Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 05.02.2020 – RO 12 S 20.50020
Titel:

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Abschiebung nach Polen

Normenketten:
VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 12, Art. 29 Abs. 1 Nr. 1; AsylG § 26a Abs. 1, § 26a Abs. 2, § 34a Abs. 1 S. 1
VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 9, Art. 13
VwGO § 80 Abs. 5
GG Art. 16a Abs. 2 S. 1
Leitsatz:
Für die Begründung der Zuständigkeit eines Mitgliedstaates nach Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO kommt es nicht auf das tatsächliche Innehaben eines Visums im Sinne einer tatsächlichen Sachherrschaft über das körperliche Visumsdokument an. Als Umstand, welcher die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates begründet, knüpft Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO an die Erteilung eines Visums an und lässt dies auch genügen.
Schlagworte:
Dublin-Verfahren, Überstellung Polen, Erteilung eines Visums als Anknüpfungspunkt für Zuständigkeitsbestimmung, unglaubhafter Vortrag, ein Visum sei nicht ausgehändigt worden, Aushändigung bzw. Übergabe eines Visums an Antragsteller keine Voraussetzung für die Zuständigkeitsbegründung, keine systemischen Mängel des Asylverfahrens in Polen, einstweiliger Rechtsschutz, irakischer Staatsangehöriger, Abschiebungsanordnung, Polen, sicherer Drittstaat, Mitgliedstaat, Rücküberstellung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 863

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller je zur Hälfte.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtsschutz gegen ihre Abschiebung nach Polen.
2
Die am …1960 (Antragsteller zu 1) bzw. am …1968 (Antragstellerin zu 2) geborenen Antragsteller sind nach eigenen Angaben Staatsangehörige Iraks, vom Volk der Kurden und yezidischen Glaubens. Sie reisten nach eigenen Angaben am 12.11.2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerten am 12.11.2019 ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt durch behördliche Mitteilung am selben Tag schriftlich Kenntnis erlangte. Eine EURODAC-Recherche am gleichen Tag ergab keinen Treffer. Die Antragsteller stellten am 27.11.2019 einen förmlichen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Weiteren: Bundesamt) in R... Im Rahmen ihrer Erstbefragung am 22.11.2019 bei der Regierung der Oberpfalz legten die Antragsteller jeweils einen Personalausweis und eine Staatsangehörigkeitsurkunde vor. Der Antragsteller zu 1) gab dabei u.a. an, dass er seinen Reisepass am 24.11.2019 einem Schleuser übergeben habe, der gemeint habe, dass er nicht mit seinem Reisepass reisen dürfe. Den Reisepass habe er nicht zurück erhalten. Kontakt zum Schleuser bestehe nicht mehr und auch über eine Kopie des Reisepasses verfüge er nicht. Seine Heiratsurkunde und sein Führerschein befänden sich noch bei seinem Sohn im Irak, er lasse sich diese Dokumente aber zuschicken. Am 07.10.2019 habe er bei der polnischen Botschaft in Jordanien ein Visum beantragt, um nach Deutschland kommen und Asyl beantragen zu können. Da die Botschaft aber so lange gebraucht habe, um das Visum auszustellen, sei er wieder in den Irak zurückgereist, weil er gedacht habe, dass es Winter werde, bis über den Antrag entschieden sei und die Reise dann schwieriger würde. Ob das Visum erteilt worden sei oder nicht wisse er nicht. Er sei auch nicht mit dem Visum gereist. Im Irak habe er ursprünglich in M... im Stadtteil B... und seit 2014 bis zu seiner Ausreise gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn in einem Flüchtlingscamp gelebt. Sein Sohn lebe immer noch dort. Er habe fünf Brüder und zwei Schwestern. Zwei Brüder und eine Schwester lebten in H..., die restlichen Geschwister im Irak. Seine Frau habe er am 01.01.1983 geheiratet. Er habe zudem vier Söhne und zwei Töchter. Ein Sohn und eine Tochter lebten in A..., ein Sohn in H... und eine Tochter in der Nähe von R... Ein Sohn lebe noch im Irak. Am 14.10.2019 sei er gemeinsam mit seiner Frau nach X... gereist und dort bis 24.10.2019 in einer selbst gemieteten Wohnung geblieben, bevor sie mit Hilfe eines Schleuser nach Bulgarien gereist und dort drei Tage im Wald geblieben seien. Anschließend seien sie mit einem Auto und zu Fuß nach Serbien gereist, dort sechs Tage geblieben und dann mit dem Auto nach Ungarn gereist. Von dort aus seien sie etwa zehn Stunden mit dem Auto nach Deutschland gefahren und am 11.11.2019 angekommen. Mit Hilfe eines Mannes hätten sie ihren Sohn angerufen und ein Zugticket zu ihrem Sohn nach N... gekauft. Ihr Sohn habe sie dann nach R... gebracht, wo sie sich am 12.11.2019 asylsuchend gemeldet hätten.
3
Die Antragstellerin zu 2) machte im Rahmen ihrer Erstbefragung im Wesentlichen mit denen des Antragstellers zu 1) übereinstimmende Angaben, insbesondere zu den gemeinsamen Kindern und dem Reiseweg sowie dahingehend, dass sie und ihr Mann im Oktober 2019 in Jordanien ein Visum beantragt hätten, aber dann wieder in den Irak zurückgekehrt seien, bevor sie ein Visum erhalten hätten. Ihren Reisepass habe sie dem Schleuser gegeben. Sie gab zudem an, dass sie drei Schwestern und vier Brüder habe. Ein Bruder lebe in H..., ein anderer ebenfalls in Deutschland, jedoch an einem ihr nicht bekannten Ort. Ein weiterer Bruder lebe in der Türkei, der vierte Bruder und die Schwestern im Irak. Sie habe vier Söhne und zwei Töchter.
4
In seinem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und der persönlichen Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrages am 27.11.2019 beim Bundesamt in R... gab der Antragsteller zu 1) an, er habe sein Herkunftsland am 14.10.2019 verlassen und sei über die Türkei (8 Tage), Bulgarien (3 Tage), Serbien (7 Tage) und Ungarn (4 Tage) nach Deutschland gereist und am 12.11.2019 eingereist. Er sei mit dem Bus, mit dem Pkw und zu Fuß unterwegs gewesen. Am 27.10.2019 sei er erstmals in einen Dublin Mitgliedstaat, nämlich nach Bulgarien eingereist und habe sich dort drei Tage aufgehalten. Seitdem habe er das Gebiet der Dublin Mitgliedstaaten nicht mehr verlassen. In einem anderen Mitgliedstaat habe er weder internationalen Schutz beantragt noch seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. Er habe sich auch seit Verlassen des Heimatlandes und vor Einreise in das Bundesgebiet nicht länger als drei Monate in einem sonstigen Drittstaat aufgehalten. Er habe ein Visum für Polen beantragt, das in Jordanien ausgestellt worden sei. Seine Ehefrau und er wollten zusammen sein. In Deutschland lebten auch seine Kinder und Geschwister von ihm.
