Inhalt

OLG Nürnberg, Endurteil v. 16.06.2021 – 2 U 2751/19
Titel:

Keine Architektenvergütung für nicht genehmigungsfähige Planung

Normenketten:
BayBO Art. 81
BauGB § 31 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 633 Abs. 1, § 649 S. 2
Leitsätze:
1. Ein spezifisches planerisches Grundkonzept kann sich auch aus dem Zweck einer örtlichen Bauvorschrift ergeben, die auf der Grundlage von Art. 81 Abs. 2 Satz 1 BayBO Teil eines Bebauungsplans ist. (Rn. 19)
2. Ob die Grundsätze der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Dies stellt eine Rechtsfrage dar, die als solche weder dem Zeugenbeweis noch dem Sachverständigenbeweis zugänglich ist. (Rn. 27)
3. Von den in einem Bebauungsplan vorgesehenen Dachformen Satteldach, Pultdach und Zeltdach weicht ein Flachdach gestalterisch in maximalen Umfang ab und beeinträchtigt damit einen im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachten Gestaltungswillen in beachtlicher Weise. (Rn. 28)
4. Die Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB setzt - jedenfalls in Bezug auf örtlichen Bauvorschriften, die Teil eines Bebauungsplans sind - auch nach der Streichung der Wörter „im Einzelfall“ durch den Gesetzgeber voraus, dass ein „atypischer“ Sachverhalt vorliegt. (Rn. 32)
Ein Architekt, der sich zur Erstellung einer Genehmigungsplanung verpflichtet, schuldet als Werkerfolg grundsätzlich eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung. Zwar können die Parteien eines Architektenvertrags im Rahmen der Privatautonomie vereinbaren, dass und in welchen Punkten der Auftraggeber das Risiko übernimmt, dass die vom Architekten zu erstellende Planung nicht genehmigungsfähig ist. Von einer solchen Vereinbarung kann jedoch nur in Ausnahmefällen ausgegangen werden, etwa wenn sich der Bauherr bewusst über die Vorschriften des öffentlichen Baurechts hinwegsetzen oder diese an die Grenze des Möglichen "ausreizen" will. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
planerisches Grundkonzept, Bauvorschrift, Genehmigungsrisiko, Bebauungsplan, Genehmigungsplanung
Vorinstanz:
LG Regensburg, Endurteil vom 03.07.2019 – 12 O 1974/18
Fundstellen:
BayVBl 2021, 712
BeckRS 2021, 20764
NJW-RR 2021, 1105
LSK 2021, 20764
NVwZ-RR 2021, 967
ZfBR 2022, 39
NZBau 2022, 39

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 03.07.2019, Az. 12 O 1974/18, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 11.294,01 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

A.
1
Der Kläger macht (nunmehr) im Wege einer Teilklage nach einer Kündigung durch die Beklagten die Vergütung für erbrachte und noch nicht erbrachte Architektenleistungen geltend, die er in Abweichung von dem vertraglich vereinbarten Pauschalhonorar auf der Grundlage der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zunächst mit einer Rechnung vom 04.08.2016 (Anlage K6) und zuletzt mit einer Rechnung vom 25.02.2021 (Anlage K22) abrechnet.
2
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil vom 03.07.2019 (Bl. 91 ff. d. A.) sowie die dortige Darstellung des Sach- und Streitstands Bezug genommen.
3
Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 11.294,01 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.09.2016 zu bezahlen. Im Übrigen, nämlich in Bezug auf vom Kläger geltend gemachte außergerichtliche Rechtsanwaltskosten, hat es die Klage abgewiesen. Die Frage, ob die von Kläger erbrachten Planungsleistungen genehmigungsfähig sind, ließ das Landgericht dabei offen.
4
Mit ihrer Berufung verfolgen die Beklagten ihr erstinstanzliches Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiter. Sie wenden unter anderem ein, dass die Planung des Klägers nicht genehmigungsfähig sei, weil die vorgesehene Ausführung eines Flachdachs gegen den einschlägigen Bebauungsplan verstoße und eine Befreiung nicht erreichbar sei. Der Kläger habe es versäumt, sie hierauf hinzuweisen. Das Genehmigungsrisiko hätten sie nicht übernommen. Zu einer Bauvoranfrage habe der Kläger nicht geraten. Es sei Aufgabe des Klägers gewesen, die Frage, ob ihre Wünsche und Ideen verwirklichungsfähig seien, zu prüfen. Die Planung sei für sie wertlos, nutzlos und könne nicht verwendet werden. Für die nicht genehmigungsfähige Planung könne der Kläger kein Honorar verlangen.
