VG Würzburg, Urteil v. 08.12.2020 – W 1 K 20.522
Titel:

Zurückstellung von der Beförderung

Normenketten:
BeamtStG § 8, § 9, § 26
BayBG Art. 65, Art. 128 Abs. 1 S. 1
VwGO § 113 Abs. 5,§ 154 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 11, § 709, § 711
GKG § 52 Abs. 2
Leitsatz:
Ein Beamter hat grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Beförderung, auch dann nicht, wenn alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind (vgl. BVerwG, U.v. 17.7.1974 - VI C 41/70).  (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zurückstellung von der Beförderung, gesundheitliche Eignung für das Beförderungsamt zweifelhaft, gesundheitliche Eignung, Erkrankung, Dienstunfall, Dienstposten, Dienstherr, Auswahlentscheidung, Attest, Ermessensentscheidung, Leistungsgrundsatz, Leistungen, Widerspruch, Wiedereingliederung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 31.05.2022 – 3 ZB 21.290
Fundstelle:
BeckRS 2020, 57831

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten neu über eine Beförderung zu entscheiden.
2
Der am ... 1962 geborene Kläger steht als Polizeioberkommissar (Besoldungsgruppe A 10) im Dienste des Beklagten und leistet seit 1985 Dienst bei der Polizeiinspektion A., zunächst im Schichtdienst und seit dem 1. März 2017 in der Verfügungsgruppe.
3
Am 19. Dezember 2015 erlitt der Kläger einen Dienstunfall, woraufhin er bis zum 19. Februar 2016 dienstunfähig krankgeschrieben war. Vom 28. Dezember 2016 bis zum 23. April 2017 war der Kläger erneut dienstunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 9. März 2017 wurde daher eine polizeiärztliche Untersuchung beantragt. In der Zeit vom 6. Juli 2017 bis 28. Juli 2017 war der Kläger abermals dienstunfähig erkrankt. Am 5. September 2017 fand sodann die polizeiärztliche Untersuchung statt.
4
Der Polizeiarzt Dr. U. empfahl in seinem Gesundheitszeugnis und seinem polizeiärztlichen Gutachten vom 6. September 2017 den Kläger bis auf weiteres nur im Tagesdienst zwischen 06:00 Uhr und 20:00 Uhr einzusetzen, da er an einer chronischen Erkrankung leide, die noch nicht vollständig ausgeheilt sei. Ansonsten sei der Kläger polizeidienstfähig, könne Dienstwaffe und Dienstkraftfahrzeuge ohne Einschränkung führen. Als Diagnosen wurde V.a. Borreliose, Z.n. Innenbandteilruptur rechtes Kniegelenk mit persistierenden Anschwellen des rechten Kniegelenks unter Belastung durch Dienstunfall vom Dezember 2015, Unterschenkelvarikosis rechts und nach den Angaben des Klägers eine Lebervergrößerung und Vergrößerung abdominaler Lymphknoten angegeben. Es wurden Verwendungseinschränkungen festgestellt.
5
Vom 2. November 2017 bis zum 27. Mai 2018 war der Kläger erneut dienstunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 19. März 2018 wurde seitens des Beklagten erneut eine polizeiärztliche Untersuchung beantragt, welche am 20. Juni 2018 stattfand. In der Zwischenzeit erfolgte beginnend mit dem 28. Mai 2018 eine stufenweise Wiedereingliederung des Klägers.
6
In dem polizeiärztlichen Gutachten vom 21. Juni 2018 sowie dem Gesundheitszeugnis vom 22. Juni 2018 stellte Dr. B. fest, dass diagnostisch eine Anpassungsstörung, längere depressive Reaktion, teilremittiert F43.21 (in Zusammenhang mit einem massiv empfundenen Kränkungserlebnis), differentialdiagnostisch eine Somatisierungsstörung vorliege. Der Kläger befinde sich in ausreichender ärztlicher Behandlung sowohl auf körperlichem als auch auf nervenärztlichem Gebiet. Es werde davon ausgegangen, dass die stufenweise Dienstwiederaufnahme erfolgreich abgeschlossen werden könne. Die am 4. September 2017 festgestellten Einschränkungen hätten Bestand und seien dauerhafter Natur. Eine Verwendung in der Verfügungsgruppe oder vergleichbar sei weiterhin möglich. Auch bezüglich des Führens einer Dienstwaffe und von Dienstkraftfahrzeugen bestünden keine Bedenken. Dr. H. stellte in einem polizeiärztlichen Gutachten vom 20. Juni 2018 sowie einem Gesundheitszeugnis vom 21. Juni 2018 fest, dass der Beamte an einer Erkrankung aus dem internistischen Bereich leide, die keine Einschränkung der Polizeidienstfähigkeit zur Folge habe.
