VG München, Urteil v. 26.01.2021 – M 4 K 20.5221
Titel:
Ausweisung eines mit einer deutschen Staatsangehörigen verheirateten Ausländers aus dem Kosovo
Normenketten:
AufenthG § 5, § 11, § 19c Abs. 1, § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 3, § 53 Abs. 1, Abs. 2, § 54 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 9
BeschV § 26 Abs. 2
Leitsatz:
Die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen fällt im Ausweisungsverfahren nicht wesentlich ins Gewicht, wenn der Ausländer die Beziehung mit seiner Lebensgefährtin in Deutschland im Wissen um die unerlaubte Einreise und den unerlaubten Aufenthalt im Bundesgebiet eingegangen ist. (Rn. 87) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausländerrecht, Herkunftsland Kosovo, Ausweisung, Verurteilung wegen unerlaubter Einreise nach Abschiebung in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt nach Abschiebung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, unerlaubte Einreise, Verstoß gegen ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, generalpräventive Gründe, kein faktischer Inländer, Integration in die deutschen Lebensverhältnisse, Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen, unsichere Aufenthaltsperspektive
Fundstelle:
BeckRS 2021, 2219
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland, die Untersagung der Wiedereinreise und des Aufenthalts im Bundesgebiet für die Dauer von fünf Jahren ab seiner Ausreise, die Abschiebungsandrohung in den Kosovo und die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
2
Der am … … … geborene, 43-jährige Kläger ist kosovarischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben erstmals am … … 1993 in das Bundesgebiet ein und stellte am 2. September 1993 einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) vom 8. September 1993 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde; Bestandskraft trat am … … 1993 ein (Bl. … … … … der dem Gericht am … … 2020 vorgelegten Behördenakte, nachfolgend: Behördenakte I).
3
Mit Urteil vom 18. April 1995 verurteilte das Amtsgericht … a.M. den Kläger wegen gemeinschaftlich begangenen Raubs in zwei Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren (Bl. … … Behördenakte I).
4
Mit Urteil vom 15. Dezember 1997 verurteilte das Amtsgericht Aschaffenburg den Kläger wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit zwei Fällen der Körperverletzung unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts … a.M. vom 18. April 1995 zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren. Das Amtsgericht … a.M. stellte unter anderem fest, dass der Kläger in seinem Heimatland acht Klassen der Hauptschule besucht und diese abgeschlossen habe. Er habe eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker begonnen, jedoch wegen Problemen mit dem Vorgesetzten aufgegeben. Zwei seiner drei Schwestern und drei seiner sechs Brüder lebten in Deutschland. Er bestreite seinen Lebensunterhalt mit Leistungen der Sozialhilfe (Bl. … … Behördenakte I).
5
Mit Bescheid vom 2 … 1998 wies die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt … den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus und stellte fest, dass die Ausweisung unbefristet gilt (Bl. … ff. Behördenakte I).
6
Mit Urteil vom 16. Dezember 1998 verurteilte das Amtsgericht Frankfurt a.M. den Kläger wegen gemeinschaftlich versuchten besonders schweren Fall des Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (Bl. … ff. Behördenakte I).
7
Die gegen die Ausweisung mit Bescheid vom 2 … 1998 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht … mit Urteil vom 16. Juli 1999 ab (Bl. … ff. Behördenakte I).
8
Der Kläger wurde am … … 2000 nach Pristina, Kosovo abgeschoben (Bl. … Behördenakte I).
9
Am … … 2003 reiste der Kläger erneut in das Bundesgebiet ein und stellte am 15. Juli 2003 einen Asylfolgeantrag. Das Bundesamt lehnte die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens mit Bescheid vom 1. August 2003 ab und drohte die Abschiebung nach Serbien und Montenegro an (Bl. … … … … Behördenakte I). Das Verwaltungsgericht Frankfurt a.M. lehnte den hiergegen gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss vom 27. August 2003 ab (Bl. … Behördenakte I).
10
Der Kläger wurde am … … 2003 nach Pristina, Kosovo abgeschoben (Bl. … … Behördenakte I).
11
Am … … 2005 reiste der Kläger von Frankreich kommend ins Bundesgebiet ein und händigte bei einer polizeilichen Kontrolle einen in Frankreich am … … 2004 gestellten Asylantrag aus. Nach Vernehmung und erkennungsdienstlicher Behandlung durch die Bundesgrenzschutzinspektion … wurde der Kläger am … … 2005 nach Frankreich rückgeführt (Bl. … Behördenakte I).
12
Am … … 2005 reiste der Kläger erneut von Frankreich kommend in das Bundesgebiet ein. Er wurde am … … 2005 in … a.M. festgenommen, ohne im Besitz eines gültigen Reisepasses und eines Aufenthaltstitels zu sein. Bei einer polizeilichen Vernehmung am … … 2005 gab der Kläger an, gewusst zu haben, dass er nicht ins Bundesgebiet einreisen und sich nicht in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten dürfe. Er habe jedoch unbedingt seine Schwester besuchen wollen (Bl. … ff. Behördenakte I).
13
Am … … 2005 wurde der Kläger nach Frankreich abgeschoben (Bl. … Behördenakte I).
14
Am … … 2005 wurde der Kläger erneut in … a.M. kontrolliert und festgenommen. Bei der Vernehmung gab der Kläger an, dass er wisse, dass er nicht in Deutschland sein dürfe. Sein Asylantrag sei in Frankreich abgelehnt worden. Er wolle so schnell wie möglich in den Kosovo zurück (Bl. … ff. Behördenakte I).
15
Mit Strafbefehl vom … … 2005 verurteilte das Amtsgericht … a.M. den Kläger nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AuslG zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 EUR, da sich der Kläger ohne Pass, ohne Ausweisersatz, ohne Aufenthaltsgenehmigung und Duldung im Bundesgebiet aufgehalten hat (Bl. … Behördenakte I).
16
Mit Urteil vom 9. August 2005 verurteilte das Amtsgericht … a.M. den Kläger wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz sowie gegen das Aufenthaltsgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten (Bl. … f. Behördenakte I).
