Inhalt

FG München, Urteil v. 24.02.2020 – 4 V 2694/19
Titel:

Aussetzung der Vollziehung in Sachen Erbschaftsteuer

Normenketten:
ErbStG § 13a Abs. 8, § 16 Abs. 1 Nr. 2
FGO § 76, § 135 Abs. 1
Schlagworte:
Betriebsvermögen, Erbschaftsteuerbescheid, Erbschaftsteuererklärung, ernstliche Zweifel, Vollziehung, Abtretung, Steuerfestsetzung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 9848

Tenor

1.) Der Antrag wird abgelehnt.
2.) Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin

Entscheidungsgründe

I.
1
Streitig ist im Hauptsacheverfahren, ob der Antragsgegner bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegen die Antragstellerin aufgrund des am 3.05.2014 eingetretenen Erbfalles den Wert der infolgedessen fällig gewordenen Auszahlung einer LV der Erblasserin zu Unrecht als Teil der steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage berücksichtigt hat.
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Der vorgelegten Behördenakte sowie dem Sachvortrag der Beteiligten lässt sich im Wesentlichen folgender Sachverhalt entnehmen:
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Die Antragstellerin ist Alleinerbin ihrer am ... 2014 verstorbenen Mutter, K (im weiteren als Erblasserin bezeichnet). Der Nachlass der Erblasserin umfasste die Beteiligungen an der Fa. K GmbH & Co. KG und an der I KG - jeweils mit Sitz in … -, einschließlich des letzterer gehörenden Wohnungseigentums in ..., zwei Wertpapierdepots, ein Bankguthaben, verschiedene unstreitige Forderungen und bewegliche Gegenstände, und nicht zuletzt den Wert des Auszahlungsanspruches einer von der Erblasserin bei der B LV-AG abgeschlossenen LV (Nr. …) in der unstreitigen Höhe von 652.313,- €. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 21.11.2012 hatte die K GmbH & Co. KG, an der als Kommanditisten zu diesem Zeitpunkt die Erblasserin zu 7/10, die Antragstellerin, sowie M und J zu je 1/10 beteiligt waren, das ihr gehörende Grundstück in ... in Wohnungseigentum umgewandelt und dieses der I Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) - der späteren I KG -, an der wiederum die Erblasserin, die Antragstellerin und G als Gesellschafter beteiligt waren, zu Eigentum übertragen. Als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstückes hatte die K GmbH & Co. KG laut o.g. notarieller Urkunde eine Forderung gegen die Erblasserin in Höhe von 800.000 € erhalten, zu deren Ausgleich letztere ihre Rechte aus der o.g. LV bei der B LV-AG erfüllungshalber an die K GmbH & Co. KG übertragen hatte, die ihrerseits die Abtretung angenommen hatte.
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Auf die am 18.06.2015 beim Antragsgegner eingereichte Erbschaftsteuererklärung setzte dieser mit Steuerbescheid vom 26.01.2016 die Erbschaftsteuer der Antragstellerin zunächst auf 184.053.- € fest. Die Steuerfestsetzung erfolgte zeitlich vor der Durchführung der verbindlichen Feststellung der im einzelnen feststellungsbedürftigen Besteuerungsgrundlagen. Für die Beteiligung am Betriebsvermögen der K GmbH & Co. KG gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin hierbei einen Verschonungsabschlag nach § 13a Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) sowie einen Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG. Der Anspruch aufgrund der o.g. LV war als Teil der steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage berücksichtigt. Mit Schreiben vom 18.02.2016 legte die Antragstellerin hiergegen mit der Begründung Einspruch ein, der Anspruch aus der LV sei nicht als Privatvermögen, sondern infolge der Abtretung an die K GmbH & Co. KG als deren Betriebsvermögen zu erfassen und unterläge deshalb den Ermäßigungsvorschriften des § 13a ErbStG. Zudem optierte die Antragstellerin in ihrem Einspruchsschreiben gemäß § 13a Abs. 8 ErbStG zur vollständigen Steuerbefreiung des erworbenen Betriebsvermögens. Dem gleichzeitigen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gab der Antragsgegner insoweit statt, als er durch Bescheid vom 25.02.2016 den Erbschaftsteuerbescheid in Höhe von 135.053,- € befristet bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens von der Vollziehung aussetzte.
