VG Augsburg, Urteil v. 05.07.2021 – Au 9 K 20.2604
Titel:

Keine Verpflichtung zur Einzahlung in den Ausgleichsfond nach dem Pflegeberufegesetz

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
PflBR § 7 Abs. 1 Nr. 2, § 33
SGB XI § 71, § 72, § 75
Leitsatz:
Eine stationäre Pflegeeinrichtung, die ausschließlich mit den Pflege-Ersatzkassen einen sogenannten „kleinen Versorgungsvertrag“ abgeschlossen hat, da in ihrer Einrichtung ausschließlich Ordensangehörige aufgenommen und gepflegt werden, ist nicht zur Einzahlung in den Pflegeausbildungsfonds verpflichtet. (Rn. 21 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einzahlung in den Pflegeausbildungsfonds, Ordenseinrichtung, „Kleiner Versorgungsvertrag“, Rahmenvertrag, Pflegeausbildungsfonds, Einzahlung, kleiner Versorgungsvertrag
Fundstelle:
BeckRS 2021, 21157

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2020 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 15. Januar 2021 wird aufgehoben. 
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin im Voraus Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die Verpflichtung zur Einzahlung in den Ausgleichsfond nach dem Pflegeberufegesetz für das Kalenderjahr 2021, zuletzt in Höhe von 23.542,38 EUR.
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Die Kläger ist Rechtsträgerin eines Pflegebereichs, in dem ausschließlich Angehörige der Ordensgemeinschaft ... versorgt werden. Die Einrichtung ist mit einem sogenannten „kleinen Versorgungsvertrag“ ausgestattet.
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Mit Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2020 wurde die Klägerin gem. § 33 Pflegeberufegesetz (PflBG) i.V.m. § 13 Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung (PflAFiNV) für das Kalenderjahr 2021 zunächst zur Einzahlung von 32.055,94 EUR in den Ausgleichsfond nach dem PflBG verpflichtet. Der Berechnung wurden dabei 8,0 Vollzeitäquivalente (VZÄ) zugrunde gelegt.
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Zur Begründung wird ausgeführt, Rechtsgrundlage des Festsetzungs- und Zahlungsbescheids sei § 33 Abs. 4 Satz 2 PflBG i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 PflAFiNV. Mit dem Pflegeberufegesetz würden die bislang getrennten Ausbildungen in der Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege in eine generalistische Ausbildung zum Pflegefachmann bzw. zur Pflegefachfrau zusammengeführt. Neben dieser inhaltlichen Weiterentwicklung der Pflegeausbildung stelle das Pflegeberufegesetz auch die Finanzierung der Ausbildung auf eine neue Grundlage. Ab dem Jahr 2020 seien alle Krankenhäuser, ambulante sowie stationäre Pflegeeinrichtungen, die Pflegeversicherung und der Freistaat Bayern gesetzlich verpflichtet, in einen Ausgleichsfond auf Landesebene einzuzahlen. Aus diesem Ausgleichsfond erhielten die Berufsfachschulen für Pflege und die Träger der praktischen Ausbildung für jeden Pflegeschüler bzw. jeden Auszubildenden Ausgleichszuweisungen (Ausbildungsbudgets). Die Einzahlung in den Ausgleichsfond und die Auszahlungen daraus erfolgten im Wege eines Umlageverfahrens. Die Beklagte habe die Verwaltung dieses Umlageverfahrens übernommen. Im Rahmen des Umlageverfahrens ermittele die zuständige Stelle für jedes Kalenderjahr anhand der Summe aller Ausbildungsbudgets, einer Liquiditätsreserve und einer Verwaltungskostenpauschale den Finanzierungsbedarf für die Pflegeausbildung in Bayern. Dieser Finanzierungsbedarf werde zu den in § 33 Abs. 1 PflBG festgelegten Anteilen von verschiedenen Einzahlergruppen getragen. Die Aufteilung innerhalb der Sektoren der Krankenhäuser und der stationären sowie ambulanten Pflegeeinrichtungen erfolge nach den Vorgaben der §§ 33 Abs. 3, 4 PflBG, 10 ff. PflAFiNV. Nach den Vorgaben der §§ 32 PflBG, 8 und 9 Abs. 1 PflAFiNV sei für Bayern für das Kalenderjahr 2021 ein Finanzierungsbedarf in Höhe von 429.545.529,59 EUR ermittelt worden. Die Aufteilung ergebe sich aus § 33 Abs. 1 PflBG. Der Betrag, der durch Einrichtungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 PflBG (stationäre Pflegeeinrichtungen) einzubringen sei, werde nach § 33 Abs. 4 Satz 3 PflBG anhand der Zahl der im voll- und teilstationären Sektor beschäftigen Pflegefachkräfte ermittelt. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 PflAFiNV werde dabei der von allen stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen zu tragende Finanzierungsbedarf im Verhältnis der Zahl der in den jeweiligen Sektoren beschäftigten und eingesetzten Pflegefachkräfte zur Gesamtzahl der Pflegefachkräfte auf die Sektoren aufgeteilt. Der auf die Klägerin und deren stationäre Pflegeeinrichtung entfallene Anteil sei gem. § 12 Abs. 2 PflAFiNV ermittelt worden. Hierbei sei das Verhältnis der Zahl der nach der zum 1. Mai 2020 für ihre stationäre Pflegeeinrichtung gültigen Vergütungsvereinbarung vorzuhaltenden Pflegefachkräfte nach Vollzeitäquivalenten (VZÄ) zur Gesamtzahl der auf Basis der zum 1. Mai 2020 in Bayern gültigen Vereinbarungen aller stationären Pflegeeinrichtungen ermittelten Pflegefachkräfte in Vollzeitäquivalenten maßgebend. Der Anteil der Klägerin betrage 0,032015 v.H.. Daraus errechne sich für das Kalenderjahr 2021 ein Einzahlungsbetrag in Höhe von 32.055,94 EUR. Die Berechnung beruhe auf den von der Klägerin nach § 11 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 PflAFiNV übermittelten Angaben zur Anzahl der in ihrer Einrichtung zum Stichtag 15. Dezember 2019 beschäftigten oder eingesetzten Pflegefachkräfte in Vollzeitkräften. Nachdem die Klägerin diese Angaben nicht oder nicht vollständig übermittelt habe, beruhe die Berechnung des Anteils auf einer Schätzung der fehlenden Daten.
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Auf den weiteren Inhalt des Ausgangsbescheids vom 30. Oktober 2020 wird ergänzend verwiesen.
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Mit Änderungsbescheid vom 15. Januar 2021 wurde die von der Klägerin zu leistende Einzahlung in den Pflegeausbildungsfond auf nunmehr 23.542,38 EUR festgesetzt. Nach den ergänzenden Angaben der Klägerin wurde der Rechnung nunmehr eine Anzahl von Pflegefachkräften zum 1. Mai des Festsetzungsjahres in Vollzeitäquivalenten in Höhe von 5,88 VZÄ zugrunde gelegt. Der von der Klägerin damit zu erbringende Anteil am Finanzierungsbedarf betrage demnach 0,023512 v.H. Daraus errechne sich ein aufzubringender Finanzierungsbetrag in Höhe von 23.542,38 EUR.
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Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 26. November 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 4. Dezember 2020 Klage erhoben und zuletzt beantragt,
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den Bescheid vom 30. Oktober 2020 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 15. Januar 2020 aufzuheben.
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Zur Begründung der Klage wird ausgeführt, der Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin sei im Rahmen der generalistischen Pflegeausbildung zu Unrecht verpflichtet worden, den Pflegeausbildungsfond mitzufinanzieren. Der Pflegebereich der Klägerin unterliege nicht den Regeln des Pflegeausbildungsfonds. Zu dieser Auffassung sei nach Prüfung der rechtlichen Grundlagen auch die BARMER Pflegekasse gelangt. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 PflBG seien zur Versorgung nach § 71 Abs. 2 Sozialgesetzbuch XI (SGB XI) und § 72 Abs. 1 SGB XI zugelassene stationäre Pflegeeinrichtungen einzahlungsverpflichtet. Gemäß § 72 SGB XI handle es sich dann um eine zugelassene Pflegeeinrichtung, wenn zwischen dem Träger der Pflegeeinrichtung oder einer vertretungsberechtigten Einigung gleicher Träger und den Landesverbänden der Pflegekassen im Einvernehmen mit den überörtlichen Trägern der Sozialhilfe im Land ein Versorgungsvertrag abgeschlossen werde. Der Verband der Ersatzkassen e.V. habe handelnd für die Ersatzkassen mit der Deutschen Ordensobernkonferenz e.V. eine besondere Regelung zur Versorgung der Ordnungsangehörigen in einem stationären Bereich innerhalb des Klausurbereichs der jeweiligen Ordenseinrichtung geschlossen. Ordenseinrichtungen würde die Möglichkeit eingeräumt, einem sogenannten „kleinen Versorgungsvertrag“ beizutreten. Ordenseinrichtungen, die einem solchen „kleinen Versorgungsvertrag“ beigetreten seien, würden nicht als zugelassene Pflegeeinrichtungen nach § 72 SGB XI gelten, da die dortigen Regelungen nicht umfassend erfüllt