17
Mit Schreiben vom 4. Oktober 2005 wies die Ausländerbehörde der Stadt … a.M. den Kläger darauf hin, dass er mehrfach entgegen des bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots aufgrund der bereits dreimal durchgeführten Abschiebungen sowie der gültigen Ausweisungsverfügung der Landeshauptstadt … ins Bundesgebiet eingereist sei (§ 11 Abs. 1 AufenthG), die Einreise wiederholt unerlaubt erfolgt sei (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) und der Kläger aufgrund der unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig sei (§ 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG). Die vollziehbare Ausreisepflicht gelte nach dem neuen Zuwanderungsgesetz vom 1. Januar 2005 nach § 102 Abs. 1 AufenthG fort (Bl. … f. Behördenakte I).
18
Am … … 2005 wurde der Kläger in den Kosovo abgeschoben (Bl. … ff. Behördenakte I).
19
Am … … 2013 wurde der Kläger von Ungarn aufgrund einer Einreiseverweigerung ins Schengen-Gebiet, gültig bis zum … … 2016, zur Fahndung ausgeschrieben (Bl. … … Behördenakte I).
20
Mit Schreiben vom 10. Juli 2014 verfügte die Landeshauptstadt … von Amts wegen die nachträgliche Befristung der durch die Ausweisung vom … … 1998 entstandenen Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG. Die Ausweisung wurde nachträglich zum 31. Mai 2014 befristet (Bl. … … … Behördenakte I).
21
Am … … 2015 reiste der Kläger erneut ins Bundesgebiet ein und meldete sich am selben Tag in … mit den Personalien „…, …“ als Asylsuchender und am 18. Januar 2015 in München unter den Personalien „…, …“. Ohne Kenntnis der Personengleichheit und der bereits durchgeführten Asylverfahren unter dem Namen „…, …“ stellte die Regierung von Oberbayern dem Kläger eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender aus und forderte ihn auf, sich zur Erstaufnahmeeinrichtung in … zu begeben (Bl. … ff. Behördenakte I). Die Zentrale Ausländerbehörde der Bezirksregierung … wies den Kläger dem Hochsauerlandkreis zu (Bl. … … … ff. Behördenakte I).
22
Am 10. März 2015 verurteilte das Amtsgericht … den Kläger wegen unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je zehn EUR (Bl. … Behördenakte I).
23
Am … … 2016 wurde der Kläger wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthalts entgegen der Einreiseverweigerung von Ungarn in das Schengen-Gebiet vorläufig festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt. Hierbei gab der Kläger an, dass er seit seiner Einreise im Januar 2015 noch keinen förmlichen Asylantrag gestellt habe. Im Ermittlungsbericht des Polizeipräsidiums Südosthessen wurde festgestellt, dass der Kläger bislang 38 Mal polizeilich in Erscheinung getreten sei (Bl. … ff. Behördenakte I).
24
Am … … 2017 sprach der Kläger gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, Frau. S., einer deutschen Staatsangehörigen, bei der Ausländerbehörde der Stadt … a.M. vor und gab an, an der Stellung eines Asylfolgeantrags kein Interesse zu haben. Er wolle seine Lebensgefährtin heiraten. Die Rechtslage für eine Familienzusammenführung wurde erörtert (Bl. … Behördenakte I).
25
Mit Verfügung vom … … 2017 stellte die Staatsanwaltschaft … das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz nach § 153 Abs. 1 StPO ein (Bl. … Behördenakte I).
26
Am … … 2017 sprach der Kläger erneut bei der Ausländerbehörde der Stadt … a.M. vor und gab an, dass noch Unterlagen für die Eheschließung fehlten. Es wurde vereinbart, dass dem Kläger Zeit eingeräumt werde, ein Sprachzertifikat zu erwerben, er spätestens am … … 2017 ein Rückreiseticket bei der Ausländerbehörde vorlegen, freiwillig ausreisen und das Visumsverfahren durchlaufen werde. Die Ausländerbehörde der Stadt … a.M. händigte dem Kläger eine Grenzübertrittsbescheinigung aus, wonach der Kläger verpflichtet war, die Bundesrepublik Deutschland bis spätestens … … 2017 zu verlassen (Bl. … ff. Behördenakte I).
27
Mit Bescheid vom 2. März 2017 drohte die Ausländerbehörde der Stadt … a.M. dem Kläger die Abschiebung in den Kosovo oder einen anderen zur Rückübernahme verpflichteten Staat an und befristete die Wirkung der Abschiebung nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf zwei Jahre nach vollzogener Abschiebung. Ferner ordnete sie für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise und selbst verschuldeten Überschreitung der Ausreisefrist um mehr als einen Monat ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von sechs Monaten an, § 11 Abs. 6 AufenthG (Bl. 1478 ff. Behördenakte I).
28
Am … … 2017 heiratete der Kläger die deutsche Staatsangehörige Frau S.. In … a.M. (Bl. … Behördenakte I).
29
Mit Beschluss vom 18. Mai 2017 lehnte das Verwaltungsgericht … den gegen den Bescheid vom 2. März 2017 gestellten Antrag auf Eilrechtsschutz ab (Bl. … ff. Behördenakte I).
30
Am 18. Juli 2017 legte der Kläger im Rahmen einer Vorsprache mit seiner Ehefrau und seinem Bevollmächtigten der Ausländerbehörde der Stadt … a.M. ein Zertifikat vom … … 2017 über die nicht-bestandene A1-Prüfung vor. Er gab an, dass er nicht in den Kosovo reisen könne, um dort das Visumsverfahren nachzuholen, da ihm dort alles viel zu lang dauere; er wolle das Visum zur Familienzusammenführung in Frankreich einholen (Bl. … f. Behördenakte I).
31
Am … … 2017 wurde der Kläger in den Kosovo abgeschoben (Bl. … Behördenakte I).
32
Am 30. August 2017 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers die Verkürzung einer Wiedereinreisesperre auf den 1. September 2017 (Bl. … Behördenakte I).
33
Mit Schreiben vom 6. September 2017 teilte die Ausländerbehörde der Stadt … a.M. dem Bevollmächtigten mit, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot bis zum 16. Februar 2020 bestehe. Da der Kläger die Ausreisefrist um mehr als einen Monat selbst verschuldet überschritten habe, sei das Einreise- und Aufenthaltsverbot von sechs Monaten angeordnet worden. Weiterhin sei die Wirkung der Abschiebung vom … … 2017 auf zwei Jahre nach vollzogener Abschiebung befristet worden (Bl. … f. Behördenakte I).
