VG München, Urteil v. 04.03.2021 – M 27 K 18.867
Titel:
Nichtbestehen einer mündlichen Strahlenschutz-Fachkundeprüfung
Normenketten:
HKaG Art. 35 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 4
StrSchV § 47 Abs. 1 S. 1, § 145 Abs. 1
Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin Nr. 3.1.2
WBO
Leitsätze:
1. Zur Ermittlung der Fachkunde nach Nr. 3.1.2 der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin darf unabhängig von deren rechtlicher Qualität ein Fachgespräch durchgeführt werden. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Audioaufzeichnung einer mündlichen Prüfung stellt keinen Verfahrensfehler dar, wenn der Prüfling zu Beginn der Prüfung hierzu schriftlich sein Einverständnis mit einer solchen Aufzeichnung erklärt. Im Zulassungsbescheid ist nicht zwingend auf die geplante Audioaufzeichnung hinzuweisen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es obliegt dem Prüfling, auf eine fehlerfreie Verfahrensgestaltung hinzuwirken, sodass er seine Kenntnisse und Fähigkeiten optimal zur Geltung bringen kann. Unterlässt der Prüfling eine ihm zumutbare zeitnahe Rüge, ist ihm regelmäßig eine spätere Berufung auf diesen Fehler verwehrt. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein prüfungsrechtlicher Beurteilungsspielraum besteht nur in den Fällen, in denen die Entscheidung in das alleinige Urteil bestimmter Prüfer gestellt ist, nicht aber in Fällen, in denen sich die Prüfer lediglich als Sachverständige zu einer Frage äußern, die die zuständige Behörde ohne Bindung an die Stellungnahme der Prüfer zu entscheiden hat. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
5. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass auf die Strahlenschutz-Fachkundeprüfung die Weiterbildungsordnung (WBO) entsprechend angewendet wird, sofern keine speziellen rechtlichen Vorgaben bestehen. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erwerb der Fachkunde im Strahlenschutz, Neue Anwendungen, Protonentherapie, Fachgespräch, Fehler im Verfahren zur Leistungserhebung (verneint), Bewertungsfehler (verneint), Anspruch auf Neubewertung (verneint), Strahelenschutz in der Medizin, Nachweis der Fachkunde, Prüfungsgespräch, Audioaufzeichnung, verspäteter Beginn einer Prüfung, Bewertungsfehler, Beurteilungsspielraum
Fundstelle:
BeckRS 2021, 14058
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen den Bescheid der beklagten Bayerischen Landesärztekammer vom 23. Januar 2018 über das Nichtbestehen der Prüfung zum Erwerb der Fachkunde im Strahlenschutz - umschlossen - A1 2.2.5.3 Neue Anwendungen - Protonentherapie.
2
Mit Schreiben vom 10. November 2017, bei der Beklagten eingegangen am 13. November 2017, stellte das ... für den Kläger einen Antrag auf Erteilung der „Fachkunde für Protonentherapie“. Der Kläger sei seit 1. Juni 1991 approbierter Arzt und seit dem Jahr 1995 Facharzt für Strahlentherapie. Im Rahmen der Ausbildung zum Facharzt für Strahlentherapie habe der Kläger auch die Fachkunde für Strahlentherapie erworben. Die Aktualisierung der Fachkunde sei zuletzt am 5. Oktober 2017 erfolgt. Der Kläger habe langjährige Erfahrung an den Universitätskliniken in ... und ... gesammelt und sei seit dem 1. April 2017 am ... in der Strahlentherapie beschäftigt. In dieser Zeit habe er die Zusatzweiterbildung in Protonentherapie absolviert. Vorgelegt wurden unter anderem eine Approbationsurkunde über die Approbation als Arzt des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 1. Juni 1991, eine Anerkennungsurkunde der Beklagten vom ... 1995 über die Berechtigung des Klägers, die Bezeichnung „Arzt für Strahlentherapie“ zu führen, sowie ein Sachkundezeugnis des ... vom ... 2017.
3
Nachdem die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 13. November 2017 um Einreichung eines Formblattantrags gebeten und auf die Notwendigkeit der Durchführung eines Fachgesprächs hingewiesen hatte, beantragte der Kläger mit Formblattantrag vom 16. November 2017, bei der Beklagten eingegangen am 17. November 2017, die Anerkennung der Fachkunde beim Umgang mit umschlossenen radioaktiven Stoffen - A1 2.2.5.3 Neue Anwendungen und wurde mit Schreiben der Beklagten vom 20. November 2017 zum Prüfungsgespräch zugelassen. Mit weiterem Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte dem Kläger als Prüfungstermin den ... 2017, 10.30 Uhr mit.
4
Am ... 2017 nahm der Kläger an dem Prüfungsgespräch zum Erwerb der Fachkunde im Strahlenschutz - umschlossen - A1 2.2.5.3 Neue Anwendungen - Protonentherapie in Form eines Fachgesprächs teil. Zu diesem Prüfungsgespräch befinden sich in der Behördenakte eine von den Mitgliedern des Prüfungsausschusses unterzeichnete Prüfungsniederschrift vom ... 2017 und ein von den Mitgliedern des Prüfungsausschusses unterzeichnetes Prüfungsprotokoll. Das Fachgespräch wurde zudem mittels Audiodatei aufgezeichnet. In der Behördenakte befindet sich hierzu eine schriftliche Einverständniserklärung des Klägers und der Prüfer. Prüfungsdauer war ausweislich des Prüfungsprotokolls und der Prüfungsniederschrift 10.50 Uhr bis 11.45 Uhr. Das Fachgespräch gliederte sich ausweislich des Prüfungsprotokolls in die Themenbereiche „1. Gesicherte Indikationen für eine Partikelstrahlentherapie“, „2. Relative biologische Effektivität (RBE)“, „3. Bestrahlungsplan Nasennebenhöhlenkarzinom“, „4. Prostatakarzinom, Fallbeispiel mit Aufklärung und Therapie“ und „5. Vorfall während einer Bestrahlung“. Die Prüfungsniederschrift hält als Ergebnis der Prüfung „nicht bestanden“ fest.
5
Am 19. Dezember 2017 wandte sich der Kläger mittels E-Mail an die Beklagte und bat um eine Kopie der Audioaufzeichnung des Fachgesprächs. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 20. Dezember 2017 mit, dass eine Herausgabe der Audioaufzeichnung wegen der Gefahr der Vervielfältigung nicht möglich sei, der Kläger sich die Aufzeichnung aber in den Räumlichkeiten der Beklagten anhören könne.
