Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 19.05.2021 – 9 UF 812/20
Titel:

Voraussetzungen für die Beschränkung oder den Wegfall des Versorgungsausgleichs

Normenkette:
VersAusglG § 18, § 27
Leitsatz:
Löst ein Ehegatte zwischen dem Zeitpunkt der Trennung und der Zustellung des Scheidungsantrags eine bestehende Altersvorsorge auf und entzieht sie damit dem Versorgungsausgleich, kann dies keine unbillige Härte im Sinne von § 27 VersAusglG begründen, wenn die aufgelöste Anwartschaft gering im Sinne des § 18 Abs. 3 VersAusglG war. (Rn. 22)
Schlagwort:
Versorgungsausgleich
Vorinstanz:
AG Fürth vom -- – 204 F 999/19
Fundstellen:
FamRZ 2021, 1960
BeckRS 2021, 13485
NJOZ 2021, 1191
LSK 2021, 13485

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdewert wird auf 1.000 € festgesetzt.
3. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

1
Der Antragsgegner wendet sich gegen eine Regelung im Versorgungsausgleich.
I.
2
Die beteiligten Eheleute leben seit Januar 2018 getrennt. Im März 2018 ließ sich die Antragstellerin eine Riester-Rente bei der Allianz Lebensversicherung auszahlen. Der Ehezeitanteil dieser Versorgung betrug laut Auskunft der Allianz 6.657,46 €, ein möglicher Ausgleichswert 3.328,73. Der Scheidungsantrag wurde am 31.08.2019 zugestellt.
3
Das Amtsgericht - Familiengericht - Fürth hat mit Endbeschluss vom 07.07.2020 die Ehe der beteiligten Eheleute geschieden und den Versorgungsausgleich wie folgt geregelt:
4
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (Vers. Nr) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 9,8133 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31.07.2019, übertragen.
5
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der TARGO Lebensversicherung AG (Vers. Nr.) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 1220,31 € bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31.07.2019, begründet. Die TARGO Lebensversicherung AG wird verpflichtet, diesen Betrag an die Deutsche Rentenversicherung Bund zu zahlen.
6
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr) zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 11,6416 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto bei der deutschen Versicherung Nordbayern, bezogen auf den 31.07.2019, übertragen Im Wege der internen Teilung wird zulasten des Anrechts des Antragsgegners bei der deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr) zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 7,9421 Entgeltpunkten (Ost) auf das vorhandene Konto bei der deutschen Rentenversicherung Nordbayern, bezogen auf den 31.07.2019, übertragen.
7
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Allianz Lebensversicherung AG (Vers. Nr) zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 11.223,53 €, bezogen auf den 31.07.2019, übertragen.
8
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der BSH Hausgeräte GmbH (Vers. Nr.) findet nicht statt.
9
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der BSH Hausgeräte GmbH (Vers. Nr.) findet nicht statt.
10
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der Bosch Pensionsfonds AG (Vers. Nr.) findet nicht statt.
11
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der Bosch Pensionsfonds AG (Vers. Nr.) findet nicht statt.
12
Die Entscheidung wurde der Antragsgegnervertreterin am 23.07.2020 zugestellt. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24.08.2020 hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt und beantragt, den Versorgungsausgleich hinsichtlich des Anrechts des Antragsgegners bei der Allianz Lebensversicherungs AG (Vers. Nr) auszuschließen. Er trägt vor, dass die angegriffene Entscheidung dem Gedanken der nachehelichen Solidarität widerspreche. Die Antragstellerin habe ihre eigene bei der Allianz bestehende Lebensversicherung, die als parallele Absicherung der Antragstellerin zu der streitgegenständlichen Lebensversicherung abgeschlossen wurde, gekündigt und sich das Kapital auszahlen lassen. Dies sei nicht zur Anschaffung von Möbeln oder Finanzierung von Trennungskosten erforderlich gewesen, da der Umzug der Antragstellerin bereits zum Jahreswechsel 2017/2018 erfolgt sei und die Auflösung der Versicherung erst im März 2018 erfolgt sei. Die Vertragsauflösung durch die Antragstellerin sei daher ohne Not in illoyaler Weise erfolgt.
13
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 09.11.2020 trägt die Antragstellerin vor, dass sie die den Riestervertrag aufgelöst habe, um Trennungskosten zu finanzieren. Der Antragsgegner habe alle Haushaltsgegenstände behalten. Die neue Wohnung der Antragstellerin sei lediglich 57 qm groß, sodass sie große Dinge nicht habe mitnehmen können.
14
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18.05.2021 trägt der Antragsgegner vor, dass die Summe der bestehenden Werte, die zugunsten der Antragstellerin nicht ausgeglichen wurden, da sie unter der Bagatellgrenze liegen, insgesamt 5.227,83 € betragen habe. In der Summe werde die Bagatellgrenze daher überschritten. Dadurch werde der Halbteilungsgrundsatz verletzt. Die konkrete Versorgungssituation der Beteiligten sei zudem zu berücksichtigen. Soweit die Antragstellerin während der Ehezeit geringere Anwartschaften begründet habe, werde dies im Rahmen des Versorgungsausgleichs ausgeglichen. Die Antragstellerin stehe zudem weiterhin im Berufsleben und könne Defizite in der Versorgung noch kompensieren.
