Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 17.05.2021 – W 8 K 20.1561
Titel:

Anfechtungsklage, Versagungsgegenklage, Rücknahme der Bewilligung, Ablehnung eines Antrags auf Gewährung von Corona-Soforthilfe des Landes, Hessen, fehlende Förderberechtigung, Sitz des Unternehmens in Bayern, vorausgegangene Ablehnung eines Antrags auf Gewährung von Corona-Soforthilfe in Bayern, unrichtige Angaben, kein Vertrauensschutz, kein atypischer Ausnahmefall

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
VwGO § 113 Abs. 5
HVwVfG § 48
LHO § 53
GmbHG § 7
GmbHG § 4a
Richtlinie des Landes Hessen zur Durchführung eines Soforthilfeprogramms für gewerbliche Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft
Selbständige
Soloselbständige und Angehörige Freier Berufe
die infolge der Corona-Virus-Pandemie 2020 in ihrer Existenz gefährdet sind - Corona-Virus-Soforthilfeprogramm Hessen 2020
Schlagworte:
Anfechtungsklage, Versagungsgegenklage, Rücknahme der Bewilligung, Ablehnung eines Antrags auf Gewährung von Corona-Soforthilfe des Landes, Hessen, fehlende Förderberechtigung, Sitz des Unternehmens in Bayern, vorausgegangene Ablehnung eines Antrags auf Gewährung von Corona-Soforthilfe in Bayern, unrichtige Angaben, kein Vertrauensschutz, kein atypischer Ausnahmefall
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15310

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Bewilligung einer Soforthilfe nach dem Corona-Virus-Soforthilfsprogramm Hessen 2020.
I. 1.
2
Die Klägerin betreibt vier Spielhallen sowie ein Bistro in Hanau. Der Sitz der Klägerin befand sich zunächst in Hanau. Seit November 2015 befindet sich ihr eingetragener Sitz in 6..3755 Alzenau.
3
Die Klägerin beantragte am 25. März 2020 bei der Regierung von Unterfranken die Gewährung einer Corona-Soforthilfe nach dem Soforthilfeprogramm des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie.
4
Mit Antrag vom 21. April 2020 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Soforthilfe nach der Richtlinie des Landes Hessen zur Durchführung eines Soforthilfsprogramms für gewerbliche Unternehmen und Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft, Selbständige, Soloselbständige und Angehörige Freier Berufe, die infolge der Corona-Virus-Pandemie 2020 in ihrer Existenz gefährdet sind (Corona-Virus-Soforthilfsprogramm Hessen 2020) vom 27. März 2020 („Soforthilfe Corona“). Die Höhe des entstandenen Liquiditätsengpasses bezifferte die Klägerin auf 3.000,00 EUR. Als Grund für den existenzbedrohlichen Liquiditätsengpass gab die Klägerin an: „Achtung - die Betriebsstätten liegen alle in Hessen - siehe beiliegende Aufstellung. Wir hatten einen Antrag in Unterfranken (Würzburg) gestellt. Dieser ist heute telefonisch abgelehnt worden, mit der Begründung, dass alle Spielhallen und Gaststätten in Hessen liegen - Bayern übernimmt hierfür keine Kosten (Telefonat und Email, Herr S., 17:58 Uhr am 21.4.2020 …), leider kein Zweizeiler, da die Ablehnung nur schriftlich erfolgt (in ein paar Wochen). Telefonat mit der Controllingstelle … in Hanau. Wie aus der beiliegenden Aufstellung ersichtlich sind die laufenden Betriebskosten in Hessen monatlich bei 56.995,00 EUR, seit dem 18. März 2020 haben wir Null Umsatz und bekommen von unserer Hausbank auch keine Hilfe bei der KFW, da Gaststätten und Spielhallen Risikobetriebe sind (…).“
5
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 5. Mai 2020 wurde der Klägerin eine Soforthilfe in Höhe von 3.000,00 EUR bewilligt. Die Soforthilfe werde unter bestimmten Maßgaben ausgezahlt. Es werde darauf hingewiesen, dass die Soforthilfe ganz oder teilweise zurückzufordern sei, wenn die für die Gewährung maßgeblichen Voraussetzungen von Beginn an nicht vorgelegen hätten oder nachträglich ganz oder teilweise weggefallen seien oder ein Insolvenz- oder Zwangsvollstreckungsverfahren beantragt oder durchgeführt werde.
6
Mit weiterem Antrag vom 16. Mai 2020 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Soforthilfe Corona. Die Höhe des entstandenen Liquiditätsengpasses wurde auf 27.000,00 EUR beziffert. Als Grund für den existenzbedrohlichen Liquiditätsengpass wurde angegeben, dass in dem Antrag vom 21. April 2020 fälschlicherweise 3.000,00 EUR statt 30.000,00 EUR beantragt worden seien.