5
Hinsichtlich der Einzelheiten sowie zu den übrigen Einwendungen der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 04.10.2019 (Bl. 123 ff. d. A.) sowie die Schriftsätze vom 23.12.2019 (Bl. 152 ff. d. A.), vom 12.03.2020 (Bl. 158 f. d. A.), vom 26.03.2020 (Bl. 160 f. d. A.), vom 13.04.2021 (Bl. 191 ff. d. A.) sowie vom 18.05.2021 (Bl. 207 f. d. A.) Bezug genommen.
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Die Beklagten beantragen,
1. Das Urteil des Landgerichts Regensburg, verkündet am 03.07.2019, zugestellt am 04.07.2019, Az.: 12 O 1974/18, wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
7
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
8
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Insbesondere habe das Landgericht die Frage der Genehmigungsfähigkeit zu Recht offengelassen, da die Errichtung eines Flachdachs von vornherein dem Planungswunsch der Beklagten entsprochen habe. Diese hätten von Beginn an gewusst, dass eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans notwendig gewesen sei. Die Beklagten hätten das Bauvorhaben nur mit einer Flachdachbebauung realisieren wollen und somit auch ein eventuelles Genehmigungsrisiko hinsichtlich der Entwurfs- und Eingabekosten übernommen. Unabhängig davon seien die erbrachten Planleistungen grundsätzlich genehmigungsfähig. Die Grundzüge der örtlichen Planung würden durch eine Befreiung von den im einschlägigen Bebauungsplan festgeschriebenen Dachformen nicht berührt. In neuen Bebauungsplänen der Gemeinde für nahegelegene Baugebiete mit vergleichbarem Erscheinungsbild seien Flachdächer auch explizit vorgesehen. Ein übergeordnetes Planungsziel, welches die Vermeidung einer Bebauung mit Flachdächern vorsehe, habe es nicht gegeben. Vor dem Hintergrund, dass sich Pultdächer, die zugelassen seien, in ihrer gestalterischen Anmut nicht wesentlich von Flachdächern unterschieden, lasse sich kein anderer Schluss ziehen. In dem einschlägigen Bebauungsplan hätten vielmehr lediglich die vorherrschenden Wünsche der Bauherren berücksichtigt werden sollen. Flachdächer seien zum damaligen Zeitpunkt nicht gefragt gewesen und deshalb vergessen worden. Bei der in Rede stehenden Festsetzung der Dachform handele es sich lediglich um eine allgemeine und abstrakte Regelung, mit der Flachdächer nicht „in Angesicht des Falles“ bewusst ausgeschlossen worden seien. Ein Planungsziel, wonach in Bezug auf die Dachform eine einheitliche Gestaltung des Baugebiets angestrebt sei, gebe es nicht. Dies belege die Vielzahl der zugelassenen Dachformen sowie der Umstand, dass bereits mehrere Befreiungen erteilt worden seien. Der zuständige Kreisbaumeister habe dementsprechend auch die Befreiungsmöglichkeit in Bezug auf ein Flachdach bestätigt. Entsprechendes habe ein Mitarbeiter des Bauamts der Stadt M. erklärt. Eine Befreiung von den festgeschriebenen Dachformen sei auch städtebaulich vertretbar und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 04.11.2019 (Bl. 137 ff. d. A.) und die Schriftsätze vom 12.03.2020 (Bl. 158 f. d. A.), vom 25.02.2021 (Bl. 183 ff. d. A.), vom 27.04.2021 (Bl. 200 f. d. A.) sowie vom 19.05.2021 (Bl. 210 ff. d. A.) Bezug genommen.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Landratsamts K. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Schreiben der Behörde vom 09.04.2021 (Bl. 194 d. A.) nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
11
Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die Beklagten schulden dem Kläger keine Vergütung, da das erbrachte (Architekten-)Werk so schwerwiegende Mängel aufweist, dass es nicht nachbesserungsfähig und deshalb für den Auftraggeber wertlos ist (BGH, Urteil vom 05.06.1997 - VII ZR 124/96 -, juris Rn. 22; Urteil vom 11.03.1982 - VII ZR 128/81 -, juris Rn. 19; Urteil vom 09.12.1971 - VII ZR 211/69 -, juris Rn. 52). Dies schließt einen Anspruch gemäß § 649 Satz 2 BGB in der hier anzuwendenden bis 31.12.2017 geltenden Fassung (Art. 229 § 39 EGBGB) auch für noch nicht erbrachte Leistungen aus, weil selbst bei vollständiger Leistungserbringung kein Vergütungsanspruch bestünde. Auf die Frage, ob durch die mit Vertrag vom 23./28.09.2015 (Anlage K1) vereinbarte Pauschale die Mindestsätze unterschritten sind und die Klägerin angesichts dessen auf der Grundlage von § 7 Abs. 5 HOAI das nach den Mindestsätzen berechnete Honorar verlangen kann (BGH, Urteil vom 09.02.2012 - VII ZR 31/11 -, juris Rn. 23), obwohl der Europäische Gerichtshof die Mindest- und Höchstsätze der HOAI für unionswidrig erklärt hat (EuGH, Urteil vom 04.07.2019 - C-377/17 -), kommt es dabei nicht an.
