nicht als Besonderheit anzusehen, sondern sei ähnlich zu behandeln wie die Anwendung der Degression bei einem Praxiswechsel. Hinsichtlich der BEMA-Nrn 119 und 120 Zahl darauf hinzuweisen, dass es für alle Leistungen ein Abrechnungsquartal gebe. Es sei nicht nachvollziehbar weshalb diese Leistungen nicht vollständig berücksichtigt werden sollten.
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In der mündlichen Verhandlung am 23.06.2021 stellte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin folgenden Antrag:
I. Der Degressionsbescheid 2019 vom 10.06.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2020 wird aufgehoben.
II. Hilfsweise wird unter Aufhebung des Degressionsbescheides vom 10.06.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2020 beantragt, die Beklagte zu verpflichten, den Degressionsbescheid für 2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu erlassen.
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Die Vertreter der Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen.
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Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 23.06.2021 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
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Die Degressionsregelungen auf der Basis von § 85 Abs. 4b SGB V und der jeweiligen Degressionsvereinbarung waren mehrmals Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 16.12.2009, Az. B 6 KA 10/09 R). Danach sind sie mit Art. 3, 12 Grundgesetz und dem Rechtsstaatsprinzip zu vereinbaren. Ziel der Regelungen war es, Einsparungen bei den Krankenkassen zu erreichen und die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern. Außerdem sollten sie Fehlentwicklungen bei der Qualität der zahnärztlichen Versorgung entgegensteuern. Die Degressionsregelungen galten auch für Gemeinschaftspraxen.
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Strittig ist zunächst in dem streitgegenständlichen Verfahren, dass die Degressionsberechnung nicht kalenderjahresbezogen vorgenommen wurde, sondern für einen Zeitabschnitt (hier: 1.01.2019 bis 10.05.2019). Diese Berechnungsweise der Beklagten ist nach Auffassung des Gerichts rechtlich nicht zu beanstanden.
12
Das BSG hat in den von der Beklagten zitierten Entscheidungen (BSG, Urteil vom 5.5.2010, Az. B 6 KA 21/09 R; BSG, Urteil vom 30.10.2013, B 6 KA 3/13 R) zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber (vgl. Wortlaut von § 85 Abs. 4b SGB V: „je Kalenderjahr“) grundsätzlich vom Jahresbezug ausgeht, dies aber nicht ausnahmslos gelte. So war Gegenstand des Verfahrens unter dem Az B 6 KA 21/09 R die Anwendung des Jahresbezugs bei Eintritt eines Zahnarztes in eine GBR innerhalb eines Kalenderjahres. Im Verfahren B 6 KA 3/13 R beschäftigte sich das BSG mit der Frage des Jahresbezugs bei einem Wechsel von einer GBR in eine Einzelpraxis. In beiden Verfahren wurde die Ansicht vertreten, dass sachliche Gründe vorlägen, von dem Jahresbezug abzurücken.
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Auch im streitgegenständlichen Verfahren ist ein Abrücken vom Jahresbezug aus Sachgründen geboten. Denn die Degressionsregelungen galten nur einen Teil des Jahres (BSG, SozR 4-2500 § 85 Nr. 15).