7
Mit Bescheid vom 18. Mai 2020 lehnte das Regierungspräsidium Kassel den Antrag vom 16. Mai 2020 auf Bewilligung und Auszahlung einer Soforthilfe ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Unternehmen bereits einen Antrag auf Auszahlung der Corona-Soforthilfe des Landes Hessen gestellt habe und dieser positiv beschieden worden sei.
8
Mit E-Mail vom 25. Mai 2020 und Schreiben vom 26. Mai 2020 legte die Klägerin „Widerspruch“ gegen den Bescheid vom 18. Mai 2020 ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Am 21. April 2020 sei der Antrag mit einem Eingabefehler (3.000,00 EUR statt 30.000,00 EUR) gestellt worden. Am 16. „Februar“ (richtig: „Mai“) 2020 sei der Korrekturantrag mit Begründung und ausreichend Dokumenten gestellt worden. Die positive Bescheidung des ersten Antrags sei mit dem Fehler erfolgt, der von einem Sachbearbeiter hätte erkannt werden müssen.
9
Mit Bescheid vom 13. Juli 2020 nahm das Regierungspräsidium Kassel den Bewilligungsbescheid über 3.000,00 EUR vom 5. Mai 2020 mit Wirkung vom Tage seiner Bekanntmachung zurück (Nr. 1) und setzte den zu erstattenden Betrag auf 3.000,00 EUR fest (Nr. 2). Der Bescheid erging gebührenfrei (Nr. 3).
10
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die für die Höhe der Soforthilfe ausschlaggebende Berechnung des Liquiditätsengpasses durch die Klägerin habe fehlerhafte Angaben enthalten. Diese würden dazu führen, dass die gesamte Soforthilfe zu Unrecht gewährt worden sei. Die Klägerin habe bei ihrem Antrag unter 8.1 versichert, dass die in 1.1 benannten Antragsvoraussetzungen vorlägen. Antragsberechtigt seien nach 1.1 gewerbliche Unternehmen mit Hauptsitz in Hessen gewesen. Für einen Anspruch der Corona-Soforthilfe des Landes Hessen in der Rechtsform einer GmbH oder AG oder um sonstige Körperschaften müsse der Sitz in Hessen liegen. Die Klägerin habe ihren Firmensitz in 6..3755 Alzenau, Bayern, und sei somit nicht antrags-/förderberechtigt gewesen. In Nr. 7 des Bewilligungsbescheides vom 5. Mai 2020 sei bereits darauf hingewiesen worden, dass die Soforthilfe ganz oder teilweise zurückzufordern sei, wenn die für die Gewährung maßgeblichen Voraussetzungen von Beginn an nicht vorgelegen hätten. Rechtsgrundlage für diese Rücknahme des Bewilligungsbescheides sei § 48 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz (HVwVfG). Die Rücknahme des Bescheids stehe gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 HVwVfG im Ermessen, von dem pflichtgemäß Gebrauch gemacht worden sei. Dem überwiegenden öffentlichen Interesse an der Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften und einer sparsamen Haushaltsführung sei bei einer Abwägung der Vorrang gegenüber dem entgegenstehenden Interesse der Klägerin, diese Mittel behalten zu dürfen, zu geben gewesen. Dabei habe auch der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung für die Rücknahme des Bescheids gesprochen, da in gleichgelagerten Fällen die rechtswidrigen Bescheide regelmäßig zurückgenommen worden seien. Nach § 49a Abs. 1 HVwVfG seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.
II. 1.
11
Mit Schriftsatz (Telefax) vom 13. August 2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ die Klägerin beim Verwaltungsgericht Kassel Klage erheben und beantragen,
1.
Der Änderungs- bzw. Ablehnungsbescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 13. Juli 2020, Geschäftszeichen 06 p 02-0903256, wird aufgehoben.
2.
Der Beklagte wird verpflichtet, „dem Kläger“ die von „ihm“ am „26“. Mai 2020 (richtig: 16. Mai 2020) sowie 21. April 2020 beantragte Soforthilfe gemäß § 53 der Hessischen Landeshaushaltsordnung i.V.m. der Richtlinie des Landes Hessen vom 27. März 2020 entsprechend des vorbezeichneten Antrags zu gewähren.