12
I. Ein Architekt, der sich - wie der Kläger gemäß dem Architektenvertrag vom September 2015 - zur Erstellung einer Genehmigungsplanung verpflichtet, schuldet als Werkerfolg grundsätzlich eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung (BGH, Urteil vom 26.09.2002 - VII ZR 290/01 -, juris Rn. 27; Urteil vom 25.03.1999 - VII ZR 397/97 -, juris Rn. 13; Urteil vom 19.03.1992 - III ZR 117/90 -, juris Rn. 18). Zwar können die Parteien eines Architektenvertrags im Rahmen der Privatautonomie vereinbaren, dass und in welchen Punkten der Auftraggeber das Risiko übernimmt, dass die vom Architekten zu erstellende Planung nicht genehmigungsfähig ist. Von einer solchen Vereinbarung kann jedoch nur in Ausnahmefällen ausgegangen werden, etwa wenn sich der Bauherr bewusst über die Vorschriften des öffentlichen Baurechts hinwegsetzen oder diese an die Grenze des Möglichen „ausreizen“ will (BGH, Urteil vom 25.03.1999 - VII ZR 397/97 -, juris Rn. 14). Dies ist hier nicht der Fall.
13
Aus dem schriftlichen Vertrag „[a]uf der Basis des ‚Einheitsarchitektenvertrag[s] für Gebäude‘ der Bundesarchitektenkammer“ ergibt sich ebenso wie auch aus der Aktennotiz vom 18.09.2015 über die „Projektbesprechung am 16.09.2015“ (Anlage B12) lediglich die Kenntnis der Beklagten davon, dass die Verwirklichung des vom Kläger bereits in den beiden ersten Planungsvarianten vorgesehenen Flachdachs einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans bedarf. So heißt es in der Aktennotiz: „Alle notwendigen Gespräche für die angestrebte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans (Flachdach) sind vorab zu führen, um die Genehmigungsfähigkeit sicherzustellen.“ Und in dem Architektenvertrag wird in diesem Sinn ausgeführt: „Vorgespräche zu evtl. notwendigen Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans sind im Rahmen der Entwurfsleistung mit dem Bauamt der Stadt M. bzw. dem Landratsamt in K. abzuklären, um die Genehmigungsfähigkeit der Planung sicherzustellen.“ Daraus mag sich das Wissen der Beklagten von einem Genehmigungsrisiko ergeben. Die Kenntnis von diesem allein bietet indes keine hinreichende Grundlage für die Annahme einer Vereinbarung dahingehend, dass der Auftraggeber das Genehmigungsrisiko tragen soll (BGH, Urteil vom 26.09.2002 - VII ZR 290/01 -, juris Rn. 28). Insbesondere kommt in den konkreten Formulierungen nicht einmal die Möglichkeit eines Scheiterns hinreichend deutlich zum Ausdruck. Eine Freistellung des Klägers von seiner vertraglichen Verpflichtung und eine freiwillige Übernahme des Planungsrisikos durch die Beklagten kann diesen nicht entnommen werden. Es ergibt sich auch aus dem Vorbringen des Klägers schon nicht, dass es aus seiner Sicht irgendeinen Grund für eine Übertragung des Genehmigungsrisikos auf die Beklagten gab. Vielmehr ist er noch heute der Auffassung, dass seine Planung auf der Grundlage von § 31 Abs. 2 BauGB, Art. 81 Abs. 2 Satz 2 BayBO genehmigungsfähig sei.