5
Die Antragstellerin zu 2) machte in ihrem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und der persönlichen Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrages am 27.11.2019 beim Bundesamt in R... identische Angaben wie der Antragsteller zu 1).
6
Eine am 27.11.2019 durchgeführte Anfrage im Europäischen Visa-Informationssystem (VIS) des Bundesverwaltungsamtes ergab, dass die Antragsteller unter der Antragsnummer POL2#10...20## ein Visum beantragt haben und dem Antragsteller zu 1) unter der Visum Nr. POL0#...#7 und der Antragstellerin zu 2) unter der Visum Nr. POL0#4...8 am 21.10.2019 vom Ministry of Foreign Affairs in Amman/Jordanien jeweils ein Kurzaufenthaltsvisum (gültig vom 31.10.2019 bis 21.11.2019) für einen Aufenthalt von sieben Tagen im Gebiet der Schengenstaaten erteilt wurde. Ein Visumettiket sei erzeugt worden.
7
Auf Grund der Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates richtete das Bundesamt am 17.12.2019 unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin III-VO) für die Antragsteller jeweils ein Aufnahmegesuch an Polen. Die polnischen Behörden (Office for Foreigners, Department for Refugee Procedures) erklärten mit Schreiben vom 03.01.2020 jeweils ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Antragsteller gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO.
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In der am 20.12.2019 beim Bundesamt in R... durchgeführten Anhörung des Antragstellers zu 1) zur Zulässigkeit des Asylantrags gemäß §§ 29, 25 AsylG gab der Antragsteller an, dass er ein polnisches Visum zwar beantragt, aber nicht bekommen habe. Ein Bekannter habe ihm einen anderen Reiseweg, nämlich über die Türkei vorgeschlagen. Da er nur mitbekommen habe, dass viele, die ein Visum beantragt hätten, es nicht bekommen hätten, habe er den Vorschlag des Bekannten angenommen. Er sei insgesamt ca. zehn Tage in Jordanien gewesen. Das Visum habe er am 07.10.2019 beantragt und sei fünf Tage danach wieder in den Irak zurückgekehrt. Er habe das Visum nicht über einen Schleuser, sondern offiziell beantragt. Die polnische Botschaft in Bagdad sei geschlossen gewesen und deshalb sei er nach Jordanien gefahren. Es sei ihm egal gewesen, welches Visum er beantrage. Die niederländische und die französische Botschaft seien geschlossen gewesen, die polnische Botschaft jedoch offen. Als Grund im Visumsantrag habe er „Tourismus“ angegeben. Er habe jedoch bereits bei der Beantragung des Visums vorgehabt, nach Deutschland zu reisen und hier einen Asylantrag zu stellen. Am 11.10.2019 sei er von Jordanien in den Irak zurückgekehrt und am 14.10.2019 vom Irak mit dem Bus nach S... gefahren. Ab D... seien sie Richtung Grenzübergang I... und von dort nach S... gegangen. In S... habe ein Schleuser sie in eine Wohnung in K... gebracht. In dieser Wohnung seien sie zehn Tage geblieben. Dann seien sie nach Bulgarien gereist und dort drei Tage in einem Haus im Rohbauzustand geblieben. Vor dort aus seien sie zu Fuß und mit einem PKW nach Serbien gegangen bzw. gefahren. In Serbien seien sie etwa eine Woche geblieben und dann etwa vier bis fünf Stunden mit dem Auto gefahren. Dann seien sie in einem Wald ausgesetzt worden und einige Stunden zu Fuß unterwegs gewesen, bis sie in Ungarn angekommen seien. Dort seien sie wieder für etwa vier Tage in einem alten Haus untergebracht gewesen. Dann seien sie mit einem kleinen Bus nach Deutschland gebracht worden. Hier seien sie zunächst herumgelaufen und hätten dann einen Mann auf der Straße gesehen, der Arabisch telefoniert habe. Dieser habe dann ihren Sohn angerufen, sie zum Hauptbahnhof gebracht und sie beim Ticketkauf unterstützt. Dann seien sie mit dem Zug nach N... gefahren. Für beide Visa hätten sie etwa 106 jordanische Dollar bezahlt. Die Visumserteilung hätten sie nicht abgewartet, denn als sein Freund ihn angerufen und ihm erzählt habe, dass er einen Schleuser für sie gefunden habe, habe er sofort eingewilligt, weil sie zum einen kurz vor dem Winter gestanden hätten und er Leute gekannt habe, denen kein Visum erteilt worden sei. Gegen eine Überstellung nach Polen spreche, dass seine Kinder und seine Brüder in Deutschland seien und er bei seinen Kindern bleiben wolle. Er habe den Irak verlassen, weil er zu seinen Kindern gewollt habe. Deshalb wolle er auch nicht nach Polen.
9
Auf Frage nach Beschwerden, Erkrankungen, Gebrechen oder einer Behinderung gab der Antragsteller an, dass er laut irakischen Ärzten eine chronische Entzündung im Hals habe. Es sei keine Mandelentzündung und keine Kehlkopfentzündung. Wenn er mit einem Finger draufdrücke, habe er keine Schmerzen. Es schmerze jedoch, wenn er dann loslasse. Er sei hier auch schon beim Arzt gewesen und es sei eine Probe entnommen, jedoch nichts festgestellt worden. Er nehme ein Antibiotikum, das er aus dem Irak mitgenommen habe. Es sei hier auch sein Blutdruck gemessen worden. Dieser sei zu hoch gewesen und es habe geheißen, wenn dies so bleibe, bekomme er Medikamente.
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Der Antragsteller legte beim Bundesamt außerdem ein Attest von E... R... vom 23.12.2019 vor, in welchem als aktuelle Diagnosen eine rezidivierende Harnwegsinfektion, Verdacht auf Nackenschmerzen und eine Infektion durch Helicobacter pylori genannt werden. Auf den Inhalt des Attests wird Bezug genommen.