34
Nach Erkenntnissen der Ausländerbehörde der Stadt … a.M. vom … … 2017 hat der Kläger im Zeitraum von Februar 2015 bis Mai 2016 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von insgesamt 11.227,81 EUR in Anspruch genommen (Bl. … f. Behördenakte I).
35
Am … … 2019 gab der Kläger gegenüber der Ausländerbehörde der Stadt … a.M. telefonisch an, dass er nach dem … … 2020 zu seiner deutschen Ehefrau auf Dauer einreisen könne, er habe ja hierzu alle Rechte. Die Ausländerbehörde wies den Kläger darauf hin, dass er vor seiner Einreise einen Antrag auf Ausstellung eines Visums zum Zweck der Familienzusammenführung bei der deutschen Botschaft in Pristina, Kosovo stellen müsse. Der Kläger erwiderte, dass ihm das Visumsverfahren zu lang dauere und er auf jeden Fall nach dem … … 2020 wieder zu seiner Ehefrau einreisen und sich bei ihr aufhalten werde; es sei ihm egal, wenn er sich wiederholt strafbar mache und erneut mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen rechnen müsse (Bl. … Behördenakte I).
36
Der Kläger reiste am … … 2020 erneut in das Bundesgebiet ein (Bl. … … … Behördenakte I). Am … … 2020 wurde er wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthalts vorläufig festgenommen und in der JVA … in Untersuchungshaft genommen (Bl. … ff. Behördenakte I). In der polizeilichen Vernehmung gab der Kläger an, dass er seit ca. zwei Monaten in … lebe und er bei seiner Einreise gewusst habe, dass er nicht nach Deutschland hätte einreisen dürfen. Er habe das deutsche Gesetz angeschaut und gelesen, dass eine Schwangerschaft vor der Abschiebung schütze. Frau G.-S., deutsche Staatsangehörige, sei im dritten Monat schwanger, er sei der Vater des ungeborenen Kindes (Bl. … ff. Behördenakte I). Diese bestätigte bei einer polizeilichen Vernehmung am … … 2020, dass der Kläger der biologische Vater des ungeborenen Kindes sei (Bl. … Behördenakte I).
37
Mit Schreiben vom 10. März 2020 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ausweisung an (Bl. … Behördenakte I).
38
Mit Strafbefehl vom 23. März 2020 verurteilte das Amtsgericht … den Kläger wegen unerlaubter Einreise nach Abschiebung in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt nach Abschiebung nach §§ 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b, 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Entscheidung wurde am 7. April 2020 rechtskräftig (Bl. … ff. Behördenakte I).
39
Der Kläger wurde am … … 2020 aus der Untersuchungshaft entlassen (Bl. … Behördenakte I).
40
Mit Schreiben vom 8. Juni 2020 legte der Bevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten eine Stellenbeschreibung für eine Tätigkeit des Klägers als Maurer vor und bat um eine Anfrage bei der Bundesagentur für Arbeit (Bl. … ff. Behördenakte I).
41
Mit Schreiben vom 10. Juni 2020 teilte die Beklagte mit, dass sie weiterhin beabsichtige, den Kläger auszuweisen, die Ausreisefrist am 30. Juni 2020 ablaufe und eine Anfrage bei der Bundesagentur für Arbeit nicht erfolgen werde (Bl. … Behördenakte I).
42
Am 30. Juni 2020 wurde die Grenzübertrittsbescheinigung letztmalig bis zum 10. Juli 2020 verlängert (Bl. … Behördenakte I).
43
Mit Schreiben vom 7. September 2020 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er sich nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ohne Aufenthaltstitel unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte, da er vollziehbar ausreisepflichtig sei, eine Ausreisefrist nicht gewährt und die Abschiebung auch nicht ausgesetzt worden sei. Die Einleitung eines Strafverfahrens werde daher überprüft. Auf das Anhörungsschreiben vom … … 2020 wurde verwiesen (Bl. … ff. Behördenakte I).
44
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2020 wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. 1), erließ ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren (Nr. 2), wies auf die Ausreisefrist bis zum 10. Juli 2020 hin (Nr. 3) und drohte die Abschiebung in den Kosovo oder einen anderen Staat an, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (Nr. 4). Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich aus der Straffälligkeit des Klägers, insbesondere den der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung zugrundeliegenden Straftaten, eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ergebe. Das persönliche Verhalten des Klägers stelle gegenwärtig eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Die gesamte ausländerrechtliche Historie des Klägers in Deutschland zeige dessen Acht- und Respektlosigkeit gegenüber geltenden Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen und dem deutschen Rechtssystem im Allgemeinen. Der Kläger sei bereits in den Jahren 2000, 2003, 2005 und 2017 aus dem Bundesgebiet abgeschoben worden und in den Jahre 2003, 2005, 2015 und 2020 entgegen bestehender Einreise- und Aufenthaltsverbote, die dem Kläger bekannt gewesen seien, ins Bundesgebiet eingereist. Die Stadtverwaltung … a.M. habe den Kläger zuletzt ausdrücklich auf das Visumsverfahren und auf die Strafbarkeit einer illegalen Einreise hingewiesen. Der Kläger sei am … … 2020 in Kenntnis der geltenden Rechtslage und in dem Bewusstsein, dass er sich wiederholt strafbar mache und er erneut mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen rechnen müsse, ohne erforderliches Visum ins Bundesgebiet eingereist. Auch in anderen Ländern des Schengen-Raums habe der Kläger das jeweilige Aufenthaltsrecht zu seinen Gunsten ausnutzen wollen; in Frankreich sei er mit sieben Alias-Namen erfasst, Ungarn habe ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen ihn verhängt. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger auch in Zukunft wieder versuchen werde, ohne Visum unerlaubt in den Schengen-Raum einzureisen, um sich in Deutschland aufzuhalten. Der Kläger sei ein Wiederholungstäter und habe bereits mehrmals gegen ausländerrechtliche Vorschriften verstoßen. Bei der Interessenabwägung überwiege das öffentliche Interesse an einer Ausreise des Klägers. Ein Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG sei nach Aktenlage nicht nachgewiesen. Die eheliche Lebensgemeinschaft mit der deutschen Ehefrau werde nicht mehr geführt. Eine Vaterschaft, ein Personensorgerecht oder Umgangsrecht habe der Kläger nicht nachgewiesen. Die Ausweisung sei aus general- und spezialpräventiven Gesichtspunkten gerechtfertigt. Die Ausländerbehörde habe bei der Bestimmung der Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots von fünf Jahren ihr Ermessen ausgeübt. Der Zeitraum von fünf Jahren sei erforderlich, um dem Gefahrenpotential Rechnung tragen zu können. Der Kläger sei Wiederholungstäter und habe bereits mehrfach bewiesen, dass er keinen Respekt vor geltendem Recht habe und sich auch in Zukunft über Einreisebestimmungen hinwegsetzen werde. Auf die Begründung des Bescheids im Übrigen wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
45
Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2020 erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage gegen diesen Bescheid und beantragte,
I. Der Bescheid der Landeshauptstadt München vom 7. Oktober 2020, Az.: … wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
46
Gleichzeitig beantragte der Bevollmächtigte, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (M 4 S. 20 …). Die Begründung erfolge in einem gesonderten Schriftsatz.
