Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 25.04.2020 – AN 18 S 20.00739
Titel:

Erfolgreicher Eilantrag einer Privatklinik gegen Einschränkung des Klinikbetriebs und Vorhalteverpflichtung in der Corona-Pandemie

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
IfSG § 28 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Verpflichtung zur Zurückstellung planbarer Behandlungen und Vorhaltung von Klinikkapazitäten stellt eine Schutzmaßnahme im Sinne des Infektionsschutzgesetzes dar. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zu Schutzmaßnahmen nach § 28 Abs. 1 IfSG können auch sog. "Nichtstörer" in Anspruch genommen werden. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Entwicklungen des Pandemiegeschehens in Bayern und Deutschland lassen es fraglich erscheinen, ob die mit der Zurückstellungs- und Vorhalteverpflichtung verbundenen Eingriffe in die Berufsfreiheit eines Klinikbetreibers noch immer gerechtfertigt sind.  (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag einer Privatklinik auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 19. März 2020 sowie die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Ge-sundheit und Pflege und des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 24. März 2020, Privatklinik, Allgemeinverfügung, Rückstellung planbarer Behandlungen, Behandlungskapazität, Vorhalteverpflichtung, COVID-19, Corona-Pandemie, Schutzmaßnahme, Störereigenschaft, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 7124

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der am 20. April 2020 erhobenen Klage gegen Ziffer 1 der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 19. März 2020, Az. G24-K9000-2020/125, wird angeordnet.
2. Die aufschiebende Wirkung der am 20. April 2020 erhobenen Klage gegen die Ziffern 3.1 und 3.2 der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration sowie des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 24. März 2020, Az. D4-2484-2-7 und G24-K9000-2020/134, in der Fassung der Allgemeinverfügung vom 1. April 2020, Az. D4-2484-2-7 und G24-K9000-2020/134, wird angeordnet.
3. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
4. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin ¼ und der Antragsgegner ¾.
5. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin ist die Betreiberin der „…“, einer nach § 30 GewO zugelassenen Privatkrankenanstalt mit sechs Betten. Sie wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen zwei Allgemeinverfügungen des Antragsgegners, soweit dadurch der reguläre Klinikbetrieb in Privatkrankenanstalten eingeschränkt wird.
2
Mit Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 19. März 2020, Az. G24-K9000-2020/125, wurden verschiedene Krankenhaustypen - darunter auch Privatkliniken mit Zulassung nach § 30 GewO - dazu verpflichtet, soweit medizinisch vertretbar, bis auf Weiteres alle planbaren Behandlungen zurückzustellen oder zu unterbrechen, um möglichst umfangreiche Kapazitäten für die Versorgung von COVID-19-Patienten freizumachen und die Behandlung von Notfällen zu gewährleisten (Ziffer 1). Nach der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration sowie des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 24. März 2020, Az. D4-2484-2-7 und G24-K9000-2020/134, haben diese Einrichtungen des Weiteren sicherzustellen, dass ihre vorhandenen Kapazitäten in vollem Umfang für die stationäre Versorgung zur Verfügung stehen (Ziffer 3.1). Sie werden darüber hinaus verpflichtet, mit geeigneten Mitteln sowohl personelle als auch räumlich-technische Kapazitäten zur Behandlung von COVID-19-Patienten oder zur Entlastung anderer Krankenhäuser, die vorrangig für solche Patienten herangezogen werden, auszubauen (Ziffer 3.2). Jede dieser Einrichtungen hat außerdem, soweit dies organisatorisch und baulich möglich ist, im Zugangsbereich ein Screening auf COVID-19 einzurichten, um die Infektionsgefahr bestmöglich zu minimieren (Ziffer 8.1).
3
Am 20. April 2020 hat die Antragstellerin vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach Klage gegen die vorstehend aufgeführten Regelungen der Allgemeinverfügungen vom 19. und 24. März 2020 erhoben (AN 18 K 20.00740) und das Gericht außerdem um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht.