7
Bis zum 5. September 2018 verrichtete der Kläger in modifiziert durchgeführter stufenweiser Wiedereingliederung Dienst. In den Zeiträumen vom 15. November 2018 bis zum 23. November 2018 sowie vom 2. Januar 2019 bis zum 28. Juli 2019 war der Kläger erneut dienstunfähig krankgeschrieben. Mit Schreiben vom 20. März 2019 wurde seitens des Beklagten abermals eine polizeiärztliche Untersuchung beantragt, welche am 29. Juli 2019 stattfand. In der Zwischenzeit legte der Kläger einen privatärztlicherseits erstellten Wiedereingliederungsplan beginnend mit dem 29. Juli 2019 bis zum 6. Oktober 2019 vor.
8
In dem polizeiärztlichen Gutachten des Herrn Dr. B. vom 31. Juli 2019 und dem ärztlichen Gesundheitszeugnis vom 1. August 2019 wird ausgeführt, dass es bei dem Kläger zu einem Wiederauftreten einer Depression gekommen sei. Eine Besserung und Stabilisierung der gesundheitlichen Verfassung sei eingetreten. Eine stufenweise Dienstwiederaufnahme gemäß Wiedereingliederungsplan des behandelnden Arztes Dr. S. sei möglich. Aus gesundheitlichen Gründen sei keine Teilnahme am regelmäßigen Nacht- und Wechselschichtdienst möglich. Gegen eine Verwendung mit Dienstwaffe sowie das Führen von Dienst-Kfz bestünden keine Einwände, vorausgesetzt es komme zu keiner erneuten grundlegenden Verschlechterung der psychischen Verfassung. Als Diagnosen wurden eine rezidivierend depressive Störung, gegenwärtig (weitgehend) remittiert, F33.4 sowie ein Steatosis hepatis unklarer Ätiologie angegeben.
9
Mit Schreiben vom 5. September 2019 wurde seitens des Beklagten ein Nachuntersuchungstermin beantragt. Vom 27. November 2019 bis zum 13. Dezember 2019 war der Kläger erneut dienstunfähig erkrankt.
10
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2019 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass Zweifel an seiner uneingeschränkten Polizeidienstfähigkeit bestünden, er sich polizeiärztlich untersuchen lassen solle und seine Beförderung bis auf weiteres zurückgestellt werde.
11
Am 20. Dezember 2019 übergab der Kläger daraufhin ein als Widerspruch bezeichnetes Schreiben gegen die Zurückstellung der Beförderung und legte privatärztliche Atteste vor. Mit E-Mail vom 2. Januar 2020 teilte der Kläger mit, dass er den Verdacht habe, sein Dienststellenleiter habe ihm das Schreiben vom 9. Dezember 2019 willentlich vorenthalten und so eine Verzögerung herbeigeführt. Er habe direkt mit Herrn Dr. B. Kontakt aufgenommen. Zugleich übersandte er ein weiteres Attest von Herrn Dr. S. vom 23. Dezember 2019, in welchem ihm eine uneingeschränkte dienstliche Verwendbarkeit bescheinigt wurde. Mit E-Mail vom 8. Januar 2020 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass einer Beförderung nichts im Weg stehe, soweit die gesundheitliche Eignung attestiert werden würde und auch die sonstigen Eignungsvoraussetzungen festgestellt werden könnten. Diese Korrespondenz wurde dem Polizeiarzt Dr. B. im Vorfeld des Untersuchungstermins am 12. Februar 2020 mitgeteilt. Dr. B. teilte daraufhin am 14. Januar 2020 telefonisch mit, dass der Kläger bis zur abschließenden polizeiärztlichen Begutachtung keine Dienstwaffe mehr führen dürfe und nur im Innendienst zu verwenden sei. Diese Anordnungen wurden noch am selben Tag umgesetzt. Am 16. Januar 2020 erfolgte ein Personalgespräch mit dem Kläger.
