VG Augsburg, Urteil v. 11.05.2021 – Au 1 K 20.1281
Titel:

Unzulässige Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresses

Normenkette:
VwGO § 43 Abs. 2
Leitsatz:
Für die Feststellung, dass es sich bei einer von der Beklagten geforderten Erklärung zur familiären Lebensgemeinschaft in einem aufenthaltsrechtlichen Verfahren um Schikane handelt, fehlt es am Feststellungsinteresse. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Feststellungsinteresse, Leistungsklage, Erklärung über familiäre Lebensgemeinschaft, Schikane
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 12.07.2021 – 10 ZB 21.1782
Fundstelle:
BeckRS 2021, 20873

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin, eine russische Staatsangehörige, begehrt mehrere gerichtliche Feststellungen gegenüber der Beklagten.
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Sie reiste am 2. Juli 2016 in die Bundesrepublik ein und meldete ihren Wohnsitz an der Adresse ihres späteren Ehemanns im Stadtgebiet der Beklagten an. Am 23. September 2016 heiratete sie in Dänemark ihren Ehemann, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Am 26. September 2016 beantragte sie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Sie gebar am 2. März 2017 im Bundesgebiet einen Sohn. Mit Bescheid vom 21. Juni 2017 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zunächst ab. Am 7. August 2018 wurde der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erteilt, die bis zum 20. September 2020 befristet war.
3
Am 23. Februar 2020 beantragte die Klägerin die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis um 10 Jahre. Die Klägerin brachte am 8. März 2020 ein weiteres gemeinsames Kind zur Welt. Mit Schreiben vom 3. Juni 2020 bat die Beklagte um die Vorlage verschiedener Dokumente, u.a. einer unterschriebenen Erklärung zur familiären Lebensgemeinschaft. Dieser Aufforderung kam die Klägerin bislang nicht nach. 4 Am 28. Juli 2020 ließ die Klägerin eine Klage sowie einen Eilantrag erheben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Beklagte unzulässiger Weise eine unterschriebene Erklärung zur familiären Lebensgemeinschaft gefordert habe. Es müsse nur der gewöhnliche Aufenthalt der Familienangehörigen im Bundesgebiet vorliegen. Dieser sei von der Beklagten weder bestritten worden, noch seien irgendwelche Nachweise angefordert worden.
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Die Klägerin beantragt,
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I. die Feststellung, dass es sich bei der von der Beklagten geforderten Erklärung zur familiären Lebensgemeinschaft um Schikane handelt.
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II. die Feststellung, dass die Beklagte zur Eröffnung eines Zugangs via De-Mail-Adresse verpflichtet ist, hilfsweise die Verpflichtung besteht, Gründe anzugeben, warum ein solcher Zugang nicht besteht.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Mit Beschluss vom 24. August 2020 lehnte das Gericht den Eilantrag der Klägerin ab (Au 1 E 20.1283).
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Am 11. Mai 2021 fand in der Sache mündliche Verhandlung statt. Auf das dabei gefertigte Protokoll wird ebenso Bezug genommen wie auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Behördenakte.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.
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Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Klägerin und ihres Bevollmächtigten verhandeln und entscheiden, nachdem die Beteiligten in der Ladung auf diese Folgen hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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1. Gegenstand der Klage sind die von der Klägerin begehrten Feststellungen, dass es sich bei der von der Beklagten geforderten Erklärung zur familiären Lebensgemeinschaft um Schikane handelt und dass die Beklagte zur Eröffnung eines Zugangs via De-Mail-Adresse verpflichtet ist.
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2. Die von der Klägerin erhobene Klage, die ausdrücklich nur Feststellungsanträge enthält, ist schon nicht zulässig, weil die Klägerin vorrangig eine Leistungsklage hätte erheben müssen bzw. kein Feststellungsinteresse erkennbar ist.
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aa) Nach § 43 Abs. 2 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit die Klägerin ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies ist bei der Klägerin der Fall. Sie begehrt der Sache nach die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis. Anstatt der Verpflichtung der Beklagten, ihre Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, begehrt die Klägerin im vorliegenden Verfahren aber ausdrücklich die Feststellung, dass es sich bei der von der Beklagten geforderten Erklärung zur familiären Lebensgemeinschaft um Schikane handelt. Nach dem in der Vorschrift des § 43 Abs. 2 VwGO zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage sollen unnötige Feststellungsklagen vermieden werden, wenn für die Rechtsverfolgung unmittelbare, sachnähere und wirksamere Verfahren zur Verfügung stehen (Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 43 Rn. 26). So liegt der Fall hier. Anstatt der unnötigen Feststellungsklage hätte die Klägerin zulässig eine auf Verpflichtung der Beklagten, ihre Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, gerichtete Klage erheben können. Daher ist die Klage der Klägerin nach § 43 Abs. 2 VwGO unzulässig. Das Klagebegehren der Klägerin konnte auch nicht gemäß § 88 VwGO als Verpflichtungsklage ausgelegt werden. Denn die Klägerin hat als Klageziel explizit die von der Beklagten geforderte Erklärung zur familiären Lebensgemeinschaft bestimmt. Zwar wäre es bei der anwaltlich nicht vertretenen Klägerin durchaus angezeigt gewesen, dass das Gericht auf eine zulässige Antragstellung der Klägerin hinwirkt. Allerdings war dem Gericht dieser für die mündliche Verhandlung beabsichtigte gerichtliche Hinweis nicht möglich, nachdem weder die Klägerin noch ihr Bevollmächtigter zur mündlichen Verhandlung erschienen sind. Aus diesem Grund hat die Klägerin die sich aus dem Nichterscheinen ergebenden Folgen hinzunehmen.
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bb) Soweit die Klägerin daneben die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur Er öffnung eines Zugangs via De-Mail-Adresse verpflichtet ist, ist ihre Klage ebenfalls unzulässig, weil es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt. Nach der Vorschrift des § 43 Abs. 1 VwGO ist es erforderlich, dass die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein derart berechtigtes Interesse ist jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art (Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 43 Rn. 23). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ein solches berechtigtes Interesse aber weder nachvollziehbar geltend gemacht, noch ist sonst ein berechtigtes Interesse erkennbar, zumal die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und plausibel erklärt hat, dass sie über De-Mail erreichbar ist (siehe hierzu auch die Hinweise unter, abgerufen am 11.05.2021).
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Klägerin hat als unterlegener Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.