4
Aufgrund der angegriffenen Allgemeinverfügungen habe die Antragstellerin seit dem 20. März 2020 keinerlei stationäre Behandlungen mehr durchführen können. Da hierauf rund 76% ihres Gesamtumsatzes entfielen, sei der Antragstellerin eine wirtschaftliche Fortführung des Klinikbetriebs nicht mehr möglich. Gleichzeitig sei ihr eine Einstellung des Klinikbetriebs verwehrt, wodurch laufende Kosten von monatlich etwa 110.000 EUR anfallen würden. Sie ist der Ansicht, die angegriffenen Regelungen könnten nicht auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG erlassen werden, weil Maßnahmen nach dieser Vorschrift lediglich der Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten, nicht jedoch deren Behandlung dienen dürften. Darüber hinaus könnten Privatkliniken, die in keiner Weise zur Verursachung des Infektionsgeschehens beigetragen hätten, nur als Nichtstörer in Anspruch genommen werden, was nach Art. 9 Abs. 3 LStVG nur zur Abwehr von unmittelbar bevorstehenden Gefahren bzw. bei Gefahr in Verzug möglich sei. Eine solche Gefahrenlage sei hier aber nicht (mehr) gegeben, denn es stünden auch ohne eine Heranziehung der Antragstellerin genügend Behandlungskapazitäten zur Verfügung, zumal deren Behandlungskapazitäten seit Inkrafttreten der Verordnung überhaupt nicht konkret in Anspruch genommen worden seien. Eine Überforderung des Gesundheitssystems, die eine kurzfristige Inanspruchnahme der Antragstellerin binnen weniger Tage erforderlich machen könnte, sei derzeit unter Berücksichtigung der rückläufigen Zahlen an Neuinfektionen ebenfalls nicht zu ersehen. Ohnehin könnte die Antragstellerin in einem solchen Fall als eine Art „Bereitschaftsklinik“ binnen weniger Tage für die Pandemieversorgung zur Verfügung stehen. Die Aufrechterhaltung der angegriffenen Maßnahmen gegenüber der Antragstellerin erweise sich deshalb zudem als unverhältnismäßig. Insbesondere hätten diese für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung bislang keinerlei Nutzen entfaltet, wohingegen auf Seiten der Antragstellerin gewichtige Rechtsgüter wie die Berufsfreiheit und der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb beschnitten würden. Anders als zugelassenen Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen habe der Antragsgegner der Antragstellerin keinerlei kurzfristige finanzielle Entschädigungen bzw. Liquiditätssicherungen zur Verfügung gestellt, so dass diese ihre sämtlichen liquiden Mittel habe aufbrauchen müssen und damit in ihrer Existenz gefährdet sei. Auch im Rahmen einer Interessenabwägung sei deshalb von einem Überwiegen des Aussetzungsinteresses der Antragstellerin auszugehen; angesichts der derzeit ungewissen Geschäftsaussichten sei dieser eine kurzfristige Kreditaufnahme zur Fortführung des Klinikbetriebs ebenso unzumutbar wie ein Verstoß gegen die bußgeldbewerten Regelungen der Allgemeinverfügungen.
5
Die Antragstellerin beantragt zuletzt,
1. die aufschiebende Wirkung der Klage gegen
a) die Ziffer 1 der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 19. März 2020, Az. G24-K9000-2020/125, soweit sie Privatkliniken mit Zulassung nach § 30 GewO betrifft, sowie
b) die Ziffern 3.1, 3.2 und 8.1 der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport Integration sowie des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 24. März 2020, Az. D4-2484-2-7 und G24-K9000-2020/134, in der Fassung der Allgemeinverfügung vom 1. April 2020, Az. D4-2484-2-7 und G24-K9000-2020/134, soweit sie Privatkliniken mit Zulassung nach § 30 GewO betreffen, anzuordnen
2. und hilfsweise, für den Fall, dass der Antrag nach Ziffer 1.b) abgewiesen wird, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffern 3.1, 3.2 und 8.1 der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration sowie des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 24. März 2020, Az. D4-2484-2-7 und G24-K9000-2020/134, in der Fassung der Allgemeinverfügung vom 1. April 2020, Az. D4-2484-2-7 und G24-K9000-2020/134, soweit sie Privatkliniken mit Zulassung nach § 30 GewO betreffen, wiederherzustellen, hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben.
6
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
7
Der Antragsgegner verteidigt die angegriffenen Allgemeinverfügungen. Er ist der Ansicht, die sich daraus ergebenden Einschränkungen seien vor dem Hintergrund der Dynamik des Pandemieverlaufs zum Schutz der hohen Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung auch gegenwärtig noch erforderlich und insbesondere verhältnismäßig. Demgegenüber fielen die Eingriffe in die Rechte der Antragstellerin vergleichsweise gering aus.