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Gegenstand des o.g. Verfahrens war die Berechnung der Degression im Jahr 1997 nach Aufhebung der Vorschriften zum degressiven Punktwert (§ 85 Absatz 4b ff SGB V in der bis zum 30.06.1997 geltenden Fassung) durch das Zweite Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-NOG vom 23.06.1997, BGBl I 1520) zum 01.07.1997. Da die damalige Neuregelung auch keine Übergangsregelung enthielt und es keine Hinweise dafür gab, dass die Abschaffung der Degression bereits zum 01.01.1997 in Kraft treten sollte, hat das BSG die Auffassung vertreten, daraus sei zu schließen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers für den Zeitraum des ersten Halbjahres 1997 die Degression weiterhin ihre Geltung behalten solle. Der Regelungsinhalt müsse im Wege einer ergänzenden Auslegung ermittelt werden. Ausgehend von den bis zum 30.06.1997 weiter verfolgten Zielen der Degressionsregelung widerspräche es der gesetzlichen Regelung die jeweils für ein ganzes Jahr konzipierte degressionsfreie Punktmenge nunmehr im Jahr 1997 für die Tätigkeit als Vertragszahnarzt in einem Halbjahr zur Verfügung zu stellen und damit pro Zeiteinheit praktisch zu verdoppeln. Dies hätte faktisch eine Außerkraftsetzung des § 85 Absatz 4b bis 4f SGB V rückwirkend zum 01.01.1997 zur Folge. Das BSG kam zu dem Ergebnis, bei einem verkürzten Geltungszeitraum kämen die Punktmengengrenzen des § 85 Abs. 4 SGB V deshalb nur zeitanteilig „pro rata temporis“ zur Anwendung. Dies widerspreche weder dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, noch stelle dies eine unzulässige Rückwirkung dar. Das Rückwirkungsverbot finde nämlich im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern seine Grenze. Im Übrigen stehe einer möglichen geringfügigen zusätzlichen Belastung im ersten Halbjahr aufgrund einer spezifischen persönlichen Verteilung der Leistungsmenge deshalb die Freistellung von allen Degressionsbeschränkungen im zweiten Halbjahr 1997 gegenüber. Eine Belastung von verfassungsrechtlich relevantem Ausmaß mit der Abschaffung der Degressionsregelung zur Jahresmitte 1997 sei daher nicht verbunden.
15
Nichts Anderes gilt für die erneute Abschaffung der Degression im Jahr 2019. Der Gesetzgeber hat mit Einführung des Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung (TSVG) zum 11.05.2019 die Abs. 4b bis 4f des § 85 SGB V aufgehoben und damit die Degression abgeschafft. Das TSVG vom 06.05.2019 wurde im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil I Nummer 18 am 10.06.2019 veröffentlicht. Das Gesetz trat somit am 11.06.2019 (am Tag nach der Verkündung) in Kraft. Übergangsvorschriften bezüglich der Abschaffung der Degression wurden nicht vorgesehen. Daraus ist zu schließen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Degressionsregelungen weiter bis zum Inkrafttreten des TSVG zur Anwendung kommen sollen. Auch aus der Gesetzesbegründung, wonach der Zweck der Degression als erreicht anzusehen sei, kann nicht gefolgert werden, dass die Degressionsregelungen bereits vor dem 10.05.2019 nicht mehr anzuwenden sind. Es handelt sich somit um einen verkürzten Geltungszeitraum der Degressionsregelungen, sodass unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung die Punktmengengrenzen des § 85 Abs. 4 SGB V nur zeitanteilig „pro rata temporis“ zu Grunde zu legen sind. Auch hier ist ein Widerspruch zum Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht erkennbar. Ebenfalls ist nicht von einer unzulässigen Rückwirkung auszugehen. Denn der Belastung aufgrund der Degression bis zum 10.05.2019 steht der degressionsfreie Zeitraum im Anschluss daran gegenüber.
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Der Anwendung der Rechtsprechung zur Abschaffung der Degression im Jahr 1997 steht auch nicht entgegen, dass es sich damals um eine sogenannte „quartalsscharfe“ Abschaffung zum 01.07.1997 handelte, im Jahr 2019 dagegen um eine Abschaffung innerhalb des zweiten Quartals 2019 zum 10.05.2019. Denn beide Fälle beziehen sich auf eine Abschaffung der Degression innerhalb des Kalenderjahres. Es ergeben sich lediglich Unterschiede in der Berechnungsweise der Punktmengengrenzen. Während im Jahr 2017 die Punktmengengrenze des § 85 Absatz 4b SGB V zu halbieren war, da exakt die Degression ein halbes Jahr galt, ist im Jahr 2019 die Punktmengengrenze des § 85 Absatz 4b SGB V für die Geltungsdauer der Degression (= 130 Tage) zu berechnen. Der Punktmengengrenze ist die im Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 10.05.2019 vom Leistungserbringer abgerechnete Punktmenge gegenüberzustellen und bei Überschreitung der Kürzungsbetrag anhand der Abstaffelung festzustellen.