47
Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2020 legte die Beklagte die Behördenakte vor und beantragte,
die Klage abzuweisen.
48
Auf den Bescheid vom 7. Oktober 2020 wurde Bezug genommen.
49
Am 19. November 2020 machte der Kläger gegenüber der Beklagten telefonisch geltend, dass er einen Termin zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vereinbaren wolle. Er habe Erfahrung im Ausländerrecht und weil er ein Kind gezeugt habe und der Vater sei, könne er nicht abgeschoben werden (Bl. … der dem Gericht am 12. Januar 2021 vorgelegten Behördenakte inkl. Restakte, nachfolgend: Behördenakte II).
50
Mit Schreiben vom 2. Dezember 2020 „bat“ der Kläger die Beklagte, ihm eine Arbeitserlaubnis auszustellen. Er lebe mit seiner Lebensgefährtin, Frau G.-S., zusammen und wolle eine Familie aufbauen. Sie erwarteten ein Kind und er sei bei ihr gemeldet (Bl. … Behördenakte II).
51
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2020 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 8. Juni 2020 und vom 2. Dezember 2020 an (Bl. … Behördenakte II).
52
Mit gerichtlichem Schreiben vom 10. Dezember 2020 wurde der Bevollmächtigte des Klägers unter anderem gebeten, mitzuteilen und gegebenenfalls nachzuweisen, ob bzw. wann das Kind der Lebensgefährtin des Klägers geboren ist und die Vaterschaft nachzuweisen.
53
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2020 nahm der Kläger zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Stellung und „legte Widerspruch ein“. Er sei erst am … … 2020 und damit nach dem Ende des Einreiseverbots wieder nach Deutschland eingereist. Seine neue Lebensgefährtin, Frau G.-S., könne dies bestätigen. Er wolle mit ihr zusammen eine Familie gründen (Bl. … Behördenakte II).
54
Mit Bescheid vom 12. Januar 2021 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 8. Juni 2020 und vom 2. Dezember 2020 ab. Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht explizit gestellt habe, die Schreiben vom 8. Juni 2020 und vom 2. Dezember 2020 jedoch konkludent als Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs bzw. zur Erwerbstätigkeit gewertet würden. Einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe entgegen, dass die allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt sei, da beim Kläger mit der Verurteilung durch das Amtsgericht … wegen unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt nach Abschiebung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ein schweres Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG vorliege. Sein Vortrag, wonach der Kläger erst am … … 2020 in das Bundesgebiet eingereist sei, werte die Beklagte als reine Schutzbehauptung. Aufgrund der Einreise entgegen des Einreise- und Aufenthaltsverbots der Stadt … a.M. sei der Kläger verurteilt worden; er selbst habe in der entsprechenden polizeilichen Vernehmung angegeben, bereits Anfang Januar in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Ferner sei der Kläger entgegen § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ohne erforderliches Visum in das Bundesgebiet eingereist. Als kosovarischer Staatsangehöriger unterliege er der Visumspflicht nach Art. 3 Visa-VO 2018 i.V.m. Anhang I Nr. 2 Visa-VO 2018. Auch die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zum Zweck des Familiennachzugs zur deutschen Ehefrau lägen nicht vor. Nach Aktenlage sei der Kläger zwar weiterhin mit der deutschen Staatsangehörigen, Frau S., verheiratet. Die Herstellung einer familiären Lebensgemeinschaft sei jedoch nicht ersichtlich; der Kläger habe selbst angegeben, mit seiner neuen Lebensgefährtin eine Familie gründen zu wollen. Einem Familiennachzug zur Lebensgefährtin stehe entgegen, dass sie nicht verheiratet seien. Einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG stehe entgegen, dass weder die Geburt eines Kindes noch die Vaterschaft noch ein Personensorgerecht nachgewiesen worden sei. Die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit nach § 19c AufenthG i.V.m. § 26 Abs. 2 BeschV seien ebenfalls nicht gegeben, da der Kläger den Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels nicht bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsstaat gestellt habe und nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist sei. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe auch der absolute Versagungsgrund nach § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen. Der Kläger sei entgegen eines bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots durch die Stadt … a.M. in das Bundesgebiet eingereist, der Ablauf der Frist werde für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt, § 11 Abs. 9 Satz 1 AufenthG. Auf die Begründung des Bescheids im Übrigen wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
55
Mit Schreiben vom 12. Januar 2021 gab die Lebensgefährtin des Klägers, Frau G.-S., gegenüber dem Gericht an, dass dieser nicht bereits am … … 2020, sondern erst am … … 2020 ins Bundesgebiet eingereist sei. Sie habe ihn am … … 2020 im Kosovo besucht. Zum „Beweis“ legte sie Kopien ihrer Reiseunterlagen vor, unter anderem mit Flugdaten zu Flügen vom … … 2019 von München nach Skopje, Nordmazedonien und vom … … 2020 von Skopje nach München.
56
Das Gericht verhandelte am 26. Januar 2021 mündlich zur Sache. Das Gericht stellte das Verfahren M 4 S 20. … nach Rücknahme des Eilantrags durch den Bevollmächtigten ein. Der Bevollmächtigte des Klägers beantragte zuletzt,
die Bescheide der Beklagten vom 7. Oktober 2020 und vom 12. Januar 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
57
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, auch im Eilverfahren, sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
58
Die Klage hat keinen Erfolg.