8
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie im Hauptsacheverfahren Bezug genommen.
II.
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Der Hauptantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege von 19. März 2020 sowie gegen die Ziffern 3.1 und 3.2 der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration sowie des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 24. März 2020 in der Fassung der Allgemeinverfügung vom 1. April 2020 ist zulässig und begründet. Soweit sich die Antragstellerin im Übrigen gegen die Ziffer 8.1 der zuletzt genannten Allgemeinverfügung wendet, sind mangels Rechtsschutzbedürfnisses sowohl der Hauptantrag als auch der Hilfsantrag unzulässig.
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1. Der Hauptantrag ist, soweit er sich gegen Ziffer 1 der Allgemeinverfügung vom 19. März 2020 und die Ziffern 3.1 und 3.2 der Allgemeinverfügung vom 24. März 2020 richtet, zulässig; im Übrigen ist er mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
11
Der Antrag ist statthaft. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage kraft Gesetzes entfällt, diese ganz oder teilweise anordnen. Die angegriffenen Allgemeinverfügungen sind zumindest auch auf Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ergangen, so dass die aufschiebende Wirkung der hiergegen im Verfahren AN 18 K 20.00740 erhobenen Anfechtungsklage jedenfalls infolge gesetzlicher Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO i.V.m. § 28 Abs. 3, § 16 Abs. 8 IfSG entfällt.
12
Insoweit, als sich die Antragstellerin gegen Ziffer 1 der Allgemeinverfügung vom 19. März 2020 und die Ziffern 3.1 und 3.2 der Allgemeinverfügung vom 24. März 2020 wendet, sind ferner die übrigen Sachentscheidungsvoraussetzungen gegeben.
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Anderes gilt dagegen in Bezug auf die Ziffer 8.1 der Allgemeinverfügung vom 24. März 2020. Hier fehlt es an dem notwendigen Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin als allgemeine Verfahrensvoraussetzung. Ziffer 8.1 der Allgemeinverfügung vom 24. März 2020 verpflichtet die Antragsgegnerin, präklinisch oder - soweit dies organisatorisch und baulich möglich ist - im Zugangsbereich des Krankenhauses ein Screening auf COVID-19 einzurichten, um die Infektionsgefahr bestmöglich zu minimieren. Den Ausführungen der Antragstellerin ist indessen zu entnehmen, dass sie derartige Screening-Maßnahmen in der von ihr betriebenen Privatklinik bereits von sich aus ergriffen und umgesetzt hat. So seien etwa beim Betreten der Klinik die Hände zu desinfizieren und der Zutritt nur mit Mundschutz gestattet. Es erfolge außerdem bei jeder Person eine Abfrage, ob diese COVID-19-Symptome aufweise, sich in einem Risikogebiet aufgehalten habe oder eine Kontaktperson der Kategorie 1 nach den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts sei. Außerdem finde eine Körpertemperaturkontrolle statt. Dass diese Maßnahmen den Anforderungen der Ziffer 8.1 Allgemeinverfügung vom 24. März 2020 nicht genügen würden, vermag die Kammer nicht zu ersehen, zumal die Regelung keinerlei nähere Vorgaben zu Art und Umfang des Screenings enthält. Es ist zudem weder vorgetragen noch ersichtlich, dass seitens der Antragstellerin - bei Wegfall der normierten Verpflichtung - eine Beendigung dieser Maßnahmen konkret angedacht oder beabsichtigt wäre.
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2. Soweit sich der Hauptantrag als zulässig erweist, ist er auch in der Sache begründet.
15
Nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das erkennende Gericht eine eigenständige und originäre Interessenabwägung zwischen dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners, welches in der gesetzlichen Wertung der § 28 Abs. 3, § 16 Abs. 5 IfSG zum Ausdruck gelangt, und dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin zu treffen. Bei dieser gerichtlichen Ermessensentscheidung kommt vor allem den - nach dem Wesen des Eilverfahrens nur summarisch zu prüfenden - Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs eine maßgebliche Bedeutung zu (vgl. BVerwG, B.v.6.7.1994 - 1 VR 10.93 - juris Rn. 4). Dabei können allerdings - eben wegen des summarischen Charakters des Eilverfahrens und seiner nur begrenzten Erkenntnismöglichkeiten - weder schwierige Rechtsfragen vertieft oder abschließend geklärt, noch komplizierte Tatsachenfeststellungen getroffen werden; solches muss dem Verfahren der Hauptsache überlassen bleiben (OVG NRW, B.v. 26.1.1999 - 3 B 2861/97 - juris Rn. 4). Wird bei einer derartigen summarischen Prüfung der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, so wird dem Antrag regelmäßig zu entsprechen sein. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben, so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrags. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (BayVGH, B.v. 27.2.2017 - 15 CS 16.2253 - juris Rn. 13).