6
Mit Bescheid vom 23. Januar 2018, dem Kläger mittels Einschreibens am 25. Januar 2018 zugestellt, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass „seinem Erwerb der Fachkunde im Strahlenschutz - umschlossen - A1 2.2.5.3 Neue Anwendungen - Protonentherapie nicht stattgegeben werden könne“. Gemäß dem Beschluss des Prüfungsausschusses am ... 2017 sei unter Berücksichtigung der von dem Kläger vorgelegten Weiterbildungszeugnisse und der mündlichen Prüfung am ... 2017 die Prüfung als nicht bestanden zu bewerten. Der Prüfungsausschuss habe zudem entschieden, dem Kläger die Auflage eines dreimonatigen Selbststudiums vor erneuter Beantragung der Zulassung zur Wiederholungsprüfung zu erteilen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Kläger auf die Frage nach den gesicherten Indikationen für eine Partikelstrahlentherapie unter anderem auf Tumore der Prostata und Lungentumore verwiesen und ergänzt habe, dass noch viele Studien liefen. Gefehlt hätten in der Aufzählung des Klägers die Aderhaut- und Irismelanome, geometrisch kompliziert gelegene Tumore und Tumore bei schwangeren Patientinnen. Die Indikation der Bestrahlung von Speicheldrüsentumoren, die in der internationalen Literatur empfohlen werde, habe ebenfalls gefehlt. Tumore der Prostata und der Lunge zählten nicht zu den gesicherten Indikationen gemäß der internationalen Literatur und seien nicht in den Empfehlungen der DEGRO aufgeführt. Eine Bewertung, in welchen klinischen Situationen eine Partikeltherapie Vorteile verspreche, auch wenn ihre Behandlung mit der Partikelstrahlentherapie derzeit nicht als gesicherte Indikation gelte, habe der Kläger nicht vorgenommen. Die hilfestellend nochmals an den Kläger gestellte Frage nach den wirklich als gesichert geltenden Indikationen habe der Kläger ebenfalls nicht ausreichend beantwortet. Neben Tumoren des Sacrums habe er das hepatozelluläre Karzinom (HCC), den Pankreasbereich und die Prostata genannt, aber nicht formuliert, in welchen klinischen Situationen z.B. beim HCC überhaupt eine Strahlentherapie und speziell eine Partikelstrahlentherapie indiziert werden könne. Eine gesicherte Indikation sei die Bestrahlung des HCC nicht; die Voraussetzungen für die Bestrahlung eines HCC mit Partikeln seien von dem Kläger nicht benannt worden. Eine Differenzierung von Partikelstrahlentherapie und Photonenstrahlentherapie habe der Kläger nicht vorgenommen. Auf die weitere Frage nach den Unterschieden einer Partikel- und einer Photonenstrahlentherapie habe der Kläger zwar teilweise zutreffende Ausführungen gemacht. Die Frage nach den Unterschieden einer Hautschonung bei oberflächlich gelegenen Tumoren im Vergleich zu tief gelegenen Tumoren habe der Kläger jedoch nicht beantworten können. Die weitere Frage, warum bei Kindern eine Protonenstrahlentherapie gegenüber einer Photonenstrahlentherapie bevorzugt werde, habe der Kläger ebenfalls nicht in ausreichendem Umfang beantworten können. Entscheidend sei, dass das kindliche Gewebe besonders vulnerabel sei und der Reduktion von Spätfolgen besondere Bedeutung zukomme.
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Auf die weitere Frage nach den Vorteilen einer Partikeltherapie gegenüber einer Photonentherapie habe der Kläger zutreffende Ausführungen gemacht, insbesondere die RBE korrekt definieren können. Einen einfachen Bestrahlungsplan im Kopf-Hals-Bereich habe der Kläger ferner korrekt interpretieren können ohne allerdings explizit - und auch erst auf Nachfrage - auf das Problem der inhomogenen Gewebeverteilung innerhalb des Hochdosisvolumens und auf die Änderung während der Bestrahlung einzugehen.
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Im weiteren Verlauf sei dem Kläger eine konkrete klinische Situation eines Patienten mit Prostatakarzinom vorgegeben worden mit den Fragen, ob der Kläger die Indikation für eine Protonenstrahlentherapie stellen, worüber er den Patienten aufklären und was er bei der Bestrahlungsplanung beachten würde. Die Spezifika der Bestrahlungsplanung habe der Kläger unvollständig benannt. Insbesondere habe der Hinweis auf die interne Bewegung der Prostata gefehlt. Die Aufklärung des Patienten sei unvollständig gewesen. Vor- und Nachteile der Hypofraktionierung und eine Begründung derselben habe der Kläger nicht genannt. Unzutreffende Antworten habe der Kläger im Bereich der Befüllung des Rektumballons und des verwendeten Markers gegeben. Der Einfluss von Fremdmaterial auf die Berechnung von Dosisverteilungen einer Protonenbestrahlung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Therapie seien dem Kläger nur unzureichend bekannt gewesen.
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Schließlich sei dem Kläger die Situation geschildert worden, dass während der Bestrahlung einer Fraktion durch die MTRA ein Fehler bemerkt worden sei, zum Beispiel, dass der falsche Patient auf dem Tisch liege oder der falsche Plan aufgerufen worden sei. Der Kläger habe es in der Darstellung des notwendigen Vorgehens versäumt, eine dringend notwendige Abschätzung der applizierten Dosis vorzunehmen, eine umgehende Rekalkulation der erfolgten Fehlbehandlung anfertigen zu lassen, sowie über entstehende Konsequenzen, wie z.B. Abschätzung unterschiedlicher Organdosen, (unmittelbare) gesundheitliche Folgen für den Patienten und Möglichkeiten des Dosisausgleichs, nachzudenken. Erst nach mehrfachen Hinweisen darauf, dass der Patient noch auf dem Tisch liege, sei dem Kläger die Idee gekommen, sich um ihn zu kümmern. Die für die Meldung des Vorfalls zuständige Behörde und die Meldefrist seien dem Kläger nicht bekannt gewesen. Die Funktionen des Strahlenschutzbeauftragten und des Strahlenschutzverantwortlichen seien dem Kläger nicht bekannt gewesen. Zusammenfassend sei der Kläger nicht in der Lage gewesen, ein strukturiertes und den allgemeinen Richtlinien entsprechendes Vorgehen nach einem Vorfall während einer Strahlentherapie darzustellen. Er habe erhebliche Mängel im Wissen über den organisierten Strahlenschutz aufgewiesen. Die nicht ausreichend beantworteten Fragen hätten vor allem wesentliche Defizite und Schwächen bei der Indikationsstellung, bei der physikalischen Implikation der Strahlenqualität, bei der klinischen Bewertung der Partikelstrahlentherapie sowie beim Strahlenschutz, einschließlich der formalen Abläufe, gezeigt. Auf die weitere Begründung des Bescheids wird verwiesen.
10
Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 22. Februar 2018 Klage erheben und der Sache nach beantragen,
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den Bescheid der Beklagten über das Nichtbestehen der Prüfung zum Erwerb der Fachkunde im Strahlenschutz - umschlossen - A1 2.2.5.3 Neue Anwendungen - Protonentherapie vom 23. Januar 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger rechtsverbindlich das Bestehen dieser Prüfung zu bescheinigen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, den Kläger ohne Nachweis eines dreimonatigen Selbststudiums oder sonstiger etwaiger weiterer Erfordernisse erneut zur Prüfung zuzulassen und die Bewertung der Prüfung als „nicht bestanden“ zu löschen.