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II. Ist die Planung des Architekten nicht dauerhaft genehmigungsfähig, ist das Architektenwerk mangelhaft im Sinne des § 633 Abs. 1 BGB, unabhängig davon, ob er den Mangel zu vertreten hat. Soweit die Genehmigungsfähigkeit der Planung durch Nachbesserung erreicht werden kann, steht dem Architekten zwar das Recht zu, seine Planung nachzubessern. Der Auftraggeber eines Architektenvertrags ist aber nicht verpflichtet, die vertraglich vereinbarte Planung nachträglich in der Weise zu ändern, dass die geänderte Planung dauerhaft genehmigungsfähig ist (BGH, Urteil vom 26.09.2002 - VII ZR 290/01 -, juris Rn. 29 f.; Urteil vom 19.02.1998 - VII ZR 236/96 -, juris Rn. 27). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die Beklagten auf das Flachdach, das von Anfang an vorgesehen und der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien auch zugrunde lag, nicht verzichten müssen. So heißt es in der Aktennotiz des Klägers vom 18.09.2015 (Anlage B12): „Grundlage des Entwurfs, ist das Konzept ‚Variante 1‘ vom Feb. [d]ieses Jahres zu ebendiesem Bauvorhaben.“ Danach sollte ein Flachdach ausgeführt werden.
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III. Die Beklagten haben nachgewiesen (zur Darlegungs- und Beweislast für die völlige Wertlosigkeit bzw. Unbrauchbarkeit einer Werkleistung vgl.: BGH, Urteil vom 25.03.1993 - X ZR 17/92 -, juris Rn. 21; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2012 - 23 U 132/11 -, juris Rn. 167), dass die vom Beklagten vertraglich vereinbarte Planung, nämlich die Ausführung eines Flachdachs, nicht dauerhaft genehmigungsfähig ist. Sie widerspricht den Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans und eine Befreiung ist nicht möglich. Auf die Frage, ob Entsprechendes auch in Bezug auf die Anordnung der Garage und eines Nebengebäudes an der Ostgrenze des Grundstücks, mithin die Einhaltung des Baufelds, gilt (hierzu: Schriftsatz vom 29.05.2019, Bl. 79 ff. d. A.), kommt es dementsprechend nicht an.
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1. Der einschlägige Bebauungs- und Grünordnungsplan der Stadt M. vom Januar 2008 „Am Kindergarten - Erweiterung“ sieht unter dem Punkt „Dachform“ das Folgende vor: „Satteldach oder Pultdach, Garage auch Flachdach[,] Zeltdach bei Parzelle 1 - 10, 14, 15, 20 zugelassen (…)[…]“ Für die beiden sich direkt anschließenden Baugebiete „Am Kindergarten“ und „S. - L.“ ist in dem einschlägigen Bebauungsplan aus dem Jahr 2004 als zulässige Dachformen „Satteldach oder Pultdach“ bzw. in dem maßgeblichen Bebauungsplan aus dem Jahr 1980 (geändert im Jahr 1986) als zulässige Dachform „Satteldach“ vorgesehen. Letzteres gilt auch für das sich südlich an das Plangebiet „Am Kindergarten“ anschließende Baugebiet „Br.“. Diese Festsetzungen der Gemeinde zur Gestaltung des Dachs haben ihre Grundlage in Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO (BayVGH, Urteil vom 11.09.2014 - 1 B 14.169 -, juris Rn. 24), wonach die Gemeinden durch Satzung örtliche Bauvorschriften über besondere Anforderung an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung oder Gestaltung von Ortsbildern erlassen können. Insbesondere können diese auch durch einen Bebauungsplan erlassen werden, Art. 81 Abs. 2 Satz 1 BayBO.
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2. Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann keine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB, Art. 81 Abs. 2 Satz 2 BayBO erteilt werden (zum einschlägigen Befreiungstatbestand vergleiche: Decker in: Simon/Busse, BayBO, 139. EL, Art. 81 Rn. 281 m. w. N.), weil das geplante Flachdach die Grundzüge der Planung berührt.
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a. Die Grundzüge der Planung ergeben sich aus der den Festsetzungen des Bebauungsplans zugrunde liegenden und in ihnen zum Ausdruck kommenden planerischen Konzeption (BVerwG, Urteil vom 09.08.2018 - 4 C 7/17 -, juris Rn. 8; BayVGH, Beschluss vom 20.05.2021 - 9 ZB 19.2004 -, juris Rn. 11). Was zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich jeweils nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde (BayVGH, Beschluss vom 18.08.2017 - 15 ZB 16.940 -, juris Rn. 10; Urteil vom 03.03.2021 - 15 B 20.2075 -, juris Rn. 62). Im Wege der Auslegung ist die normative Bedeutung des Bebauungsplans als Rechtsnorm im materiellen Sinn zu ermitteln.
