Inhalt

VG München, Urteil v. 31.01.2020 – M 17 K 18.1620
Titel:

Begründung einer Schwellenwertüberschreitung 

Normenketten:
BayBhV § 7, § 14
GOZ § 3, § 4, § 5 Abs. 2, § 9
GOÄ § 10
Leitsätze:
1. Der den Ausschlag für die Schwellenwertüberschreitung gebende vermehrte Aufwand muss auf eine beim Patienten bestehende außergewöhnliche Konstitution zurückzuführen sein; rein verfahrensbezogene Besonderheiten genügen nicht. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zulässig ist lediglich eine nähere Erläuterung der bereits in der Rechnung enthaltenen Begründung für die Schwellenwertüberschreitung, nicht jedoch eine Ergänzung der Begründung um neue, bislang nicht vorgetragene Gründe. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch ein mehrschichtiger Aufbau verlorengegangener Zahnsubstanz mit Kompositmaterial in Adhäsivtechnik als Vorbereitung zur Aufnahme einer Krone gehört zum gewöhnlichen Leistungsinhalt der GOZ Ziffern …80 und vermag einen außergewöhnlich schwierigen Behandlungsfall nicht zu begründen (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beihilfe für zahnmedizinische Behandlungen, Anforderungen an die Begründung einer Schwellenwertüberschreitung, Analog-Abrechnung bei Mehrschichttechnik in Dentin-Adhäsiv-Verfahren bei Vorbereitung eines zerstörten Zahnes zur Aufnahme einer Krone (GOZ Ziffer …80), Beihilfe, zahnmedizinische Behandlung, Rechnung, Abrechnung, Behandlung, Leistung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 937

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Beihilfefähigkeit eines für die zahnärztliche Behandlung der Klägerin aufgewandten Rechnungsbetrags in Höhe von insgesamt 4.672,83 €.
2
Die Klägerin ist gegenüber dem Beklagten beihilfeberechtigt. Der Bemessungssatz zu krankheitsbedingten Aufwendungen beträgt 70 v. H.
3
Mit Formblatt vom 24. November 2017 beantragte die Klägerin die Gewährung von Beihilfe unter anderem für eine Rechnung der Zahnärztin … … vom … November 2017 für die zahnärztliche Behandlung der Klägerin über einen Betrag von 4.672,83 € (3.208,51 € zahnärztliches Honorar und 1.464,32 € für Auslagen nach §§ 3, 4, 9 GOZ und § 10 GOÄ).
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Mit Bescheid vom 11. Dezember 2017 wurde seitens der zuständigen Beihilfestelle, das Landesamt für Finanzen, … …h (im Folgenden: Landesamt), hinsichtlich dieser Rechnung nur ein Betrag in Höhe von insgesamt 2.959,22 € (2.371,55 € zahnärztliches Honorar und 587,67 € für Auslagen nach §§ 3, 4, 9 GOZ und § 10 GOÄ) als beihilfefähig anerkannt und der Klägerin dementsprechend eine Beihilfe in Höhe von 2.071,45 € (70% von 2.959,22 €) gewährt. Begründet wurden die Kürzungen der beihilfefähigen Aufwendungen damit, dass die behandelnde Zahnärztin bezüglich der abgerechneten Gebührenziffern GOZ …97 (Behandlungstag 4.10.17), …80, 5170, 8010, 8020, 8050, …20, 2...0 und …97 (Behandlungstag 20.10.17) das Überschreiten des 2,3-fachen Gebührensatzes (sog. Schwellenwert) nicht ausreichend begründet habe (Begründung „f2“). Darüber hinaus sei die GOZ Ziffer 0060 am Tag der Präparation nicht beihilfefähig (Begründung „f0“). Auch sei die GOZ Ziffer 4080 nicht neben den GOZ Ziffern 4070, 4075 abrechenbar (Begründung „f1“). Schließlich seien auch Auslagen nach §§ 4 Abs. 3 und 9 GOZ nach § 14 BayBhV nur zu 40 v. H. beihilfefähig (Begründung „0101“).
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Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 29. Dezember 2017 unter Vorlage einer ergänzenden Stellungnahme der Zahnärztin … … vom … Dezember 2017, die den Kürzungen der Beihilfestelle entgegentrat und die Abrechnung der gesteigerten Gebührensätze näher begründete, Widerspruch ein.
6
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2018 wies das Landesamt den Widerspruch der Klägerin zurück. Die in der streitgegenständlichen Rechnung wie auch in der ergänzenden Stellungnahme der behandelnden Zahnärztin enthaltenen Begründungen seien allesamt nicht geeignet, eine Überschreitung des Schwellensatzes von 2,3 hinsichtlich der Gebührenpositionen …97 (Behandlungstag 4.10.17), …80, 5170, 8010, 8020, 8050, …20, 2...0 und …97 (Behandlungstag 20.10.17) entsprechend der Anforderungen des § 5 Abs. 2 GOZ zu rechtfertigen, da sie keinen im Einzelfall erhöhten Arbeitsaufwand hinsichtlich der abgerechneten Gebührenziffern erkennen ließen.