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Zur Klagebegründung ließ der Kläger vorbringen, dass sich im Rahmen der Prüfung zahlreiche Auffälligkeiten ereignet hätten, die einen ordnungsgemäßen Prüfungsablauf unmöglich gemacht hätten und zumindest erhebliche Zweifel an der Objektivität der Prüfer rechtfertigten. Der Kläger sei zu Beginn der Prüfung gefragt worden, ob er mit einer Audioaufzeichnung einverstanden sei. Nach Erklärung des Einverständnisses durch den Kläger für den Fall, dass dies so üblich sei, sei die Audioaufzeichnung durchgeführt worden. Die Durchführung einer Audioaufzeichnung sei dem Kläger gegenüber aber weder im Zulassungsbescheid angekündigt, noch im streitgegenständlichen Bescheid erwähnt worden. Zudem sei dem Kläger trotz Bitte keine Kopie der Audioaufzeichnung ausgehändigt worden. Der Kläger habe alle wesentlichen Fragen des Prüfungsausschusses zur Biologie, zur Strahlenphysik und zur klinischen Anwendung von Protonen in der Strahlentherapie zutreffend beantwortet und sei allenfalls bei bewusst kryptisch, vage oder offen formulierten Fragen unsicher gewesen. Die Stellungnahme der Fachgesellschaft DEGRO aus dem Jahr 2015, auf die sich der Prüfungsausschuss hinsichtlich der Bewertung der Antworten des Klägers gestützt habe, habe zudem wichtige Forschungsergebnisse aus jüngster Zeit unberücksichtigt gelassen und sei daher veraltet gewesen. Der Kläger habe mit seiner Antwort zu der Frage nach den gesicherten Indikationen für eine Partikeltherapie den größten Teil der Tumore abgedeckt, die laut der DEGRO als gesicherte Indikationen gälten. Zwar habe der Kläger die in der DEGRO-Stellungnahme aufgeführten restlichen Indikationen nicht benannt, dafür aber auf eine Vielzahl interessanter Studien zu einer Partikelbestrahlung anderer Tumore hingewiesen. Die Aussage der Prüfer, Prostata- und Lungentumore zählten nicht zu den gesicherten Indikationen, sei zutreffend. Dies sei von dem Kläger auch nicht behauptet worden. Eine Bewertung, in welchen klinischen Situationen eine Partikeltherapie Vorteile verspreche, habe der Kläger nicht vorgenommen, da die Frage der Prüfer zu allgemein bzw. unpräzise gewesen sei. Auf die vom Kläger nur erwähnte Protonenbestrahlung des HCC seien die Prüfer nicht eingegangen. In dem streitgegenständlichen Bescheid werde unterstellt, dass der Kläger die Auswahlkriterien und technischen Voraussetzungen nicht kenne, obwohl die Prüfer ihn hiernach nicht gefragt hätten.
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Alle Fragen zum Themenkreis „relative biologische Effektivität“ seien korrekt beantwortet worden. Den dem Kläger im Anschluss vorgelegten Bestrahlungsplan eines Nasennebenhöhlenkarzinoms habe der Kläger korrekt interpretiert und hierzu auch im Übrigen korrekte - näher bezeichnete - Ausführungen gemacht.
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Auch zum Themenkreis „Prostatakarzinom“ habe der Kläger zutreffende Ausführungen gemacht. Er habe erwähnt, dass es keine Langzeitdaten gebe und die Frage der Prüfer, ob er dennoch die Indikation für eine Protonentherapie stellen würde, bejaht. Der Kläger habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass am ... durch den Urologen für alle Patienten Prostatamarker aus Gold implantiert würden und das weitere dort angewandte, von dem Klägerbevollmächtigten im Einzelnen dargestellte, Prozedere beschrieben. Weitere näher bezeichnete Fragen habe der Kläger zutreffend beantwortet. Die Prüfer hätten sich im weiteren Verlauf sehr auf Detailfragen wie den absoluten Dichtewert der Prostatamarker, die Füllung des Rektumballons, mögliche Probleme in der Dosisberechnung und Reichweitenunsicherheiten konzentriert, welche der Kläger nicht habe beantworten können. Dies zeuge aber nicht - wie in dem streitgegenständlichen Bescheid behauptet - von einer fehlenden Fachkunde des Klägers im Bereich der Strahlentherapie, sondern von einer teils unnötigen, praxisfernen Detailverliebtheit des Prüfungsausschusses, der den Kläger während der Prüfung zudem mit Bemerkungen wie „mit Luft geht auch“ in die Irre geführt habe.
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Die Fragen des Prüfungsausschusses zum Komplex „Vorfall während einer Bestrahlung“ habe der Kläger zutreffend beantwortet. Zwar sei er auf Einzelheiten nicht eingegangen und habe den vollständigen Namen der zuständigen Meldebehörde nicht genannt; die Fragen seien jedoch äußerst unpräzise formuliert gewesen. Die in dem streitgegenständlichen Bescheid aufgestellte Behauptung, dass bei dem Kläger Wissensmängel in diesem Bereich vorlägen, sei unzutreffend, denn der Kläger habe nicht nur bereits seine schriftliche Prüfung zum Nachweis der Fachkunde in der Strahlentherapie bestanden, sondern sei in den letzten fünf Jahren Strahlenschutzbeauftragter in drei großen deutschen Strahlentherapiezentren gewesen, zuletzt in der Funktion des leitenden Oberarztes.
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Zu weiteren Prüfungsthemenkreisen wurde ausgeführt, dass der Kläger die Frage der Prüfer, warum, basierend auf der Tiefendosisverteilung, die Protonentherapie gegenüber der Photonentherapie bei Kindern bevorzugt werde, zutreffend beantwortet habe. Auf weitere Frage der Prüfer, warum eine Reduktion der Dosis im mittleren und niedrigen Dosisbereich wichtig sei, habe der Kläger auf die akute Knochenmarkstoxizität, kumulativ zur Chemotherapie, verwiesen. Der Prüfungsausschuss habe mit der Frage jedoch auf die höhere Vulnerabilität des kindlichen wachsenden Normalgewebes abgezielt. Im Ergebnis seien sicherlich beide Antworten vertretbar, keinesfalls sei die Antwort des Klägers jedoch unzutreffend oder irrelevant, sodass sich hieraus keine Wissenslücken des Klägers ableiten ließen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die Schlussfolgerungen des Prüfungsausschusses aufgrund deren Fehlerhaftigkeit nicht geeignet seien, den streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten als Bewertungsgrundlage für die angeblich fehlende Fachkunde des Klägers im streitgegenständlichen Anwendungsbereich zu tragen. Der Bescheid leide daher an einem Ermessensfehler. Dem Kläger sei daher die begehrte Bescheinigung der Fachkunde zu erteilen. Zumindest müsse er die Möglichkeit einer erneuten Ablegung der Prüfung ohne den Nachweis eines dreimonatigen Selbststudiums oder weiterer Erfordernisse und ohne die Bewertung der bereits abgelegten Prüfung als „nicht bestanden“ haben.
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Vorgelegt wurde unter anderem ein von dem Kläger auf den 14. Dezember 2017 datiertes Gedächtnisprotokoll mit diversen Anmerkungen zu der Prüfung. Darin gibt der Kläger unter anderem an, sich am Prüfungstag um 9 Uhr am Prüfungsort eingefunden zu haben. Er sei erst ca. 45 Minuten nach dem angekündigten Termin in den Prüfungsraum gerufen worden. Mit einer Audioaufzeichnung habe er sich für den Fall, dass dies so üblich sei, einverstanden erklärt und die Frage, ob er sich physisch und psychisch in der Lage fühle, die Prüfung abzulegen, bejaht.