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Zu den Grundzügen der Planung sind zwar in erster Linie solche Festsetzungen zu zählen, welche die Grundkonzeption des Bebauungsplans in städtebaulicher Hinsicht berühren, also vor allem den Gebietscharakter nach der Art der baulichen Nutzung und - in bestimmter Weise - auch nach dem Maß der baulichen Nutzung sowie nach den Festsetzungen zur Baudichte (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautz, BauGB, 139. EL, § 31 Rn. 36). Darüber hinaus kann sich ein spezifisches planerisches Grundkonzept aber gerade auch aus dem Zweck einer örtlichen Bauvorschrift ergeben, die - wie im vorliegenden Fall - auf der Grundlage von Art. 81 Abs. 2 Satz 1 BayBO Teil eines Bebauungsplans ist. Obwohl nicht anwendbar, belegen dies letztlich die Anforderungen, welche die Regelung des Art. 63 Abs. 1 BayBO an eine Abweichung von örtlichen Bauvorschriften stellt, nämlich eine Berücksichtigung des Zwecks.
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b. Gemessen daran stellt sich die Regelung betreffend die Dachform im Bebauungsplan „Am Kindergarten - Erweiterung“ als Teil eines planerischen Grundkonzepts dar.
21
aa. Dächer bestimmen im besonderen Maße das Gesamtbild einer Gemeinde und sind Ausdruck eines örtlichen und landschaftsgebundenen Baustils (BayVGH, Urteil vom 11.09.2014 - 1 B 14.169 -, juris Rn. 24). Das planerische Ziel der Stadt M., diesem Umstand zur Schaffung eines gemeinsamen Gebietsmerkmals besonders Rechnung zu tragen, kommt in den engen Vorgaben betreffend die Dachgestaltung zum Ausdruck, die sich nicht nur auf die Dachform, sondern auch auf die Dachneigungen, die Dachgauben, die Dacheinschnitte und die Dacheindeckung beziehen. Die dachbezogenen Festsetzungen beschreiben in ihrer Gesamtschau ein spezifisches planerisches Konzept. Es soll erkennbar eine im Dachbereich klar „ablesbare“ homogene Gestaltung gewährleistet werden; es wird ein positives Gestaltungsziel verfolgt.
22
Dabei werden die Vorgaben in Bezug auf angrenzende Baugebiete im Wesentlichen fortgeführt. Zwar werden nunmehr drei verschiedene Dachtypen zugelassen und damit im Vergleich zu den angrenzenden Baugebieten die Möglichkeiten bei der Bauausführung erweitert. Angesichts der zahlreichen anderen möglichen Dachformen, die es gibt (wie z. B. Walmdach, Mansarddach, Sheddach, Tonnendach, Schleppdach und eben auch das Flachdach), kann dies allerdings keinesfalls als Ausdruck einer planerischen Beliebigkeit gewertet werden. Bereits der Umstand, dass die Stadt M. nur bestimmte Dachformen, und zwar jeweils mit einer Dachneigung, vorgesehen hat, steht dem entgegen. Denn darin kommt der Wille zur Gestaltung zum Ausdruck, der über die auf eine reine Verhinderung von Verunstaltungen zielenden allgemeinen Anforderungen des Art. 8 BayBO hinausgeht. Insofern mag es sein, dass die vorgesehenen Dachformen die damals vorherrschenden Wünsche der Bauherren berücksichtigt haben. Dies ändert aber nichts daran, dass die Dachform gerade nicht zur freien Disposition der Bauherren gestellt und eine Dachneigung vorgesehen wurde. Insbesondere gibt es gerade keine Verpflichtung, die in einem Plangebiet zulässigen Dachformen zu regeln. Art. 81 BayBO ist eine „Kannvorschrift“ (Decker in: Busse/Kraus, BayBO, 141 EL., Art. 81 Rn. 30), weshalb es im pflichtgemäßen Ermessen einer Gemeinde steht, ob und für welche besonderen Verhältnisse sie örtliche Bauvorschriften erlässt.