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Die Erfolgsaussichten der im Hauptsacheverfahren AN 18 K 20.00740 erhobenen Klage sind bei der im Eilverfahren gebotenen überschlägigen Prüfung als offen zu beurteilen. Die damit vorzunehmende Abwägung der für und gegen die Aussetzung des Sofortvollzugs streitenden Interessen fällt hier zulasten des Antragsgegners aus.
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a) Es kann bei summarischer Prüfung nicht mit hinreichender Sicherheit geklärt werden, ob die Antragstellerin mit ihren Einwänden gegen Ziffer 1 der Allgemeinverfügung vom 19. März 2020 sowie die Ziffern 3.1 und 3.2 der Allgemeinverfügung vom 24. März 2020 in dem ebenfalls anhängig gemachten Hauptsacheverfahren durchdringen wird.
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(1) Die Kammer hat im Ausgangspunkt keine Bedenken gegen die Heranziehung des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG als Rechtsgrundlage für die angegriffenen Regelungen.
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Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Der Begriff der „Schutzmaßnahmen“ ist umfassend und ermöglicht der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen, welches durch die Notwendigkeit der Maßnahme im Einzelfall begrenzt wird (BayVGH, B.v. 30.3.2020 - 20 CS 20.611 - juris Rn. 11). Für ein solch weites Verständnis spricht auch die Gesetzgebungsgeschichte der Vorschrift. Die Neufassung des § 28 Abs. 1 IfSG durch Gesetz vom 27. März 2020 (BGBl. I, 587), mit welcher der Wortlaut aus Gründen der Normenklarheit angepasst werden sollte (BT-Drs. 19/18111, 25), knüpft nach dem Willen des Gesetzgebers an die Vorgängerregelungen und mithin auch an die Vorschrift des § 34 BSeuchG an. Der Gesetzesbegründung zu § 34 BSeuchG ist wiederum zu entnehmen, dass in Anbetracht der Fülle der Schutzmaßnahmen, die beim Ausbruch einer übertragbaren Krankheit infrage kommen könnten, eine generelle Ermächtigung in das Gesetz aufgenommen werden sollte (BT-Drs. 8/2468, 27; s. auch BVerwG, U.v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 - juris Rn. 24: Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet.).
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Unter Zugrundelegung eines derart weiten Normverständnisses spricht vieles dafür, dass auch die hier streitgegenständlichen Regelungen auf Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG getroffen werden konnten. Zwar zielt Ziffer 1 der Allgemeinverfügung vom 19. März 2020, der die dort genannten Krankenhäuser dazu verpflichtet, nach Möglichkeit alle planbaren Behandlungen zurückzustellen oder zu unterbrechen, um auf diese Weise möglichst umfangreiche Kapazitäten für die Versorgung von COVID-19-Patienten freizumachen und die Behandlung von Notfällen zu gewährleisten, in erster Linie auf die Bewältigung eines im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erwarteten Notstands in der stationären Versorgung ab. Auf diese Weise trägt die Regelung aber zugleich zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus bei, indem sie sicherstellt, dass an COVID-19 erkrankte Personen möglichst wirksam in den dafür vorgesehenen medizinischen Einrichtungen isoliert und behandelt werden können. Nichts anderes gilt in Bezug auf die Ziffern 3.1 und 3.2 der Allgemeinverfügung vom 24. März 2020. Soweit danach die in den betreffenden Einrichtungen vorhandenen Kapazitäten vollumfänglich für die Behandlung von COVID-19-Patienten zur Verfügung gestellt und nach Möglichkeit sowohl in personeller als auch in räumlich-technischer Hinsicht ausgebaut werden sollen, ermöglicht auch diese Maßnahme eine Isolation und möglichst effektive Behandlung von Corona-Patienten und damit letztlich die Eindämmung des Virus.