I.
59
Die Klage ist unbegründet. Die Ausweisung erweist sich als rechtmäßig. Gleiches gilt für die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots. Die Abschiebungsandrohung begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
60
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 7. Oktober 2020, weil dieser im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 - 1 C 9.12 - juris Rn. 8; U.v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 12) rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Er hat keinen Anspruch auf Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 113 Abs. 5 VwGO).
61
Das Gericht verweist auf die zutreffenden Ausführungen im ausführlich begründeten Bescheid, folgt der Begründung und sieht insoweit von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
62
Darüber hinaus gilt folgendes:
63
1.1. Die in Nr. 1 des Bescheids der Beklagten vom 7. Oktober 2020 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
64
Der Kläger gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung (1.1.1.), und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorgenommene Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (§ 53 Abs. 1 AufenthG); die Ausweisung ist auch nicht unverhältnismäßig (1.1.2.).
65
1.1.1. Der weitere Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet stellt eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG dar, da mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Kläger erneut straffällig werden wird.
66
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (BayVGH, B.v. 8.4.2019 - 10 ZB 18.2284 - juris Rn. 10; BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13/11 - juris Rn. 18). Hierbei sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
67
Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände besteht vorliegend eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass vom Kläger die Gefahr der Begehung weiterer erheblicher Verstöße gegen die deutsche Rechtsordnung ausgeht, insbesondere im Bereich der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen. Sein persönliches Verhalten stellt gegenwärtig eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Das Verhalten des Klägers in der Vergangenheit, aus dem hinsichtlich der Wiederholungsgefahr Rückschlüsse zu ziehen sind, legt eine hohe Rückfallgefahr nahe.
68
Der Kläger wurde zuletzt am … … 2020 wegen unerlaubter Einreise nach Abschiebung in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt nach Abschiebung gemäß §§ 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b, 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Der Kläger war nach eigenen Angaben im Ermittlungsverfahren und ausweislich des rechtskräftigen Strafbefehls vom … … 2020 am … … 2020 ins Bundesgebiet eingereist, obwohl er wusste, dass er gegen das mit Bescheid der Stadt … a.M. vom 2. März 2017 verhängte Einreise- und Aufenthaltsverbot von zwei Jahren und sechs Monaten, das nach seiner Abschiebung in den Kosovo am 16. August 2017 noch bis zum 16. Februar 2020 galt, verstoßen würde. Der Kläger handelte hierbei offensichtlich in Kenntnis der geltenden ausländerrechtlichen Bestimmungen. Aus dem Aktenvermerk der zuständigen Sachbearbeiterin bei der Ausländerbehörde der Stadt … a.M. vom … … 2019 zu einem Telefonat mit dem Kläger vom selben Tag ergibt sich, dass der Kläger wusste, dass sein Einreise- und Aufenthaltsverbot erst mit Ablauf des 16. Februar 2020 enden würde. Der Kläger wurde außerdem ausdrücklich auf die Einreisebestimmungen zum Familiennachzug - erforderliches Visum und Sprachzertifikat - hingewiesen. Die Angaben des Klägers, dass er „alle Rechte habe, auf Dauer zu seiner deutschen Ehefrau einzureisen“, „ihm das Visumsverfahren bei der deutschen Botschaft im Kosovo einfach zu lange dauere“ und er „auf jeden Fall wieder zu seiner Ehefrau einreisen und sich bei ihr aufhalten werde, es ihm egal sei, wenn er sich dann wiederholt strafbar mache und er wiederholt mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen rechnen müsse“ (Bl. … Behördenakte I), zeugen von einem bewusst rechtswidrigen und strafbaren Verhalten, einer beharrlichen Weigerung, die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen zu beachten, und einer Missachtung der deutschen Rechtsordnung. Die illegale Einreise des Klägers unter Zuhilfenahme eines Schleusers, dem er 2.000 EUR bezahlte (Bl. … … … Behördenakte I), belegt das planvolle Vorgehen des Klägers und dessen nicht unerhebliche kriminelle Energie. Dass der Kläger mit Schreiben vom 14. Dezember 2020 gegenüber der Beklagten und dessen Lebensgefährtin mit Schreiben vom 12. Januar 2021 gegenüber dem Gericht nunmehr angeben, dass der Kläger erst nach Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots am 1. März 2020 ins Bundesgebiet eingereist sei, wertet das Gericht als reine Schutzbehauptung. Aufgrund der polizeilichen Ermittlungsberichte vom … … 2020 (Bl. … ff. Behördenakte I) und des rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts … vom … März 2020 (Bl. … ff. Behördenakte I) ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger am … … 2020 ins Bundesgebiet eingereist ist.
69
Darüber hinaus schreckt der Kläger nicht davor zurück, falsche Angaben gegenüber den Ausländerbehörden zu machen, um einen gesicherten Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet zu erlangen. Am 9. Dezember 2019 gab der Kläger gegenüber der Ausländerbehörde der Stadt … a.M. noch an, zu seiner deutschen Ehefrau, wohnhaft in … a.M., einreisen zu wollen (Bl. … Behördenakte I). Hierbei täuschte der Kläger offenbar über den beabsichtigten Zweck der Einreise. Bei seiner Festnahme am … … 2020 stellte sich nämlich heraus, dass der Kläger bei seiner Lebensgefährtin in … lebte; er gab an, dass sie im dritten Monat schwanger und er der Vater des ungeborenen Kinds sei; die Lebensgefährtin bestätigte dies (Bl. … ff. Behördenakte I). In der polizeilichen Vernehmung am … … 2020 erklärte der Kläger außerdem, dass er gewusst habe, noch nicht nach Deutschland einreisen zu dürfen, er das deutsche Gesetz gelesen habe und trotzdem nach Deutschland gekommen sei, weil seine Freundin schwanger sei; er wisse, dass Schwangerschaft vor einer Abschiebung schütze (Bl. … Behördenakte I).