12
Zur Begründung ließ die Klägerin mit Schriftsatz vom 15. Februar 2021 im Wesentlichen ausführen: Die Eigentümer der Geschäftsanteile würden aus Hanau stammen. Die Anteilsinhaber der Gruppenunternehmen würden dort bzw. im nahen Umkreis wohnen. Die Geschäftsleitung, Buchhaltung und weitere Administration hätten ihre Büroräumlichkeiten in Hanau. Der Geschäftsführer und der Hauptgesellschafter würden ebenfalls in Hanau wohnen. Der eingetragene Sitz der Klägerin befinde sich seit November 2015 in Alzenau. Ein in Alzenau beheimateter freiberuflicher Mitarbeiter der Klägerin arbeite dort. Ursprünglich habe die Administration der Klägerin aufgrund Platzmangels in Hanau dort angesiedelt werden sollen. Deshalb sei auch die statutorische Sitzverlegung erfolgt, die jedoch nicht umgesetzt worden sei. Die Administration und die Geschäftsleitung würden vielmehr durchgehend aus Hanau erfolgen. Die Arbeitnehmer würden alle in Hessen arbeiten. Lediglich ein freier Mitarbeiter, der unregelmäßig für die Klägerin arbeite und zeitlich lediglich einen geringen Teil seiner Arbeitsleistung für die Klägerin erbringe, arbeite in Alzenau. Der am 25. März 2020 von der Klägerin bei der Regierung von Unterfranken gestellte Antrag auf Gewährung von Corona-Soforthilfe sei am 21. April 2020 abgelehnt worden, da der operative Geschäftsbetrieb nicht in Bayern liege, da die Spielhallen und die Gaststätte in Hessen belegen seien, und die Förderbedingungen des Landes Bayern in diesem Fall eine Förderung nicht vorsähen. Beim Antrag vom 21. April 2020 auf Gewährung von Corona-Soforthilfe seien irrtümlich aufgrund einer Falscheintragung anstelle eines Zuschusses von 30.000,00 EUR lediglich 3.000,00 EUR beantragt worden. Deshalb habe die Klägerin am 16. Mai 2020 einen weiteren Antrag beim Beklagten gestellt. Die Klägerin sei während dieses Verfahrens zu keiner Zeit anwaltlich vertreten gewesen und sei analog zu ihr bekannten Verwaltungsverfahren (Spielhallenlizenzen, Baugenehmigungen etc.) irrtümlich davon ausgegangen, dass bei Verwaltungsakten zunächst eine einmonatige Rechtsbehelfsfrist (Widerspruchsfrist) bestünde und erst nach Ergehen einer ablehnenden Widerspruchsentscheidung das verwaltungsgerichtliche Verfahren eröffnet sei. Deshalb sei von ihr auch gegen die Bescheide vom 5. Mai 2020 und 18. Mai 2020 zunächst ein „Widerspruch“ eingelegt worden. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass sie sich im behördlichen Widerspruchsverfahren befände. Erst nach Einschaltung des Bevollmächtigten im August 2020 sei dann zeitnah eine Klage eingereicht worden. Hinsichtlich des Klageantrags Ziffer 2 werde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Klägerin habe die Frist betreffend die Klage gegen die ursprünglichen Corona-Bescheide unverschuldet versäumt. Sie sei zum einen rechtlich nicht vertreten gewesen. Zum anderen weiche das Rechtsbehelfsverfahren in den Corona-Zuschussfällen eklatant vom gemeinhin bekannten verwaltungsrechtlichen Verfahren mit einem behördlichen Rechtsbehelfsverfahren ab. Die Klägerin habe sich aufgrund der eingelegten Einsprüche verfahrensrechtlich in Sicherheit gewähnt. Eine Förderberechtigung liege vor. Der Hauptsitz der Klägerin im Sinne der Richtlinie liege in Hessen. Nach Ziffer 2.3 (Förderberechtigte) der Richtlinie müsse der Hauptsitz des antragstellenden Unternehmens in Hessen liegen. Eine Definition des Hauptsitzes sei in der Richtlinie nicht zu finden. Auch die „FAQs“ des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen zur Richtlinie würden sich hierzu ausschweigen. Nach dem Wortlaut müsse der „Hauptsitz“ und nicht gerade der statutorische Sitz in Hessen liegen. Der Hauptsitz liege gerade in Hessen. Das Wort „Haupt“ lasse keine andere Auslegung zu. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Geschäftsleitung und Administration in Hanau erfolge. Weiter würden dort 75,00% des Umsatzes erzielt und der Kosten produziert. Der überwiegende Teil der Mitarbeiter (rund 80,00%) sei in den Betriebsstätten in Hessen beschäftigt. Bei einer Auslegung nach dem Telos der Richtlinie ergebe sich kein anderes Ergebnis. Unter Ziffer 1 der Richtlinie (Zielsetzung) werde ausgeführt, dass hilfsbedürftigen Wirtschaftszweigen (hierzu gehöre aufgrund der Zwangsschließung die Gastronomie- und Spielhallenbranche) zur Abmilderung der wirtschaftlichen Schäden eine Förderung zukommen solle. Dementsprechend seien die Tatbestandsmerkmale bei Auslegung nach dem Telos eng auszulegen. Eine formalistische Auslegung nach dem statutorischen Sitz mit dem Ergebnis der Verneinung einer an sich begünstigungsfähigen Gesellschaft widerspreche dem Telos der Fördermaßnahmen. Ein formalistischer Verweis auf den statutorischen Sitz sei nicht zutreffend.
13
2. Das Regierungspräsidium Kassel beantragte für den Beklagten mit Schriftsatz vom 16. September 2020,
die Klage abzuweisen.