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(2) Die Kammer geht des Weiteren davon aus, dass unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG eine Inanspruchnahme der Antragstellerin als sog. Nichtstörer erfolgen durfte. Auf die einschränkenden Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 3 LStVG kommt es insoweit nicht an.
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Zwar ist Art. 9 Abs. 3 LStVG als Vorschrift des allgemeinen Sicherheitsrechts auf die Befugnisnormen des speziellen Sicherheitsrechts - wozu auch das Infektionsschutzrecht zählt - grundsätzlich anzuwenden. Obgleich es dem Art. 9 LStVG an einer den Art. 7 Abs. 4, Art. 8 Abs. 4, Art. 10 Abs. 3 PAG vergleichbaren Regelung, die den Vorrang einer spezialgesetzlichen Adressatenregelung ausdrücklich postulieren würde, mangelt, ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz des Vorrangs des lex specialis, dass eine im Rahmen einer besonderen Befugnisnorm enthaltene Adressatenregelung diesem vorgeht (BeckOK-PolR/Lindner, 12. Ed. 1.2.2020, LStVG, Art. 9 Rn. 5; Bengl/Berner/Emmerig/Koehl, 38. Lfg. Oktober 2019, LStVG, Art. 9 Rn. 5).
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Eine solche spezialgesetzliche Adressatenregelung enthält auch § 28 Abs. 1 IfSG, der es der zuständigen Behörde allgemein ermöglicht, die zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen. Eine Einschränkung des möglichen Adressatenkreises auf Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider als „Störer“ im sicherheitsrechtlichen Sinne ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch unter Berücksichtigung des mit ihrer Einführung verbundenen Ziels, den Erlass eines möglichst breiten Spektrums an geeigneten Schutzmaßnahmen zu ermöglichen. Hierfür spricht zudem die Gesetzesbegründung zu § 34 BSeuchG, der Vorgängervorschrift des § 28 IfSG; danach sollten die nach der Generalklausel in Betracht kommenden Maßnahmen gerade nicht auf den dort genannten Personenkreis, also Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige usw. beschränkt sein, sondern auch gegenüber „Nichtstörern“ in Betracht kommen (BT-Drs. 8/2468, 27). Aus den genannten Gründen ist die Möglichkeit der Inanspruchnahme von dritten Personen - sog. „Nichtstörern“ - nach § 28 Abs. 1 IfSG in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 - juris Rn. 26) ebenfalls anerkannt.
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(3) Als in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht problematisch - und damit einer Klärung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zugänglich - erweist sich hingegen die Frage, ob die durch Ziffer 1 der Allgemeinverfügung vom 19. März 2020 sowie die Ziffern 3.1 und 3.2 der Allgemeinverfügung vom 24. März 2020 angeordneten Maßnahmen gegenüber der Antragstellerin zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (noch) als verhältnismäßig anzusehen sind.
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Wie in der Antragsschrift zutreffend ausgeführt, ist hier hinsichtlich der Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen. Bedeutsam ist insoweit zunächst der Umstand, dass es sich bei den angegriffenen Regelungen jeweils um Dauerverwaltungsakte handelt; die zugrundeliegenden Allgemeinverfügungen verfügen über eine Gültigkeitsdauer vom 20. März 2020 bis zum 15. Mai 2020 (Ziffer 4 der Allgemeinverfügung vom 19. März 2020) bzw. vom 25. März 2020 bis zum 15. Mai 2020 (Ziffer 9 der Allgemeinverfügung vom 24. März 2020) und gelten damit nicht nur für einen bestimmten Zeitpunkt, sondern vielmehr über einen längeren Zeitraum hinweg. Die Rechtmäßigkeit eines solchen Dauerverwaltungsakts ist in Ermangelung abweichender gesetzlicher Bestimmungen regelmäßig nach der Sach- und Rechtslage zu beurteilen ist, wie sie im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht (BVerwG, B.v. 5.1.2012 - 8 B 62.11 - juris Rn. 13). Ein Abstellen auf den Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügungen kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die Antragstellerin diese Regelung bis zum Zeitpunkt der Antrags- und Klageerhebung am 20. April 2020 zunächst hingenommen hat und deren Aufhebung damit erst ab diesem Zeitpunkt begehrt.