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Die Mitglieder des Prüfungsausschusses nahmen mit Schreiben vom 12. März 2018, 18. März 2018 und 23. März 2018 ausführlich Stellung. Sie wiesen darauf hin, dass dem Kläger die letzte Frage zu dem Vorgehen nach einem Vorfall während einer Bestrahlung gestellt worden sei, da die Beantwortung der bis dahin gestellten Fragen ein Bestehen der Prüfung nach Auffassung der Prüfer nicht zugelassen hätte und dem Kläger die Möglichkeit habe gegeben werden sollen, die Prüfung doch noch zu bestehen. Im Ergebnis hielten die Mitglieder des Prüfungsausschusses an ihrer Bewertung der von dem Kläger erbrachten Prüfungsleistung fest.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Es wurde zunächst darauf hingewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2018 unter Frage 2. einen redaktionellen Fehler enthalte. Die dortigen Ausführungen gehörten ab Zeile 10 bis zum Ende des Absatzes zur Frage 4. Des Weiteren wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der streitgegenständliche Bescheid in verfahrensrechtlicher Hinsicht rechtsfehlerfrei sei. Soweit der Kläger in dem vorgelegten Gedächtnisprotokoll die lange Wartezeit vor der Prüfung moniere, sei darauf hinzuweisen, dass geplanter Prüfungsbeginn nicht wie im Gedächtnisprotokoll genannt 10 Uhr, sondern ausweislich der Ladung 10.30 Uhr gewesen sei. Die Prüfung habe um 10.50 Uhr begonnen. Der Kläger gebe in seinem Gedächtnisprotokoll selbst an, bestens vorbereitet und trotz Wartezeit psychisch in guter Verfassung gewesen zu sein. Die an den Kläger zu Beginn der Prüfung gestellte Frage, ob er sich physisch und psychisch in der Lage fühle, die Prüfung zu absolvieren, habe der Kläger ausdrücklich bejaht. Eine Befangenheit der Prüfer habe nicht bestanden. Es sei von der Beklagten bereits im Vorfeld ein erheblicher Aufwand betrieben worden, um eine mögliche Befangenheit auszuschließen. Es seien speziell für Protonentherapie zusätzliche Fachprüfer von außerhalb Bayern bestellt und der Prüfungsausschuss sei nach bestem Wissen so ausgewählt worden, dass von einer objektiven Prüfungssituation ohne Befangenheit habe ausgegangen werden können. Es entspreche ständiger Praxis der Beklagten, von den Prüfungen Audioaufzeichnungen anzufertigen, wenn alle an der Prüfung Beteiligten hiermit ihr Einverständnis durch Unterschrift erklärten. Falls nur ein Beteiligter nicht einverstanden sei, finde keine Audioaufzeichnung statt. Sowohl der Kläger als auch die Prüfer seien jedoch mit der Aufzeichnung einverstanden gewesen.
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Zu den von dem Kläger geltend gemachten Bewertungsmängeln führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass dem Kläger keine kryptischen Fragen gestellt worden seien. Die dem Kläger gestellten Fragen entsprächen einem vor der Prüfung ausgearbeiteten Fragenkatalog und seien seitens der Prüfer konkretisiert worden. Es sei seitens der Prüfer auch wohlwollend und hilfestellend nachgefragt worden. Es sei auch gewürdigt worden, dass der Kläger viele korrekte Antworten gegeben habe. Auch sei dem Kläger durch die gestellte Zusatzfrage die Möglichkeit gegeben worden, die Prüfung doch noch zu bestehen. Allerdings sei auch die Zusatzfrage nicht korrekt beantwortet worden.
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Zu den einzelnen Einwänden des Klägerbevollmächtigten wurde ausgeführt, dass die DEGRO von führenden deutschen Experten verfasst worden und auch nicht veraltet sei. Sollten weitere Erkenntnisse in diesem Bereich hinzugewonnen werden, würde dies die Liste allenfalls verlängern. Entsprechend sei es erfreulich, wenn ein Prüfungsteilnehmer eine Frage korrekt beantworte und darüber hinaus neueste wissenschaftliche Erkenntnisse referieren könne. Die vollständige Nennung der wenigen gesicherten Indikationen für eine Protonenstrahlung müsse aber erwartet werden. Dies sei seitens des Klägers eindeutig nicht erfolgt. Die Frage nach den klinischen Situationen, in welchen eine Partikeltherapie gegenüber einer Photonentherapie Vorteile verspreche, sei entgegen den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten sehr konkret gestellt worden. Der Kläger habe hierzu lediglich allgemein auf Studien verwiesen; konkrete Studienergebnisse seien nicht genannt worden. Des Weiteren habe der Kläger allgemein auf Empfehlungen für das HCC verwiesen, aber auch hier keine differenzierte Bewertung vorgenommen. Die Antworten des Klägers im Bereich der Bestrahlung von Kindern seien unvollständig gewesen. Im Rahmen der Frage nach der relativen biologischen Effektivität (RBE) habe der Kläger zutreffende Ausführungen gemacht. Gleiches gelte für die weiteren Fragen im Rahmen des Bestrahlungsplans bei einem Nasennebenhöhlenkarzinom. Allerdings sei der Kläger nicht explizit - und auch erst auf Nachfrage - auf das Problem der inhomogenen Gewebeverteilung innerhalb des Hochdosisvolumens und auf die Änderung während der Bestrahlung eingegangen. Im Rahmen des Fallbeispiels zum Prostatakarzinom habe der Kläger in der Aufklärung nicht darauf hingewiesen, dass es keinen Hinweis dafür gebe, dass die Protonenbestrahlung einen Vorteil gegenüber einer klassischen Photonenbestrahlung habe oder dieser auch nur ebenbürtig sei. Ferner seien dem Kläger die Probleme bei der Verwendung von Goldmarkern nicht bekannt gewesen. Die Kenntnisse des Einflusses von Fremdmaterial auf die Berechnung der Dosisverteilung einer Protonenbestrahlung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Therapie seien jedoch klinisch hochrelevant, da die Falschberechnung der Dosisverteilung zu einer Fehlbestrahlung führen könne. Auch der Grund für die Befüllung des Rektumballons mit Wasser sei dem Kläger nicht bekannt gewesen. Die zu diesen beiden Punkten gestellten Fragen beträfen ernstzunehmende Probleme bei der Therapieplanung und -durchführung. Diese Fragen zeugten daher nicht wie von dem Klägerbevollmächtigten behauptet von einer „unnötigen praxisfernen Detailverliebtheit des Prüfungsausschusses“. Der Einwendung des Klägerbevollmächtigten, die im Bereich „Vorfall während einer Bestrahlung“ gestellten Fragen seien unpräzise und vage gewesen, sei entgegenzuhalten, dass die geschilderte, klinisch relevante Situation auch in der Realität unpräzise und vage sei. Der Kläger habe nicht nur den vollständigen Namen der zuständigen Behörde, bei welcher die Meldung erfolgen müsse, nicht nennen können, sondern sei auch nicht in der Lage gewesen, ein strukturiertes und den allgemeinen Richtlinien entsprechendes Vorgehen nach einem Vorfall währen einer Strahlentherapie darzustellen. Seine Ausführungen hätten erhebliche Mängel im Wissen über den organisierten Strahlenschutz aufgewiesen. Die Auflage des dreimonatigen Selbststudiums sei verhältnismäßig und ermessensgerecht.