12
In dem polizeiärztlichen Gutachten des Herrn Dr. B. vom 14. Februar 2020 und dem Gesundheitszeugnis vom 19. Februar 2020 wurde zusammenfassend geäußert, dass bei den durchgeführten Tests bzw. in insgesamt drei Untertests der MPU-Testbatterie deutlich unterdurchschnittliche Prozentrangwerte festgestellt wurden und eine weitere Abklärung mit ausführlichen testpsychologischen Untersuchungen erforderlich sei. Aufgrund der Verhaltensauffälligkeiten und der testpsychologischen Untersuchungsergebnisse könne der Kläger nurmehr im Innendienst und ohne Dienstwaffe verwendet werden. Als Diagnosen bzw. diagnostische Überlegungen wurde eine rezidivierende depressive Störung, F33, remittiert und aktuell Probleme in Verbindung mit Berufstätigkeit Z56, V.a. beginnende dementielle Entwicklung sowie differentialdiagnostisch sonstige neuropsychologische Defizite, organische Wesensänderung und /oder akzentuierte Persönlichkeit und nicht näher bezeichnete Verhaltensstörung angegeben. In der Beurteilung wurde ausgeführt, dass es aufgrund von Depressionen zu längeren krankheitsbedingten Fehlzeiten gekommen sei, die Depression zwischenzeitlich jedoch remittiert sei. Unabhängig davon hätten sich jedoch neue Probleme ergeben. Aufgrund der beschriebenen problematischen Verhaltensauffälligkeiten und psychometrisch festgestellter neuropsychologischer Defizite könne er bis zu einer weitergehenden Abklärung derselben nur im Tagesinnendienst und ohne Dienstwaffe verwendet werden. Ein Führen von Dienst-Kfz unter Einsatzbedingungen sowie zur Personenbeförderung sei aus gleichem Grunde derzeit nicht möglich. Eine Verwendung im Innendienst innerhalb der Polizei sei jedoch möglich. Eine externe Begutachtung sei erforderlich.
13
Mit Schreiben vom 14. Februar 2020 wurde seitens des Beklagten ein psychiatrisches Gutachten mit neuropsychologischem Zusatzgutachten über den Kläger in Auftrag gegeben. Die entsprechende Untersuchung fand am 9. Juli 2020 im Klinikum N. statt. Ein Gutachten wurde bislang nicht erstellt.
14
Seit dem 17. Februar 2020 ist der Kläger erneut dienstunfähig erkrankt.