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Während des bislang noch nicht abgeschlossenen Einspruchsverfahrens änderte der Antragsgegner die Erbschaftsteuerfestsetzung insgesamt dreimal. Zunächst setzte der Antragsgegner die Erbschaftsteuer der Antragstellerin mit Steuerbescheid vom 6.11.2018 auf 250.002,- € herauf. Der Grund der Änderung bestand zum einen in der Berücksichtigung der am 28.03.2017 durch das Finanzamt M getroffenen Feststellung des Grundbesitzwertes für das o.g. Wohnungseigentum in ... und zum anderen im verbösernden Ansatz eines Wertes für die Beteiligung an der I KG. Außerdem erklärte der Antragsgegner die Erbschaftsteuer der Antragstellerin erstmals in Bezug auf den Ansatz der LV für vorläufig bis zur Klärung im Verfahren über die Feststellung des Wertes der Beteiligung an der K GmbH & Co. KG. Bereits im Vorgriff auf die Änderung der Steuerfestsetzung durch den Erbschaftsteuerbescheid vom 6.11.2018 hatte die Antragstellerin die hierdurch festgesetzte Steuerschuld fast vollständig an den Antragsgegner bezahlt. Der Antragsgegner ging aufgrund der Tilgung der Steuerschuld davon aus, dass sich hierdurch die am 25.02.2016 in Höhe von 135.053,- € gewährte vorläufige Rechtsschutz erledigt habe. In der Abrechnung der Erbschaftsteuer aufgrund des geänderten Steuerbescheides vom 6.11.2018 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin deshalb mit, dass die Aussetzung der Vollziehung aufgehoben worden wäre.
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Im weiteren Verlauf traf das Finanzamt M mehrere gesonderte Feststellungen zu den Besteuerungsgrundlagen. Zum ersten erhöhte es mit Feststellungsbescheid vom 28.12.2018 den Grundbesitzwert für das Wohnungseigentum in .... Zum zweiten stellte es durch Bescheid vom 14.05.2019 u.a. den Wert der Beteiligung an der K GmbH & Co. KG auf 1.820.144,- € sowie deren Verwaltungsvermögen auf 2.512.433,- € gesondert fest. Zum dritten stellte es mit Bescheid vom 14.06.2019 den Wert des Anteiles an den Vermögensgegenständen und Schulden der I KG im Wege der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen auf 0,- € gesondert fest. Die streitbefangene LV war im Rahmen der Feststellung des Wertes der Beteiligung an der K GmbH & Co. KG nicht als Teil ihres Betriebsvermögens berücksichtigt. Die Antragstellerin legte auch gegen den Feststellungsbescheid des Finanzamts M vom 14.05.2019 mit dem Ziel Einspruch ein, den Wert der LV als Betriebsvermögen anerkannt zu erhalten. Zur Umsetzung der vorgenannten Grundlagenbescheide änderte der Antragsgegner die Erbschaftsteuer der Antragstellerin zum zweiten Mal und setzte diese mit Steuerbescheid vom 8.07.2019 auf 545.148,- € herauf. Die Änderung der Steuerfestsetzung beruhte diesmal im Wesentlichen darauf, dass der Antragsgegner die bis dato in vollem Umfang gewährte Steuerbefreiung gemäß § 13a Abs. 1 ErbStG wegen der festgestellten Höhe des Verwaltungsvermögens der K GmbH & Co. KG, die den Wert des Betriebsvermögens überstieg, unberücksichtigt ließ. Gegen den geänderten Steuerbescheid vom 8.07.2019 legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 22.07.2019 erneut Einspruch ein und beantragte wiederum wegen der fehlenden Anerkennung der Ansprüche aus der LV als Betriebsvermögen Aussetzung der Vollziehung. Der Antragsgegner teilte der Antragstellerin mit, dass der zweite Einspruch unzulässig wäre und lehnte den erneuten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz durch Bescheid vom 26.07.2019 ab. Den weiteren Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 30.09.2019 lehnte der Antragsgegner durch Bescheid vom 13.11.2019 ab. Bereits zuvor - mit Schreiben vom 11.11.2019 - hatte die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Gericht eingereicht. Durch Feststellungsbescheid vom 4.12.2019 setzte das Finanzamt M den Grundbesitzwert für das Wohnungseigentum in ... auf 356.610,- € herab und stellte für den Anteil der Erblasserin in Höhe von 65% hieran einen Wert von 231.796,- € fest. Nach Ankündigung der Verböserung wegen der bislang noch nicht berücksichtigten Vorerwerbe der Antragstellerin aufgrund der notariellen