Inhalt

LArbG Nürnberg, Beschluss v. 27.02.2020 – 2 Ta 147/19
Titel:

Nachreichen erforderlicher Unterlagen für PKH-Antrag im Beschwerdeverfahren

Normenketten:
ZPO § 114, § 117, § 118, § 127, § 139
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Leitsatz:
Wird im Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die anliegende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Bezug genommen, liegt diese jedoch nicht bei, hat das Gericht den Antragsteller darauf hinzuweisen. Wird wegen Nichtvorlage der Erklärung der Antrag zurückgewiesen, kann dies im Beschwerdeverfahren auch nach Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens nachgeholt werden. (Rn. 11)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, fehlende Unterlagen, Hinweispflicht, Bewilligungsreife, Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, Anspruch auf faires Verfahren
Vorinstanz:
AG Bamberg, Beschluss vom 26.09.2019 – 1 Ca 447/18
Fundstelle:
BeckRS 2020, 7761

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 26.09.2019, Az 1 Ca 447/18, wird zurückgewiesen.

Gründe

A.
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Die Parteien stritten erstinstanzlich um die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags.
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Mit Schriftsatz vom 22.06.2018, bei Gericht am 25.06.2018 eingegangen, beantragte die Klägervertreterin für den Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe und führte aus, dass die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beiliege. Eine solche Erklärung gelangte jedoch nicht zu den Akten. Mit Endurteil vom 26.09.2019 wies das Arbeitsgericht die Klage ab. Nach Verkündung des Urteils und Mitteilung der Urteilsgründe wies das Arbeitsgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurück. Das Arbeitsgericht begründete den Beschluss damit, dass eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorliege und der Antrag daher nicht prüfungsfähig sei. Darüber hinaus habe der Klage von Anfang an die hinreichende Erfolgsaussicht gefehlt.
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Der Beschluss vom 26.09.2019 wurde der Klägervertreterin am 21.10.2019 zugestellt.
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Mit Schriftsatz vom 21.11.2019, beim Arbeitsgericht am selben Tage per Fax eingegangen, legte die Klägervertreterin hiergegen Beschwerde ein. Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten sei nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Antragstellung. Zu diesem Zeitpunkt habe eine hinreichende Erfolgsaussicht bestanden. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass sämtliche erforderlichen Unterlagen beigelegen hätten. Das Arbeitsgericht habe nicht auf das Fehlen der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen hingewiesen. Eine solche Erklärung lag der Beschwerde wiederum nicht bei.
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Mit Beschluss vom 09.12.2019 half das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Wegen Fehlens der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sei der Antrag weiterhin nicht prüfungsfähig. Eine rückwirkende Genehmigung komme nur auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife in Betracht. Außerdem habe der Klage von Anfang an die hinreichende Erfolgsaussicht gefehlt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Nichtabhilfebeschluss (Blatt 12 - 14 der Beschwerdeakte) verwiesen.
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Das Landesarbeitsgericht gab der Klägervertreterin Frist zur Stellungnahme bis letztlich 14.01.2020. Mit Schriftsatz vom 14.01.2020, beim Landesarbeitsgericht am selben Tage eingegangen, übermittelte die Klägervertreterin die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass das Arbeitsgericht die hinreichende Erfolgsaussicht verneint habe. Die Klage sei nicht unschlüssig gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 14.01.2020 verwiesen (Blatt 26 - 28 der Akten).
B.
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Die gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 2 ZPO, 46 Abs. 2 S. 3 ArbGG statthafte und form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist sachlich nicht begründet. Zwar ist vom Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen auszugehen. Der Rechtsverfolgung fehlte jedoch die hinreichende Erfolgsaussicht.
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Nach § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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I. Der Kläger ist wirtschaftlich bedürftig. Dies ergibt sich aus der nunmehr im Beschwerdeverfahren vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Diese Erklärung ist zu berücksichtigen, da das Arbeitsgericht vor seiner Entscheidung nicht darauf hingewiesen hat, dass die Erklärung dem Antrag nicht beilag.