15
Mit Schreiben vom 7. April 2020 ließ der Kläger Klage erheben. Der Kläger sei Ende 2019 uneingeschränkt polizeidiensttauglich gewesen. Seit einem Polizeiarzttermin des Klägers vom 29. Juli 2019 bis zum 19. Dezember 2019 habe es keinerlei Beanstandung durch Vorgesetzte gegeben. Er habe daher davon ausgehen können, dass man mit seinen Leistungen zufrieden sei und es zu einer Regelbeförderung komme. Die Atteste seiner behandelnden Ärzte seien seitens des Polizeipräsidiums nicht an den Polizeiarzt weitergegeben worden. Für diesen sei es daher unmöglich gewesen, ein objektives Gesundheitszeugnis zu erstellen. Dies stelle ein erhebliches Manko dar und habe zu einem Gesundheitszeugnis geführt, welches so nicht verwertbar sei. Die Untersuchung habe nicht unvoreingenommen stattgefunden, sondern sei durch einseitige Informationen durch das Polizeipräsidium beeinflusst worden. Zwar habe er Dr. B. Atteste und Untersuchungsergebnisse seiner behandelnden Ärzte vorgelegt, diese seien von ihm kopiert, aber sofort in die Akte eingelegt worden, ohne sich damit zu befassen. Der Polizeiarzt hätte sich nicht nur auf das Vorbringen des Beklagten verlassen dürfen. Soweit der Polizeiarzt auf schlechte Testergebnisse verweise, sei dies mangels einer näheren Beschreibung auch nicht nachvollziehbar. Das Gutachten sei nicht schlüssig, unvollständig und auf eine Art und Weise entstanden, die jeglicher realistischer medizinischen Basis entbehre. Der Kläger sei seit längerer Zeit bei Dr. S. in Behandlung. Dieser habe bestätigt, dass der Kläger uneingeschränkt polizeidienstfähig sei. Der Kläger werde diskriminiert. Zudem habe es am 20. Dezember 2019 ein Telefongespräch zwischen seinem direkten Vorgesetzten und RR N. gegeben, indem sein Vorgesetzter bestätigt habe, dass er weder selbst- noch gemeingefährlich sei oder sonstige Gründe gegen ihn sprechen würden. Dieses Telefongespräch habe bei der Frage der Beförderung ganz offensichtlich keinerlei Berücksichtigung gefunden. Der Beklagte könne auch verurteilt werden, die Beförderung rückwirkend zum 1. Januar 2020 vorzunehmen. Sollte tatsächlich keine Beförderung zum 1. Januar 2020 erfolgen können, stünden dem Kläger Schadensersatzansprüche zu. Nachdem der Kläger im Dezember 2019 Widerspruch eingelegt habe, sei davon auszugehen, dass er rechtzeitig die Grundlage für einen eventuellen Schadenersatzanspruch geschaffen habe.
16
Der Kläger beantragt,
Der Beklagte wird verpflichtet, über die Ernennung des Klägers zum Polizeihauptkommissar mit Wirkung zum 1. Januar 2020, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
17
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
18
Einem Beamten fehle die erforderliche Eignung für ein Beförderungsamt, wenn er für die in diesem zu erbringende Leistung nicht zur Verfügung stehe. Die Ernennung eines seit längerer Zeit dienstunfähig erkrankten Beamten verstoße gegen den Leistungsgrundsatz. Dies gelte auch für die Regelbeförderung. Dabei handele es sich um eine echte Beförderung, bei der der Leistungsgrundsatz nicht außer Acht gelassen werden dürfe. Der Kläger sei ermessensfehlerfrei gemäß 2.3.1. BefRPolVS von der Beförderung zurückstellt worden. Gemäß 2.3.1. Abs. 4 BefRPolVS sei bei Beamten bei längerer Erkrankung nach den Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen, ob trotz der längeren Erkrankung ein Beförderungsamt übertragen werden könne. Bei dem Kläger hätten längere Fehlzeiten vorgelegen. Es seien bei der Entscheidung über die Zurückstellung nicht nur die reinen Erkrankungszeiten in die Abwägung einbezogen worden, sondern auch die in den polizeiärztlichen Untersuchungsterminen festgestellten Einschränkungen sowie Verbesserungen im Gesundheitszustand. Es seien berechtigterweise Zweifel an der uneingeschränkten Dienstfähigkeit und schwere Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung angenommen worden. Derartige Zweifel würden ausreichen, um ihn von der Beförderung zurückzustellen. Die Ermessensentscheidung der Zurückstellung der Beförderung sei auch aus rein gesundheitlichen Gründen unter Abwägung aller für und gegen eine Beförderung zum 1. Januar 2020 sprechenden Aspekte erfolgt. Die erfolgte Zurückstellung habe nichts mit einer vom Kläger erbrachten Leistung zu tun. Wäre dies Anlass der Zurückstellung gewesen, wäre eine Zurückstellung aus dienstaufsichtsrechtlichen Gründen geprüft und dem Kläger mitgeteilt worden. Es sei Aufgabe und Pflicht des Dienstvorgesetzten, eine Einschätzung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Beförderung vorzunehmen und dies dem Polizeipräsidium mitzuteilen. Die Feststellung von Einschränkungen in der Polizeidienstfähigkeit falle in den abschließenden Kompetenzbereich des Polizeiarztes. Seine Entscheidung gehe denen der Privatärzte vor. Vorab übermittelte Informationen an den Polizeiarzt lieferten lediglich den Grund einer polizeiärztlichen Begutachtung, nicht aber ein intendiertes Untersuchungsergebnis. Dies sei kraft medizinischer Kompetenz schon einzig dem Polizeiarzt überlassen und könne nicht von anderen geleistet werden. Der Kläger sei ausdrücklich aufgetragen worden, die neuesten Befunde seiner behandelnden Ärzte zu der Untersuchung mitzubringen und dem Polizeiarzt vorzulegen. Es könne daher nicht nachvollzogen werden, weshalb das Gesundheitszeugnis aufgrund einseitiger Informationen nicht objektiv und nicht verwertbar sein solle.