24
Der Klägerbevollmächtigte nahm mit Schriftsatz vom 22. Januar 2019 zur Klageerwiderung Stellung. Er führte aus, dass die Klageerwiderung den initial seitens des Klägers geäußerten Vorwurf der fortwährenden Verzettelung der Prüfer in immer detailverliebtere Fragestellungen, beispielsweise nach der Dichte von Gold, bestätige. Es wurde beantragt, der Beklagten gegenüber die Herausgabe des Tonbandmitschnitts anzuordnen und diesen dem Klägerbevollmächtigten für mindestens eine Woche zur Verfügung zu stellen.
25
Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 12. Februar 2019. Die dem Kläger gestellten Fragen seien entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten sehr praxisbezogen gewesen. Kenntnisse des Einflusses von Fremdmaterial auf die Dosisverteilung und die sich hieraus für die Therapie ergebenden Konsequenzen seien klinisch hochrelevant. Dem Kläger seien keine kryptischen Fragen gestellt worden; er sei vielmehr nach konkreten Sachverhalten gefragt worden. Das Stellen offener Fragen sei zulässig. Dem Kläger stehe es offen, die Audioaufzeichnung in den Räumlichkeiten der Beklagten anzuhören.
26
Am 16. Januar 2020 wurde die Streitsache erstmals vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München mündlich verhandelt. Der Klägerbevollmächtigte erhielt Akteneinsicht in die Behördenakte. Ferner übergab die Beklagte eine Abschrift der Audioaufzeichnung des Prüfungsgesprächs vom 12. Dezember 2017 und erklärte, dass die Abschrift zu 100 Prozent den Inhalt des Tonbandes enthalte. Nach Erhalt von zwei Exemplaren der Abschrift erklärte der Klägerbevollmächtigte den Verzicht auf die Übergabe des Tonbands. Nach weiterer Erklärung des Klägerbevollmächtigten, nach erfolgter Akteneinsicht und Einsicht in die Abschrift der Tonbandaufnahme dem Gericht in ca. acht Wochen Nachricht zu geben, wie in der Streitsache weiter verfahren werden solle, wurde die Verhandlung vertagt.
27
Nach entsprechender Verlängerung der Frist zur Stellungnahme trug der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 14. Juni 2020 weiter vor. Es wurde beantragt, drei nicht in der Behördenakte befindliche Bilddokumente, die dem Kläger im Rahmen der Fragen zur Bestrahlung eines Nasennebenhöhlenkarzinoms zur Interpretation gezeigt worden seien, vorzulegen. Ferner legte der Klägerbevollmächtigte mehrere Korrekturvermerke des Klägers zu der Abschrift der Audioaufzeichnung vor.
28
Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 1. September 2020. Entgegen den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten sei die Vorlage der dem Kläger in der Prüfung vom 12. Dezember 2017 zum Themenkomplex „Nasennebenhöhlenkarzinom“ gezeigten Materialien weder für die Beurteilung des Prüfungsergebnisses noch für das Verständnis der Prüfungssituation von Relevanz. Wie bereits im Prüfungsbescheid ausgeführt habe der Kläger die Fragen zu diesem Themenkomplex richtig beantwortet. Die Antworten des Klägers zu diesem Bereich seien nicht strittig. Die Bewertung der Gesamtprüfungsleistung als „nicht bestanden“ hänge von dieser Frage nicht ab. Bei den von dem Kläger vermerkten Auffälligkeiten in der Prüfungsmitschrift handle es sich ganz überwiegend nur um Änderung einiger Schreibweisen oder Worte, die für die Gesamtbeurteilung nicht als entscheidungsrelevant anzusehen seien. Vorgelegt wurden zwei ergänzende Stellungnahmen der Prüfer Dr. A. und Prof. Dr. W. vom ... 2020 und vom ... 2020.
29
Am 17. November 2020 teilte der Klägerbevollmächtigte schriftlich mit, dass der Kläger seit dem 1. März 2020 am ... in der Abteilung für Strahlentherapie ärztlich tätig und seit dem 15. Juli 2020 in ... wohnhaft sei.
30
Am 4. März 2021 wurde die Streitsache mit den Verfahrensbeteiligten vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München erneut mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift vom selben Tag verwiesen.
31
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachstandes wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
32
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger das Bestehen der streitgegenständlichen Prüfung zu bescheinigen. Er hat ferner keinen Anspruch auf erneute Zulassung zur Prüfung ohne die Auflage eines dreimonatigen Selbststudiums (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
33
1. Rechtsschutzziel des Klägers ist vorrangig die Verpflichtung der Beklagten zur Bescheinigung des Bestehens der Fachkundeprüfung im Anwendungsbereich 2.2.5.3 Neue Anwendungen - Protonentherapie - und Erteilung der entsprechenden Fachkundebescheinigung unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids, hilfsweise die Zulassung zu einer Wiederholungsprüfung ohne Auflagen, jeweils unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids.
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2. Grundlage für die von dem Kläger erstrebte Erteilung der Bescheinigung der Fachkunde im Strahlenschutz sind die Strahlenschutzverordnung vom 29. November 2018 (BGBl 2018 I, S. 2034, 2036) - StrlSchV -, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Durchführung der streitgegenständlichen Prüfung noch unter Geltung der Strahlenschutzverordnung vom 20. Juli 2001 (BGBl. 2001 I S. 1714) (im Folgenden: StrlSchV 2001) erfolgt ist, die Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin vom 17. Oktober 2011 (GMBL 2011, S. 867) und die auf der Grundlage des Art. 35 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Heilberufe-Kammergesetz (HKaG) erlassene Weiterbildungsordnung der Beklagten vom 24. April 2004, zuletzt geändert durch Beschluss vom 10. Oktober 2020, - WBO - in analoger Anwendung. Rechtliche Bedenken gegen diese Regelungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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§ 145 Abs. 1 StrlSchV nennt als berechtigte Personen bei der Anwendung ionisierender Strahlung am Menschen Personen, die als Ärzte oder Zahnärzte approbiert sind oder denen die Ausübung des ärztlichen Berufs erlaubt ist und die die für die Anwendung erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz besitzen (Nr.1) oder Personen, die als Ärzte oder Zahnärzte approbiert sind oder denen die Ausübung des ärztlichen oder zahnärztlichen Berufs erlaubt ist und die nicht die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz besitzen, wenn sie auf ihrem speziellen Arbeitsgebiet über die für den Umgang mit radioaktiven Stoffen und die Anwendung ionisierender Strahlung erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz verfügen und unter ständiger Aufsicht und Verantwortung einer der unter Nummer 1 genannten Personen tätig sind (Nr. 2). Eine entsprechende Regelung traf § 82 Abs. 1 StrlSchV 2001. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 StrlSchV (vgl. entsprechend § 30 Abs. 1 Satz 2 StrlSchV 2001) wird der Erwerb der Fachkunde von der zuständigen Stelle geprüft und bescheinigt.