23
Soweit Flachdächer im Bebauungsplan für zulässig erklärt wurden, beschränkt sich dies ausschließlich auf (untergeordnete) Garagen, also auf Nebengebäude. Auch wenn Flachdächer in den Jahren 2007/2008 tatsächlich „außer Mode“ gewesen sein sollten, belegt dies gerade eine Auseinandersetzung im Rahmen des Planungsprozesses damit, inwieweit Flachdächer sich unter Berücksichtigung der Interessen der Bauherren (insbesondere in Bezug auf die Kosten) mit dem gewollten Gesamtbild noch vereinbaren lassen. Im Ergebnis manifestiert sich darin eine Grenze in Bezug auf den Planungswillen.
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Soweit die Stadt M. in anderen Bauplangebieten nunmehr zudem auch Walm- und Flachdächer zulässt, ist dies nicht relevant. Es geht nicht darum, welchen Planungswillen die Gemeinde in Bezug auf andere Plangebiete im Jahr 2013 oder 2018 hatte. Unabhängig davon muss nicht zwingend eine entsprechende Planungskonzeption zugrunde liegen, zumal die von Kläger angeführten Baugebiete gerade nicht an das streitgegenständliche angrenzen, also insbesondere kein baulicher Zusammenhang besteht. Maßgeblich ist die Planungskonzeption des streitgegenständlichen Bebauungsplans, der seit seinem Inkrafttreten am 30.01.2008 nicht geändert wurde.
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bb. Eine Begründung des streitgegenständlichen Bebauungsplans im Sinne von § 2a BauGB, Art. 81 Abs. 2 Satz 2 BayBO, mithin ein manifestierter subjektiver Wille des Satzungsgebers, der im Widerspruch zu einem planerischen Grundkonzept in Bezug auf die Dachform steht, ist nicht bekannt. Und auch aus der tatsächlichen Handhabung ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Planungskonzeption, die gegenüber Ausnahmegestaltungen in Bezug auf die Dachform offen wäre (dazu: BVerwG, Urteil vom 18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris Rn. 38; die Indizwirkung einer tatsächlichen Entwicklung in Bezug auf die Grundzüge der Planung dagegen ablehnend: Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautz, BauGB, 139. EL, § 31 Rn. 36b).
26
Es mag sein, dass - wie der Kläger vorbringt (Seite 3 des Schriftsatzes vom 19.05.2021, Bl. 212 d. A.) - abweichend von den Vorgaben des Bebauungsplans in einem Fall ein Zeltdach genehmigt wurde, obwohl dies für die konkrete Parzelle nicht vorgesehen war, und in vier Fällen die Ausführung eines Walmdachs bewilligt wurde. Insofern ist aber zu berücksichtigen, dass Zeltdächer im Bebauungsplangebiet grundsätzlich zulässig sind. Und ein Walmdach weist, wie die übrigen im Bebauungsplan genannten Dachformen, eine Dachneigung auf. Es unterscheidet sich vom zulässigen Satteldach lediglich dahingehend, dass es nicht nur auf der Traufseite, sondern zudem auf der Giebelseite geneigte Dachflächen hat. Mit anderen Worten: Ein Walmdach ist ein Satteldach mit geneigten Giebelflächen. Sein Erscheinungsbild weist damit eine Nähe zum Zeltdach auf, bei dem sich die vier Dachflächen in einer gemeinsamen Spitze bei geringer Höhe und Neigung berühren. Es unterscheidet sich insofern letztlich nur durch den vorhandenen Dachfirst. Im Ergebnis vermag die Genehmigung von vier Walmdächern damit den durch das Vorhandensein von ein bis vier geneigten Dachflächen geprägten Gebietscharakter nicht in Frage zu stellen. Insbesondere wurde - wie sich aus der vom Senat eingeholten Auskunft der unteren Baubehörde vom 09.04.2021 ergibt (Bl. 194 d. A.) - in keinem Fall in dem Baugebiet „Am Kindergarten - Erweiterung“ die Ausführung eines Hauptgebäudes mit einem Flachdach als der vom Bebauungsplan am deutlichsten abweichenden Dachform genehmigt. Entsprechendes gilt in Bezug auf die angrenzenden Baugebiete. Insofern kann offenbleiben, ob die Praxis bei der Erteilung von Ausnahmegenehmigung in Bezug auf die Dachform in anderen Baugebieten überhaupt relevant wäre (dagegen: BayVGH, Urteil vom 14.12.2016 - 2 B 16.1574 -, juris Rn. 39). Denn wenn überhaupt kommt unter Berücksichtigung des Zwecks der örtlichen Bauvorschrift, eine homogene Gestaltung zu erzielen, eine Indizienwirkung lediglich in Bezug auf Abweichungen in den angrenzenden Baugebieten in Betracht, mithin dann, wenn ein baulicher Zusammenhang besteht.