14
Zur Klageerwiderung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 18. Mai 2020 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es bestehe keine Förderberechtigung des Unternehmens für das Corona-Soforthilfsprogramm des Landes Hessen. Voraussetzung für die Förderung sei nach Ziffer 2.3 der einschlägigen Richtlinie, dass sich der Hauptsitz des Unternehmens in Hessen befinde. Die Klägerin habe ihren Hauptsitz jedoch in Bayern. An der fehlenden Fördervoraussetzung vermöge auch die Tatsache nichts zu ändern, dass möglicherweise Betriebsstätten der Klägerin in Hessen bestünden. Dies begründe keine Förderberechtigung. Ferner werde darauf hingewiesen, dass die Sachbearbeiter des Regierungspräsidiums Kassel in vergleichbaren Fällen ebenfalls nach den bereits dargelegten Grundsätzen der zugrundeliegenden Richtlinie entschieden hätten und somit der Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen der Ermessensausübung gewahrt worden sei. Somit lägen keine Ermessensfehler vor.
15
Mit weiterem Schriftsatz vom 30. März 2021 führte das Regierungspräsidium Kassel für den Beklagten ergänzend aus: Für die Bearbeiter/innen der Anträge seien gesonderte „FAQ“ entworfen worden, um eine zügige Bearbeitung der Anträge und eine einheitliche Verwaltungspraxis zu gewährleisten. Darin sei unter Nr. 37 beschrieben worden, dass der Sitz von Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH in Hessen liegen müsse: „Handelt es sich um ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH oder AG oder um sonstige Körperschaften, so muss der Sitz in Hessen liegen.“ Weil die „FAQ“ eine verwaltungsinterne Regelung darstellen würden, welche sich nur an die Verwaltung und nicht an den Bürger richten und dadurch Einzelheiten des Verwaltungshandelns geregelt würden, würden diese eine Verwaltungsvorschrift darstellen. Nummer 37 dieser Verwaltungsvorschrift spreche - anders als Ziffer 2.3 der Richtlinie zum Corona-Virus-Soforthilfsprogramm Hessen 2020 - vom Sitz. Dementsprechend sei der „Hauptsitz“ nach Ziffer 2.3 der Richtlinie zum Corona-Virus-Soforthilfsprogramm Hessen 2020 als satzungsgemäßer Sitz zu verstehen, wie sich dieser aus dem Gesellschaftsvertrag bzw. dem Handelsregister ergebe. Der Sitz einer GmbH sei gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 GmbH-Gesetz zwingend im Gesellschaftsvertrag festzulegen. Dieser Vertrag liege nicht vor. Laut Handelsregister des Amtsgerichts Aschaffenburg (HR 13557) und den bisherigen klägerischen Einlassungen befinde sich der Sitz der Klägerin in Alzenau, mithin im Freistaat Bayern und nicht im Land Hessen. Es werde auf den Meinungsstreit verwiesen, ob eine international-privatrechtliche Anknüpfung an den satzungsgemäßen Sitz (sog. Gründungstheorie) oder den Hauptsitz der Verwaltung (sog. Sitztheorie) erfolgen solle. Für die Mitgliedstaaten der EU habe der EuGH aus dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit der Gründungstheorie den Vorzug gegeben, die somit die herrschende Meinung darstellen dürfte. Diese Auffassung vertrete auch Hüffer/Koch in Gesellschaftsrecht, 8. Auflage 2011, Beck Verlag § 40 Rn. 6, wörtlich: „Die herrschende Meinung des deutschen Rechts trägt dieser Forderung Rechnung, indem sie innerhalb der EU den kollisionsrechtlichen Anknüpfungspunkt auswechselt: Die traditionelle Sitztheorie wird durch die Gründungstheorie ersetzt, wonach der Gründungsort die Rechtsform bestimmt.“ Dem sei die Wertung zu entnehmen, dass für die Bestimmung des Sitzes einer Kapitalgesellschaft an den satzungsgemäßen Sitz anzuknüpfen sei. Dabei könne man nicht zu einer anderen Wertung kommen, nur, weil der streitige Sitz nicht in zwei unterschiedlichen Staaten liege, sondern wie hier in zwei unterschiedlichen Bundesländern. Ein schutzwürdiges Vertrauen sei schon deshalb ausgeschlossen, weil für die Ermessensentscheidung über die Rücknahme rechtswidriger Subventionsbescheide grundsätzlich die Grundsätze der sogenannten intendierten Ermessensausübung zugrunde zu legen seien. Deren Anwendung im Rahmen von Rücknahmen von Corona-Soforthilfen sei durch die jüngste Rechtsprechung auch mehrfach bekräftig worden. Es liege insbesondere kein atypischer Sachverhalt durch die Ablehnung der Anträge der Klägerin im Freistaat Bayern mit der Begründung, die Betriebsstätten lägen in Hessen, vor. Bei einer wechselseitigen Ablehnung mit dem jeweiligen Verweis auf das andere Bundesland käme grundsätzlich das Vorliegen eines atypischen Sachverhalts in Betracht, allerdings sei im Rahmen einer telefonischen Nachfrage bei der zuständigen Bezirksregierung Unterfranken am 14. September 2020 festgestellt worden, dass die Klägerin dort auch nur Anträge auf Corona-Soforthilfe aus dem bayerischen Soforthilfe-Programm und nicht aus dem Bundesprogramm, auf dem die Corona-Soforthilfe des Landes Hessen fuße, gestellt habe. Ein entsprechender Antrag auf Corona-Soforthilfe aus dem Bundesprogramm sei im Freistaat Bayern - soweit bekannt - nicht gestellt worden, obwohl die Möglichkeit dazu bestanden habe.