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Die Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin trifft hinsichtlich des Erwerbs der Fachkunde im Strahlenschutz für Ärzte in Nr. 3.1.2 weitere Regelungen und nimmt eine Differenzierung hinsichtlich des Erwerbs der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz als solcher und der vorliegend in Streit stehenden Erweiterung einer bestehenden Fachkunde im Strahlenschutz auf weitere - in Anlage 1 näher beschriebene - Anwendungsgebiete vor. Während für den Erwerb der Fachkunde im Strahlenschutz als solcher nach Nr. 3.1.2 dieser Richtlinie bei der zuständigen Stelle grundsätzlich ein Fachgespräch durchgeführt wird, kann die zuständige Stelle - vorliegend gemäß § 51f Satz 1 Nr. 2 Buchst. b der Zuständigkeitsverordnung vom 16. Juni 2015 (GVBl S. 184; BayRS 2015-1-1-V) - ZustV - i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 HKaG die Bayerische Landesärztekammer - im Falle einer Erweiterung einer bestehenden Fachkunde im Strahlenschutz auf ein weiteres Anwendungsgebiet zusätzliche Anforderungen festlegen.
Nr. 3.1.2 der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin bestimmt, dass gegebenenfalls auch hier ein Fachgespräch durchgeführt werden kann. Nr. 2.2.5.3 der Anlage 1 zur Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin sieht für den Bereich „Neue Anwendungen (z.B. Therapien mit Partikelbestrahlung)“ vor, dass die Anerkennung der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz durch die zuständige Stelle im Rahmen einer Einzelfallentscheidung erfolgt.
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2. Verfahrensfehler, die eine Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids zur Folge haben und zu einem Anspruch des Klägers auf Wiederholung der Prüfung führen könnten (vgl. hierzu Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 825), sind nicht ersichtlich.
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a) Die Beklagte durfte zur Ermittlung der Fachkunde des Klägers nach Nr. 3.1.2 der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin unabhängig von deren rechtlicher Qualität ein Fachgespräch durchführen (vgl. BVerwG, U.v. 22.12.1994 - 3 C 8.93 - juris Rn. 54).
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b) Der Umstand, dass eine Audioaufzeichnung der streitgegenständlichen Prüfung erfolgt ist, stellt keinen Verfahrensfehler dar. Der Kläger hat zu Beginn der Prüfung schriftlich sein Einverständnis mit einer solchen Aufzeichnung erklärt. Eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger bereits im Zulassungsbescheid auf die geplante Audioaufzeichnung hinzuweisen, besteht nach Auffassung der Kammer nicht.
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c) Für eine Befangenheit der Prüfer bestehen keine Anhaltspunkte. Eine Befangenheit i.S.v. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG kann erst dann angenommen werden, wenn der Prüfer - ohne Rücksicht auf individuelle Befindlichkeiten des Prüflings - diesem gegenüber eine aus objektiven Anhaltspunkten ableitbare Voreingenommenheit zeigt, also die notwendige persönliche Distanz zum Prüfling und die fachliche Neutralität im Prüfungsverfahren nicht mehr gewährleistet erscheinen (BayVGH, B.v. 17.11.2014 - 22 ZB 14.1633 - juris Rn. 18). Beiläufige oder vereinzelte Ausrutscher und Entgleisungen eines Prüfers, die nicht für die ganze Prüfung kennzeichnend sind und die nicht eine generell ablehnende Haltung gegenüber dem Prüfungsteilnehmer offenbaren, lassen für sich allein ebenso wie harte, aber berechtigte Kritik nicht notwendig auf eine Befangenheit des Prüfers schließen (BVerwG, U.v. 20.9.1984 - 7 C 57.83 - BVerwGE 70, 143/152; BayVGH, B.v. 14.12.2010 - 7 ZB 10.2108 - juris Rn. 9).
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Ausgehend von diesem Maßstab kann eine Befangenheit der Prüfer vorliegend nicht angenommen werden. Konkrete Äußerungen, die nach Auffassung des Klägers eine Befangenheit der Prüfer begründen sollten, hat dieser nicht genannt. Anhaltspunkte für eine mögliche Befangenheit der Prüfer ergeben sich auch nicht aus der Audioaufzeichnung oder den sonstigen dem Gericht vorliegenden Prüfungsunterlagen. Gleiches gilt für die im Nachgang zur Prüfung abgegebenen Stellungnahmen der Prüfer. Diese legen hier vielmehr ohne Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot dar, wie sie zur Bewertung der Leistung des Klägers gekommen ist. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Prüfer die Prüfungsleistung des Klägers nicht mit innerer Distanz und frei von Emotionen bzw. frei von sachfremden Erwägungen zur Kenntnis genommen hätten (vgl. BayVGH, B.v. 21.11.2011 - 7 ZB 11.1320 - juris Rn. 11; B.v. 14.12.2010 - 7 ZB 10.2108 - juris Rn. 10; VG Augsburg, U.v. 18.3.2015 - Au 3 K 14.881 - juris Rn. 38 ff.).
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d) Der Umstand, dass die streitgegenständliche Prüfung mit einer Verspätung begonnen hat, begründet ebenfalls keinen Verfahrensfehler. Hierbei ist zunächst anzumerken, dass sich die Verspätung nicht wie vom Kläger vorgebracht auf 45 Minuten, sondern in Zusammenschau von Ladung, Prüfungsniederschrift und -protokoll lediglich auf 20 Minuten belaufen hat. Inwieweit dieser verspätete Prüfungsbeginn einen Verfahrensfehler darstellen sollte, ist für das Gericht angesichts der geringen Dauer der Verzögerung und der Aussage des Klägers zu Beginn der Prüfung, trotz der Verzögerung in bester Verfassung zu sein, nicht erkennbar.
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Unabhängig hiervon führt dieser Umstand bereits wegen eines Verstoßes des Klägers gegen die diesbezügliche Rügeobliegenheit nicht zur Fehlerhaftigkeit des Bescheides vom 23. Januar 2018. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts obliegt es dem Prüfling, auf eine fehlerfreie Verfahrensgestaltung hinzuwirken, sodass er seine Kenntnisse und Fähigkeiten optimal zur Geltung bringen kann. Unterlässt der Prüfling eine ihm zumutbare zeitnahe Rüge, ist ihm regelmäßig eine spätere Berufung auf diesen Fehler verwehrt. Für eine so beschriebene Rügeobliegenheit spricht unter dem Blickwinkel des bundesrechtlichen Gebots der Chancengleichheit der Prüflinge zum einen, dass es zu verhindern gilt, dass der betroffene Prüfling in Kenntnis des Verfahrensmangels die Prüfung fortsetzt und das Prüfungsergebnis abwartet, um sich so eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance zu verschaffen. Zum anderen soll eine unverzügliche Rüge die Prüfungsbehörde in den Stand setzen, eine eigene, möglichst zeitnahe Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Aufklärung und gegebenenfalls einer noch rechtzeitigen Korrektur oder Kompensation des festgestellten Mangels vorzunehmen (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.1994 - 6 C 37.92 - BVerwGE 96, 126 - juris Rn. 18, m.w.N.). Eine solche unverzügliche Rüge ist vorliegend nicht erfolgt, vielmehr hat sich der Kläger rügelos auf die Prüfung eingelassen. Es lag aufgrund der Wartezeit von zwanzig Minuten auch keine für den Kläger unzumutbare Prüfungssituation vor, in welcher die Prüfer von sich aus für Abhilfe hätten sorgen müssen (vgl. zu einer Wartezeit von 60 Minuten BayVGH, B. v. 3.7.2008 - 22 ZB 07.1674 - juris Rn. 8).