Urkunde vom 21.11.2012 änderte der Antragsgegner die Erbschaftsteuer der Antragstellerin unter gleichzeitiger Berücksichtigung des o.g. aktuellen Grundbesitzwertes zum dritten Mal. Durch Erbschaftsteuerbescheid vom 29.01.2020 setzte der Antragsgegner die Steuer der Antragstellerin nunmehr auf 560.386,- € herauf. Der aktuell auf 3.073.011,- € verminderte erbschaftsteuerliche Erwerb umfasste nach wie vor den Wert der Ansprüche aus der LV in Höhe von 652.313,- €. Hiervon brachte der Antragsgegner wie bisher einen Freibetrag für Hausratsgegenstände (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) in Höhe von 22.000,- € sowie den persönlichen Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) von 400.000,- € zum Abzug und addierte für sämtliche Vorerwerbe (§ 14 ErbStG) einen Betrag von 298.399,45 €. Die Steuerbefreiung für Betriebsvermögen (§ 13a Abs. 1 ErbStG) blieb - wie bereits im vorhergehenden Bescheid - außer Ansatz. Auf die steuerliche Bemessungsgrundlage von 2.949.400,- € kam nach Steuerklasse I ein Steuersatz von 19% zur Anwendung.
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Die Antragstellerin begründet ihren Rechtsschutzantrag vom 11.11.2019 wie folgt:
„Die Rechtmäßigkeit des antragsgegenständlichen Erbschaftsteuerbescheides sei ernstlich zweifelhaft. Zum einen seien die Rechte aufgrund der LV nicht zum Privatvermögen der Erblasserin zu zählen, sondern infolge der Abtretung an die K GmbH & Co. KG deren Betriebsvermögen. Die LV sei deswegen nicht als eigenständiger Bestandteil des Nachlasses, sondern im Rahmen der gesonderten Feststellung des Werts der von der Antragstellerin erworbenen Gesellschaftsbeteiligung zu erfassen. Die Steuervergünstigung nach § 13a ErbStG erfasse daher auch den Anspruch aus der LV. Die Abtretung der Rechte aus der LV sei durch den notariellen Vertrag vom 21.11.2012 belegt. Aus den vorgelegten Buchungsunterlagen ergebe sich, dass mit der ausbezahlten Versicherungssumme betriebliche Schulden der Gesellschaft getilgt worden seien. An der Zugehörigkeit der LV zum Betriebsvermögen der K GmbH & Co. KG bestehe kein Zweifel. Die steuerliche Bemessungsgrundlage sei deshalb um den Betrag von 652.313,- € zu vermindern. Schließlich sei die festgesetzte Erbschaftsteuer auch deshalb überhöht, weil das Wohnungseigentum in ... zum Betriebsvermögen der I KG gehöre und sich bei Erfassung als solches ein um 200.000,- € niedrigerer Wert ergebe.“
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Erbschaftsteuerbescheid vom 29.01.2020 für die Dauer des finanzbehördlichen Einspruchsverfahrens in Höhe von 161.956,- € von der Vollziehung auszusetzen.
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Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Seiner Ansicht nach sei der vorliegende Antrag bereits deswegen abzulehnen, weil die Zugangsvoraussetzung für die gerichtliche Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutz nicht erfüllt sei. Schließlich habe der Antragsgegner über den bei ihm gestellten Rechtsschutzantrag vom 30.09.2019 erst am 13.11.2019 und damit erst nach Rechtshängigkeit des gerichtlichen Verfahrens entschieden. Der Antrag sei schließlich auch deswegen unzulässig, weil die Frage der Zugehörigkeit der Rechte aus der LV zum Betriebsvermögen der K GmbH & Co. KG nur im Rahmen des gegen den Feststellungsbescheid des Finanzamtes München über den Wert des Gesellschaftsanteils gerichteten Rechtsschutzverfahrens entschieden werden kann. Ungeachtet dessen sei der Antrag aber auch unbegründet, weil die Abtretung der Rechte aus der LV an die Gesellschaft schon deshalb unwirksam gewesen sei, weil sie der Versicherungsgesellschaft nicht angezeigt worden sei. Dies sei auch daraus ersichtlich, dass zum einen die LV nicht in der Handelsbilanz der Gesellschaft aktiviert worden sei und zum anderen die Auszahlung der Versicherungssumme schließlich nicht an die Gesellschaft, sondern an die Antragstellerin persönlich erfolgt sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Gericht im vorliegenden Antragsverfahren vorgelegten Akten und die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren Bezug genommen.
