Inhalt

VGH München, Beschluss v. 24.03.2020 – 7 M 20.50002
Titel:

Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss

Normenketten:
VwGO § 151, § 165
VwGO § 80b Abs. 2
RVG § 16 Nr. 5
Leitsatz:
Über den Wortlaut des § 16 Nr. 5 RVG hinaus sind nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO und ein Antrag auf Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80b Abs. 2 VwGO dieselbe Angelegenheit im kostenrechtlichen Sinn. Der Rechtsanwalt kann die Gebühren nach § 15 Abs. 2 RVG nur einmal fordern. (Rn. 2 – 4)
Schlagworte:
Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss, dieselbe Angelegenheit, vorläufiger Rechtsschutz, Abänderungsverfahren
Vorinstanz:
VGH München, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.01.2020 – 7 AS 19.50020
Fundstellen:
BayVBl 2020, 610
BeckRS 2020, 9640
LSK 2020, 9640

Tenor

I. Auf die Erinnerung der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Januar 2020 geändert. Der Kostenfestsetzungsantrag der Antragsteller wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Erinnerungsverfahrens.

Gründe

1
Die von der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Januar 2020 nach den §§ 165, 151 VwGO beantragte Entscheidung des Gerichts (Kostenerinnerung) hat Erfolg. Der Antrag der Antragsteller vom 14. November 2019 auf Festsetzung der ihnen von der Antragsgegnerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten für ihren Prozessbevollmächtigten ist abzulehnen, weil den Antragstellern diese Kosten im Verfahren auf Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 10. Oktober 2018 nach § 80b Abs. 2 VwGO vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden sind.
2
Der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichtshofs hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu Unrecht auf 503,61 Euro festgesetzt. Die durch die Antragsteller geltend gemachte Vergütung ihres Prozessbevollmächtigten für das Verfahren nach § 80b Abs. 2 VwGO ist nach § 15 Abs. 2 RVG nicht erstattungsfähig. Die geltend gemachte Vergütung ist nicht angefallen, weil der Prozessbevollmächtigte für die Antragsteller bereits im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig war und es sich bei dem Verfahren nach § 80b Abs. 2 VwGO trotz prozessualer Eigenständigkeit kostenrechtlich um dieselbe Angelegenheit handelt (§ 16 Nr. 5 RVG).
3
Nach § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Dieselbe Angelegenheit sind nach § 16 Nr. 5 RVG das Verfahren über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 VwGO) und jedes Verfahren über deren Abänderung, Aufhebung oder Widerruf. Die Anwaltsgebühren entstehen damit in allen Verfahren zur Regelung der Vollziehung - auch wenn diese für sich genommen voneinander getrennte, prozessual eigenständige Verfahren sind - nur einmal und zwar mit dem ersten die Gebühr auslösenden Tätigwerden des Rechtsanwalts. Ist dieser bereits im Ausgangsverfahren tätig geworden, können von ihm in allen damit zusammenhängenden Verfahren, die den einstweiligen Rechtsschutz betreffen, nicht gesonderte Gebühren verlangt werden. Die Regelung des § 16 Nr. 5 RVG beruht auf dem Grundgedanken, dass zwischen dem Abänderungsverfahren und dem vorausgegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig ein enger sachlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht, der die Zusammenfassung der Verfahrensabschnitte zu einer gebührenrechtlichen Einheit rechtfertigt (vgl. BVerwG, B.v. 23.7.2003 - 7 KSt 6.03 u.a. - juris Rn. 3 zu § 40 Abs. 2 BRAGO, dessen Regelung in § 16 Nr. 5 [bzw. Nr. 6 a.F.] übernommen wurde, vgl. BT-Drs. 15/1971 S. 190). Ein Rechtsanwalt, der bereits im Verfahren über einen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung tätig war, benötigt in einem Abänderungs-, Aufhebungs- oder Widerrufsverfahren in der Regel keine besondere Einarbeitungszeit, sondern kann vielmehr ohne weiteres auf seine frühere Arbeit zurückgreifen. Der Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts ist also bereits in einem früheren Verfahrensabschnitt entstanden und damit durch die bereits angefallene Gebühr abgegolten worden. Über den Wortlaut des § 16 Nr. 5 RVG hinaus gilt dies nach dessen Sinn und Zweck auch für den Fall, dass - wie hier - kein Abänderungs-, Aufhebungs- oder Widerrufsverfahren beantragt wird, sondern die Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80b Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, B.v. 23.7.2003 - 7 KSt 6.03 u.a.- juris Rn. 3). Auch hier hängt der Sach- und Streitstoff des Antrags nicht nur sachlich, sondern auch rechtlich eng mit dem des Ausgangsverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO zusammen, wie sich aus der in § 80b Abs. 3 VwGO enthaltenen Verweisung auf § 80 Abs. 5 bis 8 VwGO ergibt. Dies ist auch der amtlichen Begründung zu entnehmen, wonach die Regelung des § 16 Nr. 5 RVG sämtliche Verfahren über den einstweiligen Rechtsschutz betrifft (vgl. BT-Drs. 17/11471 S. 267).
4
Diese kostenrechtlichen Regelungen gelten auch, wenn - wie hier - nach einem noch vor dem Verwaltungsgericht geführten Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der Verwaltungsgerichtshof über den Antrag auf Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung nach § 80b Abs. 2 VwGO entscheidet. § 17 Nr. 1 RVG, wonach das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug verschiedene Angelegenheiten sind, ist nicht anwendbar. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag nach § 80b Abs. 2 VwGO am 5. November 2019 nicht im Rahmen einer Beschwerde im Sinne des § 17 Nr. 1 RVG als Beschwerdegericht entschieden, sondern nach Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung vom 12. April 2019 als Gericht der Hauptsache. Der Wechsel des für die Entscheidung zuständigen Gerichts steht auch nicht der Einlegung eines Rechtsmittels gleich.
5
Die Kostenentscheidung beruht in dem gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfreien Erinnerungsverfahren auf § 154 Abs. 1 VwGO.
6
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG, § 152 Abs. 1 VwGO.