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 14. Mai 2021 erklärte das Regierungspräsidium Hessen für den Beklagten, die konkrete Gewährung der Corona-Soforthilfe gehe unmittelbar lediglich auf die Richtlinie des Corona-Virus-Soforthilfeprogramms Hessen 2020 zurück. Die hiesige Richtlinie stütze sich ihrerseits auf die „Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“ sowie in europarechtlicher Hinsicht auf die Mitteilung der Europäischen Kommission C(2020) 1863 final vom 19. März 2020 (Ziff. 2.8 d. Richtlinie). Zugleich sei sie orientiert an den „Voraussetzungen des Bundesprogramms, wie sie sich aus der Verwaltungsvereinbarung des Bundes und der Länder über die Soforthilfen des Bundes für die Gewährung von Überbrückungshilfen als Billigkeitsleistungen für Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Soloselbständige vom März 2020 ergeben (Ziff. 1 d. Richtlinie). Nach Auffassung des Beklagten ergebe sich hieraus indes kein „Beruhen“. Überdies handle es sich bei der gegenständlichen Zuwendung um eine Billigkeitsleistung, auf deren Erhalt kein Anspruch bestehe und deren konkrete Voraussetzungen durch den konkreten Zuwendungsgeber - vorliegend den Beklagten - im Rahmen der Zweckmäßigkeit und Gleichbehandlung frei zu bestimmen seien.
17
3. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2020 (3 K 1534/20.KS) erklärte sich das Verwaltungsgericht Kassel für unzuständig und verwies das Verfahren an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Würzburg.
18
In der mündlichen Verhandlung am 17. Mai 2021 ist von den Beteiligten niemand erschienen.
19
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20
Bei verständiger Würdigung (§ 88 VwGO) des Vorbringens der Klägerin und der gestellten Anträge ist ihr Klagebegehren dahingehend auszulegen, dass sie die Aufhebung des Rücknahmebescheides des Regierungspräsidiums Kassel vom 13. Juli 2020 begehrt, mit welchem die der Klägerin mit Bescheid vom 5. Mai 2020 gewährte Förderung in Höhe von 3.000,00 EUR nach der Richtlinie des Landes Hessen zur Durchführung eines Soforthilfsprogramms für gewerbliche Unternehmen und Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft, Selbständige, Soloselbständige und Angehörige Freier Berufe, die infolge der Corona-Virus-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind - (Corona-Virus-Soforthilfsprogramm Hessen 2020 - im Folgenden: „Förderrichtlinien“) vom 27. März 2020 zurückgenommen und zurückgefordert wird, und zudem die Verpflichtung des Beklagten, ihr unter Aufhebung der Bescheide des Regierungspräsidiums Kassel vom 18. Mai 2020 und 13. Juli 2020 und unter Abänderung des Bescheids des Regierungspräsidiums Kassel vom 5. Mai 2020 die weitere beantragte Corona-Soforthilfe in Höhe von 27.000,00 EUR zu gewähren.
21
Die so verstandene Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Beteiligten verhandelt und entschieden werden konnte, ist zulässig, aber unbegründet.
22
Das Verwaltungsgericht Kassel hat mit Beschluss vom 12. Oktober 2020 (3 K 1534/20.KS) das Verfahren an das Verwaltungsgericht Würzburg verwiesen, welches an diesen Beschluss gebunden ist, § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG entsprechend. Eine Ausnahme von der Bindungswirkung, die nur in seltenen Fällen in Betracht kommen kann (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 83 Rn. 15), ist vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere beruht die Verweisung trotz der in Literatur und Rechtsprechung zumindest teilweise vertretenen Meinung, dass sich § 52 Nr. 3 Satz 5 VwGO auch auf Satz 3 beziehe (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 52 Rn. 12 m.w.N.) und sich die örtliche Zuständigkeit hiernach nach § 52 Nr. 5 bestimmen würde, angesichts des insoweit anderslautenden Wortlauts von § 52 Nr. 3 Satz 5 VwGO nicht auf willkürlichen, sondern auf rechtlich nachvollziehbaren Erwägungen.
23
Der Rücknahmebescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 13. Juli 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat zudem keinen Anspruch auf die Gewährung einer (weiteren) Corona-Soforthilfe in Höhe von 27.000,00 EUR (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
24
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere war die Klageerhebung nicht verfristet.