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Die Antragstellerin zu 2) gab in der am 20.12.2019 beim Bundesamt in R... durchgeführten Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags gemäß §§ 29, 25 AsylG an, dass sie und ihr Mann nach Jordanien gereist seien, um dort ein Visum zu beantragen und dies auch getan hätten. Dann hätten sie es sich aber anders überlegt. Ein Bekannter ihres Mannes habe sie angerufen und gemeint, es gäbe einen leichteren Weg nach Europa, nämlich über die Türkei. Sie hätten es eilig gehabt, weil sie den Irak noch vor dem Winter verlassen wollten. Dies hätten sie seit Jahren so geplant, weil ihrer beiden Familien und auch ihre Kinder in Deutschland lebten. Sie seien am 14.10.2019 mit dem Bus aufgebrochen und am darauffolgenden Tag in der Türkei, in S... im Stadtteil K... angekommen. Am 24.10.2019 seien sie mit einem Minibus weiter Richtung Bulgarien gereist und dort 2 bis 3 Tage zu Fuß unterwegs gewesen, bis sie am 27.10.2019 in Serbien angekommen seien. In Serbien seien sie zu Fuß und auch mit dem Auto bis Ungarn unterwegs gewesen und von Ungarn aus mit einem Auto direkt bis nach Deutschland gereist. Wegen der Strapazen sei sie auf dem Weg nach Deutschland krank geworden. Sie habe einen Infekt im Magen gehabt und sich gleich in Deutschland untersuchen lassen. In P... seien sie in Bahnhofsnähe ausgesetzt worden und hätten einen Mann darum gebeten, ihren Sohn anzurufen. Der Mann sei dann mit ihnen zum Bahnhof gefahren und habe ihnen beim Ticketkauf geholfen. Sie seien dann mit dem Zug nach N... gefahren, wo ihr Sohn schon auf sie gewartet habe. Sie hätten die von ihnen gewählte Reiseart auf sich genommen, weil die Kosten niedriger und die Route schneller gewesen sei. Eine Bekannte im Irak habe ihnen gesagt, dass das mit dem Visum länger dauern würde und es sein könne, dass das Visum abgelehnt werde. Das Visum hätten sie zwar schon beantragt gehabt, aber dann bemerkt, dass dies zu lang dauere und die Visa-Kosten zu hoch würden. Außerdem habe man ihnen gesagt, dass sie den Irak auf jeden Fall noch vor dem Winter verlassen sollten. Sie wisse aber nicht, wie teuer das Visum hätte werden sollen, jedenfalls aber teurer als die dann letztlich gewählte Route. Für sie alleine hätten sie 6.000 US-Dollar an den Schleuser gezahlt. Man habe ihnen aber gesagt, dass es mehr kosten würde, wenn das Visum gewährt wird. Das Visum hätten sie am 07.10.2019 beantragt und dann vier bis fünf Tage in Jordanien gewartet. Sie hätten dann aber nicht mehr länger warten wollen und seien in den Irak zurückgekehrt. Dort hätten sie von Bekannten von dem anderen Weg erfahren. Gegen eine Überstellung nach Polen spreche aus ihrer Sicht, dass alle ihre Kinder hier in Deutschland seien und sie in Polen alleine wäre. Es sei nicht ihre Absicht gewesen, ein polnisches Visum zu beantragen. Sie habe hiervon nicht einmal etwas gewusst. Ihr sei es nur darum gegangen, ein Visum zu bekommen und es sei ihr nicht wichtig gewesen, ob das ein polnisches sei. Sie wisse auch nicht, welchen Grund sie im Visumsantrag angegeben habe. Sie habe das gemacht, was ihr Mann gesagt habe. Den Zusammenhang mit Polen verstehe sie nicht. Sie habe keinen Bezug zu Polen und alle ihre Kinder seien hier. Sie wolle nur in Deutschland bleiben. Sie habe hier zwei Brüder und ihre Kinder.
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Auf Frage nach Beschwerden, Erkrankungen, Gebrechen oder einer Behinderung gab die Antragstellerin an, dass sie laut den Ärzten im Irak eine chronische Nierenentzündung, einen Darminfekt und einen Leistenbruch habe, der demnächst operiert werden müsse. Außerdem leide sie unter Abnutzungsbeschwerden zweier Halswirbel. Sie habe deswegen Tabletten genommen, die jetzt aufgebraucht seien. Es seien drei verschiedene Medikamente. Am 23.12.2019 habe sie einen Arzttermin. Wegen der allgemeinen Lage sei sie im Irak nur minimal behandelt worden. Nur der Darminfekt sei dort schon festgestellt worden und sie sei auch nur deswegen dort behandelt worden. Der Grund sei die schlechte Trinkwasserqualität gewesen. Sie habe sich auch hier schon untersuchen lassen und es sei jetzt schon besser.
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Die Antragstellerin legte außerdem ein Attest des Krankenhaus J..., R..., vom 30.11.2019 mit der Diagnose „V.a. Gastroentertis, DD Gastritis“ vor. Auf den Inhalt des Attests wird Bezug genommen.
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Die Anhörung der Antragsteller nach § 25 AsylG fand ebenfalls jeweils am 20.12.2019 in R... statt.
15
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.01.2020 (Az. #9#8#7#-438) wurde der Antrag der Antragsteller als unzulässig abgelehnt /Ziffer 1), festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 2) und die Abschiebung nach Polen angeordnet (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Zur Begründung ist unter anderem aufgeführt, dass der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Asylgesetzes (AsylG) unzulässig sei, da Polen aufgrund der dort ausgestellten Visa gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG lägen nach Erkenntnissen des Bundesamtes nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Polen führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Ebenso fehlten Gründe für die Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 4 EU-Grundrechtecharta vorliege. Es gebe auch keine systemischen Mängel, welche die Vermutung, dass die zuverlässige Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der EMRK in allen Mitgliedstaaten gesichert sei, widerlegen würden. Der Zugang zu einem Asylverfahren und adäquater Versorgung seien in Polen gewährleistet. Bezüglich der geltend gemachten Erkrankungen seien die Antragsteller jedenfalls auf das polnische Gesundheitssystem zu verweisen. Auch hätten sie nicht darlegen können, inwiefern die angegebenen gesundheitlichen Beschwerden eine erhebliche Gefahr für sie darstellten. Sie befänden sich nicht in einer längerfristigen Behandlung. Die geltend gemachten Beschwerden seien nicht als lebensbedrohlich oder schwerwiegend zu beurteilen. Der Vortrag der Antragsteller, dass sie in Deutschland bleiben wollten, weil hier ihre Familie sei, könne schon aufgrund seiner Beschaffenheit nicht dazu führen, dass die Bundesrepublik Deutschland zuständiger Mitgliedstaat werde. Insbesondere bestehe kein subjektiv-öffentliches Recht auf Prüfung in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund persönlicher Präferenzen. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die vorgebrachten persönlichen Bindungen seien im vorliegenden Fall nicht berücksichtigungsfähig, da ihnen durch die Dublin III-VO unabhängig vom Aufenthaltsstatus kein Schutz beigemessen werde. Das von den Antragstellern vorgetragene Verwandtschaftsverhältnis sei nicht von Art. 2 g) der Dublin III-VO umfasst. Anhaltspunkte, die eine der Tatbestandsalternativen des Art. 16 Dublin III-VO erfüllten, seien weder erkennbar noch substantiiert vorgetragen. Die Anordnung der Abschiebung nach Polen beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere zu den Aufnahmebedingungen in Polen, wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen.