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1. Prozesskostenhilfe darf nur für ein bevorstehendes oder laufendes Verfahren bewilligt werden. Eine Bewilligung nach Instanzende ist grundsätzlich nicht mehr möglich. Denn Zweck der Prozesskostenhilfe ist, die Prozessführung zu ermöglichen, nicht aber, nachträglich der Partei die Kosten für einen bereits geführten Prozess abzunehmen oder ihrem Rechtsanwalt das Honorar zu beschaffen. Die Bewilligung setzt daher voraus, dass zum Zeitpunkt der Erledigung des Hauptsacheverfahrens der Antrag entscheidungsreif war. Hierfür ist erforderlich, dass der Antragsteller durch einen formgerechten Antrag von seiner Seite aus alles für die Bewilligung Erforderliche oder Zumutbare getan hat. Dazu gehört nach § 11a Abs. 1 ArbGG iVm § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch die Vorlage einer Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie der entsprechenden Belege. Dabei sind gemäß §§ 11a Abs. 1 ArbGG, 117 Abs. 4 ZPO die amtlichen Formulare zu benutzen, wie sie durch die am 22.01.2014 in Kraft getretene PKHFV (BGBl. I 2014, 34) eingeführt wurden. Liegen diese Unterlagen nicht vor, kommt eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Abschluss der Instanz nur in Betracht, wenn das Gericht eine Frist zur Nachreichung der fehlenden Unterlagen und Belege gesetzt hatte und diese Frist eingehalten wurde (LAG Köln 03.04.2019 - 9 Ta 10/19 Rn 5 mwN; LAG Nürnberg 03.01.2011 - 5 Ta 185/10; LAG Nürnberg 07.10.2014 - 2 Ta 124/14 nv).
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2. Etwas Anderes gilt jedoch unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Fairness, wenn der Prozesskostenhilfeantrag, wie hier, auf beigefügte Unterlagen Bezug nimmt, diese sich aber nicht in den Akten befinden. Da das Fehlen der Unterlagen verschiedene Ursachen haben kann, die nicht zwingend in der Sphäre des Antragstellers liegen müssen, etwa weil sie von der Geschäftsstelle versehentlich einem anderen Rechtsstreit zugeordnet worden waren, besteht Veranlassung zur Aufklärung. Hatte der Antragsteller auf eine beigefügte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verwiesen, ist es geboten, ihn auf das Fehlen der Unterlage hinzuweisen und Gelegenheit zur Nachreichung zu geben, bevor Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt wird, dass sie nicht rechtzeitig eingereicht worden sei (LAG Köln 03.04.2019 - 9 Ta 10/19 Rn 6).
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Diese Auffassung widerspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach das Arbeitsgericht weder nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO noch nach § 139 ZPO verpflichtet ist, vor Beendigung des Rechtsstreits auf das Fehlen der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hinzuweisen, weil einem Rechtsanwalt die Notwendigkeit der Einreichung der formularmäßigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt sein müsse (vgl. BAG 31.07.2017 - 9 AZB 32/17 -, Rn. 6 mwN). Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts betrafen Fallgestaltungen, in denen der Antragsteller wusste, dass die erforderlichen Unterlagen noch nicht vorgelegt worden waren, und er selbst angekündigt hatte, sie nachreichen zu wollen. Im Gegensatz dazu wusste der Kläger bzw. dessen Vertreterin im vorliegenden Fall nicht, dass die Unterlagen dem Antrag nicht beifügt waren. Der Kläger unterlag insoweit einem tatsächlichen Irrtum.
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Angesichts dessen hätte es eines Hinweises bedurft, dass die angeblich dem Prozesskostenhilfeantrag beigefügte Erklärung tatsächlich nicht vorlag. Eine solche Hinweispflicht folgt aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG. Aus diesen Bestimmungen wird als „allgemeines Prozessgrundrecht“ der Anspruch auf ein faires Verfahren sowie das Gebot effektiven Rechtsschutzes abgeleitet. Das Verfahren muss so gestaltet werden, wie die Parteien des Zivilprozesses es vom Gericht erwarten dürfen. Dazu gehört auch die Verpflichtung des Gerichts zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation (LAG Köln a.a.O. Rn 8 unter Hinweis auf BVerfG 18.07.2013 - 1 BvR 1623/11 Rn. 20 und BFH 16.03.2016 - X B 202/15 Rn. 16). Der Kläger konnte im vorliegenden Fall erwarten, dass das Gericht seine Prozessbevollmächtigte zeitnah nach Eingang des Antrags auf das Fehlen der Erklärung hinweist und ihr eine Frist zur Nachreichung setzt. Fehlt es an einem rechtzeitig vor Beendigung des Rechtsstreits ergangenen Hinweis, ist zumindest vor Beendigung des Rechtsstreits eine Nachfrist zu setzen.
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Da das Arbeitsgericht einen entsprechenden Hinweis bzw. eine Nachfristsetzung unterlassen hat, konnte die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch im Beschwerdeverfahren vorgelegt werden (LAG Köln a.a.O). Eine zeitliche Begrenzung für neuen Tatsachenvortrag sieht das Beschwerdeverfahren nicht vor. Insbesondere muss er nicht innerhalb der Beschwerdefrist geleistet werden. Die mit Schriftsatz vom 14.01.2020 eingereichte Erklärung ist daher zu berücksichtigen.