25
Die Klage gegen den Rücknahmebescheid vom 13. Juli 2020 wurde am 13. August 2020 unstreitig innerhalb der einmonatigen Klagefrist erhoben, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 ZPO i.V.m. §§ 187 ff. BGB.
26
Bei den streitgegenständlichen Bescheiden vom 5. Mai 2020 und 18. Mai 2020 ist die Rechtsbehelfsbelehrung:unterblieben, so dass nach § 58 Abs. 2 VwGO die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Zustellung zulässig ist, § 58 Abs. 2 VwGO, und damit die Klage auch insoweit nicht verfristet ist. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss vorliegend folglich nicht entschieden werden.
27
2. Die Klage ist unbegründet. Die Rücknahme der gewährten Corona-Soforthilfe in Höhe von 3.000,00 EUR ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Übrigen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Auszahlung von (weiteren) 27.000,00 EUR Corona-Soforthilfe (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
28
2.1 Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 5. Mai 2020 ist § 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 HVwVfG. Der Rücknahmebescheid ist rechtmäßig, weil die Klägerin den Bewilligungsbescheid durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, und die Kläger sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen kann.
29
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 HVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nach Satz 2 dieser Norm nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 zurückgenommen werden.
30
Nach § 48 Abs. 2 HVwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach Satz 3 Nr. 2 des Absatzes 2 dieser Vorschrift nicht berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren.
31
Die Rücknahme des Verwaltungsakts erfolgt in den Fällen des Satzes 3 in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit, § 48 Abs. 2 Satz 4 HVwVfG.
32
Voraussetzung der Rücknahme ist zunächst das Vorhandensein eines rechtswidrigen Bescheids. Der Bewilligungsbescheid vom 5. Mai 2020 ist rechtswidrig. Die Klägerin ist nicht förderberechtigt i.S.v. Punkt 2.3 der Förderrichtlinien.
33
Bei Billigkeitsleistungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige staatliche Maßnahmen. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Soforthilfe begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Billigkeitsleistung auf der Grundlage der einschlägigen Richtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der dafür im Haushaltsplan besonders zur Verfügung gestellten Ausgabemittel (§ 53 LHO - Hessische Landeshaushaltsordnung). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien. Dies würde sogar dann gelten, wenn die ständige Praxis der Behörde nicht mit einzelnen Regelungen der Verwaltungsvorschriften übereinstimmt, weil diese keine verbindlichen Rechtsnormen darstellen. Die Förderrichtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung (HessVGH, B.v. 4.2.2021 - 10 B 2762/20 - juris Rn. 27 f.; vgl. im Übrigen die st.Rspr. der Kammer zur Soforthilfe gemäß den Richtlinien des Freistaats Bayern für die Gewährung von Überbrückungshilfen des Bundes für die von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Soloselbständigen („Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Soloselbständige“), zuletzt B.v. 18.6.2020 - W 8 E 20.736 sowie Ue.v. 25.5.2020 - W 8 K 19.1546 und W 8 K 20.330; U.v. 13.1.2020 - W 8 K 19.364 - alle juris jeweils m.w.N. zur Rspr.).
34
Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie auch grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 - 3 C 111/79 - juris).
35
Die Richtlinien setzen Maßstäbe für die Verteilung der staatlichen Hilfen und regeln insoweit die Ermessenshandhabung. Die Ermessensbindung reicht jedoch nur so weit wie die festgestellte tatsächliche ständige Verwaltungspraxis. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen des § 114 VwGO. Das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien (vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2021 - 6 ZB 21.301 - BeckRS 2021, 11002; SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 - 2 A 480/17 - juris; OVG SH, U.v. 17.5.2018 - 3 LB 5/15 - juris; OVG NRW, B.v. 29.5.2017 - 4 A 516/15 - juris; HessVGH, U.v. 28.6.2012 - 10 A 1481/11 - juris).
36
Ausgangspunkt ist die ständige Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Auflage 2020, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 26. Auflage 2020, § 114 Rn. 41 ff.).
37
So dürfen im Einzelfall keine sachlichen Gründe für das Abweichen von der Behördenpraxis bestehen. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürfen nur für den Regelfall gelten und müssen Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle lassen. Ein derartiger atypischer Fall ist dann gegeben, wenn der konkrete Sachverhalt außergewöhnliche Umstände aufweist, deren Besonderheiten von der ermessenslenkenden Vorschrift nicht hinreichend erfasst und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten (OVG NW, B.v. 29.5.2017 - 4 A 516/15 - juris).
38
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben war die Bewilligung der Soforthilfe in Höhe von 3.000,00 EUR mit Bescheid vom 5. Mai 2020 rechtswidrig.
39
Die Klägerin ist gemäß der ständigen Verwaltungspraxis nicht förderberechtigt im Sinne von Punkt 2.3 Abs. 3 der Förderrichtlinien des Beklagten. Hiernach muss der Hauptsitz des antragstellenden Unternehmens in Hessen sein.