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Die Berechnung des Kürzungsbetrages wurde der Klägerseite nachvollziehbar aufgezeigt Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für Berechnungsfehler.
18
Soweit geltend gemacht wurde, bei der Degressionskürzung müsse berücksichtigt werden, dass es sich bei den ersten beiden Quartalen eines Kalenderjahres um die umsatzstärksten Quartale handle, wird diese Auffassung nicht geteilt. Auch bei der Degression im Jahr 1997 handelte es sich um die ersten beiden Quartale eines Jahres. Der Umstand, dass es sich bei den ersten Quartalen eines Jahres um die umsatzstärksten Quartale handelt, fand damals keine Berücksichtigung, sodass auch für die Degression im Jahr 2019 kein Anlass für eine andere Beurteilung besteht. Die eventuell überproportionale Belastung ist jedenfalls dadurch abgemildert, dass in der Folgezeit Kürzungen aufgrund von Degressionsregelungen nicht mehr stattfinden. Die Bagatellgrenze wird dadurch nicht überschritten. Außerdem hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber dazu berechtigt ist, zu generalisieren, zu schematisieren und zu pauschalieren. Von daher ist für eine Berücksichtigung individueller Umstände kein Raum.
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Entgegen der Auffassung der Klägerseite besteht auch kein Widerspruch zur Gesetzeslage und der Rechtsprechung der Sozialgerichte, indem die Leistungen für das Quartal 4/2018 im Rahmen der Degression des Jahres 2019 berücksichtigt wurden. Denn das Quartal 4/18 wurde erst am 01.04.2019 zusammen mit dem Quartal 1/19 abgerechnet. Es trifft zu, dass bei der Degression der Grundsatz des Jahresbezugs besteht und zwar sowohl hinsichtlich der in § 85 Abs. 4b festgelegten Punktzahlgrenzen, als auch hinsichtlich der Punktzahlmenge, die von dem Zahnarzt/den Zahnärzten erbracht wird/werden. Davon gibt es jedoch Ausnahmen (vgl. oben).
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Zu beachten ist nämlich außerdem, dass es sich um ein komplexes Vergütungssystem handelt, an dem der Zahnarzt/die Zahnärzte, die KZVB und die Kassen beteiligt sind. Es bestehen unterschiedliche Rechtskreise, zum einen der Rechtskreis Zahnarzt-KZVB, zum anderen der Rechtskreis KZVBKassen. Die Vergütung für zahnärztliche Leistungen erfolgt grundsätzlich im Rechtskreis Zahnarzt/Zahnärzte-KZVB über die KZVB und wird an den Leistungserbringer von dieser ausgekehrt. Die Kassen leisten zunächst nach Maßgabe der Gesamtverträge an die KZVB (vgl. § 85 Abs. 1 SGB V). Die einzelnen Gesamtvergütungsanteile werden dann an die einzelnen Leistungserbringer ausgekehrt (§ 85 Abs. 4 SGB V.). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass die Abrechnung pünktlich und vollständig erfolgt. Die Nichteinhaltung der Abrechnungstermine stört die reibungslose Durchführung der vertragszahnärztlichen Versorgung, auch wenn grundsätzlich Abrechnungen auch in Folgequartalen ermöglicht werden (Landessozialgericht-Baden-Württemberg, Urteil vom 10.09.2003, Az L 5 KA 2777/02). Es handelt sich um ein Entgegenkommen, wenn den Zahnärzten eine spätere Abrechnungsmöglichkeit ermöglicht wird. Es liegt nicht nur nahe, sondern drängt sich sogar auf, auf das Quartal abzustellen, in dem die Abrechnung erfolgt, nicht aber auf das Leistungsquartal. Der Kläger erhält nämlich für das Quartal 4/18, das zusammen mit dem Quartal 1/19 zum 01.04.2019 abgerechnet wurde, einen Gesamtvergütungsanteil aus der Gesamtvergütung der Kassen des Quartals 1/19. Dementsprechend unterliegen auch diese Leistungen der Degressionskürzung in 2019 und nicht der Degressionskürzung in 2018. Eine spätere Zuordnung zu dem Leistungsquartal hätte erhebliche Auswirkungen auf das Vergütungssystem. Folgerichtig ist die Abrechnung für das Quartal 4/18 nicht dem Leistungsquartal 4/18, sondern dem Abrechnungsquartal 1/2019 zuzuordnen. Eine vorherige Zuordnung war wegen fehlender rechtzeitiger Abrechnung nicht möglich.