15
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die eingereichten Schriftsätze und den genannten Beschluss Bezug genommen.
II.
16
Die Beschwerde ist gemäß § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie wurde insbesondere innerhalb der Monatsfrist gemäß § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt. Der Senat entscheidet ohne Durchführung einer erneuten mündlichen Verhandlung, davon einer solchen keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten wären § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG.
17
Die Beschwerde ist nicht begründet.
18
Das Erstgericht hat die Riester-Rente der Antragstellerin zu Recht nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen, da diese zum Ehezeitende nicht mehr vorhanden war.
19
Die Anwartschaft des Antragsgegners bei der Allianz Lebensversicherung war zum Ehezeitende noch vorhanden und ist daher im Rahmen des Versorgungsausgleichs gemäß § 1 Abs. 1 VersAusglG auszugleichen. Der Antragsgegner begehrt einen Ausschluss dieses Ausgleichs. Gemäß § 27 VersAusglG findet der Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.
20
Die Antragstellerin hat nach der Trennung durch Auflösung ihrer Riester-Rente bei der Allianz Versicherung diese einem Ausgleich im gerichtlichen Verfahren entzogen. Der mögliche Ausgleichswert dieser Anwartschaft betrug jedoch lediglich 3.328,73 €. Er ist daher gemäß § 18 Abs. 3 VersAusglG als gering anzusehen, weil er als Kapitalwert niedriger als 120% der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV liegt. Dieser Wert beträgt für das Jahr 2019 3.738 €.
21
Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs gemäß § 27 VersAusglG nur dann erfolgen, wenn bei der formalen Anwendung der Vorschriften das Ergebnis dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich einer dauerhaft gleichmäßigen Teilhabe beider Ehegatten an den während der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanwartschaften in unerträglicher Weise widersprochen würde. Auch soll dem sozial schwächeren Ehegatten eine angemessene eigene Versorgung gesichert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 9.9.2015 - XII ZB 211/15; Johannsen/Henrich/Althammer/Holzwarth VersAusglG § 27 Rn. 13). Der Antragsgegner hat während der Ehezeit höhere Anwartschaften erwirtschaftet als die Antragstellerin. Seine Altersvorsorge ist auch nach Durchführung des Versorgungsausgleichs gesichert.
22
Der Gesetzgeber hat in § 18 VersAusglG klargestellt, dass geringfügige Abweichungen vom Halbteilungsgrundsatz im Rahmen des Versorgungsausgleichs hinzunehmen sind. Eine grobe Unbilligkeit kann dadurch nicht begründet werden. So liegt es auch im vorliegenden Fall. Die Antragstellerin hat ihre Riester-Rente aus nachvollziehbaren Gründen aufgelöst. Die Auflösung erfolgte im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Trennung. Eine schädigende Absicht zu Lasten des Antragsgegners kann nicht gesehen werden. Die Auflösung einer Anwartschaft, die im Sinne von § 18 Abs. 3 VersAusglG als gering anzusehen ist, kann keine unbillige Härte gemäß § 27 VersAusglG begründen.
23
Eine unbillige Härte wird auch nicht dadurch begründet, dass der Antragsgegner seine eigene Anwartschaft bei der Allianz Lebensversicherung nicht aufgelöst hat. Die Anwartschaft des Antragsgegners bei der Allianz Lebensversicherung ist um mehr als das dreifache höher als die aufgelöste Anwartschaft der Antragstellerin. Die beiden Anwartschaften sind insofern nicht gleichzusetzen. Ihr Wertunterschied war auch nicht gering im Sinne von § 18 Abs. 1 VersAusglG, so dass auch aus diesem Grund keine Sonderbehandlung geboten ist.
24
Schließlich kann dahingestellt bleiben, ob beim Fortbestehen der Riester-Rente der Antragstellerin aufgrund der Summe der zu Gunsten der Antragstellerin nicht ausgeglichenen Anwartschaften im Rahmen des Ermessens gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG für die Riester-Rente der Antragstellerin ein Ausgleich hätte erfolgen müssen oder nicht. Denn der Wertungsmaßstab des § 18 VersAusglG unterscheidet sich vom Wertungsmaßstab des § 27 VersAusglG. Während die eine Regelung eine Billigkeitsprüfung verlangt, muss im vorliegenden Fall die Schwelle der groben Unbilligkeit überschritten werden. Dies ist wie ausgeführt nicht der Fall.
25
Das Erstgericht hat daher den Ausgleich der Anwartschaft des Antragsgegners bei der Allianz Lebensversicherung zurecht durchgeführt. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
III.
26
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 84 FamFG, die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG.
IV.
27
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen gemäß § 70 Abs. 1, 2 FamFG nicht vor. Die Entscheidung ist daher mit einem Rechtsmittel nicht anfechtbar.