40
Nach Nr. 37 der laut dem Regierungspräsidium Kassel für die Bearbeiter/innen der Anträge zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungspraxis entworfenen gesonderten „FAQ“ (Frequently Asked Questions) muss der Sitz eines Unternehmens in der Rechtsform einer GmbH in Hessen liegen. Dieses Verständnis lag nach Aussage der Beklagten auch der gängigen Förderpraxis zugrunde, die rechtlich nicht zu beanstanden ist.
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Bei einer Gesellschaft ist zwischen dem Satzungssitz und dem Verwaltungssitz, der sich rein tatsächlich nach dem Ort, an dem sich der Schwerpunkt des körperschaftlichen Lebens befindet, bestimmt, zu unterscheiden, die nicht übereinstimmen müssen (BeckOK, GmbHG, 47. Edition, 1.2.2021, § 4a Rn. 4). Soweit in Vorschriften ohne nähere Bestimmung auf den „Sitz“ der Gesellschaft abgestellt wird, ist damit der Satzungssitz gemeint (Münchener Kommentar, GmbHG, 3. Auflage 2018, § 4a Rn. 9). Denn nach § 4a GmbHG ist Sitz der Gesellschaft der Ort im Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. Ein Gesellschaftsvertrag wurde im konkreten Fall nicht vorgelegt. Gemäß § 7 Abs. 1 GmbHG ist jedoch die Gesellschaft bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist. Nach dem Handelsregister ist der Sitz der GmbH in Alzenau und damit in Bayern.
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Etwas anderes ergibt sich nicht aus etwaigen Gleichheitserwägungen. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 32).
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Aufgrund des freiwilligen Charakters der Hilfen und dem weiten Ermessen des Gebers bei der Aufstellung von Richtlinien zur Gewährung von Hilfen, ist eine entsprechende Nachprüfung nur im Hinblick auf eine möglicherweise willkürliche Ungleichbehandlung potentieller Hilfeempfänger eröffnet, nicht aber in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 - 10 C 1/17 - juris Rn. 15 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerfG). Nach der Willkür-Formel des Bundesverfassungsgerichts (seit U.v. 23.10.1951 - 2 BVG 1/51 - juris) ist Willkür dann anzunehmen, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.
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Eine willkürliche Verwaltungspraxis des Beklagten lässt sich nicht feststellen. Es ist aus rechtlicher Hinsicht unter Berücksichtigung des Zwecks der Soforthilfen nach Nr. 1 der Förderrichtlinien und des dahingehend eindeutigen Wortlauts der Förderrichtlinien nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte diese in ständiger Praxis so auslegt und handhabt, dass nur Unternehmen mit Sitz in Hessen antragsberechtigt sind. Für die Annahme eines atypischen Einzelfalls, der zu einer abweichenden Betrachtung führt, gibt es bei der Klägerin trotz der in Hessen gelegenen Betriebsstätten keine Anhaltspunkte.
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Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Förderrichtlinien des Landes Hessen für die Corona-Soforthilfe auf den - eingetragenen - Hauptsitz des Unternehmens abstellen, während die bayerischen Richtlinien für die Unterstützung der von der Coronavirus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Angehörigen Freier Berufe („Soforthilfe Corona“) nach ihrer Nr. 3 Satz 2 für die Antragsberechtigung den Sitz der Betriebs- bzw. Arbeitsstätte des Antragstellers in Bayern voraussetzen. Die Corona-Soforthilfe nach dem Landesprogramm Hessen und die Soforthilfe nach dem bayerischen Landesprogramm beruhen jeweils auf eigenen Richtlinien des jeweiligen Landes. Ob Unternehmen mit Sitz außerhalb des Bundeslandes oder mit Betriebsstätten außerhalb des Bundeslandes gefördert werden, obliegt der Entscheidungsfreiheit des jeweiligen Landes. Da die Fördermittel der jeweiligen Bundesländer grundsätzlich begrenzt sind, steht es in der Entscheidung eines jeden Landes, wie die knappen zur Verfügung stehenden Fördermittel verteilt werden.
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Ein Vergleich mit den anderen Bundesländern ist im Zusammenhang mit einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht anzustellen, da allein die Verwaltungspraxis in Hessen ohne Rücksicht auf die Praxis in anderen Bundesländern und die dortigen Hilfeleistungen maßgeblich ist (s. zur vergleichbaren Thematik der Zuwendungen OVG NW, B.v. 29.5.2017 - 4 A 516/15 - juris). Die landesrechtlichen Grundsätze zur Gewährung von Hilfen sind nur für das jeweilige Bundesland verbindlich, ohne dass es darauf ankommen kann, ob in anderen Bundesländern abweichende Hilfevoraussetzungen zur Anwendung gelangen oder in der Vergangenheit gelangt sind. Art. 3 Abs. 1 GG bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt allein in dessen Zuständigkeitsbereich (Sachs in Stelkens/Bonk/ Sachs VwVfG, 9. Auflage 2018, § 40 Rn. 129; Aschke in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 51. Edition, Stand 1.4.2021, § 40 Rn. 69).