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II. Zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife und auch später hatte die Klage jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
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1. Für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist auch in der Beschwerdeinstanz grundsätzlich der Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs maßgeblich. Nachträgliche Veränderungen zu Lasten der bedürftigen Partei, seien es tatsächliche, seien es rechtliche, sind unbeachtlich (vgl. BVerfG 05.12.2018 - 2 BvR 2257/17, Rn 15, 19; LAG Hamm a.a.O. Rn 5). Durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe soll die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend angeglichen werden. Dem liefe es zuwider, wenn im Fall eines bewilligungsreifen Prozesskostenhilfeantrags bei der Prüfung der Erfolgsaussichten des Verfahrens eine Erledigung ohne Weiteres zulasten der Antragsteller berücksichtigt würde. Würde Prozesskostenhilfe im Fall der Erledigung trotz Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags und trotz im Zeitpunkt der Bewilligungsreife hinreichender Erfolgsaussicht nicht gewährt, stünden Unbemittelte stets vor dem Risiko, wegen einer für sie nicht sicher vorhersehbaren Erledigung Kosten eines bis dahin an und für sich hinreichend erfolgversprechenden Verfahrens tragen zu müssen. Kostenerstattungsansprüche vermögen dieses Risiko nicht hinreichend zuverlässig auszuschließen. Dieses Kostenrisiko erschwerte Unbemittelten im Vergleich zu Bemittelten den Zugang zum Rechtsschutz und verstieße gegen die verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsschutzgleichheit (BVerfG 16.04.2019 - 1 BvR 2111/17 Rn 25.)
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2. Ein Prozesskostenhilfebegehren ist zur Entscheidung reif, wenn die Partei es begründet, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig vorgelegt und der Gegner Gelegenheit gehabt hat, sich innerhalb angemessener Frist gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO zum Prozesskostenhilfegesuch zu äußern (LAG Hamm a.a.O, Rn 5). Dabei darf es der Partei nicht zum Nachteil gereichen, wenn das Gericht die Entscheidungsreife selbst hinausgezögert hat. Das ist etwa der Fall, wenn das Gericht einen notwendigen Hinweis nicht erteilt hat.
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Im vorliegenden Fall lag Entscheidungsreife spätestens zum Zeitpunkt der Güteverhandlung am 13.09.2018 vor. Die Beklagte hatte über zwei Monate Zeit, sich zum Prozesskostenhilfeantrag des Klägers zu äußern. Dies ist eine angemessene Zeit, einer ausdrücklichen Fristsetzung für den Antragsgegner bedarf es insoweit nicht. Durch den Hinweis auf die Klage hat der Kläger seinen Antrag begründet. Zwar lag noch keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Darauf hätte das Gericht im vorliegenden Fall aber bereits zeitnah zum Antragseingang hinweisen müssen (s.o.).
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3. Dem Arbeitsgericht ist darin Recht zu geben, dass weder im Zeitpunkt der Bewilligungsreife noch später die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte.
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a. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht und das Prozesskostenhilfegesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt. Der Rechtsstandpunkt der Partei muss aus der Sicht des Gerichts aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zumindest vertretbar und ein Prozesserfolg unter Berücksichtigung des gegnerischen Prozessvorbringens wahrscheinlich sein (Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., 2018, § 114 Rn. 20 ff; jeweils m. w. N.). Verweigert werden darf die Prozesskostenhilfe nur dann, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. § 114 Abs. 1 ZPO sieht die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vor, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss. Es darf keine vorweggenommene Entscheidung der Hauptsache im Rahmen der Prozesskostenhilfeprüfung erfolgen. Die Prüfung der Erfolgsaussichten dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG 28.10.2019 - 2 BvR 1813/18 Rn 26). Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (zum Ganzen LAG Hamm 07.08.2019 - 14 Ta 158/19 Rn 4 mwN;).