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Die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung festzustellenden Entwicklungen des Pandemiegeschehens in Bayern und Deutschland lassen es indessen fraglich erscheinen, ob die mit den Regelungen der Ziffer 1 der Allgemeinverfügung vom 19. März 2020 sowie den Ziffern 3.1 und 3.2 der Allgemeinverfügung vom 24. März 2020 verbundenen Eingriffe in die Berufsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG noch immer gerechtfertigt sind. Bereits nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG stehen die danach getroffenen Schutzmaßnahmen sowohl inhaltlich („soweit“) als auch zeitlich („solange“) unter einem strengen Verhältnismäßigkeitsvorbehalt, der die Verwaltung bindet (BayVGH, B.v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 - juris Rn. 57).
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Zwar ist einerseits zu berücksichtigen, dass das hierzu nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG berufene Robert-Koch-Institut noch immer an seiner Risikobewertung vom 26. März 2020 festhält und die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit insgesamt als hoch bzw. für Risikogruppen als sehr hoch einschätzt. Zur Belastung des Gesundheitswesens wird ausgeführt, dass diese maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektion, den vorhandenen Kapazitäten und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen (Isolierung, Quarantäne, soziale Distanzierung) abhängig sei und örtlich sehr hoch sein könne, wobei kurzfristige Änderungen dieser Einschätzungen durch neue Erkenntnisse möglich seien (vgl. https://www...de/...html). Auch erscheint vor dem Hintergrund der sich aus den Regelungen der Zweiten Bayerischen Infektionsmaßnahmenverordnung ergebenden Lockerungen in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens (z.B. der Öffnung von Bau- und Gartenmärkten ab dem 20. April 2020 sowie von sonstigen Einzelhandelsgeschäften, deren Verkaufsräume eine Fläche von 800 m2 nicht überschreiten, ab dem 27. April 2020) ein zumindest vorübergehender Wiederanstieg der Infektionszahlen grundsätzlich nicht ausgeschlossen.
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Andererseits kann unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gleichwohl die inzwischen stark rückläufige Zahl an Neuinfektionen mit COVID-19 nicht unberücksichtigt bleiben. Auch wenn insoweit - wie der Antragsgegner zutreffend ausführt - von einer gewissen, durch den Meldeverzug bedingten Dunkelziffer ausgegangen werden muss, kann den jüngeren Fallzahlen dennoch unzweifelhaft eine Abflachung der Neuinfektionsrate entnommen werden. Während die Zahl der täglichen Neuinfektionen im Zeitraum 24. März 2020 bis zum 9. April 2020 regelmäßig zwischen 1.000 und 2.000 Neuerkrankungen schwankte, ist in der Folgezeit ein konstanter Rückgang mit durchgehend weniger als 1.000 Neuinfizierten pro Tag festzustellen. So lag die Zahl der Neuinfizierten am 24. April 2020 zuletzt bei 653. Mit Stand vom 24. April 2020 wurden damit in Bayern bislang rund 40.473 COVID-19-Fälle nachgewiesen, von denen rund 26.340 als genesen gelten (vgl. https://www...de/...htm). Dieser Eindruck einer sich entspannenden Lage spiegelt sich in der Situation der Kliniken ebenfalls wieder. Nach Angaben eines Sprechers der Bayerischen Krankenhausgesellschaft verfügt der Freistaat über rund 75.000 Krankenhausbetten, darunter rund 4.000 Intensivbetten (vgl. https://www...de/...html). Davon sind derzeit knapp 3.100 Betten mit Corona-Patienten belegt, von denen knapp 2.300 auf einer Normalstation und rund 800 auf einer Intensivstation liegen (vgl. StMI aktuell - Ausgabe vom 21.4.2020, S. 2). Die Anzahl derjenigen COVID-19-Patienten, die auf intensivmedizinische Behandlung angewiesen waren, ist zuletzt nochmals auf 662 Betroffene gesunken, wodurch die aktuelle Anzahl freier Intensivbetten weiter angestiegen ist (vgl. StMI aktuell - Ausgabe vom 23.4.2020, S. 1). Auch in …, dem Sitz der von der Antragstellerin betriebenen Privatklinik, stehen nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden des Klinikums … genügend Kapazitäten für die Behandlung von Corona-Patienten zur Verfügung. Mit Stand vom 18. April 2020 wurden dort 61 Corona-Patienten versorgt, von denen sich 18 auf der Intensivstation befanden; hinzu kamen 60 Verdachtsfälle, von denen drei auf der Intensivstation lagen. Insgesamt stehen alleine am Klinikum … derzeit zwischen 700 und 1.000 Betten leer, was einer Auslastung von etwa 50% entspricht (vgl. … Nachrichten v. 18.4.2020, S. 9). In Anbetracht dieser Entwicklungen besteht auch nach der Auffassung des Antragsgegners grundsätzlicher Anlass zu einer Neubewertung der Situation. Dies spiegelt sich ferner in einem Beschluss des Ministerrats vom 21. April 2020 wieder, wonach im Hinblick auf die deutlich gebremste Entwicklung des Corona-Virus eine schrittweise Rückkehr zum Normalbetrieb angestrebt werden soll. Die zuständige Regierung soll danach die Möglichkeit erhalten, Krankenhäusern, Kliniken und Reha-Einrichtungen nach genauem Abwägen wieder eine (teilweise) Tätigkeit in der ursprünglichen Versorgung zu gestatten (vgl. https://www...de/.../).