seien. Der Vertrag könne nur für Ordensangehörige angewendet werden, die bei den Ersatzkassen gesetzlich pflegeversichert seien. Zu dem handle es sich bei den Ordenseinrichtungen mit „kleinem Versorgungsvertrag“ nicht um stationäre Pflegeeinrichtungen nach § 71 Abs. 2 SGB XI, da das Kriterium „selbstständig wirtschaftende Einrichtung“ nicht erfüllt werde. Die Ersatzkassen würden mit diesen Ordenseinrichtungen keine Vergütungsvereinbarung nach den §§ 84 bis 88 SGB XI schließen. Ordenseinrichtungen mit einem sogenannten „kleinen Versorgungsvertrag“ fielen daher nicht unter die Regelung nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 PflBG. Aus diesem Grunde könne von den zuständigen Stellen keine Ausbildungspauschale nach § 33 Abs. 4 Satz 2 PflBG erhoben werden.
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Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2021 hat die Klägerin den vorgenannten Änderungsbescheid ins Klageverfahren einbezogen.
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Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Eine schriftliche Klageerwiderung ist nicht erfolgt.
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Ab dem 1. Juli 2021 hat die Klägerin einen sogenannten „großen Versorgungsvertrag“ abgeschlossen.
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Am 5. Juli 2021 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässig erhobene Klage ist mit dem zuletzt gestellten Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2021 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 15. Januar 2021 aufzuheben, zulässig und begründet. Die gegenüber der Klägerin ergangenen Bescheide bezüglich der Verpflichtung zur Einzahlung in den Pflegeausbildungsfonds sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), da sich nach den insoweit maßgeblichen gesetzlichen Regelungen des PflBG für die Klägerin keine Einzahlungsverpflichtung in den Pflegeausbildungsfonds begründen lässt.
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1. Rechtsgrundlage für eine Beitragszahlung in den neu geschaffenen Pflegeausbildungsfonds ist § 33 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 PflBG i.V.m. §§ 12, 13 PflAFiNV.
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a) Nach § 33 Abs. 1 PflBG wird der nach § 32 PflBG ermittelte Finanzierungsbedarf durch die Erhebung von Umlagebeträgen und Zahlungen nach § 26 Abs. 3 PflBG aufgebracht, deren Anteile in § 33 Abs. 1 PflBG für die verschiedenen Einzahlergruppen jeweils gesondert festgelegt wurden. Maßgeblich für die hier vorliegende Pflegeeinrichtung der Klägerin ist § 33 Abs. 1 Nr. 2 PflBG, wonach ihr Anteil als Einrichtung in Sinn von § 7 Abs. 1 Nr. 2 und 3 PflBG 30,2174% beträgt, der über Ausbildungszuschläge aufgebracht wird (§ 33 Abs. 4 Satz 1 PflBG). Die zuständige Stelle setzt gegenüber jeder Einrichtung den jeweils zu entrichtenden Umlagebetrag fest (§ 33 Abs. 4 Satz 2 PflBG). Hierfür wird der Anteil nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 PflBG auf die Sektoren „voll- und teilstationär“ und „ambulant“ im Verhältnis der in diesen Sektoren beschäftigten Pflegefachkräfte aufgeschlüsselt (§ 33 Abs. 4 Satz 3 PflBG).
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Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung in § 33 Abs. 1 Nr. 2 PflBG ist Voraussetzung für eine Einzahlungsverpflichtung der Klägerin, dass es sich bei der von ihr betriebenen stationären Pflegeeinrichtung um eine Einrichtung nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 PflBG, d.h. um eine zur Versorgung nach § 71 Abs. 2 und § 72 Abs. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) zugelassene stationäre Pflegeeinrichtung handelt. Die Klägerin ist daher nur einzahlungspflichtig, wenn die von ihr betriebene stationären Pflegeeinrichtung (Pflegeheim) eine selbstständig wirtschaftende Einrichtung darstellt, in denen Pflegebedürftige unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft gepflegt werden und ganztätig (vollstationär) oder tagsüber oder nachts (teilstationär) untergebracht und verpflegt werden können (§ 71 Abs. 2 SGB XI), und zusätzlich als zugelassene Pflegeeinrichtung im Sinn von § 72 Abs. 1 SGB XI betrachtet werden kann.