16
Der Bescheid wurde den Bevollmächtigten der Antragsteller am 08.01.2020 zugestellt. Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 13.01.2020 wurde der Bescheid den Bevollmächtigten am 15.01.2020 erneut zugestellt mit dem Hinweis, dass der Bescheid zunächst versehentlich im Original zugestellt und „somit hinfällig“ sei. Den Antragstellern wurde der Bescheid am 15.01.2020 gegen Empfangsbekenntnis ausgehändigt.
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Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 15.01.2020, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg eingegangen am selben Tag, haben die Antragsteller - bezogen auf die Zustellung des Bescheids am 08.01.2020 - Klage erheben und einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stellen lassen. Nach Erläuterung der Antragsgegnerin, dass die erste Zustellung mangels Bekanntgabewille unwirksam sei und sie von der Wirksamkeit des Bescheids aufgrund der Zustellung am 15.01.2020 ausgehe, wurden diese Verfahren nach übereinstimmender Erledigungserklärung jeweils mit Beschluss vom 29.01.2020 eingestellt (Az. RO 12 S 20.50018 und RO 12 K 20.50019).
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Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 15.01.2020, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg eingegangen am selben Tag, haben die Antragsteller gegen den Bescheid vom 07.01.2020, zugestellt am 15.01.2020, Klage erheben und den gegenständlichen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stellen lassen. Über die unter dem Aktenzeichen RO 12 K 20.50021 geführte Klage ist noch nicht entschieden.
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Die Antragsteller beantragen im Klageverfahren:
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.01.2020, GZ: #9#8#7#-438, wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, das Asylverfahren der Kläger in nationaler Zuständigkeit durchzuführen.
20
Im gegenständlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragen die Antragsteller:
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 07.01.2020 wird angeordnet.
21
Die Antragsgegnerin verkenne, dass Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO nur dann zur Anwendung komme, wenn der Antragsteller ein einmal erteiltes, noch gültiges Visum auch tatsächlich in seinem Besitz gehabt habe, dieses benützt habe und mit diesem Visum auch in das Schengen-Gebiet eingereist sei. Vorliegend missachte die Antragsgegnerin die klaren Angaben der Antragsteller, wonach ihnen ein Visum von der Botschaft in Jordanien nicht ausgehändigt oder sonst übergeben worden sei. Daraus folge, dass sie weder im Zeitpunkt ihrer Flucht, noch davor und auch nicht danach in den Besitz eines polnischen Schengen-Visums gelangt seien. Um wirksam werden zu können, müsse ein Visum nicht nur von der zuständigen Behörde ausgestellt, sondern dem Antragsteller auch zugegangen bzw. bekanntgegeben worden sein. Dies gelte nach deutschem und nach internationalem Recht. Ohne Zugang bzw. Bekanntgabe entfalte ein Verwaltungsakt, um welchen es sich bei dem Visum handle, keine Wirkung. Sei der Antragsteller nicht in den Besitz des Visums gelangt, so könne dieses keine Außenwirkung entfalten. Die Antragsgegnerin habe bei ihrem Übernahmeersuchen bei den polnischen Behörden weder nachgefragt noch nachgeprüft, ob bei den polnischen Unterlagen ein Aushändigungsvermerk vorliege bzw. ob ein ausgestelltes Visum jemals ausgehändigt worden sei. Aus dem Europäischen Visa-Informationssystem gehe auch nicht hervor, ob ein Visum auch jemals übergeben oder abgeholt worden sei. Aus den Unterlagen der Antragsgegnerin gehe dies gerade nicht hervor. Die Antragsteller hätten angegeben, dass sie das Visum am 07.10.2019 beantragt und fünf Tage in Amman zugewartet hätten, ohne ein Visum zu bekommen. Dies sei schlüssig, da über den Antrag laut VIS erst am 21.10.2019 entschieden worden sei. Dass die Antragsteller in den Irak zurückgereist seien, sei ebenfalls schlüssig und lebensnah. Die Antragsteller seien am 12.11.2019 nach Deutschland eingereist und bei ihren Unterlagen habe sich selbstverständlich kein Visum befunden. Dies sei auch schlüssig im Sinne des Vortrags der Antragsteller. Die Vorschrift des Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO scheide als Rechtsgrundlage aus, weil die Antragsteller niemals im Besitz eines gültigen polnischen Visums gewesen seien, erst recht nicht bei der Einreise nach Deutschland. Die Antragsgegnerin trage auch noch nicht einmal vor, dass die Antragsteller im Besitz eines Visums gewesen seien. Die Formulierung des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO fordere, um anwendbar zu sein, den Besitz eines gültigen Visums. Sie setze voraus, dass der Antragsteller ein gültiges Visum auch in seiner Sachherrschaft gehabt haben müsse.
22
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schreiben vom 17.01.2020 im Klageverfahren,
die Klage abzuweisen.
23
Im gegenständlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragt die Antragsgegnerin,
den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
24
Zur Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
25
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren RO 12 S 20.50020 und RO 12 K 20.50021 sowie auf die im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegende Bundesamtsakte Bezug genommen.
II.
26
Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG durch den zuständigen Berichterstatter als Einzelrichter.
27
Der vorliegend gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der unter dem Aktenzeichen RO 12 K 20.50021 geführten Klage, der sich bei entsprechender Auslegung gemäß § 34a Abs. 2 Satz 2 Asylgesetz (AsylG) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 07.01.2019 enthaltene Abschiebungsanordnung richtet, wird abgelehnt.
28
Der nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Antrag ist unbegründet, da sich der in der Hauptsache angefochtene Bescheid des Bundesamtes und die darin enthaltene Abschiebungsanordnung nach summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig darstellen und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzen. Die aus den Akten ersichtlichen Belange der Antragsteller erfordern im konkreten Fall nicht, abweichend von der Wertung des Gesetzgebers, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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1. Rechtsgrundlage der Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Dessen Voraussetzungen liegen vor.
30
1.1 Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
31
Hintergrund dieser Bestimmung ist, dass Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft kraft Verfassungsrechts als sichere Drittstaaten (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG) gelten. Sonstige sichere Drittstaaten werden durch Gesetz bestimmt (§ 26a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage I zum AsylG: Norwegen und Schweiz). Wer sich in einem sicheren Drittstaat aufgehalten hat, bedarf grundsätzlich nicht des Schutzes eines anderen Staates. Die Einreise über einen dieser Staaten schließt die Berufung auf ein Asylrecht aus (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG).