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3. Ein Anspruch des Klägers auf Bescheinigung des Bestehens der streitgegenständlichen Prüfung und Erteilung einer Fachkundebescheinigung für das Anwendungsgebiet A1 2.2.5.3 Neue Anwendungen - Protonentherapie besteht nicht.
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Nach dem Ergebnis des Fachgesprächs vom 12. Dezember 2017 ist die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Fachkunde im Anwendungsgebiet 2.2.5.3 Neue Anwendungen - Protonentherapie nicht bzw. nicht im erforderlichen Umfang gegeben ist.
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a) Bei der Bewertung von Prüfungsleistungen steht den Prüfern grundsätzlich ein Bewertungsspielraum zu, der gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist (hierzu grundlegend BVerfG, B.v. 17.4.1991 - 1 BvR 419/81 u.a. - BVerfGE 84, 34 - juris Rn. 53 ff.; B.v. 17.4.1991 - 1 BvR 1529/84 u.a. - BVerfGE 84, 59 - juris Rn. 65 ff.). Gegenstände dieses prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels (BVerwG, U.v. 14.7.1999 - 6 C 20.98 - BVerwGE 109, 211 - juris Rn. 19; VGH BW, U.v.26.11.2019 a.a.O. Rn. 16). Jedoch haben die Gerichte zu prüfen, ob die Prüfer anzuwendendes Recht einschließlich der Verfahrensvorschriften verkannt oder gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen haben, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind oder den Antwortspielraum des Prüflings missachtet haben, da eine richtige oder zumindest vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete fachliche Ansicht des Prüflings nicht als falsch bewertet werden darf, nur weil der Prüfer anderer Auffassung ist (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.1992 - 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 - juris Rn. 24 ff.).
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Ansonsten aber ist es den Gerichten verwehrt, ihre Bewertung an die Stelle der Prüfer zu setzen. Ergibt sich, dass die Bewertung einer regulär erbrachten Leistung fehlerhaft ist, ist grundsätzlich eine Neubewertung der Prüfungsleistung geboten. Leidet demgegenüber das Verfahren zur Ermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüflings (Verfahren zur Leistungserhebung) unter Mängeln, so ist die Prüfung oder der betroffene Prüfungsteil zu wiederholen, da eine unter irregulären Bedingungen erbrachte Leistung nicht bewertbar ist (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 500).
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Einen prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraum hat die Rechtsprechung allerdings nur in den Fällen angenommen, in denen die Entscheidung in das alleinige Urteil bestimmter Prüfer gestellt ist, nicht aber in Fällen, in denen sich die Prüfer lediglich als Sachverständige zu einer Frage äußern, die die zuständige Behörde ohne Bindung an die Stellungnahme der Prüfer zu entscheiden hat (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.1982 - 7 C 69/81 - BVerwGE 65, 157/164 f. - juris Rn. 23).
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Die Frage, ob im vorliegenden Fall von einem gerichtlich lediglich eingeschränkten Beurteilungsspielraum der Prüfer auszugehen ist, oder die Frage des Vorliegens der Fachkunde der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BVerwG, U.v. 22.12.1994 - 3 C 8.93 - juris Rn. 50), bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte hat weder einen bestehenden Beurteilungsspielraum überschritten (nachfolgend a)) noch können bei einer vollständigen gerichtlichen Überprüfung relevante Prüfungsmängel festgestellt werden (nachfolgend bb)).
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aa) Die Prüfer haben unter Berücksichtigung des Inhalts der Audioaufzeichnung zu dem Fachgespräch vom 12. Dezember 2017, zu welcher der Kläger keine Anmerkungen gemacht hat, die für die Beurteilung wesentlich wären, des streitgegenständlichen Bescheids und der ergänzenden Stellungnahmen der Mitglieder des Prüfungsausschusses bei der Beurteilung der Prüfungsleistung des Klägers weder sachfremde Erwägungen angestellt, noch gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen.
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(1) In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Kläger substantiierte Einwendungen nur zu den Bereichen „Gesicherte Indikationen für eine Partikelstrahlentherapie“, „Fallbeispiel Prostatakarzinom“ und „Vorfall während einer Bestrahlung“ erhoben hat. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger die in den übrigen beiden Bereichen („Relative biologische Effektivität (RBE)“ und „Bestrahlungsplan Nasennebenhöhlenkarzinom“) gestellten Fragen nach den Feststellungen in dem streitgegenständlichen Bescheid im Wesentlichen zutreffend beantwortet hat, das Nichtbestehen der Prüfung nach den Ausführungen der Beklagten nicht mit der Beantwortung dieser Fragen in Zusammenhang steht und etwaige Bewertungsmängel in diesen Bereichen mithin nicht kausal für das Nichtbestehen der streitgegenständlichen Prüfung wären. Auf die Rechtmäßigkeit der Bewertung in den Punkten „Relative biologische Effektivität“ und „Bestrahlungsplan Nasennebenhöhlenkarzinom“ und die Vorlage der in diesem Zusammenhang dem Kläger von den Prüfern im Rahmen des Fachgesprächs gezeigten Prüfungsmaterialien kommt es mangels Kausalität etwaiger Bewertungsfehler in diesen Bereichen für das Prüfungsergebnis (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.1991 - BvR 419/81 u.a. - NJW 1991, 2008 - juris Rn. 59) mithin nicht an.
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(2) Bewertungsfehler im Themenbereich „Gesicherte Indikationen für eine Partikelstrahlentherapie“ sind nicht erkennbar. Die diesbezüglichen klägerischen Einwände greifen nicht durch. Der Kläger hat die gesicherten Indikationen für eine Partikelstrahlentherapie nicht vollständig genannt. Dies ergibt sich aus der Abschrift der Audioaufzeichnung des Fachgesprächs und wird vom Kläger auch nicht bestritten. Der Hinweis des Klägers, dass er im Rahmen dieses Prüfungsbereichs auf verschiedene Studien verwiesen und in diesem Zusammenhang auch Tumore der Prostata und Lungentumore genannt habe, vermag keinen Bewertungsmangel der Prüfer zu begründen, da die Einschätzung der Prüfer, dass ein solcher Hinweis jedenfalls die vollständige Nennung der als gesichert geltenden Indikationen nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen kann, rechtlich nicht zu beanstanden ist.