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Dafür spricht auch die Regelung des § 2 Nr. 1 der Degressionsvereinbarung, wonach die Punkte dem jeweiligen Abrechnungsquartal, nicht aber dem Leistungsurteil zugerechnet werden. Ein weiterer Hinweis ergibt sich aus dem zwar nicht mehr geltenden Honorarverteilungsmaßstab aus dem Jahr 2000. Dort wurde in § 3 Abs. 5 HVM geregelt, dass verspätet eingehende Abrechnungen dem jeweils folgenden Quartal zugeordnet werden.
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Insgesamt liegen somit sachlich-einleuchtende Gründe für das Abstellen auf das Abrechnungsquartal vor. Für einen Verstoß gegen das Willkürverbot oder die Verletzung von Art. 3 Grundgesetz gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
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Im Übrigen darf darauf hingewiesen werden, dass es im Jahr 2018, da die Kläger im Jahr 2018 das vierte Quartal nicht abgerechnet haben, aber die begrenzte Punktmenge für das ganze Kalenderjahr zugrunde zu legen war, sich die Degressionskürzungen auf drei Quartale des Jahres 2018 bezogen und insoweit von einer insgesamt geringeren Überschreitung der Punktmengengrenze und einer niedrigeren Kürzung auszugehen ist.
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Auch unter dem Gesichtspunkt der Berechtigung, zu pauschalieren, zu schematisieren und zu pauschalieren, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Leistungen nach den BEMA-Nrn 119 und 120, wenn sie in dem Zeitraum der Geltung der Degression im Jahr 2019 abgerechnet wurden, voll einbezogen wurden. Es trifft zwar zu, dass es sich um Leistungen handelt (BEMA-Nr. 119: Maßnahmen zur Umformung eines Kiefers einschließlich Retention; BEMA-Nr. 120: Maßnahmen zur Einstellung des Unterkiefers in den Regelbiss in sagittaler oder lateraler Richtung einschließlich Retention), die hoch bewertet sind, mit denen eine Behandlungszeit von bis zu 16 Quartalen abgegolten wird, die aber quartalsweise mit einer Abschlagszahlung vergütet werden (BEMA-Nr. 119: quartalsweise Abschlagszahlung 11-28 Punkte je nach Schwierigkeitsgrad; BEMA-Nr. 120: quartalsweise Abschlagszahlung 17-28 je nach Schwierigkeitsgrad). Wäre keine quartalsweise Abschlagszahlung vorgesehen, sondern würden die Leistungen in toto abgerechnet, wäre es in der Tat angesichts der hohen Bewertung der Leistungen fraglich, ob es rechtlich zulässig wäre, diese voll in die für die Degressionskürzung maßgebliche Punktmenge einzubeziehen. Da dies aber nicht der Fall ist, besteht keine Veranlassung die Leistungen zeitanteilig, nämlich in Höhe von 40/91tel (= 40 Tage vom 01.04.2019 bis 10.05.2019 im Verhältnis zu 91 Tagen vom 01.04.2019 bis 30.06.2019), wie von der Klägerseite ausgeführt, anzusetzen.
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Aus den genannten Gründen war die Klage abzuweisen.
26
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.