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1.1.1 Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG i.V.m. der hier einschlägigen Dublin III-VO ist der gegenständliche Asylantrag unzulässig, da vorliegend für die Durchführung eines Asylverfahrens ein anderer Staat, nämlich Polen zuständig ist. Bei Polen handelt es sich um einen sicheren Drittstaat im Sinne von § 26a Abs. 1 AsylG, Art. 16a Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) sowie um einen Mitgliedstaat der Dublin III-VO.
33
Die Antragsteller haben selbst eingeräumt, bei der polnischen Botschaft in Jordanien jeweils ein Schengen-Kurzaufenthaltsvisum beantragt zu haben. Aus den von der Antragsgegnerin eingeholten Auszügen aus der VIS-Datenbank (Bl. 154-157) ergibt sich, dass den Antragstellern am 21.10.2019 von den polnischen Behörden jeweils ein vom 31.10.2019 bis 21.11.2019 und somit auch zum Zeitpunkt ihrer Einreise in die Bundesrepublik gültiges Schengenvisum ausgestellt wurde. Zur Prüfung der Asylanträge der Antragsteller ist danach nicht die Antragsgegnerin, sondern Polen zuständig (Art. 12 Abs. 2, 18 Abs. 1 Buchst. a, 21 und 22 Dublin III-VO). Das entsprechende Übernahmegesuch der Antragsgegnerin wurde am 17.12.2019 und damit innerhalb der Frist von zwei Monaten nach Antragstellung am 12.11.2019 gemäß Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO gestellt. Polen hat der Übernahme der Antragsteller unter Bezugnahme auf Art. Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO auch zugestimmt.
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Der Zuständigkeit Polens steht nicht entgegen, dass die Antragsteller vor Ausstellung des Visums nach ihren Angaben in den Irak zurückgekehrt sein wollen, ihnen ein Visum daher niemals ausgehändigt worden sein soll und sie nach ihrer Aussage daher ohne Visum in das Schengengebiet und die Bundesrepublik Deutschland eingereist seien.
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Es bestehen nach der im Eilrechtsschutz gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung in der Gesamtschau nämlich bereits durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben der Antragsteller, ihnen seien die von den polnischen Behörden ausgestellten Visa nicht ausgehändigt worden und sie seien daher ohne diese eingereist. Die Ausstellung der Visa wird belegt durch die von der Antragsgegnerin eingeholten Auszüge aus der VIS-Datenbank. Aus diesen geht auch hervor, dass ein Visumettiket erzeugt wurde, welches gemäß Art. 29 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2019 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex) im Reisepass angebracht wird. Sollte den Antragstellern das von Polen ausgestellte Visum tatsächlich nicht ausgehändigt worden sein, würde ein entsprechender Eintrag in den Reisepässen der Antragsteller folglich fehlen. Ob dies der Fall ist, lässt sich zwar nunmehr nicht mehr feststellen, weil die Antragsteller ihre Reisepässe im Rahmen ihres Asylverfahrens in Deutschland nicht mehr vorgelegt haben, weil ihnen diese vom Schleuser abgenommen worden sein sollen. An der Glaubhaftigkeit dieser Erklärung bestehen jedoch gewichtige Zweifel. Denn die Antragsteller haben bei der Zentralen Ausländerbehörde der Regierung der Oberpfalz jeweils einen Personalausweis und eine Staatsangehörigkeitsurkunde und damit zwei Identitätsdokumente vorgelegt. Es erscheint widersprüchlich und lebensfremd, dass der Schleuser ihnen diese belassen, den Reisepass aber abgenommen haben soll. Dass den Antragstellern mithin ausgerechnet und allein dasjenige Identitätsdokument abhandengekommen sein soll, welchem zu entnehmen wäre, ob ihnen ein Visum ausgehändigt wurde, lässt es ebenso möglich erscheinen, dass die Antragsteller sich der Reisepässe bewusst entledigt haben, um die Aufklärung, ob ihnen ein Visum ausgehändigt wurde, zu erschweren. Dies und der Umstand, dass der Nachweis, dass ein Visum nicht ausgehändigt wurde, jedenfalls anhand des Reisepasses nicht mehr zu führen ist, wirkt hier zumindest indiziell zu Lasten der Antragsteller. Denn die Behauptung der Antragsteller, sie hätten eine Entscheidung der Botschaft in Jordanien über ihre Anträge auf Erteilung eines Visums nicht abgewartet, sondern seien bereits zuvor wieder in den Irak zurückgekehrt und dann von dort aus ohne Visa nach Europa gereist, erweist sich auch aus anderen Gründen als unglaubhaft. Wenn die Antragsteller wirklich, wie sie geltend gemacht haben, zwar bei der polnischen Botschaft jeweils ein Visum beantragt hätten, eine Entscheidung aber nicht abgewartet haben und ihnen die Visa daher nicht ausgehändigt worden sein sollen, ist es nämlich nicht erklärlich, wie die Antragsteller - wie sie selbst vorgetragen haben - über ihre Pässe verfügt haben können, als sie sich ohne Visa auf den Weg nach Europa gemacht haben wollen, und diese jedenfalls bis in die Türkei mit sich geführt haben können. Zur Beantragung von Visa ist nämlich gemäß Art. 10 Abs. 3 Buchst. b Visakodex ein Reisedokument vorzulegen. Dieses wird, wie sich unter anderem aus Art. 20, 21 Visakodex ergibt, auch während der Bearbeitung des Antrags durch die zuständige Stelle benötigt und muss daher bis zur Entscheidung über den Antrag dort verbleiben. Zur Beantragung eines Visums ist es laut der Internetseite der polnischen Botschaft in Jordanien auch tatsächlich erforderlich, einen Reisepass einzureichen, der erst nach Bearbeitung und eben - wie dargestellt und wie sich aus Art. 29 Visakodex ergibt - bei positiver Entscheidung nach Einfügen der Visamarke wieder ausgehändigt wird (vgl. https://www.gov.pl/web/jordan/c-type-schengen-visa, letzter Abruf: 03.02.2020). Wenn die Antragsteller also, wie sie selbst behaupten, wirklich vor Abschluss des Visumsverfahrens aus Jordanien in den Irak zurückgekehrt sein sollten, dann hätten ihre Reisepässe sich wegen des laufenden Visumerteilungsprüfungsverfahrens noch bei der polnischen Botschaft befinden müssen. Die Angaben der Antragsteller sind damit nicht in Einklang zu bringen. Ihr Vorbringen ist daher in sich nicht stimmig sowie widersprüchlich und daher als unglaubhaft anzusehen. Hinzu kommt, dass die nach ihren eigenen Angaben zunächst gefasste Absicht der Antragsteller, mit einem Visum nach Europa zu reisen, mit nicht unerheblichem Planungsaufwand und auch mit finanziellen Aufwendungen für Reisekosten und Visagebühren verbunden war. Es erscheint nach Auffassung des zur Entscheidung berufenen Einzelrichters daher lebensfremd, dass die Antragsteller sich von diesem Vorhaben schon nach einer noch relativ kurzen Wartezeit von wenigen Tagen in Jordanien und allein durch den Anruf eines Bekannten bereits wieder abbringen haben lassen. Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Antragsteller, sie seien ohne Visum und daher illegal in das Gebiet der Dublin Mitgliedstaaten eingereist, spricht schließlich auch, dass die von der Antragsgegnerin durchgeführten EURODAC-Recherchen ohne Ergebnis geblieben sind. Die Antragsteller haben auf ihrem Weg nach Deutschland mehrere Dublin Mitgliedstaaten durchquert, welche den Antragstellern für den Fall eines Antrags auf internationalen Schutz nach Art. 9, jedenfalls aber gemäß Art. 14 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten bei einer ohne Visum und daher illegal erfolgenden Einreise Fingerabdrücke hätten abnehmen müssen, die in der EURODAC-Datenbank gespeichert worden und für die Antragsgegnerin abrufbar gewesen wären. Dass dies in mehreren Dublin Mitgliedstaaten, durch welche die Antragsteller gereist sind, nicht erfolgt sein soll, begründet - trotz in vielen Staaten durchaus bestehender Funktionsdefizite - vor dem Hintergrund der anderen soeben bereits genannten Gründe ebenfalls erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Antragsteller, sie seien ohne Visum und daher illegal nach Deutschland gereist.
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Das Vorbringen der Antragsteller, ihnen sei das von der polnischen Botschaft ausgestellte Visum nicht ausgehändigt worden, ist nach Auffassung des zur Entscheidung berufenen Einzelrichters nach alledem nicht glaubhaft. Es ist daher nicht nur - wie sich unzweifelhaft aus der VIS-Datenbank ergibt - davon auszugehen, dass den Antragstellern ein Visum tatsächlich ausgestellt wurde, sondern es besteht zur Überzeugung des Gerichts auch kein Grund zu der Annahme, dass den Antragstellern die ihnen erteilten Visa nicht ausgehändigt worden wären und sie ohne diese in das Gebiet der Dublin Mitgliedstaaten eingereist wären.
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Selbst wenn man aber die Angaben der Antragsteller zu ihren Gunsten als wahr unterstellen würden, ändert sich nichts an der sich aus den dargelegten Umständen aus Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ergebenden Zuständigkeit Polens. Nach Auffassung des zur Entscheidung berufenen Einzelrichters kommt es für die Begründung der Zuständigkeit eines Mitgliedstaates nämlich nicht, wie die Antragsteller im gerichtlichen Verfahren geltend machen, auf das tatsächliche Innehaben eines Visums im Sinne einer tatsächlichen Sachherrschaft über das körperliche Visumsdokument und damit nicht darauf an, dass den Antragstellern ein ihnen erteiltes Visum auch tatsächlich ausgehändigt wurde. Als Umstand, welcher die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates begründet, knüpft die Vorschrift des Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO nach ihrem Wortlaut an die Erteilung des Visums an und lässt dies hierfür auch genügen. Die Notwendigkeit einer zu einer Sachherrschaft führenden tatsächlichen Aushändigung des Visumsdokuments ist hingegen keine Voraussetzung. Dies ergibt sich, entgegen der Ansicht der Antragsteller, auch nicht daraus, dass Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO nach seinem Wortlaut darauf abstellt, dass ein Antragsteller ein Visum „besitzt“. Der Wortlaut der Vorschrift ist insofern offen und lässt nicht nur eine seitens der Antragsteller angenommene Auslegung dahingehend zu, dass das Besitzen i.S.d. Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ein tatsächliches Innehaben im Sinne einer Sachherrschaft über das körperliche Visumsdokument voraussetzt, sondern ist auch dahingehend offen, dass damit auch die bloße Inhaberschaft des sich mit der Erteilung eines Visum ergebenden Rechts zur Einreise in einen Staat gemeint sein kann. Dies bestätigt sich auch bei vergleichender Heranziehung der englischen („Where the applicant is in possession of a valid visa…“) und französischen („Si le demandeur est titulaire d’un visa…“) Sprachfassung von Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO, die ebenso beide genannten Auslegungen zulassen bzw. im Falle der französischen Fassung sogar mehr auf die zweitgenannte Auslegungsmöglichkeit hindeuten. Eine Auslegung des Begriffs des „Besitzens“ i.S.d. Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO unter Bezug auf die Vorschriften des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches scheidet mit Blick auf die Normenhierarchie und den Charakter des europäischen Rechts als eigenständiger Rechtsordnung von vornherein aus. Gegen die Annahme der Antragsteller, dass es bei einem Visum auch auf das Innehaben eines Visums im Sinne einer tatsächlichen Sachherrschaft über das Visumsdokument ankommt, spricht außerdem, dass nach den Begriffsbestimmungen des Art. 2 Nr. 2 Visakodex und des Art. 2 Buchst. m Dublin III-VO mit einem Visum in erster Linie die Genehmigung bzw. Erlaubnis zur Einreise in das Gebiet des das Visum erteilenden Staates bzw. das Schengengebiet gemeint ist und damit das entsprechende Recht und nicht das körperliche Visumsdokument im Vordergrund steht. Nach alledem setzt das Besitzen eines Visums nach Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO nicht die tatsächliche Sachherrschaft über das Visumsdokument voraus. Ungeachtet der Unglaubhaftigkeit dieser Angaben der Antragsteller hat ihr Vorbringen, ihnen seien die von Polen erteilten Visa nicht ausgehändigt worden, daher von vornherein keine Auswirkungen auf die sich wegen der erteilten Visa aus Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ergebenden Zuständigkeit Polens für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragsteller.
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Der Umstand, dass sich die Kinder und Geschwister der Antragsteller in Deutschland aufhalten, vermag an dieser Zuständigkeit nichts zu ändern. Die Antragsteller sind volljährig. Ausweislich der Verfahrensregelungen in Art. 8 Dublin III-VO dienen die Familienangehörigenregelungen der Dublin III-Verordnung dem Schutz minderjähriger Antragsteller. Auf sie können sich die Antragsteller daher nicht berufen. Bei ihren Kindern und Geschwistern handelt es sich außerdem nicht um Familienangehörige i.S.d. Art. 2 Buchst. g Dublin III-VO. Dementsprechend kommt eine vorrangige Anwendung der Art. 9 bis Art. 11 Dublin III-VO nicht in Betracht. Für die bereits volljährigen Antragsteller zählen als Familienmitglieder i.S.d. Art. 2 Buchst. g Dublin III-VO nur ein Ehegatte oder ein nicht verheirateter Partner (erster Spiegelstrich) sowie etwaige minderjährige eigene Kinder (zweiter Spiegelstrich). Die Anwendung des dritten und vierten Spiegelstriches des Art. 2 Buchst. g Dublin III-VO kommt bereits deshalb nicht in Betracht, da dies voraussetzen würde, dass es sich bei den Antragstellern um minderjährige Antragsteller bzw. Begünstigte internationalen Schutzes handelt. Die Antragsteller haben jedoch noch nicht einmal selbst geltend gemacht, dass ihre Kinder noch minderjährig seien. Soweit sie Aufenthaltstitel ihrer Verwandten vorgelegt haben (Bl. 28-33 der Bundesamtsakte), ergibt sich daraus, dass diese Familienangehörigen bereits volljährig sind.
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1.1.2 Ein Antragsteller oder eine andere Person i.S.d. Art. 18 Abs. 1 Buchst. c oder d Dublin III-VO kann mit dem in Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Rechtsmittel neben der Anwendung der Verordnung auch die Rechts- und Sachlage in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, prüfen lassen. Damit soll insbesondere sichergestellt werden, dass die Überstellung nicht aus einem der in Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO genannten Gründe unmöglich ist (VG Bremen, Beschluss v. 08.12.2017 - Az. 6 V 3113/17, juris Rn. 7 m.w.N.).
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Einer Überstellung nach Polen stehen vorliegend auch nicht nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO genannte Gründe entgegen. Nach Auffassung des erkennenden Einzelrichters ist gegenwärtig nicht erkennbar, dass das Asylverfahren in Polen und die dortigen Aufnahmebedingungen für Antragsteller die in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO beschriebenen „systemischen Schwachstellen“ aufweisen, auf Grund derer die Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta zu erwarten hätten.
41
Einer der Hauptzwecke der Dublin III-Verordnung besteht in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage insbesondere in der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) finden (EuGH, Urteil v. 21.12.2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, Rn. 78 f.; Heusch/Haderlein/Schönenbroicher, Das neue Asylrecht, 2016, Rn. 264). Daraus hat der Europäische Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GRCh) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80). Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, sodass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die fraglichen Rechte der Asylbewerber würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Dies ist wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems aber an hohe Hürden geknüpft (Heusch/Haderlein/Schönenbroicher, Das neue Asylrecht, 2016, Rn. 264). Insbesondere lässt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Beachtung der Bestimmungen der Dublin-Regelungen hinfällig werden. Das ist vielmehr erst dann der Fall, wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende, systembedingte Mängel aufweisen, die gleichsam zwangsläufig eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber befürchten lassen (vgl. zum Ganzen auch VG Regensburg, Beschluss v. 06.02.2014 - RN 8 S 14.30095). Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt das Vorliegen systemischer Mängel in einem Mitgliedstaat voraus, dass dort die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht; gemeint sind dabei Defizite, die im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaats angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen (vgl. BVerwG, Beschluss v. 19.03.2014 - 10 B 6/14 - juris). Maßstab hinsichtlich Unterbringung und Versorgung dürfen deshalb nicht die in Deutschland üblichen sozialen Standards sein, sondern allein die sich aus Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH ergebenden Mindeststandards (Heusch/Haderlein/Schönenbroicher, Das neue Asylrecht, 2016, Rn. 265).
42
In Bezug auf Polen finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass Asylbewerbern im Falle ihrer Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Das Gericht schließt sich insoweit der Bewertung des aktuellen Erkenntnismaterials durch andere Verwaltungsgerichte an (vgl. etwa VG Würzburg, Beschluss v. 03.01.2020 - W 8 S 19.50825; VG Düsseldorf, Urteil v. 25.07.2019 - 12 K 8342/18.A; VG Ansbach, Beschluss v. 03.06.2019 - AN 18 S 18.50559; VG Augsburg, Beschluss v. 21.5.2019 - Au 6 S 19.50444; VG Cottbus, Beschluss v. 30.11.2018 - VG 5 L 601/18.A; VG Aachen, Beschluss v. 12.10.2018 - 6 L 1206/18.A - jeweils juris m.w.N.). Ausgehend von den Feststellungen und Begründungen des angefochtenen Bescheids zu den Aufnahmebedingungen und zum Asylverfahren in Polen, die der zur Entscheidung berufene Einzelrichter für zutreffend hält und auf die zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen unter Absehen von einer weiteren Darstellung der Gründe dieses Beschlusses gemäß § 77 Abs. 2 AsylG verwiesen wird, entsprechen sowohl das Asylverfahren in Polen selbst als auch die Aufnahmebedingungen im Hinblick auf die materielle, juristische und medizinische Versorgung jedenfalls den Erfordernissen zur Wahrung der genannten Mindeststandards. Vorliegend haben auch die Antragsteller selbst nicht belastbar aufgezeigt bzw. schon gar nichts Dahingehendes vorgebracht, dass das Asylverfahren oder die Betreuung der Asylbewerber in Polen derartige systemische Mängel aufweisen, die eine Durchbrechung bzw. Suspendierung des „Konzepts der normativen Vergewisserung“ (vgl. BVerfG, Urteil v. 15.05.1996 - 2 BvR 1938/93) bzw. des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ (vgl. EuGH, Urteil v. 21.12.2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10) gebieten würden. Polen ist ein Mitgliedstaat der Europäischen Union und damit ein sicherer Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 2 AsylG. Hinzu kommt, dass der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, Asylbewerber nicht nach Polen zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen Empfehlung des UNHCR kommt besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH, Urteil v. 30.5.2013 Az. C-528/11 - juris).
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Anhaltspunkte, dass Polen die Vorgaben des gemeinsamen europäischen Asylsystems regelhaft nicht beachtet, liegen auf Grund der gemachten Ausführungen dem erkennenden Einzelrichter im Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) daher nicht vor.
44
Auch das Vorbringen der Antragsteller ist nicht geeignet, systemische Schwachstellen im polnischen Asylsystem zu belegen oder tragfähige Gründe aufzuzeigen, die einer Überstellung entgegenstehen würden. Diesbezüglich erfolgte seitens der Antragsteller kein Vortrag. Die Angaben der Antragsteller zu gesundheitlichen Beschwerden waren unsubstantiiert. Jedenfalls aber ist nach dem Gesagten und auch aufgrund der Art der geltend gemachten Erkrankungen weder ersichtlich, dass die Antragsteller in Polen keine ausreichende medizinische Versorgung erhalten würde noch dass die geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden eine Schwere aufweisen würden oder so (lebens) bedrohlich wären, dass sie bei einer Überstellung nach Polen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten haben könnten. Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Mängel ergeben sich aus dem Vortrag der Antragsteller nach alledem also nicht. Dass die Antragsteller mit der Zuständigkeit Polens generell nicht einverstanden sind, ändert weder etwas an der Zuständigkeit Polens nach der Dublin III-VO noch begründet es ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Dies widerspräche dem Sinn und Zweck der Dublin III-Verordnung, der gerade darin liegt, Mehrfachprüfungen in verschiedenen Mitgliedstaaten durch die vorab vorzunehmende Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zu verhindern.
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1.2 Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO sind nicht ersichtlich. Solche sind dann gegeben, wenn außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. VG Bremen, Beschluss v. 04.09.2013 - 4 V 1037/13.A; juris).
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Die Antragsteller können keine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO beanspruchen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Die Antragsgegnerin hat vorliegend den ihr nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO eingeräumten Ermessensspielraum erkannt und sich mit der Situation der Antragsteller, insbesondere ihren in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen, inhaltlich auseinandergesetzt. Bei Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO handelt es sich um eine restriktiv zu handhabende Ausnahmebestimmung, die eine Zuständigkeitsübernahme in Fällen ermöglicht, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern. Vor diesem unionsrechtlichen Hintergrund ist die im weiten Ermessen der Antragsgegnerin stehende Entscheidung, von ihrem Selbsteintrittsrecht im Fall der Antragsteller keinen Gebrauch zu machen, hier rechtlich nicht zu beanstanden. Es erscheint nicht ermessensfehlerhaft, die in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen als nicht hinreichende besondere humanitäre Gründe zur Wahrnehmung des Selbsteintrittsrechts anzusehen. Der bloße Umstand, dass die Familie der Antragsteller in Deutschland lebt, ist aus den genannten Gründen im Rahmen der Dublin III-VO irrelevant. Eine besondere Beistandsgemeinschaft zwischen den Antragstellern und ihren volljährigen Kindern und Geschwistern, die eine Eintrittspflicht begründen könnte, wurde weder substantiiert dargelegt noch ist eine solche erkennbar. Die Antragsgegnerin geht dabei auch ermessensfehlerfrei davon aus, dass das Ausüben des Selbsteintrittsrechts außergewöhnliche humanitäre Gründe voraussetzt und es nicht dazu dienen soll, das Zuständigkeitssystem der Dublin III-VO auszuhöhlen.
47
Ein Zuständigkeitswechsel aus humanitären Gründen und in Kooperation der beteiligten Staaten nach Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO ist ebenfalls nicht erfolgt.
48
Die Antragsgegnerin ist ferner auch nicht gemäß Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO zu einer Familienzusammenführung der Antragsteller mit ihren in Deutschland lebenden volljährigen Kindern oder Geschwistern verpflichtet. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, einen Antragsteller nicht von Kindern, Geschwistern oder Eltern(teilen) zu trennen, wenn ein Antragsteller wegen einer schweren Krankheit auf die Unterstützung eines der genannten Angehörigen, der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen ist, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, die Person in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben, oder andersherum ein solcher Angehöriger unter den genannten Umständen auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen ist. Das die Zuständigkeit begründende Abhängigkeitsverhältnis bleibt dabei auf Ausnahmesituationen besonderer Hilfsbedürftigkeit beschränkt (vgl. VG Ansbach, Beschluss v. 5.3.2015 - AN 14 S 15.50026; VG München Urteil v. 6.5.2016 - M 12 K 15.50793). Ein solches Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Antragstellern und ihren Kindern oder Geschwistern lässt sich vorliegend nicht feststellen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass einer der in der Vorschrift genannten Umstände vorliegen würde. Gegenüber dem Bundesamt haben die Antragsteller auch selbst verneint, dass eine solche Abhängigkeit besteht.
49
1.3 Die Abschiebung der Antragsteller nach Polen kann auch durchgeführt werden. Die Abschiebung ist weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen unmöglich.
50
Nach dem Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG darf eine Abschiebungsanordnung erst dann erfolgen, wenn feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Während bei der Abschiebungsandrohung die Prüfung inlandsbezogener Abschiebungshindernisse regelmäßig durch die Ausländerbehörde zu erfolgen hat, ist dies bei der Abschiebungsanordnung anders. Eine Abschiebung darf nur dann erfolgen, wenn diese rechtlich und tatsächlich möglich ist. Andernfalls ist die Abschiebung auszusetzen (Duldung). Liegen somit Duldungsgründe im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor, dann ist die Abschiebung unmöglich und kann auch im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht durchgeführt werden. Abweichend von der üblichen Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde hat das Bundesamt bei der Abschiebungsanordnung daher auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse vorliegen (vgl. BayVGH, Beschluss v. 12.03.2014 - 10 CE 14.427; VG Regensburg, Beschluss v. 07.10.2013 - RN 8 S 13.30403; Beck-OK, Ausländerrecht (Stand 01.08.2017) § 34a Rn. 14).
51
1.3.1 Wie bereits oben ausgeführt, sind in Bezug auf Polen, wohin die Abschiebung des Antragstellers angeordnet wurde, keine zielstaatsbezogenen Umstände gegeben, die ein Abschiebungshindernis erkennen lassen. Die Antragsteller legen weder belastbare Umstände dar noch sind solche für das Gericht erkennbar, aus denen sich auf Grund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass in Polen eine konkrete Gefahrenlage besteht, die auf Grund ihrer Eigenart nicht vorweg von dem Konzept der normativen Vergewisserung berücksichtigt werden konnte.
52
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegen daher nicht vor, da den Antragstellern in Polen weder eine den Rechten der EMRK zuwiderlaufende Behandlung noch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht.
53
1.3.2 Inlandsbezogene relevante Abschiebungshindernisse wurden von den Antragstellern weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Insbesondere ist schon aufgrund der Art der geltend gemachten Erkrankungen nicht davon auszugehen, dass diese eine Reiseunfähigkeit begründen könnten.
54
1.3.3 Nachdem Polen einer Rückübernahme der Antragsteller jeweils mit Schreiben vom 03.01.2020 zugestimmt hat und die Überstellungsfrist von sechs Monaten (Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO) noch nicht abgelaufen ist, ist die Abschiebung derzeit auch durchführbar.
55
2. Hinsichtlich der Anordnung und der verfügten Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind Mängel weder von den Antragstellern substantiiert geltend gemacht worden noch für das Gericht erkennbar.
56
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
57
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).