II.
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1.) Der Antrag ist zulässig.
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a) Die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Gestalt einer vorherigen Ablehnung der Vollziehungsaussetzung durch die Finanzbehörde ist erfüllt. Es genügt schließlich die Ablehnung der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in einem früheren Verfahrensstadium, wie etwa während des außergerichtlichen Vorverfahrens (Bundesfinanzhof -BFH-Beschluss vom 11. Februar 1999 ...I S 14/98, BFH/NV 1999, 926). Im Streitfall ist die Zugangsvoraussetzung aufgrund der vor Rechtshängigkeit des vorliegenden Verfahrens erfolgten Ablehnung des Antrags vom 22.07.2019 auf Aussetzung der Vollziehung durch den Bescheid des Antragsgegners vom 26.07.2019 gegeben. Entgegen der Rechtsansicht des Antragsgegners kommt es deshalb auf den Umstand, dass dieser den wiederholten Rechtsschutzantrag der Antragstellerin vom 30.09.2019 erst nach Rechtshängigkeit des gerichtlichen Verfahrens durch Bescheid vom 13.11.2019 abgelehnt hat, nicht an. Einer erneuten vorgerichtlichen Ablehnung hat es nicht bedurft.
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b) Die Antragstellerin hat für ihren Antrag auch ein Rechtsschutzbedürfnis.
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aa) Der vom Antragsgegner durch den Bescheid vom 25.02.2016 zunächst für die Dauer des Einspruchsverfahrens in Höhe von 135.053,- € wegen der nämlichen rechtlichen Zweifel gewährte vorläufige Rechtsschutz besteht nicht mehr fort. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die Antragstellerin durch die freiwillige, fast vollständige Bezahlung der im Erbschaftsteuerbescheid vom 6.11.2018 festgesetzten Steuerschuld ihren ursprünglichen Rechtsschutzantrag konkludent zurückgenommen hat oder ob in der schriftlichen Mitteilung des Antragsgegners vom 6.11.2018 über die Abrechnung der Steuerschuld ein Widerruf der ursprünglich gewährten Vollziehungsaussetzung zu sehen ist. Jedenfalls hat ab diesem Zeitpunkt zugunsten der Antragstellerin keine Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes mehr gewirkt, sodass für den vorliegenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheides vom 8.07.2019 in Gestalt des geänderten Erbschaftsteuerbscheides vom 29.01.2020 ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
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bb) Entgegen der Rechtsansicht des Antragsgegners kann die Antragstellerin auch nicht darauf verwiesen werden, dass die streitbefangene Frage der Zugehörigkeit der Rechte aus der LV zum Betriebsvermögen der K GmbH & Co. KG allein im Rechtsschutzverfahren gegen den Bescheid des Finanzamtes M vom 14.05.2019 über die gesonderte Feststellung des Wertes des Anteiles am Betriebsvermögen der Gesellschaft gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG zu klären ist. Es ist zwar zutreffend, dass eine etwa rechtsfehlerhafte Feststellung des Wertes des Betriebsvermögens im Weg des Rechtsschutzes gegen den Feststellungsbescheid zu verfolgen ist; da der Antragsgegner den Wert der LV aber mit steuererhöhender Wirkung als eigenständigen Teil der steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer zugerechnet hat, ist die Antragstellerin auch befugt, sich gegen diese Sachbehandlung im Rechtsschutzverfahren unmittelbar gegen den Steuerbescheid zur Wehr zu setzen. Der Antragstellerin kann im Rahmen der Zulässigkeit ihres Antrages auch nicht entgegengehalten werden, dass selbst im Falle der Zugehörigkeit der LV zum Betriebsvermögen der K GmbH & Co. KG die Erbschaftsteuer im Ergebnis nicht niedriger ausfallen würde, weil die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung des Betriebsvermögens der Gesellschaft nicht vorliegen. Bei der im Rechtsschutzverfahren gegen die Steuerfestsetzung gebotenen isolierten rechtlichen Betrachtung muss der Gesichtspunkt einer korrespondierenden künftigen Änderung des aktuell noch verbindlichen Grundlagenbescheides zunächst außer Betracht bleiben.