70
Der Kläger machte auch am 19. November 2020 falsche Angaben gegenüber der Ausländerbehörde der Beklagten, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen, indem er vorgab, Vater eines deutschen Kinds zu sein bzw. zu werden. Er erklärte, dass er Erfahrung im Ausländerrecht habe und dass er, weil er in Deutschland ein Kind gezeugt habe und der Vater sei, nicht abgeschoben werden könne (Bl. … Behördenakte II). Mit Schreiben vom 2. Dezember 2020 erklärte er gegenüber der Beklagten, dass er und seine Lebensgefährtin ein Kind erwarten (Bl. … Behördenakte). In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger auf Nachfrage des Gerichts hingegen an, dass seine Lebensgefährtin das Kind bereits im Sommer 2020 verloren habe. Damit machte der Kläger am 19. November 2020 und mit Schreiben vom 2. Dezember 2020 wider besseres Wissens eine werdende Vaterschaft geltend.
71
Für eine erhebliche Wiederholungsgefahr spricht ferner, dass der Kläger bereits mehrfach - auch einschlägig - vorbestraft und hafterfahren ist. Der Kläger ist hinsichtlich der Begehung von Straftaten wegen Verstößen gegen ausländerrechtliche Bestimmungen Wiederholungstäter. Er wurde am … Mai 2000, am ... Oktober 2003, am … November 2005 und am … August 2017 in den Kosovo und am ... Mai 2005 nach Frankreich abgeschoben; er reiste am … Juli 2003, am … Februar 2005, am ... März 2005, am … Mai 2005, am … Januar 2015 und zuletzt am … Januar 2020 entgegen eines Einreise- und Aufenthaltsverbots ins Bundesgebiet ein.
72
Der Kläger wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass er wiederholt entgegen eines bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots - aufgrund der Ausweisung mit Bescheid vom … … 1998, der durchgeführten Abschiebungen und der Einreiseverweigerung Ungarns - unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, sich unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten hat und vollziehbar ausreisepflichtig ist. Ein Visumsverfahren hat der Kläger nach Aktenlage kein einziges Mal angestrengt.
73
Bei Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung der zahlreichen Einreisen ins Bundesgebiet entgegen eines bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots, der Verurteilungen wegen Verstößen gegen Vorschriften des Ausländergesetzes bzw. Aufenthaltsgesetzes und des offensichtlich uneinsichtigen Auftretens des Klägers gegenüber den zuständigen Ausländerbehörden, ergibt sich für das Gericht das Bild, dass der Kläger unter Umgehung der gesetzlichen Vorschriften mit allen Mitteln einen Aufenthalt in Deutschland erreichen möchte und dabei weder vor Falschangaben gegenüber Behörden noch vor der Begehung von Straftaten zurückschreckt. Es ist daher auch in Zukunft zu erwarten, dass der Kläger jederzeit bereit ist, gesetzliche Bestimmungen zu missachten und die Behörden zu täuschen, wenn ihm dies zu seinem persönlichen Vorteil tunlich erscheint.
74
Überdies bestehen erhebliche generalpräventive Gründe für die Ausweisung. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt nach seinem Wortlaut nur, dass der weitere „Aufenthalt“ des Ausländers eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Vom weiteren Aufenthalt eines Ausländers kann auch dann eine solche Gefahr ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-)Gefahr mehr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Verstöße zu begehen (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2019 - 1 C 21.18 - juris Rn. 17). Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Heranziehung generalpräventiver Gründe bei einer Ausweisungsentscheidung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird (vgl. BVerfG, B.v. 21.3.1985 - 2 BvR 1642/83 - juris Rn. 24; B.v. 17.1.1979 - 1 BvR 241/77 - juris Rn. 37; B.v. 10.8.2007 - 2 BvR 535/06 - juris Rn. 23 ff.). Es liegt vorliegend im öffentlichen Interesse, die vom Kläger begangenen Verstöße mit dem Mittel der Ausweisung zu bekämpfen, um auf diese Weise andere Ausländer von der Nachahmung eines solchen Verhaltens abzuschrecken. Es soll anderen Ausländern vor Augen geführt werden, dass derartige Verstöße, hier insbesondere gegen das Aufenthaltsgesetz, mit der Aufenthaltsbeendigung und mit einem damit einhergehenden Aufenthaltsverbot bedacht werden. Diesem Zweck wird durch eine einheitlich verlässliche Verwaltungspraxis der Ausländerbehörden Rechnung getragen. Die konsequente Ahndung ist geeignet, unmittelbar auf das Verhalten anderer Ausländer einzuwirken und damit künftigen Verstößen wie den vom Kläger verwirklichten generalpräventiv vorzubeugen.
75
1.1.2. Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage i.S.d. § 53 Abs. 1 AufenthG zu treffende Abwägung ergibt, dass das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt und die Ausweisung nicht unverhältnismäßig ist.
76
§ 53 AufenthG gestaltet die Ausweisung als Ergebnis einer umfassenden, ergebnisoffenen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus. Sofern das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt, ist die Ausweisung rechtmäßig. In die Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind die in §§ 54, 55 AufenthG vorgesehenen Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen grundsätzlichen Gewichtung einzubeziehen. Neben den dort explizit aufgeführten Interessen sind aber noch weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Bleibe- oder Ausweisungsinteressen denkbar. Die Katalogisierung in den §§ 54, 55 AufenthG schließt die Berücksichtigung weiterer Umstände nicht aus (BT-Drs. 18/4097, S. 49). Nach § 53 Abs. 2 AufenthG sind bei der Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Die Aufzählung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien ist aber nicht abschließend (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Es sind für die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung maßgeblich auch die Kriterien des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heranzuziehen (vgl. nur EGMR, U.v. 18.10.2006 - Üner, Nr. 46410/99 - juris Rn. 57 f.).
77
1.1.2.1. Beim Kläger liegt ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG vor. Danach wiegt das Ausweisungsinteresse schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist. Die Norm greift ab sechs Monaten Freiheitsstrafe, unabhängig davon, ob die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt ist (Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 54 Rn. 67). Der Kläger wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 23. März 2020 wegen unerlaubter Einreise nach Abschiebung in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt nach Abschiebung nach §§ 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b, 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Die Entscheidung wurde am 7. April 2020 rechtskräftig (Bl. … ff. Behördenakte I).
78
Zudem besteht auch ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG. Danach wiegt das Ausweisungsinteresse schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen hat. Der Kläger ist am … … 2020 entgegen des mit Bescheid der Stadt … a.M. vom 2. März 2017 verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbots und entgegen § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist und hat sich entgegen der Verfügung und entgegen § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten. Er hat damit gegen § 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b AufenthG verstoßen. Hierbei handelt es sich weder um vereinzelte noch um geringfügige Verstöße gegen die Rechtsordnung.