7
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 3. April 2018, eingegangen am 4. April 2018, Klage mit dem Antrag,
den Beklagten zu verpflichten, die im Bescheid vom 11. Dezember 2017 zugesagte Beihilfe um 509,76 € zu erhöhen.
Zur Begründung wird auf die Stellungnahme der Zahnärztin vom … Dezember 2017 verwiesen. Darüber hinaus sei die zahnärztliche Behandlung der Klägerin aufgrund ihres hohen Alters sowie ihrer Rheumaerkrankung, die im Rahmen einer Zahnbehandlung sehr schnell zu einer Kiefersperre führen könne und eine eingeschränkte Mundöffnung zur Folge habe, besonders schwierig gewesen. Auf eine Anfechtung der weiteren Kürzungen des beihilfefähigen Betrags im Beihilfebescheid mit den Begründungen „f0“ und „f1“ werde aus prozessökonomischen Gründen verzichtet.
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Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Die Kürzungen im Beihilfebescheid seien zu Recht erfolgt, dies werde auch durch ein seitens des Beklagten eingeholtes beratungsärztliches Gutachten vom 7. Mai 2018 bestätigt.
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Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2018 trat die Klagepartei der gutachterlichen Stellungnahme des Beratungsarztes entgegen und verwies erneut auf das hohe Alter der Klägerin und ihre chronische Rheumaerkrankung, die zahnärztliche Behandlungen deutlich schwieriger gestalten würden. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass die private Krankenkasse die streitgegenständliche Rechnung ohne Abstriche nach dem vereinbarten Tarif erstattet habe.
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Die in der Rechnung enthaltenen Begründungen des über den 2,3-fachen Satz hinaus, jeweils auf den 3,5-fachen Satz erhöhten Gebührenfaktors hinsichtlich der streitigen Gebührenziffern lauten im Einzelnen wie folgt:
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„1. GOZ Ziffer …97, Behandlungstag 4.10.17 (Adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay,Krone, Teilkrone, Veneer etc.)):
Besonders aufwendige adhäsive Befestigung (subgingivale Ausdehnung der Kavität oder der Kronenpräparation), Erschwerte Trockenlegung z.B. bei Papillenblutung oder erhöhter Salivation Differenz des nicht als beihilfefähig anerkannten Betrags hinsichtlich dieser Ziffer: 35,08 €
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2. GOZ Ziffer …80 (Vorbereitung eines zerstörten Zahnes mit plastischem Aufbaumaterial zur Aufnahme einer Krone):
Erhöhter Zeitaufwand durch dentinadhäsive Kompositfüllung Differenz des nicht als beihilfefähig anerkannten Betrags hinsichtlich dieser Ziffer: 40,52 €
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3. GOZ Ziffer 5170 (Anatomische Abformung des Kiefers mit individuellem Löffel bei ungünstigen Zahnbogen- und Kieferformen und/oder tief ansetzenden Bändern oder spezielle Abformung zur Remontage, je Kiefer):
Besondere Schwierigkeit bei hoch einstrahlenden Muskeln und Bändern Differenz des nicht als beihilfefähig anerkannten Betrags hinsichtlich dieser Ziffer: 33,74 €
14
4. GOZ Ziffer 8010 (Registrieren der gelenkbezüglichen Zentrallage des Unterkiefers, je Registrat):
Besondere Schwierigkeit und Zeitaufwand bei erkennbarer Myoarthropathie Differenz des nicht als beihilfefähig anerkannten Betrags hinsichtlich dieser Ziffer: 24,30 €
15
5. GOZ Ziffer 8020 (Arbiträre Scharnierachsenbestimmung (eingeschlossen sind die arbiträre Scharnierachsenbestimmung,das Anlegen eines Übertragungsbogens, das Koordinieren eines Übertragungsbogens mit einem Artikulator)):
Besondere Schwierigkeit und Zeitaufwand bei erkennbarer Myoarthropathie Differenz des nicht als beihilfefähig anerkannten Betrags hinsichtlich dieser Ziffer: 20,24 €
16
6. GOZ Ziffer 8050 (Registrieren von Unterkieferbewegungen zur Einstellung halbindividueller Artikulatoren und Einstellung nach den gemessenen Werten, je Sitzung):
Besondere Schwierigkeit und Zeitaufwand bei erkennbarer Myoarthropathie Differenz des nicht als beihilfefähig anerkannten Betrags hinsichtlich dieser Ziffer: 33,74 €
17
7. GOZ Ziffer …20 (Präparieren einer Kavität und Restauration mit Kompositmaterialien, in Adhäsivtechnik (Konditionieren), mehr als dreiflächig, ggf. einschließlich Mehrschichttechnik, einschließlich Polieren, ggf. einschließlich Verwendung von Inserts):
Besondere Schwierigkeit bei Retentionsgewinnung tief subgingival, erhöhter Zeitaufwand bei Kontaktpunktherstellung, besondere Schwierigkeit bei starkem Zerstörungsgrad mit Einbeziehung der Schneidekante, erhöhter Zeitaufwand durch schwierige Farbanpassung Differenz des nicht als beihilfefähig anerkannten Betrags hinsichtlich dieser Ziffer: 51,97 €