27
c. Bei der Genehmigung eines Flachdachs wären die Grundsätze der Planung berührt, weil das mit den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Dachausführung verfolgte Gestaltungskonzept vollständig aufgegeben würde aa. Ob die Grundsätze der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Dies stellt eine Rechtsfrage dar (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautz, BauGB, 139. EL., § 31 Rn. 36), die als solche weder dem Zeugenbeweis noch dem Sachverständigenbeweis zugänglich ist. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft (BVerwG, Beschluss vom 19.05.2004 - 4 B 35/04 -, juris Rn. 37; Urteil vom 18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris Rn. 3). Ob eine Befreiung die Grundzüge der Planung berührt oder von minderem Gewicht ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, nämlich dem im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachten planerischen Wollen (BVerwG, Beschluss vom 15.03.2000 - 4 B 18/00 -, juris Rn. 4; Urteil vom 09.03.1990 - 8 C 76/88 -, juris Rn 19; BayVGH, Urteil vom 14.12.2016 - 2 B 16.1574 -, juris Rn. 37). Bezogen auf dieses Wollen darf der Abweichung vom Planinhalt keine derartige Bedeutung zukommen, dass die dem Plan zugrunde gelegte Planungskonzeption, also das „Grundgerüst“, in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Mit anderen Worten: Es muss angenommen werden können, dass die Abweichung noch im Bereich dessen liegt, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte (BVerwG, Urteil vom 16.10.2010 - 4 C 8/10 -, juris Rn. 26).
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bb. Dies ist bei einem Flachdach nicht der Fall. Von den vorgesehenen Dachformen weicht das Flachdach gestalterisch in maximalen Umfang ab und beeinträchtigt damit den im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachten Gestaltungswillen in beachtlicher Weise. Die Ausführung eines Hauptgebäudes mit einem Flachdach stellt mangels eingedeckter Schräge eine auffällige Abweichung dar.
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Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass Pultdächer zulässig sind. Zwar besteht auch ein Pultdach lediglich aus einer Dachfläche. Insofern besteht eine Nähe zum Flachdach. Diese eine Dachfläche liegt aber gerade nicht wie beim Flachdach flach auf dem Gebäude auf, sondern fällt schräg zu einer Seite ab. Jedenfalls von drei Seiten (wenn nicht sogar wegen eines Firstüberstands von allen vier Seiten) ist dieser Schrägstand wahrnehmbar; eine sichtbare Dacheindeckung ist möglich. Damit fehlt es an der typischen kubischen Wirkung eines Gebäudes mit Flachdach, die auch die streitgegenständliche Planung des Klägers zeigt.
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Grundstücksbezogene Umstände, welche die auffällige gestalterische Abweichung relativieren könnten, ergeben sich weder aus dem Vorbringen der Parteien noch sind solche ersichtlich. Das Baugrundstück mag sich am (westlichen) Rand des beplanten Gebiets befinden. Allein daraus ergibt sich aber keine besondere Situation. Insbesondere besteht keine exponierte Lage. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB kann nicht als Vehikel dafür herhalten, die von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben. Sie darf - jedenfalls von Festsetzungen, die für die Planung tragend sind - nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (BVerwG, Beschluss vom 05.03.1999 - 4 B 5/99 -, juris Rn. 6).
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3. Aus dem entsprechenden Grund liegen die Voraussetzungen für eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Dachform selbst dann nicht vor, wenn man davon ausgeht, dass ein Flachdach das dem streitgegenständlichen Bebauungsplan zugrunde liegende planerische Grundkonzept nicht berührt. Denn auch die einzig hier in Betracht kommende Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB setzt voraus, dass ein „atypischer“ Sachverhalt besteht (BVerwG, Beschluss vom 20.11.1989 - 4 B 163/89 -, juris Rn. 16; Urteil vom 14.02.1991 - 4 C 51/87 -, juris Rn. 31, allerdings zur § 31 Abs. 2 BauGB in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung). Dafür, dass in Bezug auf das betroffene Grundstück ein besonderer Sachverhalt gegeben ist, dem der streitgegenständliche Bebauungsplan mit seinen typisierenden Regelungen nicht gerecht wird, gibt es indes keinerlei Anhaltspunkte.