79
1.1.2.2. Auf ein gesetzlich normiertes Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG kann sich der Kläger nicht berufen. Insbesondere besteht kein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG, da der Kläger mit seiner deutschen Ehefrau nicht in familiärer Lebensgemeinschaft lebt. Er übt auch nicht ein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder ein Umgangsrecht mit diesem aus.
80
1.1.2.3. Bei der nach § 53 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Abwägung zwischen Ausweisungs- und Bleibeinteresse überwiegt bei Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien sowie aller sonstigen Umstände das öffentliche Interesse an der Ausreise das Bleibeinteresse des Klägers. Die Ausweisung ist angesichts der Gesamtumstände und unter Berücksichtigung der Anforderungen der Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig.
81
Die aus spezialpräventiven Gründen für das Überwiegen des Ausweisungsinteresses sprechenden Gesichtspunkte sind gemeinsam mit den generalpräventiven Gründen so gewichtig, dass die vom Beklagten vorgenommene Entscheidung nicht zu beanstanden ist. Der Beklagte hat die privaten Belange des Klägers zutreffend dargestellt und mit sehr ausführlicher Begründung, der sich das Gericht anschließt, gegen die für die Ausreise sprechenden Gründe abgewogen.
82
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Die Behörde darf nach Art. 8 Abs. 2 EMRK in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Da Art. 8 Abs. 2 EMRK eindeutig Ausnahmen von den in Art. 8 Abs. 1 EMRK zugesicherten Rechten vorsieht, kann aus Art. 8 Abs. 1 EMRK kein absolutes Recht auf Nichtausweisung abgeleitet werden. Vielmehr bedarf es einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung, in die sämtliche Aspekte des Einzelfalls einzustellen sind.
83
Nach der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG hat der Staat die Pflicht, die Familie zu schützen und zu fördern. Jedoch ergibt sich auch hieraus kein unmittelbarer Anspruch auf Aufenthalt (vgl. nur BVerfG, B.v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris Rn. 14). Vielmehr verpflichtet Art. 6 Abs. 1 und 2 GG die Ausländerbehörde wie auch die Gerichte, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des Klägers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen bei der Entscheidung zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris - Rn. 16; B.v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris Rn. 14). Insofern beanspruchen die oben zu Art. 8 EMRK genannten Kriterien auch Geltung für die Beantwortung der Frage, ob der vorliegende Eingriff verhältnismäßig im Sinne von Art. 6 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG ist.
84
Der Kläger ist zuletzt im Alter von 42 Jahren in das Bundesgebiet eingereist. Er hat sich seit 1993 mehrfach und insgesamt mehrere Jahre im Bundesgebiet aufgehalten. Seinen Aufenthalten in Deutschland kann jedoch kein wesentliches Gewicht beigemessen werden, nachdem seine Einreisen und Aufenthalte im Bundesgebiet unerlaubt - allenfalls im Rahmen der Asylverfahren gestattet - waren. Der Kläger befand sich nie im Besitz des für eine Einreise und einen Aufenthalt erforderlichen Aufenthaltstitels.
85
Der Kläger ist auch nicht derart irreversibel in die deutschen Lebensverhältnisse eingefügt, dass ihm ein Leben im Kosovo unzumutbar wäre. Der Kläger verfügt nur über geringe deutsche Sprachkenntnisse. Wirtschaftlich ist der Kläger im Bundesgebiet nicht integriert; er verfügt beruflich über keine gesicherte Position, lebt von der finanziellen Unterstützung einer Schwester und seiner Lebensgefährtin und hat in der Vergangenheit in nicht unerheblichem Umfang Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Anspruch genommen. Er ist im Kosovo aufgewachsen, zur Schule gegangen, hat dort eine Ausbildung begonnen und zumindest zeitweise nach den Abschiebungen in den Jahren 2000, 2003, 2005 und 2017 im Kosovo gelebt, so dass seiner Integration im Kosovo keinerlei sprachliche oder kulturelle Hürden entgegenstehen. Im Kosovo leben nach eigenen Angaben seine Mutter, seine 52-jährige Schwester und sein 38-jähriger Bruder jeweils mit eigener Familie, die den Kläger gegebenenfalls unterstützen können. Zwar leben auch in Deutschland Geschwister des Klägers. Allerdings handelt es sich dabei nicht um die Kernfamilie des Klägers. Dieser ist als 44-jähriger Mann nicht auf die Unterstützung seiner in Deutschland lebenden Geschwister angewiesen.
86
Zwar ist der Kläger mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet, die im Bundesgebiet lebt. Der Ehe kommt jedoch im Rahmen der gebotenen Einzelfallbetrachtung und Interessenabwägung nur geringes Gewicht zu, da die eheliche Lebensgemeinschaft mit der Ehefrau nicht besteht und auch nicht beabsichtigt ist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Ehefrau des Klägers auf dessen Unterstützung angewiesen wäre.
87
Der Kläger ist mit einer deutschen Staatsangehörigen liiert, mit der er eine Familie gründen möchte. Dies fällt jedoch nicht wesentlich ins Gewicht. Zulasten des Klägers ist nämlich zu berücksichtigen, dass er die Beziehung mit seiner Lebensgefährtin in Deutschland im Wissen um die unerlaubte Einreise und den unerlaubten Aufenthalt im Bundesgebiet eingegangen ist. Vor diesem Hintergrund war dem Kläger die unsichere Aufenthaltsperspektive bewusst (vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2018 - 10 ZB 18.1710 - juris Rn. 13 und B.v. 12.1.2020 - 10 ZB 20.2257 - juris Rn. 7 zur Eheschließung). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Lebensgefährtin des Klägers auf dessen Unterstützung angewiesen wäre oder der Kläger auf die Unterstützung seiner Lebensgefährtin. Insbesondere haben der Kläger und seine Lebensgefährtin kein gemeinsames Kind, auch die behauptete Schwangerschaft ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts nicht nachgewiesen. Den Kontakt zu seiner Lebensgefährtin kann der Kläger vom Kosovo aus über Telekommunikationsmittel und Besuchsaufenthalte aufrechterhalten. Zudem besteht auch die Möglichkeit der Erteilung von Betretenserlaubnissen (§ 11 Abs. 8 AufenthG).