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Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Bewilligungsbescheid vom 5. Mai 2020 infolge der Nichtbeachtung der Voraussetzung für die Förderberechtigung nach Punkt 2.3 Abs. 3 der Förderrichtlinien und der verwaltungsinternen Regelung der Nr. 37 der FAQ wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot rechtswidrig.
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Die Klägerin kann sich hinsichtlich der Rücknahme des Weiteren nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn sie hat den Verwaltungsakt durch in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben erwirkt, § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 HVwVfG, indem sie unter Nr. 8.1 des Antragsformulars (Bl. 2 der Behördenakte) erklärt hat, dass die in 1.1 benannten Antragsvoraussetzungen - wonach u.a. gewerbliche Unternehmen mit Hauptsitz in Hessen antragsberechtigt sind - sämtlich vorliegen. Für den Ausschluss des Vertrauensschutzes ist Verschulden keine Voraussetzung. Es ist insoweit unerheblich, ob der Betroffene die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit kannte oder hätten kennen können und müssen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Auflage 2020, § 48 Rn. 119).
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Ermessenfehler hinsichtlich der Rücknahmeentscheidung sind vorliegend nicht ersichtlich. In den Fällen des § 48 Abs. 2 Satz 3 HVwVfG besteht regelmäßig eine Rücknahmepflicht nach § 48 Abs. 2 Satz 4 HVwVfG (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Auflage 2020, § 48 Rn. 127b). Ein atypischer Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Zwar wurde der Antrag der Klägerin auf Corona-Soforthilfe nach dem bayerischen Soforthilfeprogramm mit der Begründung, dass die Betriebsstätten in Hessen liegen, abgelehnt. Wie oben bereits ausgeführt, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Richtlinie des Landes Hessen für die Förderberechtigung auf den Hauptsitz des Unternehmens abstellt, während die bayerischen Richtlinien für die Unterstützung der von der Coronavirus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Angehörigen Freier Berufe („Soforthilfe Corona“) nach ihrer Nr. 3 Satz 2 für die Antragsberechtigung den Sitz der Betriebs- bzw. Arbeitsstätte des Antragstellers in Bayern voraussetzen. Insbesondere beruhen die beiden Programme nicht auf einem Bundesprogramm, das einheitliche Fördervoraussetzungen vorgibt. Nach den Ausführungen des Regierungspräsidiums Kassel im Schriftsatz vom 14. Mai 2020 orientieren sich die Förderrichtlinien lediglich an den Voraussetzungen des Bundesprogramms, wie sich aus der Verwaltungsvereinbarung des Bundes und der Länder über die Soforthilfen des Bundes für die Gewährung von Überbrückungshilfen als Billigkeitsleistungen für Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Soloselbständige vom März 2020 ergeben, wobei der konkrete Zuwendungsgeber für die streitgegenständliche Soforthilfe der Beklagte ist und nicht der Bund.
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Im Rahmen der Rücknahmeentscheidung ist zudem zu berücksichtigen, dass in Nr. 7 des Bewilligungsbescheides vom 5. Mai 2020 darauf hingewiesen wurde, dass die Soforthilfe ganz oder teilweise zurückzufordern ist, wenn die für die Gewährung maßgeblichen Voraussetzungen von Beginn an nicht vorgelegen haben oder nachträglich ganz oder teilweise weggefallen sind.
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Überdies erfordert der in der Landeshaushaltsordnung verankerte Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung öffentlicher Mittel regelmäßig die Rücknahme rechtswidriger Subventionsbescheide, damit öffentliche Mittel sparsam und effektiv verwendet werden (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.1996 - BVerwG 3 C 22.96 - juris, Rn. 16; vgl. auch: Hess. VGH, U.v. 13.5.2014 - 9 A 2289/12 - juris Rn. 44), was auch bei einer Bewilligung von Corona-Soforthilfen gilt (VG Gießen, U.v. 3.12.2020 - 4 K 3429/20.G - juris Rn. 39 f.).
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Die Rücknahme des Bewilligungsbescheids in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 13. Juli 2020 war damit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
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Die Festsetzung des zu erstattenden Betrags auf 3.000,00 EUR entspricht § 49a Abs. 1 Satz 2 HVwVfG und ist nicht zu beanstanden.
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2.2 Mangels Vorliegens der Förderberechtigung der Klägerin kommt ein Anspruch auf die Gewährung der am 16. Mai 2020 beantragten Corona-Soforthilfe nach dem Corona-Virus-Soforthilfeprogramm Hessen 2020 von (weiteren) 27.000,00 EUR unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Mai 2020 nicht in Betracht. Auf die obigen Ausführungen wird in diesem Zusammenhang Bezug genommen.
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3. Die Kostenentscheidung des gerichtlichen Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.