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2.) Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Finanzgericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes u.a. dann ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Derartige Zweifel sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Juli 1994 I B 53/94, BStBl II 1995, 65) oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen aufwerfen (vgl. BFH-Beschluss vom 12. November 1992 ...I B 69/92, BStBl II 1993, 263 m.w.N.).
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b) Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall bestehen aufgrund der Einwendungen der Antragstellerin keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des letztgültigen Erbschaftsteuerbescheides vom 29.01.2020.
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aa) Bei der im Verfahren über den vorläufigen Rechtsschutz erforderlichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung hat der Senat insbesondere keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Antragsgegner den Wert der Rechte aus der besagten LV zu Recht als Teil der steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer der Antragstellerin berücksichtigt hat. Nach dem Sachvortrag der Beteiligten ist bei überschlägiger Beurteilung nicht davon auszugehen, dass es sich bei den Rechten aus der LV im Zeitpunkt des Erbfalles um Betriebsvermögen der K GmbH & Co. KG gehandelt hat.
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Ob Ansprüche und Verpflichtungen aus einem Versicherungsvertrag zum Betriebsvermögen eines Unternehmens gehören, beurteilt sich nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung nach der Art des versicherten Risikos. Zum Betriebsvermögen zählen sie nur dann, wenn hierdurch betriebliche Risiken abgedeckt werden (vgl. BFH Urteile vom 7. Oktober 1982 IV R 32/80, BFHE 137,19, BStBl II 1983,101 und vom 19. Mai 2009 VIII R 6/07, BFHE 225, 119, BStBl II 2010, 168). Von diesem Grundsatz ist auch im Falle eines LVsvertrages auszugehen. Mit einem derartigen Vertrag wird in aller Regel kein betriebsbezogenes Risiko abgedeckt; vielmehr dient ein solcher Vertrag, mag die Versicherungssumme im Erlebens- oder Todesfall auszuzahlen sein, der Daseinsvorsorge des Betriebsinhabers für sich oder seine Hinterbliebenen und gehört damit dem außerbetrieblichen Bereich an (BFH Urteile vom 6. Februar 1992 IV R 30/91, BFHE 167, 366, BStBl II 1992, 653 und vom 15. November 2011 VIII R 34/09, BFH/NV 2012, 722). Ausnahmsweise können Ansprüche und Verpflichtungen aus einem LVsvertrag dem Betriebsvermögen zuzuordnen sein, wenn der Zweck der Vertragsgestaltung darin besteht, Mittel für die Tilgung betrieblicher Kredite anzusparen und das für LVen charakteristische Element der Absicherung des Todesfallrisikos bestimmter Personen demgegenüber in den Hintergrund tritt (BFH Urteil vom 3. März 2011, IV R 45/08, BFHE 233, 137, BStBl II 2011, 552).
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Im Streitfall bestehen hinsichtlich einer betrieblichen Veranlassung der in der notariellen Urkunde vom 21.11.2012 erklärten Abtretung der Rechte der Erblasserin aus ihrer LV an die K GmbH & Co. KG schon deshalb erhebliche Bedenken, weil diese ausweislich der Vereinbarung nicht zur Absicherung und künftigen Tilgung betrieblicher Verbindlichkeiten der Gesellschaft sondern vielmehr zum Zwecke der Erfüllung der aus der Immobilienübertragung an die damalige I GbR entstandenen Schuld der Erblasserin gegenüber der K GmbH & Co. KG erfolgt ist. Die Forderungsabtretung ist daher nicht im betrieblichen Interesse der Gesellschaft, sondern allein im persönlichen Interesse der Erblasserin vereinbart worden. Ob die schließlich ausbezahlte Versicherungssumme - so wie die Antragstellerin vorträgt - im Ergebnis für die Tilgung betrieblicher Verbindlichkeiten der K GmbH & Co. KG verwendet worden ist, kann jedoch für den Zeitpunkt des Erbfalles keine betriebliche Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen belegen. Ist die Zugehörigkeit der Versicherungsforderung zum Betriebsvermögen aus den bezeichneten Gründen nicht zu bejahen, so kann sie auch nicht dadurch hergestellt werden, dass sie ausdrücklich in der Bilanz der Gesellschaft erfasst wird. Abgesehen davon lässt der Buchungsvorgang zur Erfassung der Versicherungssumme von 676.375, 68 € am 1.01.2015 eher den Schluss zu, dass der Betrag zunächst vom Versicherer an die Antragstellerin persönlich ausbezahlt worden ist - wie dies im Übrigen der Antragsgegner auch behauptet - und zum anderen durch die Antragstellerin über ihr Kapitalkonto in das Gesellschaftsvermögen eingelegt worden ist. Dies würde jedoch dem Sachvortrag der Antragstellerin, die K GmbH & Co. KG sei selbst Gläubigerin des Versicherungsanspruches gewesen, widersprechen.