18
8. GOZ Ziffer 2...0 (Versorgung eines Zahnes durch eine Vollkrone (Hohlkehl- oder Stufenpräparation)):
Besondere Schwierigkeit bei Retentionsgewinnung tief subgingival Differenz des insgesamt nicht als beihilfefähig anerkannten Betrags hinsichtlich dieser Ziffer: 453,00 €
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9. GOZ Ziffer …97, Behandlungsdatum 20.10.17 (Adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay,Krone, Teilkrone, Veneer etc.)):
Besondere Schwierigkeit bei Retentionsgewinnung tief subgingival Differenz des insgesamt nicht als beihilfefähig anerkannten Betrags hinsichtlich dieser Ziffer: 35,08 €
20
Der Beklagtenvertreter hat mit Schriftsatz vom 22. Mai 2018, die Klägerin mit Schriftsatz vom 24. August 2018 auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.“
21
Mit Beschluss vom 30. Januar 2020 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen.
22
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

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Die als Verpflichtungsklage auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 509,75 € auszulegende Klage, über die nach übereinstimmender Einverständniserklärung der Beteiligten im schriftlichen Verfahren nach § 101 Abs. 2 VwGO entschieden werden konnte, hat keinen Erfolg.
24
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet und hat daher keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 509,76 € gegen den Beklagten, folglich kann sie deren Ablehnung durch Bescheid vom 11. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. März 2018 auch nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
25
Die Beihilfestelle hat die beihilfefähigen Aufwendungen hinsichtlich der Rechnung vom 16. November 2017 zu Recht mit der Begründung, das Überschreiten des 2,3-fachen Gebührenfaktors sei hinsichtlich der GOZ Ziffern …97 (Behandlungstag …), …80, 5170, 8010, 8020, 8050, …20, 2...0 und …97 (Behandlungstag …) nicht ausreichend begründet worden, um einen Betrag in Höhe von insgesamt 727,67 € gekürzt. Die übrigen Kürzungen des Landesamtes (Begründungsziffern „f0“, „f1“ und „0101“) wurden im Klageschriftsatz ausdrücklich anerkannt und sind damit nicht streitgegenständlich.
26
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. statt aller BVerwG, U.v. 2.4.2014 - 5 C 40.12 - NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Die Aufwendungen gelten nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BayBhV in dem Zeitpunkt als entstanden, in dem die sie begründende Leistung erbracht wird. Für die vorgenommene zahnärztliche Untersuchung und Behandlung entstehen Aufwendungen mit jeder Inanspruchnahme des Arztes (Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand Juni 2018, Bd. 2 Anm. 12 zu § 7 Absatz 2 BayBhV). Bei den streitgegenständlichen Behandlungen im Oktober 2017 bestimmt sich die Beihilfefähigkeit daher nach Art. 96 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juli 2008 (GVBl S. 500), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2017 (GVBl. S. 362), und der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung - BayBhV) vom 2. Januar 2007 (GVBl S. 15) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 24. Juli 2017 (GVBl. S. 418).
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1.1 Zahnärztliche Leistungen sind gemäß § 8 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig und der Höhe nach angemessen sind. Die Angemessenheit beurteilt sich gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 BayBhV insoweit ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) bzw. der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), soweit die GOÄ den Zahnärzten nach § 6 Abs. 2 GOZ zugänglich ist. Soweit keine begründeten besonderen Umstände vorliegen, kann nur eine Gebühr, die den Schwellenwert des Gebührenrahmens nicht überschreitet, als angemessen angesehen werden (§ 7 Abs. 1 Satz 3 BayBhV).
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Nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ bildet für Leistungen nach dem Gebührenverzeichnis der GOZ der 2,3-fache Gebührensatz die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung ab; ein Überschreiten dieses Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten, das heißt die Schwierigkeit und der Zeitaufwand der einzelnen Leistung sowie die Umstände bei der Ausführung, dies rechtfertigen. Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben (§ 5 Abs. 2 Satz 3 GOZ).