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b. Zum Zeitpunkt der B bestand keine hinreichende Erfolgsaussicht. In der Klage beruft sich der Kläger pauschal darauf, von seinem Vorgesetzten unter Druck gesetzt worden zu sein bzw. dass der Aufhebungsvertrag vom 21.02.2018 unter widerrechtlicher Drohung zustande gekommen sei und daher durch die Anfechtungserklärung vom 26.04.2018 beseitigt worden sei. Es ist schon nicht klar, worin eine widerrechtliche Drohung oder eine arglistige Täuschung liegen könnte. Wenn der Kläger mitteilt, auf Grund der aus dem Arbeitsunfall resultierenden psychischen Belastung nicht mehr an einer Maschine beschäftigt werden zu können, obwohl er ausweislich der Klage als Maschinenbediener eingestellt wurde, war er nicht arbeitsfähig. Dass die Beklagte keine Kündigung aussprechen wollte, kann ihr nicht vorgeworfen werden. Das Angebot eines Aufhebungsvertrags ist für sich genommen weder widerrechtlicher Druck noch arglistige Täuschung. Es besteht keine Pflicht, statt einen Aufhebungsvertrag eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz anzubieten. Ein entsprechendes Vorrangverhältnis wie etwa bei der Kündigung gibt es rechtlich gesehen nicht. Dass bei dem Gespräch drei Mitarbeiter der Beklagten anwesend waren, führt für sich alleine ebenfalls nicht zu einer widerrechtlichen Drohung. Der Gesprächsverlauf ist in der Klage nicht mitgeteilt. Die Beklagte war von sich aus nicht gehalten, ein Betriebsratsmitglied für den Abschluss des Aufhebungsvertrags hinzuziehen. Dies hätte ein entsprechendes Verlangen des Arbeitnehmers vorausgesetzt (vgl. § 84 Abs, 1 Satz 2 BetrVG).
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c. Auch im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens ist eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht eingetreten. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung im Einzelnen dargelegt wie es zum Abschluss des Aufhebungsvertrags kam. Sie hat hierzu die vorausgegangene Whatsapp-Kommunikation des Klägers mit seinem Vorgesetzten vom 11. und 12.02.2018 vorgelegt. Für eine Drohung oder Täuschung finden sich keinerlei Anhaltspunkte. Desweiteren hat die Beklagte mitgeteilt, dass das entsprechende Gespräch nicht am 21.02., sondern am 26.02.2018 stattgefunden habe, dem Kläger dort der Aufhebungsvertrag übergeben worden sei, er ihn nicht unterzeichnet, sondern mitgenommen habe, um sich das Ganze in Ruhe zu überlegen, und ihn am Montag, den 05.03.2018 unterzeichnet bei der Beklagten vorbeigebracht habe. Dem ist der beweispflichtige Kläger weder entgegengetreten, noch hat er überhaupt einen anderen Verlauf geschildert oder insoweit ein Beweisangebot unterbreitet. Der Vortrag der Beklagten gilt daher als zugestanden. Es fehlten daher jegliche Anhaltspunkte für die behaupteten Anfechtungsgründe der widerrechtlichen Drohung und der arglistigen Täuschung. Auf eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verhandelns hat sich der Kläger erstinstanzlich nicht berufen. Soweit sich der Kläger als Anfechtungsgrund auf einen Irrtum beruft, ist nicht ersichtlich, dass die Anfechtung unverzüglich erfolgt ist. Im Schriftsatz vom 13.08.2019 behauptete der Kläger, sich zur Zeit der Unterzeichnung auf Grund der posttraumatischen Belastungsstörung in einem psychischen Ausnahmezustand befunden zu haben und nicht habe abwägen können, dass er nach der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages schutzlos bleibe und sich über die Tragweite des Aufhebungsvertrags nicht im Klaren gewesen sei. Es ist schon nicht klar, worauf - rechtlich gesehen - der Kläger mit diesen Behauptungen abzielt. Jedenfalls lässt sich hieraus nicht ableiten, dass der Kläger geschäftsunfähig gewesen wäre oder den Aufhebungsvertrag in einem Zustand vorübergehender Störung der Geistestätigkeit unterzeichnet und der Beklagten zurückgebracht hat. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war daher nicht veranlasst. Auch die Vernehmung der vom Kläger genannten Zeugin B… war nicht veranlasst. Sie sollte bezeugen, dass der Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung auf Grund des Unfalls erlitten hat und er sich seit November 2018 deshalb in Therapie befand. Dies kann zu seinen Gunsten unterstellt werden. Die posttraumatische Belastungsstörung mag dazu geführt haben, dass der Kläger nicht mehr an einer Maschine arbeiten konnte. Dies mag für den Kläger auch der Anlass zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags gewesen sein. Dass sich der Kläger aber Ende Februar, Anfang März 2018 in einem Zustand befunden hat, der die freie Willensentschließung ausschloss, ist weder behauptet, noch durch die Zeugin unter Beweis gestellt worden.
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III. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erfolgt ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter (§ 78 S. 3 ArbGG).
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IV. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.
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V. Da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen, ist die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, § 78 S. 2 ArbGG.