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b) Die Klägerin betreibt nach ihren eigenen Angaben eine stationäre Pflegeeinrichtung, die ausschließlich mit den Pflege-Ersatzkassen einen sogenannten „kleinen Versorgungsvertrag“ abgeschlossen hat, da in ihrer Einrichtung ausschließlich Ordensangehörige aufgenommen und gepflegt werden.
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(1) Es ist daher bereits fraglich, ob es sich bei der Pflegeeinrichtung der Klägerin um eine selbstständig wirtschaftende Einrichtung i.S.d. § 71 Abs. 2 SGB XI handelt. Nach den Aussagen der Klägerin, denen die Beklagte nicht entgegengetreten ist, handelt es sich bei dieser um eine gemeinnützige GmbH (gGmbH), d.h. eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Erträge für gemeinnützige Zwecke verwendet werden und die nicht gewinnorientiert ist. Auch hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, wirtschaftlich defizitär zu arbeiten.
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(2) Letztlich bedarf dies jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da die Pflegeeinrichtung der Klägerin die weiteren, für die Einzahlungsverpflichtung zwingenden Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 SGB XI nicht erfüllt.
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Nach dieser Vorschrift dürfen die Pflegekassen ambulante und stationäre Pflege nur durch Pflegeeinrichtungen gewähren, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht (zugelassene Pflegeeinrichtungen). In dem Versorgungsvertrag sind Art, Inhalt und Umfang der allgemeinen Pflegeleistungen (§ 84 Abs. 4 SGB XI) festzulegen, die von der Pflegeeinrichtung während der Dauer des Vertrages für die Versicherten zu erbringen sind (Versorgungsauftrag). Beim Versorgungsvertrag handelt es sich um ein öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S.d. § 53 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit Abschluss des Versorgungsvertrags wird die Pflicht zur pflegerischen Versorgung der Versicherten im Rahmen des sogenannten Versorgungsauftrags begründet. Gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 SGB XI ist der Versorgungsvertrag für die Pflegeeinrichtung und für alle Pflegekassen im Inland unmittelbar verbindlich.
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Nach Auffassung der Kammer verfügte die Klägerin in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Bescheide maßgeblichen Zeitpunkt nicht über einen derartigen (umfassenden) Versorgungsvertrag, der sie als zugelassene Pflegeeinrichtung i.S.d. § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XI qualifizieren würde. Damit ist die Klägerin aber auch keine zugelassene Pflegeeinrichtung i.S.d. § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XI, die nach § 33 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 2 PflBG einzahlungsverpflichtet ist. Die Klägerin hat nach ihren eigenen - unbestrittenen - Angaben lediglich einen sogenannten „kleinen Versorgungsvertrag“ abgeschlossen, der überdies ausschließlich mit den gesetzlichen Ersatzkassen (BARMER, DAK) besteht. Dieser Vertrag erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 Satz 2 SGB XI, so dass die Klägerin nicht als zugelassene Pflegeeinrichtung im Sinn von § 72 Abs. 1 SGB XI angesehen kann. Die Klägerin verfügt erst seit dem 1. Juli 2021 über einen umfassenden Versorgungsvertrag i.S.d. § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XI und ist erst ab diesem Zeitpunkt zugelassene Pflegeeinrichtung i.S.d. PflBG.
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Auch die Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB XI, wonach in dem Versorgungsvertrag Art, Inhalt und Umfang der allgemeinen Pflegeleistung (§ 84 Abs. 4 SGB XI) festzulegen sind, die von der Pflegeeinrichtung während der Dauer des Vertrages für die Versicherten zu erbringen sind (Versorgungsauftrag), werden bei der Klägerin jedenfalls nicht vollständig erfüllt. Im Rahmen der sogenannten „kleinen Versorgungsverträge“ schließen die Ersatzkassen - ausschließlich diese sind an den „kleinen Versorgungsvertrag“ gebunden - beispielsweise keine Vergütungsvereinbarungen nach den §§ 84 bis 88 SGB XI. Der Klägerin werden insoweit nach ihren eigenen Angaben lediglich Pauschbeträge für die geleisteten Pflegeleistungen zugewiesen.