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b) Im Rahmen der somit alleine vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin jedoch das Vollzugsinteresse des Antragsgegners. Zentraler Maßstab dieser Interessenabwägung bleibt dabei unabhängig von einer sofortigen Vollziehbarkeit kraft Gesetzes oder auf Grund behördlicher Anordnung, dass der Rechtsschutzanspruch des Betroffenen umso stärker ist und umso weniger zurückstehen darf, je gewichtiger die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen Unabänderliches bewirken, wobei alle schutzwürdigen Interessen des Betroffenen am Suspensiveffekt zu ermitteln und in die Abwägung mit einzubeziehen sind (Eyermann/Hoppe, 15. Aufl. 2019, VwGO, § 80 Rn. 93).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen fällt die im vorliegenden Fall vorzunehmende Interessen- und Folgenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus, der andernfalls eine schwerwiegende und ggf. sogar unabänderliche Beeinträchtigung ihrer Interessen drohen würde. Eine solche liegt hier vor allem darin begründet, dass bei einer Fortgeltung der sich aus den angegriffenen Regelungen für den regulären Klinikbetrieb der Antragstellerin ergebenden Einschränkungen deren weitere wirtschaftliche Existenz auf Dauer gefährdet erscheint (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: VGH BW, B.v. 10.7.2006 - 9 S 519/06 - juris Rn. 12; Kopp/Schenke, 24. Aufl. 2018, VwGO, § 80 Rn. 152). So bestreitet diese - wie durch die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers ihrer Komplementärin zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO) - rund 76% ihrer Gesamteinnahmen aus der Erbringung stationärer Klinikleistungen. Infolge der sich aus Ziffer 1 der Allgemeinverfügung vom 19. März 2020 ergebenden Verpflichtung, bis auf Weiteres alle planbaren Behandlungen zurückzustellen und zu unterbrechen, sind diese Einnahmen ab dem 21. März 2020 nahezu vollständig weggebrochen. Gleichzeitig wird die Antragstellerin im Hinblick auf die sich aus den Ziffern 3.1 und 3.2 der Allgemeinverfügung und 24. März 2020 ergebende Verpflichtung, die Verfügbarkeit ihrer Kapazitäten für die stationäre Behandlung im vollen Umfang sicherzustellen und gegebenenfalls auszubauen, durch weiterhin anfallende laufende Fixkosten belastet, die sich ausweislich der vorgelegten Kostenaufstellung auf 109.594,65 EUR belaufen. Bedingt durch den Fortfall eines Großteils ihrer Einnahmen bei gleichzeitig weiter laufenden Fixkosten hat die Antragstellerin - wie ebenfalls zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht - seit spätestens 15. April 2020 ihre sämtlichen liquiden Eigenmittel aufgebraucht und muss ihre laufenden Kosten seither über die Aussetzung von Steuervorauszahlungen, den Einsatz von Privatmitteln, Darlehen und Soforthilfen vorübergehend sicherstellen. Zusätzlich wird die Situation der Antragstellerin dadurch verschärft, dass dieser - anders als nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern - für die infolge der Corona-Krise weggefallenen Einnahmen auch keine Ausgleichszahlungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds gemäß § 21 KHG zur Verfügung stehen, was ihr zudem von Seiten des Landesamts für Pflege bestätigt wurde. Zu keiner anderen Bewertung führt schließlich der Umstand, dass sich die Bayerische Staatsregierung in der Kabinettssitzung vom 21. April 2020 auf die Schaffung von Ausgleichszahlungen für Privatkliniken in Höhe von 280 EUR pro Tag und Bett für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 31. Juli 2020 verständigt hat (vgl. https://www...de/.../). Losgelöst von der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht erfolgten tatsächlichen Umsetzung dieser Maßnahmen muss davon ausgegangen werden, dass zwischen der Schaffung der hierfür erforderlichen rechtlichen und finanziellen Grundlagen und einer tatsächlichen