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Ungeachtet dessen bestehen auch Zweifel daran, ob die Abtretung der Rechte aus der LV an die Gesellschaft durch die Vereinbarung vom 21.11.2012 überhaupt wirksam gewesen ist. Grundsätzlich sind Ansprüche aus Versicherungsverträgen durch formlose Vereinbarungen gemäß § 398 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) abtretbar, soweit nicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versicherers eine bestimmte Form vorgeschrieben ist. Für Ansprüche aus LVen ist entsprechend den Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) nach § 9 Abs. 4 der Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende LV (ABL) beziehungsweise für ältere Verträge nach § 13 Abs. 3 der Allgemeinen LVsbedingungen (ALB) eine (schriftliche) Anzeige der Abtretung gegenüber dem Versicherer erforderlich. Unterlässt der Versicherungsnehmer die Anzeige, ist die Abtretung absolut unwirksam (vgl. Bundesgerichtshof -BGHUrteil vom 31. Oktober 1990 IV ZR 24/90, BGHZ 112, 387). Im Streitfall hat die Antragstellerin jedenfalls nicht durch präsente Beweismittel glaubhaft gemacht, die in Rede stehende Abtretung dem Versicherer angezeigt zu haben.
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Im Ergebnis bestehen bei überschlägiger Prüfung keine rechtlichen Bedenken gegen die Sachbehandlung durch den Antragsgegner, den Wert des Versicherungsanspruches als unmittelbar der Antragstellerin zuzurechnenden Teil der steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer zu berücksichtigten.
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bb) Der Senat hat auch keine ernstlichen rechtlichen Zweifel im Hinblick auf den vom Antragsgegner für das im Nachlass befindliche Wohneigentum in ... in der … angesetzten Wert.
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Der Antragsgegner ist sowohl an die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes für das Wohnungseigentum in ..., zuletzt durch den Feststellungsbescheid des Finanzamts M vom 31.01.2020 in Höhe von 231.796,- € als auch an die gesonderte Feststellung des Wertes des Anteiles an den Vermögensgegenständen und Schulden der I KG durch den Feststellungsbescheid des Finanzamts M vom 14.06.2019 in Höhe von 0,- €, jeweils getroffen auf den Stichtag des 3.05.2014, gebunden. Einwendungen gegen die genannten Werte hat die Antragstellerin ausschließlich im Rechtsschutzverfahren gegen die verbindlichen Grundlagenbescheide zu verfolgen. Woraus die Antragstellerin eine diesbezügliche Minderung des Wertes um 200.000,- € herleiten möchte, verschließt sich dem Senat. Auch in dieser Hinsicht ist der Antrag deswegen abzulehnen.
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c) Der Antragstellerin ist vorläufiger Rechtsschutz auch nicht wegen unbilliger Härte zu gewähren. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Finanzgericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auch dann ganz oder teilweise aussetzen, wenn dessen Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne dieser Vorschrift liegt unter anderem vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. Juni 2005 III S 12/05, BFH/NV 2005, 1834; vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325 m.w.N.).
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Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit auch im Rahmen einer Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen müssen, liegen im Streitfalle die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO mangels unbilliger Härte nicht vor. Für eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin gerade durch die sofortige Vollziehung des antragsgegenständlichen Erbschaftsteuerbescheides in Bezug auf die noch nicht bezahlte Steuerschuld sieht der Senat keine Anhaltspunkte.
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d) Da sich im Verfahren über den vorläufigen Rechtsschutz der Prozessstoff auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen und präsenten Beweismittel beschränkt, bleibt jede weitergehende Sachverhaltsaufklärung (§ 76 FGO) dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (Gräber/Stapperfend FGO 9. Auflage 2019, § 69 Rn. 196, 197).
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3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.