88
Vor diesem Hintergrund, insbesondere unter Berücksichtigung der vom Kläger ausgehenden Wiederholungsgefahr sowie des erheblichen generalpräventiven Interesses, fällt die nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG zu treffende Gesamtabwägung zu Lasten des Klägers aus. Das Ausweisungsinteresse überwiegt das Bleibeinteresse. Die Ausweisung steht auch mit Art. 8 EMRK im Einklang, da sie gesetzlich vorgesehen ist (§ 53 Abs. 1 AufenthG) und einen in dieser Bestimmung aufgeführten legitimen Zweck, nämlich die Verteidigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und die Verhinderung von Straftaten, verfolgt. Die Ausweisung ist die geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um den beabsichtigten Zweck durchzusetzen. Durch ein anderes, milderes Mittel kann der mit ihr verfolgte Zweck vorliegend nicht erreicht werden. Im Ergebnis ist die Ausweisung des Klägers daher verhältnismäßig und rechtmäßig und zur Wahrung des mit ihr verfolgten Interesses unerlässlich.
89
1.2. Die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots beruht auf § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in Nr. 2 des angegriffenen Bescheids auf fünf Jahre ist nicht zu beanstanden.
90
Das Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbot ist von Amts wegen zu befristen. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist über die Länge der Frist nach Ermessen zu entscheiden. Die Frist darf gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nur in den Fällen der Absätze 5 bis 5b überschreiten, die vorliegend nicht einschlägig sind. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen; es bedarf einer prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. In einem zweiten Schritt ist die so ermittelte Frist an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, zu überprüfen und gegebenenfalls zu verkürzen; dieses normative Korrektiv bietet den Ausländerbehörden und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2015 - 10 B 13.715 - juris Rn. 56). Diese vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze (BVerwG, U.v. 10.7.2012 - 1 C 19/11 - juris Rn. 42; U.v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 32) gelten auch im Rahmen der geänderten Fassung des § 11 AufenthG fort (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2016 - 10 ZB 15.492 - juris Rn. 4; U.v. 28.6.2016 - 10 B 15.1854 - Rn. 50).
91
Gemessen an diesen Vorgaben ist eine Befristung auf fünf Jahre nicht zu beanstanden. Ermessensfehler im Sinne von § 114 VwGO sind nicht ersichtlich. Die behördliche Entscheidung hält sich in dem von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG festgelegten Rahmen. Die Beklagte hat zutreffend das Gewicht des Ausweisungsgrundes und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck sowie die privaten Interessen des Klägers berücksichtigt. Angesichts der hohen Wiederholungsgefahr und des Gewichts des generalpräventiven Interesses ist eine Frist von fünf Jahren nicht zu beanstanden. Eine kürzere Frist ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft mit der deutschen Staatsangehörigen, Frau S., nicht geführt wird und der Kläger nicht Vater eines deutschen bzw. in Deutschland lebenden Kindes ist, nicht veranlasst. Gegebenenfalls bestehende besondere Härten können durch die Ausnahmegenehmigung nach § 11 Abs. 8 AufenthG gemildert und die Frist unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 AufenthG verkürzt werden.
92
1.3. Die in Nr. 4 des Bescheids vom 7. Oktober 2020 verfügte Androhung der Abschiebung ohne Fristsetzung in den Kosovo oder in einen anderen zur Aufnahme des Klägers bereiten und verpflichteten Staat entspricht den gesetzlichen Vorschriften (§ 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1 und 2, § 59 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AufenthG) und ist nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte die Beklagte von einer (erneuten, vgl. Nr. 3 des Bescheids) Fristsetzung für eine freiwillige Ausreise gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG ausnahmsweise absehen, weil dies angesichts des bisherigen Verhaltens des Klägers und der von ihm ausgehenden Wiederholungsgefahr zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich war.
93
Die Klage gegen den Bescheid vom 7. Oktober 2020 ist deshalb abzuweisen.
94
2. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
95
Das Gericht verweist auf die zutreffenden Ausführungen im ausführlich begründeten Bescheid, folgt der Begründung und sieht insoweit von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
96
Darüber hinaus gilt folgendes:
97
2.1. Der Kläger hat bereits keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, da dem die Titelerteilungssperre des § 11 Abs. 1 AufenthG entgegensteht. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG darf einem Ausländer, der ausgewiesen wurde, selbst im Falle eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt werden.
98
2.2. Unabhängig davon hat der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und/oder Nr. 3 AufenthG zum Zweck des Familiennachzugs.
99
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zum Zweck des Familiennachzugs zur deutschen Ehefrau kommt nicht in Betracht, weil der Kläger und seine deutsche Ehefrau keine eheliche Lebensgemeinschaft führen (wollen). Es genügt nicht, wenn lediglich formal-rechtlich eine Ehe besteht (vgl. Tewocht in BeckOK AuslR, AufenthG, 27. Edition, Stand 1.7.2020, § 28 Rn. 12). Der Kläger wohnt bei seiner Lebensgefährtin in …; nach eigenen Angaben wollen sie eine Familie gründen.
100
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zum Zweck des Familiennachzugs als Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge scheitert bereits daran, dass der Kläger nicht Vater eines minderjährigen ledigen Deutschen ist.
101
Ferner sind die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des Nichtbestehens eines Ausweisungsinteresses (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) und der Einreise mit dem erforderlichen Visum nicht erfüllt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG); ein Grund für Ausnahmen besteht nicht.
102
2.3. Einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit nach § 19c AufenthG i.V.m. § 26 Abs. 2 BeschV steht bereits entgegen, dass der Kläger den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht nach § 26 Abs. 2 Satz 2 BeschV bei der deutschen Auslandsvertretung im Kosovo gestellt hat. Darüber hinaus besteht gegen den Kläger ein Ausweisungsinteresse nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (s.o.), ferner ist er nicht mit dem erforderlichen Visum nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG eingereist.
103
Die Klage ist auch insoweit unbegründet.
104
Die Klage war somit insgesamt abzuweisen.
II.
105
Der Kläger trägt als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO).
III.
106
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 704 ff., 708 Nr. 11 ZPO.