Auskehrung dieser Finanzhilfen an die Antragstellerin ein weiterer, gegebenenfalls nicht unerheblicher Zeitraum liegen wird. Ohnehin bliebe es der Kammer in einem solchen Fall unbenommen, den vorliegenden Beschluss unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 VwGO auf Ersuchen des Antragsgegners oder von Amts wegen für die Zukunft abzuändern. Schließlich greift auch der seitens des Antragsgegners erhobene Einwand, die Angemessenheit der Einschränkungen des Klinikbetriebs sei dadurch gewährleistet, dass die Untersagung stationärer Behandlungen zum einen unter dem Vorbehalt der medizinischen Vertretbarkeit stehe und zum anderen nur planbare Behandlungen von der Regelung erfasst würden, vorliegend allenfalls bedingt. Da der Klinikbetrieb der Antragstellerin ausschließlich auf die Durchführung von Schönheitsoperationen ausgerichtet ist, werden dort weit überwiegend - wenn nicht nahezu ausschließlich - planbare Behandlungen durchgeführt werden, deren Verschiebung regelmäßig keine medizinischen Gründe entgegenstehen werden.
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Demgegenüber erscheinen die bei einer Aussetzung des Sofortvollzugs beeinträchtigten Interessen des Antragsgegners bzw. die damit einhergehenden Folgen für die Allgemeinheit weniger schwerwiegend. Dies gilt zunächst vor dem Hintergrund der inzwischen festzustellenden Entspannung des Pandemiegeschehens und des Bestehens weitreichender Kapazitäten in anderen Krankenhäusern, s.o. Schon aus diesem Grund erscheint ein Bedürfnis nach einer Inanspruchnahme der Kapazitäten der Antragstellerin innerhalb der nächsten Wochen - die angegriffenen Regelungen sind bis zum 15. Mai 2020 befristet und eine Verlängerung ist nach den Ausführungen des Antragsgegners zumindest im Hinblick auf die von der Antragstellerin betriebene Privatklinik nicht angedacht - eher unwahrscheinlich. Insoweit kommt auch der Tatsache, dass auf die Kapazitäten der Antragstellerin seit dem Inkrafttreten der angegriffenen Regelungen - und damit selbst in Zeiten eines deutlich dramatischen Pandemieverlaufs mit höheren Neuinfektionszahlen - noch nicht zurückgegriffen werden musste, eine gewisse Indizwirkung zu. Dessen ungeachtet, fiele der Beitrag der von der Antragstellerin betriebenen Privatklinik, die über nur sechs Betten verfügt, zur Entlastung anderer Krankenhäuser von vergleichsweise gering aus. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Verweildauer ihrer stationären Patienten von regelmäßig unter zwei Tagen im Fall einer etwaigen Verschärfung des Pandemiegeschehens dazu in der Lage wäre, ihre Kapazitäten kurzfristig - nach eigenen Angaben innerhalb höchstens dreier Tage - zur Entlastung anderer Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Unabhängig von einer solch freiwilligen Kooperation der Beklagten käme dem Gericht in diesem Fall gleichermaßen die Möglichkeit zu, den vorliegenden Beschluss auf Ersuchen des Antragsgegners oder von Amts wegen nach Maßgabe des § 80 Abs. 7 VwGO für die Zukunft abzuändern.
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3. Soweit dem Hauptantrag stattgegeben wurde, braucht über den Hilfsantrag nicht mehr entschieden zu werden. Im Übrigen ist der Hilfsantrag unzulässig, weil es der Antragstellerin jedenfalls an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen Ziffer 8.1 der Allgemeinverfügung vom 24. März 2020 fehlt, s.o.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und orientiert sich an dem anteiligen Unterliegen des jeweiligen Beteiligten.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Dabei macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch, den Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben, weil im Hinblick auf das Außerkrafttreten der angegriffenen Allgemeinverfügungen am 15. Mai 2020 mit einer Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache zu rechnen ist.