19
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren, im Verfahren W 1 K 20. … sowie der beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

20
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemacht Anspruch nicht zu. Vielmehr ist die ablehnende Entscheidung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
21
Ein Beamter hat grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Beförderung (Zängl in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, zu § 9 Rn.) Ein solcher besteht selbst dann nicht, wenn alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind (BVerwG, U.v. 17.7.1974 - VI C 41/70 - juris). Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (VG Würzburg, U.v. 28.3.2017 - W 1 K 16.503 - juris). Ein Anspruch auf Beförderung kann nur in dem eng begrenzten Ausnahmefall bestehen, dass eine freie und besetzbare Beförderungsstelle vorhanden ist, die der Dienstherr im Zeitpunkt der Entscheidung über den Beförderungsantrag auch tatsächlich besetzen will, und dass er seine Beurteilungsermächtigung und sein Ermessen dahin ausgeübt hat, dass er nur den klagenden Beamten für den am besten Geeigneten hält (BVerwG, GB.v. 21.9.2005, a.a.O., juris Rn. 18; B.v. 24.9.2008 - 2 B 117.07 - juris Rn. 8; VG Augsburg, U.v. 11.2.2016 - Au 2 K 14.1618 -, Rn. 17, juris). Der Beamte hat somit grundsätzlich lediglich einen Anspruch darauf, dass über seine Beförderung oder die Zurückstellung seiner Beförderung sachbezogen und ohne Rechtsfehler entschieden wird und nicht grundlos oder aufgrund sachwidriger Erwägungen zu seinem Nachteil von praktizierten, die Verwaltung selbst ermessensbindenden Richtlinien abgewichen wird (BayVGH, B.v. 17.12. 2013 - 3 CE 13.2171 -, Rn. 23, juris VG München, U.v. 2.11.2010 - M 5 K 09.4130 - juris; VG München, Gb. v. 24.9. 2014 - M 5 K 13.500 -, Rn. 16, juris;).
22
Die Entscheidung des Beklagten über die Beförderung bzw. die Zurückstellung der Beförderung des Klägers ist als Ermessensentscheidung demgemäß nur eingeschränkt daraufhin nachprüfbar, ob der Beklagte grundlos oder aufgrund sachwidriger Erwägungen zum Nachteil des Klägers gegen den Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG verstoßen hat oder ob er von durch ihn praktizierten ermessensbindenden Richtlinien abgewichen ist.
23
Entsprechend dem Verfassungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG sind Ernennungen nach § 9 BeamtStG allein nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Einem Beamten fehlt die erforderliche Eignung für ein Beförderungsamt, wenn er für die in diesem zu erbringende Leistung nicht zur Verfügung steht, weil er dort keine Dienstleistung erbringt oder nicht mehr für angemessene Zeit ausüben kann. Die Ernennung eines seit längerer Zeit dienstunfähig erkrankten Beamten verstößt deshalb gegen den Leistungsgrundsatz (BVerwG U.v. 29.8.1996 - 2 C 23.95 - juris Rn. 22). Eine längere Erkrankung im vorgenannten Sinn liegt dabei vor bei einer einzigen, länger dauernden ununterbrochenen Fehlzeit oder auch bei mehreren kurzen, in der Summe jedoch ebenfalls längeren Fehlzeiten (BayVGH, B.v. 17. 12.2013 - 3 CE 13.2171 -, