Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 19.05.2020 – 1 AR 35/20
Titel:

einheitlicher Gerichtsstand trotz Insolvenz eines Streitgenossen

Normenketten:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 60, § 240 S. 1
EGZPO § 9
InsO § 180 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Insolvenz eines der beklagten Streitgenossen und die dadurch bedingte Unterbrechung des streitigen Verfahrens im Verhältnis zu diesem Streitgenossen hindert die Bestimmung eines für den Rechtsstreit einheitlich zuständigen Gerichts nicht. (Rn. 16)
2. Im Fall der Insolvenz eines Streitgenossen ist regelmäßig die Bestimmung des Gerichts am allgemeinen Gerichtsstand des anderen Streitgenossen sachgerecht. (Rn. 39)
Schlagworte:
Gerichtsstand, Bestimmung, Streitgenossen, Unterbrechung, Insolvenz
Fundstelle:
BeckRS 2020, 9345

Tenor

Als (örtlich) zuständiges Gericht wird das Landgericht Regensburg bestimmt.

Gründe

I.
1
Die im Bezirk des Landgerichts Würzburg wohnhafte Antragstellerin verlangt mit ihrer unter dem 23. Dezember 2019 zum Landgericht München II erhobenen Klage von den Antragsgegnern als Gesamtschuldnern Rückabwicklung eines gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) auf der Grundlage einer Beratung durch den Antragsgegner zu 2) eingegangenen finanziellen Engagements sowie Schadensersatz.
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Die Antragsgegnerin zu 1), eine eingetragene Genossenschaft, ist laut Satzung im Bezirk des angerufenen Gerichts ansässig. Der Antragsgegner zu 2) wohnt im Bezirk des Landgerichts Regensburg.
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Nach dem Vorbringen der Antragstellerin empfahl ihr der Antragsgegner zu 2), ein selbständiger Finanzberater, zur Verwirklichung eines von ihr angestrebten Immobilienerwerbs, der Antragsgegnerin zu 1) als Genossenschaftsmitglied beizutreten und einen Vertrag über Geschäftsanteile im Wert von 22.800 € zu zeichnen. Er habe ihr in Übereinstimmung mit überlassenem Werbematerial der Antragsgegnerin zu 1) das Konzept einer genossenschaftlichen Finanzierung dahingehend erläutert, dass nach einem Zeitraum von ca. zehn Jahren, während dessen sie 10% des mit 228.000 € angenommenen Finanzierungsvolumens durch monatliche Einzahlungen anspare, eine günstige und langlaufende Anschlussfinanzierung über die Genossenschaft zur Verfügung gestellt werde, mit der das anfangs aufzunehmende Bankdarlehen abgelöst werde. Die Antragstellerin behauptet, auf diese Weise habe der Antragsgegner zu 2) unter Verletzung des mit ihm geschlossenen Beratungsvertrags über den tatsächlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Kern des Geschäfts arglistig getäuscht, denn letztlich erwerbe das Genossenschaftsmitglied lediglich ein Wohnrecht an der ins Eigentum der Genossenschaft übergehenden Immobilie. Diesen aufklärungspflichtigen Umstand habe der Antragsgegner zu 2) bewusst verschwiegen. Mit Anwaltsschreiben vom 8. Mai 2018 habe die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) ihren irrtumsbedingt am 21. August 2013 schriftlich erklärten Beitritt und sämtliche im Zusammenhang mit der Beteiligung abgegebenen Willenserklärungen angefochten und widerrufen sowie die Beteiligung außerordentlich gekündigt. Die Antragstellerin meint, aufgrund dessen sowie unter dem Aspekt des Schadenersatzes wegen Falschinformation anlässlich des Beitritts sei die Antragsgegnerin zu 1) als Gesamtschuldnerin neben dem Antragsgegner zu 2), der ihr wegen Verletzung seiner Beraterpflichten Schadenersatz zu leisten habe, zur Rückzahlung der während der Vertragslaufzeit erbrachten Einzahlungen verpflichtet, außerdem zum Ersatz unnützer Aufwendungen für Versicherungen, die sie gemäß dem ihr empfohlenen Gesamtpaket abgeschlossen habe. Darüber hinaus sei sie gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) nicht mehr zur Zahlung des noch offenen Restbetrags auf die Einzahlungssumme verpflichtet, hilfsweise schulde ihr der Antragsgegner zu 2) Freistellung von etwaigen Verpflichtungen aus dem so bezeichneten „Zielkaufvertrag“.
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Mit ihrer Klage verfolgt die Antragstellerin daher eine Verurteilung der Antragsgegner als Gesamtschuldner zur Zahlung von 16.095,99 € (Klageantrag 1.) sowie die Feststellung, dass der Antragsgegnerin zu 1) gegenüber der Antragstellerin keine Ansprüche aus dem mit der Mitgliedsnummer näher bezeichneten sogenannten „Zielkaufvertrag“ zustehen, hilfsweise die Verurteilung des Antragsgegners zu 2) zur Freistellung der Antragstellerin von den Verpflichtungen aus diesem „Zielkaufvertrag“ (Klageanträge 2.).
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Über das Vermögen der Antragsgegnerin zu 1) wurde am 1. April 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet. Insoweit ist der Rechtsstreit gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen und bisher von keiner Seite nach den Vorschriften der Insolvenzordnung aufgenommen worden.
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Der Antragsgegner zu 2) hat sich mit seiner Klageerwiderung gegen die Darstellung des Beratungsinhalts gewandt und die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts München II gerügt. Vorsorglich hat er die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beantragt, wobei mit Blick auf die Insolvenz der Antragsgegnerin zu 1) allein die Bestimmung des Landgerichts Regensburg zweckmäßig erscheine.
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Daraufhin hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 20. März 2020 das Landgericht um die Vorlage des Verfahrens an das übergeordnete Gericht zur Gerichtsstandsbestimmung ersucht. Sie hat beantragt, die Zuständigkeit des Landgerichts München II festzustellen.
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Unter Bezugnahme auf diese Anträge hat das Landgericht München II mit Beschluss vom 31. März 2020 das Bayerische Oberste Landesgericht ersucht, gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen.
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Im Bestimmungsverfahren sind die Parteien darauf hingewiesen worden, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin zu 1) die Bestimmung eines einheitlich zuständigen Gerichts nicht hindert, mit Blick auf die Insolvenz eine Bestimmung des Landgerichts München II gemäß dem Antrag der Klägerin allerdings nicht sachgerecht erscheine; deren - vom vorlegenden Gericht abgewandelt wiedergegebener - Antrag sei daher nicht erfolgversprechend. Weiter ist ein Hinweis darauf erfolgt, dass der Antragsgegner zu 2) als beklagte Partei im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht antragsberechtigt ist.
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Daraufhin haben der Antragsgegner zu 2) seinen Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung zurückgenommen und die Antragstellerin ihren Antrag dahingehend gestellt, das für den Rechtsstreit gegen beide Streitgenossen einheitlich zuständige Gericht zu bestimmen, wobei die Auswahl in das Ermessen des Gerichts gestellt werde.
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Der Antragsgegner zu 2) hat im Bestimmungsverfahren daran festgehalten, dass aus seiner Sicht allein die Bestimmung des Landgerichts Regensburg zweckmäßig erscheine. Die Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Antragsgegnerin zu 1) hat die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts gestellt. Die Antragstellerin hat ausgeführt, sie verfolge sowohl vertragliche Rückabwicklungsansprüche als auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sowie vertragliche und deliktische Schadensersatzansprüche wegen teils vorsätzlicher, teils fahrlässiger Falschinformation anlässlich ihrer Anwerbung. Im Zentrum des Rechtsstreits stehe die Beurteilung der wirtschaftlichen und rechtlichen Konzeption des von der Antragsgegnerin zu 1) aufgelegten und als „Zielkauf“ bezeichneten Investitionsmodells sowie dessen Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit. Daraus würden sich die konkret geschuldeten Pflichten im Rahmen der zum Abschluss des Anlagegeschäfts führenden Beratung ableiten. Der Schwerpunkt des Rechtsstreits liege daher bei dem von der Antragsgegnerin zu 1) aufgelegten Produkt; der Rechtsstreit weise daher einen größeren Sachbezug zur Antragsgegnerin zu 1) auf, während deren Insolvenz nachrangig erscheine.
II.
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Auf den - nach Änderung zulässigen - Antrag der Klägerin bestimmt der Senat das Landgericht Regensburg als das für den Rechtsstreit gegen die Streitgenossen einheitlich (örtlich) zuständige Gericht.
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1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig, weil die Antragsgegner ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13, 17 ZPO) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (München und Nürnberg) haben und das infolge der Klageerhebung zuerst mit der Sache befasste Gericht in Bayern liegt.
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2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
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a) Der Antrag ist zulässig, obwohl der Rechtsstreit im Prozessrechtsverhältnis zur Antragsgegnerin zu 1) infolge Insolvenzeröffnung gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen ist.
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Die Unterbrechung hindert die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht, denn das Bestimmungsverfahren betrifft nicht die Hauptsache selbst, sondern nur die gerichtliche Zuständigkeit für ein Hauptsacheverfahren. Insoweit hat das Bestimmungsverfahren lediglich vorbereitenden Charakter (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ARZ 578/13, NJW-RR 2014, 248 Rn. 7; Beschluss vom 21. Januar 2009, Xa ARZ 273/08, juris Rn. 12; BayObLG, Beschluss vom 10. September 1985, Allg. Reg. 38/85, BayObLGZ 1985, 314 [315]; OLG Naumburg, Beschluss vom 11. Februar 2014, 1 AR 26/13, MDR 2014, 1349).
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Für die Prognose, dass der Rechtsstreit, soweit er unterbrochen ist, nicht durchgeführt werden könne, ist nichts vorgetragen. Es ist auch sonst nichts dafür ersichtlich, dass die begehrte Entscheidung sinnlos sei. Mithin besteht das - auch für den Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erforderliche - Rechtsschutzbedürfnis an der Durchführung des Bestimmungsverfahrens.
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b) Die Antragsgegner sind nach dem im Bestimmungsverfahren maßgeblichen, insoweit auch schlüssigen Vortrag der Antragstellerin hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche Streitgenossen i. S. v. § 60 ZPO.
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§ 60 ZPO beruht weitgehend auf Zweckmäßigkeitserwägungen und ist deshalb grundsätzlich weit auszulegen. Dies gestattet es, auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der geltend zu machenden Ansprüche Streitgenossenschaft anzunehmen, wenn diese Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, MDR 2018, 951 Rn. 12; Beschluss vom 3. Mai 2011, X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18; Beschluss vom 23. Mai 1990, I ARZ 186/90, NJW-RR 1991, 381 [juris Rn. 5]; BayObLG, Beschluss vom 20. Juli 2005, 1Z AR 118/05, NJW-RR 2006, 210 [juris Rn. 13]).
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Den Gegenstand des Rechtsstreits, den die Antragstellerin führt, bilden gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhende Ansprüche und Verpflichtungen in diesem Sinne. Der innere sachliche Zusammenhang der gegen die Genossenschaft einerseits und den Berater andererseits erhobenen Ansprüche auf (Rück-)Zahlung der bereits erbrachten Beitragsleistungen und Ausgleich aller übrigen mit der Beteiligung verbundenen finanziellen Belastungen ergibt sich daraus, dass im Hintergrund dieselbe genossenschaftliche Beteiligung und derselbe Beteiligungsvorgang stehen. Die gegen die Antragsgegner erhobenen Ansprüche sind einheitlich darauf gerichtet, die Antragstellerin von den finanziellen Folgen ihrer Beitrittsentscheidung zu befreien. Dies gilt auch, soweit in der Hauptsache gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) negative Feststellung hinsichtlich der ratierlichen Zahlungspflicht und hilfsweise gegenüber dem Antragsgegner zu 2) Freistellung von etwaigen Zahlungspflichten begehrt wird. Die Ansprüche werden gegenüber beiden Antragsgegnern jedenfalls auch darauf gestützt, dass die Antragstellerin im Vorfeld ihres Beitritts über das Wesen des genossenschaftlichen Finanzierungskonzepts und über die damit verbundenen Auswirkungen für den angestrebten Immobilienerwerb, somit über Umstände, die für die Beitrittsentscheidung von essentieller Bedeutung gewesen wären, nicht aufgeklärt worden sei. Der sachliche Zusammenhang wird weder dadurch aufgehoben, dass die Ansprüche gegen die beiden Antragsgegner auf unterschiedliche, ihrerseits nicht in unmittelbarem rechtlichem Zusammenhang stehende Verträge gestützt werden, noch dadurch, dass sich der Umfang vorvertraglicher Aufklärungspflichten nur teilweise mit dem aus einem Beratervertrag folgenden Pflichtenprogramm deckt. Die dem Antragsgegner zu 2) daneben vorgeworfene unerlaubte Handlung ist verknüpft mit der wegen angeblicher arglistiger Täuschung erklärten Anfechtung des Beitritts. Trotz der bestehenden Unterschiede sind die erhobenen Ansprüche ihrem Wesen nach gleichartig, weil nach dem Vorbringen der Antragstellerin beide Antragsgegner durch eigene oder zuzurechnende Pflichtverletzung zum Beitritt der Antragstellerin beigetragen haben sollen (vgl. BGH NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18; BayObLG, Beschluss vom 21. August 2002, 1Z AR 86/02, NJW-RR 2003, 134 [juris Rn. 8]).
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Darauf, ob diese tatsächlichen Behauptungen der Antragstellerin zutreffen, kommt es im Bestimmungsverfahren nicht an.
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Auch die Schlüssigkeit der Klage, die hier im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 1) - nach schriftlicher, unbedingter Beitrittserklärung der Antragstellerin und Zulassung ihres Beitritts durch die Antragsgegnerin zu 1), § 15 Abs. 1 Satz 2 GenG - schon mit Blick auf die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft zweifelhaft sein kann, ist im Verfahren gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht zu prüfen (BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 1997, 1Z AR 74/97, NJW-RR 1998, 1291; OLG Bremen, Beschluss vom 1. November 2011, 3 AR 16/11, juris Rn. 3; Schultzky in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 36 Rn. 28).
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c) Der ausschließliche Gerichtsstand am Sitz des Insolvenzgerichts gemäß § 180 Abs. 1 InsO für Klagen gegen den Insolvenzverwalter, die auf Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle gerichtet sind, steht einer Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorliegend nicht entgegen, denn in Fällen, in denen - wie hier - zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig war, ist gemäß § 180 Abs. 2 InsO die Feststellung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben. Die Antragstellerin kann daher nach durchgeführter Forderungsprüfung das Verfahren auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle (§ 179 Abs. 1 InsO) unter Beachtung der hierfür geltenden Grundsätze nur durch Aufnahme des in Richtung auf die Antragsgegnerin zu 1) unterbrochenen Verfahrens vor dem bestimmten Gericht weiterverfolgen, § 180 Abs. 2 InsO.
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d) Ein - der Bestimmung grundsätzlich entgegenstehender - gemeinschaftlicher (besonderer) Gerichtsstand kann auf der Grundlage des Tatsachenvortrags der Antragstellerin jedenfalls nicht zuverlässig festgestellt werden. Dies genügt für eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 6. August 2019, X ARZ 317/19, NJW-RR 2019, 1181 Rn. 10; Beschluss vom 20. Mai 2008, X ARZ 98/08, NJW-RR 2008, 1514 Rn. 11; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 23 m. w. N.).
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aa) Insbesondere kann ein gemeinsamer Gerichtsstand des Delikts nach § 32 ZPO nicht verlässlich festgestellt werden. Hierfür wäre die Behauptung von Tatsachen erforderlich, aus denen sich - ihre Richtigkeit unterstellt - bei zutreffender rechtlicher Würdigung für jeden der Streitgenossen das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk begangenen unerlaubten Handlung als Grundlage für die geltend gemachten Ansprüche schlüssig ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 5. Mai 2011, IX ZR 176/10, BGHZ 189, 320 Rn. 16; Urt. v. 29. Juni 2010, VI ZR 122/09, NJW-RR 2010, 1554 Rn. 8 und 10; Beschluss vom 19. Februar 2002, X ARZ 334/01, NJW 2002, 1425 [juris Rn. 19], je m. w. N.; Schultzky in Zöller, ZPO, § 32 ZPO Rn. 18 und 22; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 32 Rn. 19).
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Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, denn das Tatsachenvorbringen der Antragstellerin trägt jedenfalls hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1) weder die Annahme eines Delikts im Sinne des materiellen Rechts noch einer ungerechtfertigten Bereicherung in der Variante der Eingriffskondiktion (vgl. zum Gerichtsstand der unerlaubten Handlung für Sachverhalte der Eingriffskondiktion: Senatsentscheidung vom 4. Mai 2020, 1 AR 14/20, juris).
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragstellerin ihre gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichteten Ansprüche in rechtlicher Hinsicht unter anderem auf Anfechtung wegen arglistiger Täuschung stützt. Mit den von der Antragstellerin vorgetragenen tatsächlichen Umständen ist eine der angeblichen arglistigen Täuschung zugrunde liegende unerlaubte Handlung der Antragsgegnerin zu 2) jedenfalls nicht schlüssig vorgetragen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Juni 2003, 1Z AR 26/03, juris; Beschluss vom 2. Februar 1999, 1Z AR 129/98, juris Rn. 5; Schultzky in Zöller, ZPO, § 32 Rn. 15 und 18). Eigene Tatbeiträge der Antragsgegnerin zu 1) sind nicht dargetan. Dass sich die Antragsgegnerin zu 1) etwaiges arglistiges Handeln des Antragsgegners zu 2) nach materiellem Deliktsrecht und folglich auch gerichtsstandsbegründend (vgl. BGH, Urt. v. 6. Februar 1990, XI ZR 184/88, NJW-RR 1990, 604 [juris Rn. 11]; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 32 Rn. 14) zurechnen lassen müsse, liegt aufgrund dessen Stellung als selbständiger Finanzberater eher fern.
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Auch für ein Zusammenfallen des besonderen Gerichtsstands der unerlaubten Handlung mit dem allgemeinen Gerichtsstand der Antragsgegnerin zu 1) ist nichts ersichtlich, denn die Antragstellerin hat keine Tatsachen vorgetragen, denen in Bezug auf das dem Antragsgegner zu 2) vorgeworfene Delikt ein Handlungs- oder Erfolgsort am allgemeinen Gerichtsstand der Antragsgegnerin zu 1) entnommen werden könnte.
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bb) Ein gemeinsamer Gerichtsstand am Erfüllungsort (§ 29 Abs. 1 ZPO) scheidet ebenfalls aus.
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Schadensersatz wegen Verletzung einer auf Vertrag beruhenden primären Beratungspflicht einerseits und wegen - zuzurechnenden - vorvertraglichen Aufklärungsverschuldens andererseits ist jeweils an dem Ort zu erbringen, an dem die verletzte primäre Leistungspflicht bzw. die Hauptleistungspflicht zu erfüllen waren (vgl. BGH NJW-RR 2014, 248 Rn. 13; Urt. v. 7. November 2012, VIII ZR 108/12, BGHZ 195, 243 Rn. 14; Schultzky in Zöller, ZPO, § 29 Rn. 25.1, 25.15, 25.24, 25.51 Stichworte „Anlageberatung, Anlagevermittlung“, „culpa in contrahendo“, „Nebenpflicht“ und „Schadensersatz“, je m. w. N.).
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Danach ist vorliegend kein gemeinsamer Gerichtsstand am Wohnsitz der Antragstellerin gegeben. Dort war lediglich die Beratungsleistung als Hauptpflicht im Vertragsverhältnis zum Antragsgegner zu 2) zu erfüllen, nicht jedoch eine etwaige vorvertragliche Aufklärungspflicht im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 1).
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cc) § 22 ZPO, der einen besonderen Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft für Klagen begründet, die die Mitglieder der Gesellschaft in dieser Eigenschaft gegeneinander führen, kann zwar nach Auffassung des Bundesgerichtshofs unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Personen Anwendung finden, deren Tätigkeit in untrennbarem Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Beschaffung des Gesellschaftskapitals und dem Abschluss der Beitrittsverträge steht (vgl. BGH, Urt. v. 13. März 1980, II ZR 258/78, BGHZ 76, 231 [234 f.; juris Rn. 17]).
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Dahinstehen kann, ob mit Blick auf die Vorschrift über den ausschließlichen Gerichtsstand bei falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen, § 32b ZPO, die durch Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren vom 16. August 2005 (BGBl. I S. 2437) eingeführt wurde, an dieser Rechtsprechung zum so bezeichneten „Prospektgerichtsstand“ (vgl. Toussaint in BeckOK ZPO, 36. Ed. Stand: 1. März 2020, § 22 Rn. 6) festzuhalten ist. Auf selbständige Agenturen, welche zwar neue Anleger werben, im Übrigen aber den Anlagegesellschaften fernstehen, kann der Anwendungsbereich der Vorschrift jedenfalls nicht ausgedehnt werden (OLG Koblenz, Beschluss vom 1. Februar 2010, 4 W 838/09, MDR 2010, 589 [juris Rn. 8]; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, § 22 Rn. 5; Toussaint in BeckOK ZPO, § 22 Rn. 6). Daher ist vorliegend am allgemeinen Gerichtsstand der Antragsgegnerin zu 1) nicht zugleich ein besonderer Gerichtsstand für den Antragsgegner zu 2) eröffnet.
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dd) Ein gemeinsamer Gerichtsstand ist auch nicht unter anderen Aspekten begründet.
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e) Der Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands steht schließlich auch nicht entgegen, dass die Klage bereits - vor demselben Gericht - gegen beide Antragsgegner rechtshängig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2011, X ARZ 388/10, NJW-RR 2011, 929 Rn. 6 f.).
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3. Der Senat bestimmt das Landgericht Regensburg als für den Rechtsstreit zuständiges Gericht.
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a) Zu bestimmen ist (im Regelfall) ein Gericht am allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13, 17 ZPO) eines der beklagten Streitgenossen. Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit (Sachdienlichkeit) und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei das bestimmende Gericht ein Auswahlermessen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2008, 1 BvR 2788/08, NJW 2009, 907; BGH, Beschluss vom 27. November 2018, X ARZ 321/18, NJW-RR 2019, 238 Rn. 30; Beschluss vom 23. Oktober 2018, X ARZ 252/18, juris Rn. 29; Beschluss vom 20. Mai 2008, X ARZ 98/08, NJW-RR 2008, 1514 Rn. 20; Beschluss vom 7. Februar 2007, X ARZ 423/06, NJW 2007, 1365 Rn. 14; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 29; Toussaint in BeckOK ZPO, § 36 Rn. 23; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 36 Rn. 32).
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b) Der Senat wählt unter den danach in Betracht kommenden Gerichten das Landgericht Regensburg.
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Hier hat der Antragsgegner zu 2) seinen allgemeinen Gerichtsstand. Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Wahl dieses Gerichts ist der Umstand, dass der streitige Inhalt der Beratung bzw. Aufklärung über das gewählte Finanzierungs- oder Investitionsmodell durch den Antragsgegner zu 2) im Zentrum des Rechtsstreits steht und dessen Schwerpunkt bildet. Die rechtliche Konzeption des der Antragstellerin vermittelten und von der Antragsgegnerin zu 1) angebotenen Finanzierungsmodells ergibt sich demgegenüber aus den anlässlich des Beitritts schriftlich geschlossenen Verträgen. Für die wirtschaftliche Konzeption gilt im Ergebnis nichts anderes. Aufklärungsbedürftig hingegen ist die Frage, ob der Antragsgegner zu 2) über die danach wesentlichen Gesichtspunkte zutreffend aufgeklärt bzw. beraten hat. Auch aufgrund der Insolvenz der Antragsgegnerin zu 1) dürfte sich die gerichtliche Auseinandersetzung voraussichtlich auf den Antragsgegner zu 2) konzentrieren, zumal derzeit noch nicht abgesehen werden kann, ob und wann der Rechtsstreit im Prozessrechtsverhältnis zur Antragsgegnerin zu 1) aufgenommen wird. Vor diesem Hintergrund erschiene es nicht sachgerecht, den Antragsgegner zu 2) an das Gericht am allgemeinen Gerichtsstand der Antragsgegnerin zu 1) zu zwingen (so auch BGH, Beschluss vom 21. Januar 2009, Xa ARZ 273/08, juris Rn. 19; OLG Naumburg, Beschluss vom 11. Februar 2014, 1 AR 26/13, MDR 2014, 1349 [juris Rn. 5]). Dass dort die Klage bereits rechtshängig ist, steht der Auswahl eines anderen Gerichts auch unter prozesswirtschaftlichen Gesichtspunkten angesichts des Verfahrensstands nicht entgegen.