29
Wenn die berechnete Gebühr das 2,3-fache des Gebührensatzes überschreitet, ist dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen. Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern (§ 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 GOZ; § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 GOÄ). Ein Nachschieben von gänzlich neuen Gründen ist nicht zulässig (VG München, U.v. 1.8.2018 - M 17 K 17.5384 - juris Rn. 48). §§ 10 Abs. 3 Satz 2 GOZ und 12 Abs. 3 Satz 2 GOÄ sieht lediglich eine nähere Erläuterung der bereits in der Rechnung vorgebrachten schriftlichen Begründung für die Schwellenwertüberschreitung vor, nicht jedoch eine Ergänzung der Begründung um neue, bislang nicht vorgetragene Gründe, die eine Besonderheit des jeweiligen Behandlungsfalls rechtfertigen sollen. Unzulässig sind damit verspätet vorgebrachte neue Erwägungen, die in der bisherigen, in der Rechnung enthaltenen Begründung keine Stütze finden. Zulässig sind nur solche Erwägungen, die an die bereits vorhandene Rechnungsbegründung ansetzen. Würde man zulassen, dass die behandelnden Ärzte zeitlich unbegrenzt solange neue Gründe für die vorgenommene Erhöhung des Gebührensatzes über den 2,3-fachen Satz hinaus anführen können, bis irgendwann eine insoweit tragfähige Begründung gefunden ist, liefe das darauf hinaus, dass eine abschließende Beurteilung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen immer wieder herausgeschoben würde. Für die Beihilfestellen wäre es auch praktisch nicht handhabbar, bei jeder nachträglich neu vorgebrachten Begründung ihren Beihilfebescheid wieder abändern zu müssen
30
Zwar ist dem Zahnarzt bei der Bestimmung des Steigerungsfaktors durch § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbares Ermessen eingeräumt (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 14.12.2011 - 5 LA 237/10 - juris Rn. ...). Dieses besteht jedoch nur auf der Rechtsfolgenseite. Das Vorliegen von „Besonderheiten“ im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 GOZ auf der Tatbestandsseite unterliegt dagegen der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit (BVerwG, U.v. 17.2.1994 - 2 C 10/92 - NJW 1994, 3023, 3024).
31
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 17.2.1994 - 2 C 10/92 - NJW 1994, 3023) müssen Besonderheiten in diesem Sinn gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sein. Eine in jeder Hinsicht durchschnittliche Art und Weise der Behandlung kann ein Überschreiten des 2,3-fachen Gebührensatzes (Schwellenwert) nach § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 GOZ nicht rechtfertigen. Die Vorschrift hat Ausnahmecharakter und ist dementsprechend eng auszulegen. Diesem Ausnahmecharakter widerspräche es, wenn schon eine vom Arzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegender Schwierigkeiten, angewandte Verfahrensweise bei einer Ausführung einer im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung das Überschreiten des Schwellenwerts rechtfertigen würde. Erforderlich ist somit eine gerade in der Person des Betroffenen liegende Besonderheit. Der den Ausschlag für die Schwellenwertüberschreitung gebende vermehrte Aufwand muss auf eine beim betreffenden Patienten bestehende außergewöhnliche Konstitution zurückzuführen sein; rein verfahrensbezogene Besonderheiten genügen dagegen nicht (vgl. BayVGH, B.v. 15.04.2011 - 14 ZB 10.1544 - juris Rn. 4; VG des Saarlandes, U.v. 26.05.2017 - 6 K 468/16 - juris Rn. …; VG Stuttgart, U.v. 03.01.2012 - 12 K 2580/11 - juris Rn. 37; VG München, U.v. 23.05.2013 - M 17 K 12.59 - BeckRS 2014, 56145, beck-online; a.A. noch: VGH BW U.v. 17.9.1992 - 4 S 2084/91 - juris Rn. 48). Zwar sollte es nicht so sein, dass der Arzt bzw. Zahnarzt für die Begründung der Schwellenwertüberschreitung mehr Zeit aufwenden muss als für die eigentliche Behandlung. Ausführliche ärztliche Berichte oder gar Gutachten können daher nicht verlangt werden. Allerdings muss sich aus der gegebenen Begründung entnehmen lassen, weshalb bei dem Patienten eine von der Masse der behandelnden Fälle abweichende Besonderheit vorlag und insbesondere, worin denn diese Besonderheit bestand (VG Hannover, GB v. 07.12.2009 - 13 A 2981/09 - juris Rn. 165). Die Begründung darf dabei nicht allgemein gehalten sein, sondern muss genügend Anhaltspunkte für einen Vergleich enthalten, bei dem deutlich wird, dass die Behandlungsschritte einen ungewöhnlich hohen Schwierigkeitsgrad aufwiesen, der deutlich über demjenigen lag, der durch die Regelspanne abgegolten wird (VG des Saarlandes, U.v. 26.5.2017 - 6 K 468/16 - juris Rn. ...). Allein wertende Schlussfolgerungen genügen grundsätzlich nicht, die Begründung muss auch einen nachvollziehbaren Tatsachenkern enthalten (vgl. OVG NW, U. v. 03.12.1999 - 12 A 2889/99 - juris Rn. 41). Hierbei ist auch zu beachten, dass die Begründung allein vom behandelnden Zahnarzt selbst gegeben werden kann. Die Klagepartei ist dazu als Adressat der Begründung weder berechtigt noch im Stande (VG Stuttgart, U.v. …9.2009 - 12 K 6383/07 - juris Rn. 64). Aus diesem Grund sind insbesondere die umfangreichen Ausführungen der Klagepartei im Schriftsatz vom 15. Juni 2018 zu Alter und Vorerkrankungen der Klägerin - die ohnehin nicht auf die einzelne Gebührenposition bezogen sind - nicht ausreichend, um die jeweilige Abrechnung des erhöhten Gebührenfaktors zu rechtfertigen.
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1.2 Unter Anwendung des oben beschriebenen Maßstabs ergibt sich, dass die in der Rechnung der Zahnärztin vom … November 2017 enthaltenen, von der Beihilfestelle beanstandeten Begründungen allesamt nicht geeignet sind, den Anforderungen des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ entsprechend eine Überschreitung des 2,3-fachen Gebührensatzes zu rechtfertigen.
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Im Einzelnen:
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1.2.1 Den besonderen Aufwand hinsichtlich der am Behandlungstag 4. Oktober 2017 viermal zum 3,5-fachen Gebührensatz abgerechneten GOZ Ziffer 2917 (adhäsive Befestigung) begründete die behandelnde Zahnärztin in ihrer Rechnung mit einer subgingivalen Ausdehnung der Kavität oder der Kronenpräparation sowie einer erschwerten Trockenlegung z.B. bei Papillenblutung oder erhöhter Salivation. Bereits die alternative Gestaltung der Begründung (subgingival ausgedehnte Kavität oder Kronenpräparation, Papillenblutung oder erhöhte Salivation) zeigt hier, dass die Begründung des erhöhten Aufwands gerade nicht individuell, leistungs- und patientenbezogen erfolgte. Was hier genau zur Schwierigkeit des konkreten Behandlungsfalls führte, bzw. was tatsächlich vorlag (Papillenblutungen oder ein starker Speichelfluss der Patientin) bleibt letztlich offen. Auch in der ergänzenden Stellungnahme der Zahnärztin vom … Dezember 2017 wird auf die Subgingivalität der Kavität bzw. die erschwerte Trockenlegung des Behandlungsgebiets aufgrund von Blutungen/erhöhter Salivation gar nicht mehr eingegangen, vielmehr soll nunmehr - gänzlich neu im Vergleich zur ursprünglichen Rechnung - der starke Wangendruck und die eingeschränkte Mundöffnung der Patientin den gesteigerten Gebührensatz rechtfertigen. Wie oben bereits ausgeführt, können gänzlich neue Erwägungen, die in der bisherigen, in der Rechnung enthaltenen Begründung keine Stütze finden, als unzulässig nachgeschobene Gründe jedoch nicht zur Rechtfertigung der Schwellenwertüberschreitung herangezogen werden. Die Steigerung des Gebührenfaktors hinsichtlich der GOZ Ziffer …97 ist damit nicht ausreichend begründet worden.
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1.2.2 Die jeweilige Abrechnung des erhöhten Gebührenfaktors hinsichtlich der vierfach angesetzten GOZ Ziffer …80 wurde in der Rechnung mit einem erhöhten Zeitaufwand durch Verwendung einer dentinadhäsiven Kompositfüllung begründet. In ihrer ergänzenden Stellungnahme legt die behandelnde Zahnärztin unter Berufung auf ein Positionspapier der Bundeszahnärztekammer dar, dass Verwendung einer - im Vergleich zu gewöhnlichen Amalgam- oder Zementfüllungen wesentlich aufwendigeren - mehrschichtigen Dentin-Adhäsiv-Technik in Verbindung mit dem Aufbau verlorengegangener Zahnsubstanz eine Analogabrechnung (z.B. entsprechend mehrflächiger Restauration in Adhäsivtechnik) gemäß § 6 Absatz 1 GOZ rechtfertige, auf die hier jedoch bewusst verzichtet worden sei, weshalb der erhöhte Aufwand aber zumindest über den Steigerungsfaktor abzubilden sei. Der mehrschichtige Aufbau mit Kompositmaterial in Adhäsivtechnik einschließlich Lichthärtung sei eine Leistung, die sich fachlich in ihrem Charakter derart von den in den Gebührenziffern GOZ …80 und …97 enthaltenen Leistungen unterscheide, dass es sich um eine nicht in der GOZ beschriebene Leistung handele. Die Gebührenziffer GOZ …80 sei wie die bis zur GOZ-Novelle 2012 geltende wortgleiche Gebührenziffer GOZ …8 a.F. derart auszulegen, dass diese als plastisches Aufbaumaterial nur Phosphat- oder Glasionomerzement umfasse; die deutlich kosten-, material- und zeitaufwändigere und daher nicht vergleichbare mehrschichtige Adhäsivtechnik sei hingegen nicht umfasst (vgl. AG Frankfurt, U.v. 11.7.2007 - 29 C …47/03- … - zu GOZ …8 a.F.). Hierbei sei auch zu bedenken, dass im Leistungstext der Gebührenziffer GOZ …80 - anders als bei den Gebührenziffern GOZ 2060, 2080, …00 und …20 - weder die Adhäsivtechnik an sich noch die besondere Ausführung in Mehrschichttechnik erwähnt sei. Zudem umfasse auch die Gebührenziffer GOZ …97 zwar die Adhäsiv-, jedoch nicht die Mehrschichttechnik. Auch sei eine angemessene Vergütung über die Gebührenziffern GOZ …80 und …97 selbst bei erhöhten Steigerungssätzen nicht darstellbar. Dies werde bereits aus dem niedrigen addierten Wert von 280 P. deutlich (GOZ …80 und …97), während bereits eine einflächige Kompositrestauration in Adhäsivtechnik nach Gebührenziffer GOZ 2060 mit 527 P. bewertet sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (U.v. 13.5.2004 - III ZR 344/03 - juris) sei jedoch dann, wenn durch medizinische Weiterentwicklung eine angemessene Vergütung nicht mehr gewährleistet sei, eine analoge Abrechnung zulässig, der Arzt könne insoweit auch nicht auf Möglichkeit einer abweichenden Individualvereinbarung mit dem Patienten über die Gebührenhöhe nach § 2 GOZ verwiesen werden (vgl. zum Ganzen: AG Schöneberg, U.v. 5.5.2015 -18 C 65/14; AG Charlottenburg, U.v. 8.5.2014 - 205 C 13/12; BZAEK, Ausschuss Gebührenrecht, Positionspapier v. 20.6.2014, S. 3 f.; ZÄK Berlin, Stellungnahme v. 29.3.2017, S. 2 f.).
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Der genannten Auffassung folgt das Gericht jedoch nicht. Für die in Streit stehende Behandlungstechnik finden vielmehr richtigerweise ebenfalls die Gebührenziffern GOZ …80 und …97 Anwendung. Zur Begründung wird auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg (U.v. 8.2.2018 - Au 2 K 17.1291 - BeckRS 2018, 5878), deren Argumentation sich die Einzelrichterin vollumfänglich anschließt, umfassend Bezug genommen.
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Hiernach gilt, dass der Wortlaut der Leistungsbeschreibung von Gebührenziffer GOZ …80 („plastisches Aufbaumaterial“) umfassend ist, d.h. hierunter fällt grundsätzlich jedes plastische Material - auch Kompositkunststoff (vgl. Raff, DFZ 05/2015, S. 56 f.; AG Neukölln, U.v. 29.8.2011 - 7 C 106/11). Auch die historische Auslegung spricht für dieses Ergebnis, da mit der GOZ-Novelle 2012 das Gebührenverzeichnis der GOZ gerade an die medizinische und technische Entwicklung angepasst werden sollte (amtl. Begründung, BR-Drs. 566/11 v. …9.2011, S. 1). Aus dem Umstand, dass der Verordnungsgeber im Rahmen der GOZ-Novelle 2012 bei den plastischen Füllungen im Leistungstext ausdrücklich zwischen der Ausführung ohne (GOZ 2050, 2070, 2090 und …10) und mit (GOZ 2060, 2080, …00 und …20) Verwendung von Kompositmaterialien in ggf. mehrschichtiger Adhäsivtechnik unterschieden hat (vgl. amtl. Begründung, BR-Drs. 566/11 v. …9.2011, S. 53), folgt überdies, dass der Verordnungsgeber die genannte Technik gekannt hat und diese nur in den ausdrücklich genannten Fällen (GOZ 2060, 2080, …00 und …20) besonders hat vergüten wollen. Gegen eine Analogie spricht zudem, dass es sich bei der Gebührenziffer GOZ …80 um eine vorbereitende Maßnahme für eine Kronenversorgung handelt, während bei Gebührenziffer GOZ …20 die (definitive) Füllung das eigentliche Leistungsziel ist. Zudem ist im Rahmen der GOZ-Novelle 2012 die Gebührenziffer GOZ …97 gerade angesichts der zwischenzeitlich erfolgten fortgeschrittenen technischen Entwicklung der Adhäsivtechniken und -materialien geschaffen worden, um diesen Fortschritt - insbesondere einen Mehraufwand für eine adhäsive Befestigung plastischen Aufbaumaterials i.S.d. Gebührenziffer GOZ …80 (amtl. Begründung, BR-Drs. 566/11 v. …9.2011, S. 54) - auch gebührentechnisch abzubilden. Soweit es die Mehrschichttechnik anbetrifft, so handelt es sich hierbei lediglich um eine besondere Ausführung der in der Gebührenziffer GOZ …97 enthaltenen Leistung, die gemäß § 4 Absatz 2 Satz 2 GOZ nicht gesondert berechnet werden darf (vgl. zum Ganzen: AG Düsseldorf, U.v. …1.2016 -27 C 3179/14 - juris Rn. 34; U.v. 1.7.2016 -25 C 2953/14; PKV, Kommentierung praxisrelevanter Analogabrechnungen, Stand: 13.11.2019, S. 27 f., abrufbar unter https://www...de/w/files/goz-kommentierungfaq/kommentierung-praxisrelevanter-analogabrechnungen.pdf).
38
Nach alledem gehört auch ein mehrschichtiger Aufbau verlorengegangener Zahnsubstanz mit Kompositmaterial in Adhäsivtechnik als Vorbereitung zur Aufnahme einer Krone zum gewöhnlichen Leistungsinhalt der GOZ Ziffern …80, …97. Als solcher vermag die verwendete Technik einen außergewöhnlich schwierigen Behandlungsfall nicht zu begründen. Auch der Verzicht auf eine nach dem oben Gesagten gerade nicht zulässige Analogabrechnung vermag die Schwellenwertüberschreitung nicht zu rechtfertigen. Schließlich vermögen auch die in der ergänzenden Stellungnahme der Zahnärztin unzulässig nachgeschobenen Gründe für die Abrechnung des Steigerungsfaktors (hoher Wangendruck und geringe Mundöffnung) die Abrechnung des 3,5-fachen Gebührensatzes hinsichtlich der GOZ Ziffer …80 nicht zu rechtfertigen (s.o.).
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1.2.3 Die Abrechnung eines 3,5-fachen Gebührensatzes anstelle eines 2,3-fachen Gebührensatzes wurde hinsichtlich der unter der GOZ Ziffer 5170 abgerechneten Kieferabformung in der Rechnung mit einer besonderen Schwierigkeit bei „hoch einstrahlenden Muskeln und Bändern“ begründet. Festzustellen ist, dass die für die Versorgung mit Zahnersatz erforderlichen Kieferabformungen (mit einem Standartlöffel) grundsätzlich bereits Leistungsinhalt der ebenfalls abgerechneten Kronenpositionen (GOZ Ziffer 2200 ff.) sind (vgl. Leistungsbeschreibung im GOZ Kommentar der Bundeszahnärztekammer, Stand Oktober 2018, abrufbar unter: https://www...de/....pdf, zu Ziffer 2200). Gesondert abrechenbar ist die GOZ Ziffer 5170 neben den Kronenpositionen nur, wenn es einer aufwändigeren Kieferabformung mit einem individuellen Löffel bei ungünstigen Zahnbogen- und Kieferformen und/oder tief ansetzenden Bändern bedarf (vgl. Leistungsbeschreibung im GOZ Kommentar der Bundeszahnärztekammer, a.a.O. zu Ziffer 5170). Da somit die Begründung „hoch einstrahlende Muskeln bzw. Bänder“ überhaupt erst die Abrechnung der GOZ Ziffer 5170 dem Grunde nach rechtfertigt, kann sie nicht auch noch zusätzlich für die Abrechnung eines über den 2,3-fachen Gebührensatzes hinausgehenden Gebührenfaktors herangezogen werden. Soweit die behandelnde Zahnärztin in ihrer ergänzenden Stellungnahme die notwendigen Ausblockungen vor der Kieferabformung und einen erhöhten Zungentonus als besondere Schwierigkeit des Behandlungsfalls geltend macht, handelt es sich um in der Rechnung noch nicht enthaltene, unzulässig nachgeschobene Gründe, die die Abrechnung des Steigerungsfaktors nicht begründen können.
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1.2.4 Die Schwellenwertüberschreitungen hinsichtlich der Abrechnungsziffern 8010, 8020 und 8050 wurden allesamt mit einer besonderen Schwierigkeit und Zeitaufwand bei erkennbarer Myoarthopathie begründet.
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Unter den Abrechnungsziffern 8010, 8020 und 8050 werden Diagnosemaßnahmen abgerechnet, die gerade der Feststellung von Erkrankungen des Kauapparates wie etwa funktioneller Myoarthorathie, craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) oder eines Bruxismus dienen (GOZ Kommentar der Bundeszahnärztekammer a.a.O. zu Ziffern 8010 ff.). Das Vorliegen solcher Erkrankungen kann daher keine außergewöhnliche Erschwernis des Behandlungsfalls begründen. Soweit die behandelnde Zahnärztin in ihrer Stellungnahme wie auch die Klagepartei im Schriftsatz vom … Juni 2018 umfangreiche Ausführungen zur Notwendigkeit bzw. Indikation der durchgeführten Diagnosemaßnahmen nach den GOZ Ziffern 8010, 8020 und 8050 machen, ist festzuhalten, dass die grundsätzliche Abrechenbarkeit der GOZ Ziffern 8010, 8020 und 8050 von der Beihilfestelle nicht in Zweifel gezogen wurde. Gründe, die die erbrachten Leistungen als im Einzelfall besonders schwierig durchführbar erscheinen lassen, wurden nicht weiter genannt.
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1.2.5 Die Abrechnung eines 3,5-fachen Gebührensatzes hinsichtlich der GOZ Ziffer …20 wurde mit einer besonderen Schwierigkeit bei der Retentionsgewinnung (tief subgingival), einem erhöhten Zeitaufwand bei der Kontaktpunktherstellung, einer besonderen Schwierigkeit wegen starkem Zerstörungsgrad mit Einbeziehung der Schneidekante und einem erhöhten Zeitaufwand aufgrund schwieriger Farbanpassung begründet.
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Unter der GOZ Ziffer …20 wird die Versorgung einer Kavität mit einer mehr als dreiflächigen Füllung (vgl. Leistungsbeschreibung im GOZ Kommentar der Bundeszahnärztekammer, a.a.O. zu Ziffer …20) abgerechnet. Dies setzt notwendigerweise eine besonders tiefe Kavität mit besonders starkem Zerstörungsgrad voraus. Auch eine subgingivale Kavität stellt hierbei keine Seltenheit dar. Außergewöhnliche Umstände für die Rechtfertigung der Überschreitung des 2,3-fachen Gebührensatzes gehen damit aus der Rechnungsbegründung nicht hervor. Soweit der besondere Aufwand hinsichtlich der erbrachten Leistung in der Rechnung weiterhin mit einer zeitaufwändigen Kontaktpunktgestaltung bzw. einer schwierigen Farbanpassung begründet wird, fehlt es an einer - individuell leistungs- und patientenbezogenen - Begründung, weshalb die Kontaktpunktgestaltung und die Farbanpassung der Füllung sich als besonders schwierig erwies.
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In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom … Dezember 2017 greift die behandelnde Zahnärztin die in der Rechnung vorgebrachten Gründe für die Anhebung des Gebührensatzes überhaupt nicht auf, sondern macht nunmehr - gänzlich neu - einen starken Muskeltonus der Zunge, eine übermäßige Papillenblutung und dadurch resultierend eingeschränkte Sichtverhältnisse sowie eine erschwerte Arbeitsfeldtrocknung für den gesteigerten Aufwand hinsichtlich der Leistung nach der GOZ Ziffer …20 verantwortlich. Als unzulässig nachgeschobene Gründe können diese Umstände die Schwellenwertüberschreitung jedoch ebenfalls nicht rechtfertigen.
45
1.2.6 Die Überschreitung des 2,3-fachen Gebührensatzes hinsichtlich der jeweils vierfach abgerechneten Versorgung eines Zahnes mit einer Vollkrone (GOZ Ziffer 2...0) einschließlich der adhäsiven Befestigung der Krone (GOZ Ziffer …97) wurde in der Rechnung jeweils mit einer besonderen Schwierigkeit bei der Retentionsgewinnung tief subgingival begründet.
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Die Versorgung eines Zahns mit einer Vollkrone setzt notwendigerweise eine besonders tiefe Kavität voraus, auch dass diese sich subgingival (unter den Zahnfleischrand gehend) ausdehnt, ist dabei keine Seltenheit. Auch der in der ergänzenden Begründung beschriebene hohe Zerstörungsgrad der Zähne stellt damit keine außergewöhnliche Besonderheit dar. Zudem wurde die mit einer Vollkrone versorgte Region - wie der Beratungszahnarzt in seinem Gutachten richtig ausführt - zuvor bereits mit Aufbaufüllungen versorgt (am Behandlungstag 4.10.17 unter den GOZ Ziffern …80 und …97 abgerechnet), sodass die beschriebenen Schwierigkeiten nicht nachvollziehbar sind. Warum die Retentionsgewinnung erschwert gewesen sein soll, wird nicht näher begründet. Bei der erst in der ergänzenden Begründung der Zahnärztin vorgebrachten Erschwernis einer erschwerten Kontaktpunktgestaltung sowie des beschriebenen Platzmangels handelt es sich um unzulässig nachgeschobene Gründe, die die Anhebung des Gebührensatzes ebenfalls nicht rechtfertigen können.
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Die Kürzungen der beihilfefähigen Aufwendungen durch die Beihilfestelle erfolgten damit allesamt zu Recht.
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2. An dem oben dargestellten Ergebnis ändert auch der Einwand der Klägerin, ihre private Krankenversicherung habe die streitgegenständlichen Aufwendungen vollumfänglich anerkannt, nichts.
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Der Leistungsumfang privater Krankenversicherungen ist nicht deckungsgleich mit der Beihilfe, sondern richtet sich nach den individuell zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen. Entscheidungen der privaten Krankenversicherung sind daher auf die Entscheidung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen nicht übertragbar.
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3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzu-weisen.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.