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a. Das Erfordernis der Atypik besitzt auch nach Streichung der Wörter „im Einzelfall“ durch den Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.01.1998 jedenfalls in dem Sinn weiterhin Gültigkeit, dass Befreiungen nicht nur in einem einzelnen Fall, sondern auch in mehreren gleichgelagerten, aber von dem planerischen Normalfall abweichenden (atypischen) Situationen erteilt werden können (Rieger in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl., § 31 Rn. 26; Siegmund in: BeckOK, BauGB, 52. Edition, § 31 Rn. 37; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautz, BauGB, 140. EL, § 31 Rn. 31 f.; Spieß in: Jäde/Dirnberger, BauGB/BauNVO, 9. Aufl., § 31 Rn. 19; Rn. 28; Rixner/Biedermann/Charlier, BauGB/BauNVO, 3. Aufl., § 31 Rn. 28; Dolderer; NVwZ 1998, 567; zu dieser Auffassung neigend: BayVGH, Urteil vom 19.10.1998 - 15 B 97.337 -, juris Rn. 33; das Erfordernis der Atypik dagegen ablehnend z. B.: VGH Mannheim Urteil vom 16. 06. 2003 - 3 S 2324/02 -, juris Rn 27 ff., ohne dass es auf diese Frage in der Entscheidung letztlich ankam [siehe Rn. 32]; ablehnend wohl auch: Reidt in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl., Rn. 26). Zwar stellt der Gesetzgeber mit § 31 Abs. 2 BauGB ein Instrument zur Verfügung, das trotz der Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit für Vorhaben, die den dortigen Festsetzungen zwar widersprechen, sich mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang bringen lassen, ein Mindestmaß an Flexibilität schafft. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die mit einer Normierung regelmäßig verbundene Abstraktion und Verallgemeinerung zu Differenzen zwischen dem Regelungsinhalt und dem hinter der Regelung stehenden Schutzgut führen können, weil und soweit sie besonders gelagerten Sachverhalten, die aus tatsächlichen Gründen - atypisch - „aus der Regel fallen“, nicht gerecht werden (BVerwG, Urteil vom 09.06.1979 - IV C 54/75 -, juris Rn. 20). Die als Rechtssätze geltenden Festsetzungen eines Bebauungsplans dürfen darüber hinaus aber nicht generell, insbesondere nicht in den vom Plan gerade erfassten Regelfällen, durch Verwaltungsakte „außer Kraft gesetzt“ werden. Denn zum einen obliegt die Änderung eines Bebauungsplans der Gemeinde als Trägerin der Planungshoheit und nicht der Baugenehmigungsbehörde. Und zum anderen ist für die Planung ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der Bürger vorgeschrieben. Könnte die Baugenehmigungsbehörde gleichwohl in „Regelfällen“ befreien, so würde sie damit die gesetzlich bestimmte Zuständigkeit und das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren umgehen (Rieger in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl., § 31 Rn. 26).
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Dem entspricht es, dass - sofern der Normzweck nicht auf andere Weise erfüllt werden kann - die Zulassung einer Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO Gründe erfordert, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet. Es muss sich dann um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (BayVGH, Beschluss vom 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 -, juris Rn. 4; Urteil vom 15.12.2008 - 22 B 07.143 -, juris Rn. 38 f., vgl. auch: Weinmann in: BeckOK, Bauordnungsrecht Bayern, 18. Edition, Art. 63 Rn. 22).
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b. Eine für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB erforderliche Atypik liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Gründe, die für eine erstrebte Befreiung streiten, für jedes oder für nahezu jedes andere Grundstück im Plangebiet gegeben wären. Die anzuführenden Gründe müssen vielmehr - vor allem unter städtebaulichen Gesichtspunkten - ein Abweichen im Planbereich unter Hintansetzung des Vertrauens anderer Grundeigentümer in den Bestand der bauplanerischen Festsetzung als vertretbar erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 14.02.1991 - 4 C 51/87 -, juris Rn. 31). Daran mangelt es, wenn es - wie hier - an jeglicher grundstücksbezogenen Besonderheit fehlt.
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c. Ob etwaige Befreiungen in anderen Fällen unter Verstoß dagegen erteilt wurden, begründet keinen Rechtsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) in Bezug auf die streitgegenständliche Planung. Denn es besteht kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (BayVGH, Beschluss vom 01.04.2016 - 15 CS 15.2451 -, juris Rn. 23).
C.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO bzw. § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 Satz 1 ZPO, wobei § 713 ZPO zu berücksichtigen war.
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Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.