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Der klägerische Einwand, dass der Kläger keine Bewertung vorgenommen habe, in welchen klinischen Situationen eine Partikeltherapie Vorteile verspräche, da die diesbezügliche Frage zu allgemein formuliert worden sei, verfängt nicht. Es handelt sich hierbei um eine klare Fragestellung; der Kammer erschließt sich nicht, warum es dem Kläger nicht möglich gewesen sein sollte, diese Frage zu beantworten. Ferner wäre es dem Kläger auch ohne eine konkrete Nachfrage der Prüfer möglich gewesen, nähere Ausführungen zu der Bestrahlung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) zu machen.
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Des Weiteren hat der Kläger auf die Frage der Prüfer nach den Unterschieden bei der Bestrahlung von Kindern im Vergleich zu einer Bestrahlung von Erwachsenen nicht dargestellt, dass das sich entwickelnde und wachsende Normalgewebe von Kindern besonders vulnerabel bezüglich einer Schädigung durch Strahlung ist und daher auch eine niedrige und mittlere Dosis im Normalgewebe noch höhere Relevanz als bei Erwachsenen hat. Zudem hat der Kläger in diesem Zusammenhang ausweislich der Abschrift der Audioaufzeichnung auch nicht auf die besondere Bedeutung von Spätnebenwirkungen bei Kindern hingewiesen. Zwar hat der Kläger - auch nach Auffassung der Prüfer - in diesem Bereich teilweise auch zutreffende Antworten gegeben. Angesichts der besonderen Bedeutung des Schutzes von Leib und Leben gerade im Umgang mit radioaktiven Stoffen und der besonderen Vulnerabilität kindlicher Patienten begegnet es jedoch keinen rechtlichen Bedenken, dass die Prüfer dem Fehlen der genannten Punkte in den Ausführungen des Klägers bei der Bewertung von dessen Prüfungsleistung besondere Bedeutung zugemessen haben.
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(3) Bewertungsfehler im Bereich „Prostatakarzinom“ sind ebenfalls nicht erkennbar. Der Kläger hat auch in diesem Bereich teilweise zutreffende Ausführungen getätigt, was die Beklagte nicht in Abrede stellt. Mehrere Fragen der Prüfer konnte der Kläger jedoch nicht beantworten, insbesondere zum Einfluss von Fremdmaterial auf die Berechnung von Dosisverteilungen einer Protonenbestrahlung und zu den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Therapie. Der klägerische Einwand, dass es sich hierbei lediglich um Detailfragen gehandelt habe, die nicht von einer fehlenden Fachkunde des Klägers zeugten, verfängt angesichts der hervorgehobenen Bedeutung der Dosisberechnung im sensiblen Bereich der Strahlentherapie nicht. Die Kammer vermag auch nicht zu erkennen, dass die dem Kläger gestellten Fragen kryptisch oder irreführend gewesen wären.
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(4) Schließlich liegen auch keine Bewertungsmängel im Bereich „Vorfall während einer Bestrahlung“ vor. Die Prüfer haben in ihre Bewertung der Ausführungen des Klägers zu diesem Punkt in rechtlich nicht zu beanstandender Weise einbezogen, dass sich der Kläger in der Darstellung der vorzunehmenden Schritte auf die Rekonstruktion und Protokollierung des Vorfalls konzentriert hat, jedoch weder eine dringend notwendige Abschätzung der applizierten Dosis vorgenommen noch eine umgehende Rekalkulation der erfolgten Fehlbehandlung veranlasst hat. Bemängelt haben die Prüfer ferner, dass der Kläger nicht die Erforderlichkeit der Eruierung der Möglichkeiten eines Dosisausgleichs genannt hat und auch nicht in den Blick genommen hat, sich um den betroffenen Patienten zu kümmern. Die zuständige Meldebehörde, die Meldefrist und die Funktionen von Strahlenschutzverantwortlichem und Strahlenschutzbeauftragtem waren dem Kläger ebenfalls nicht bekannt. Der Einwand des Klägers, dass die Fragen in diesem Bereich unpräzise formuliert gewesen seien, erschließt sich dem Gericht unter Berücksichtigung der Abschrift der Audioaufzeichnung nicht.
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bb) Unabhängig hiervon kann - selbst wenn dem Prüfungsausschuss kein Beurteilungsspielraum bei der Bewertung der vom Kläger gegebenen Antworten zuzugestehen sein sollte und eine vollständige gerichtliche Überprüfung angezeigt wäre - insgesamt kein relevanter Prüfungsmangel festgestellt werden.
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Die Gesundheit der Bevölkerung ist ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut. Dessen Schutz rechtfertigt bei Ärzten strenge fachliche Maßstäbe (BVerfG, B. v. 14.3.1989 - 1 BvR 1033/82 - BVerfGE 80, 1 - juris Rn. 66). In den Blick zu nehmen ist bei der Bewertung zudem der Zweck des Strahlenschutzes, Mensch und Umwelt vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung zu schützen (vgl. § 1 Abs. 1 StrlSchG). Nach dem Ergebnis des Fachgesprächs vom 12. Dezember 2017 hat der Kläger wesentliche Defizite und Schwächen bei der Indikationsstellung, bei der physikalischen Implikation der Strahlenqualität, bei der klinischen Bewertung der Partikelstrahlentherapie sowie beim Strahlenschutz, einschließlich der formalen Abläufe. Dem Gericht sieht durchaus die Erfahrung des Klägers im Gebiet der Strahlentherapie. Entsprechende für die Erteilung einer Fachkundebescheinigung im Bereich des streitgegenständlichen Anwendungsgebiets Protonentherapie erforderliche Kenntnisse konnte er im Rahmen des Fachgesprächs jedoch nicht nachweisen. Ausweislich der Abschrift der Audioaufzeichnung konnte der Kläger insbesondere Fragen zu der Indikationsstellung, der Bestrahlung von Kindern, zur physikalischen Implikation der Strahlenqualität, zur klinischen Bewertung der Partikelstrahlentherapie und zum Strahlenschutz nicht in ausreichendem Maße beantworten. Hierbei handelt es sich um zentrale Bereiche im Bereich der Partikelbestrahlung, welche die oben genannten Schutzgüter in besonderem Maße berühren. Das Vorliegen für das Bestehen der streitgegenständlichen Prüfung ausreichender Fachkenntnisse des Klägers und einer Fachkunde des Klägers im streitgegenständlichen Anwendungsgebiet kann vor diesem Hintergrund nicht angenommen werden.
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4. Schließlich ist auch die dem Kläger erteilte Auflage eines dreimonatigen Selbststudiums rechtmäßig. Mangels spezieller rechtlicher Vorgaben begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass die Beklagte auf Prüfungen der vorliegenden Art die WBO entsprechend anwendet. Rechtliche Einwände gegen den Inhalt der dem Kläger erteilten Auflage hat dieser nicht vorgebracht. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Auflage bestehen nach Auffassung des Gerichts vor dem Hintergrund, dass Inhalt der Auflage lediglich ein dreimonatiges Selbststudium ohne eine sonstige Weiterbildung mit etwaigen weiteren Nachweispflichten (vgl. § 15 Abs. 3 WBO) ist, nicht.
II.
60
Aus diesen Gründen ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
III.
61
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.