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(3) Entgegen der geäußerten Rechtsauffassung der Beklagten kann der nicht den Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 SGB XI entsprechende „kleine Versorgungsvertrag“ für Ordensangehörige auch nicht durch die Rahmenvereinbarung (§ 75 SGB XI) vom 1. Juli 2004 ersetzt werden.
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In dieser Rahmenvereinbarung haben der Verband der Ersatzkassen e.V., handelnd für die Ersatzkassen, mit der Deutschen Ordensobernkonferenz e.V. eine besondere Regelung zur Versorgung der Ordensangehörigen in einem stationären Bereich innerhalb des Klausurbereichs der jeweiligen Ordenseinrichtung abgeschlossen. In diesem Rahmenvertrag wurde Ordenseinrichtungen die Möglichkeit eingeräumt, einem sogenannten „kleinen Versorgungsvertrag“ beizutreten. Selbst wenn dies für die Klägerin der Fall sein dürfte und diese zeitlich nachfolgend einen sogenannten „kleinen Versorgungsvertrag“ abgeschlossen hat, ist die Rahmenvereinbarung nicht gleichzusetzen mit dem in § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XI geforderten umfassenden Versorgungsvertrag, der bindend für alle Pflegekassen ist. Zum einen ist darauf zu verweisen, dass die die Einzahlungspflicht letztlich begründende Vorschrift des § 33 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 PflBG ausdrücklich und ausschließlich auf die Vorschriften des § 71 Abs. 2 und 72 Abs. 1 SGB XI verweist. Ein Verweis auf sogenannte Rahmenverträge nach § 75 SGB XI findet sich in der für die Begründung einer Einzahlungspflicht maßgeblichen Vorschrift des PflBG hingegen nicht. Ausgehend vom eindeutigen Wortlaut der Bestimmungen des PflBG ist es insoweit ausgeschlossen, die Vorschrift des § 75 SGB XI direkt oder in analoger Anwendung heranzuziehen. Für eine eventuelle Analogie fehlt es aufgrund des eindeutigen Wortlauts jedenfalls an einer planwidrigen Regelungslücke.
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Selbst wenn man jedoch im Rahmen des § 72 Abs. 1 SBG XI Rahmenvereinbarungen nach Maßgabe des § 75 SGB XI für nicht ausgeschlossen erachtet (so Schmidt in Kassler Kommentar SGB XI, Stand: März 2021, § 72 Rn. 11; Schütze in Udsching/Schütze, SGB XI, 5. Auflage 2018, § 75 Rn. 13) so ergibt sich letztlich nichts anderes. Selbst wenn der individuell abschließende Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI auf einen Rahmenvertrag bezogen ist und dessen Regelungen im Einzelfall für anwendbar erklärt, bleibt jedoch weitere Voraussetzung, dass in diesen Fällen die Rahmenverträge nach § 75 SGB XI selbst den Anforderungen des § 72 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB XI genügen, was vorliegend jedoch offensichtlich nicht der Fall ist. Soweit ersichtlich schafft der Rahmenvertrag vom 1. Juli 2004 für den Sonderfall der Versorgung von Ordensangehörigen im stationären Pflegebereich lediglich die Möglichkeit, einem „kleinen Versorgungsvertrag“ beizutreten. Dieser „kleine Versorgungsvertrag“ genügt aber - wie dargestellt - seinerseits nicht den Voraussetzungen in § 72 Abs. 1 SGB XI, da er keine vollumfassende Regelung i.S.d. § 84 ff. SGB XI enthält und zum anderen lediglich mit den gesetzlichen Ersatzkassen abgeschlossen worden ist. Damit liegen die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 Satz 2 SGB XI im Ergebnis nicht vor, wonach ein Versorgungsvertrag zu fordern ist, der für alle Pflegekassen unmittelbar verbindlich ist.
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c) Da der für die Klägerin vorliegende „kleine Versorgungsvertrag“ nicht umfänglich den Anforderungen der §§ 71, 72 SGB XI entspricht und auch nur eine eingeschränkte Verbindlichkeit in Bezug auf die an ihn gebundenen Pflegekassen aufweist, kann dieser keine Grundlage für eine Einzahlungsverpflichtung für die Klägerin nach § 33 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 2 PflBG darstellen. Mangels gesetzlicher Einzahlungsverpflichtung für die Klägerin war der von der Beklagten erlassene verpflichtende Einzahlungsbescheid vom 30. Oktober 2020 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 15. Januar 2021 daher aufzuheben.
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2. Als im Verfahren unterlegen hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens gem. § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).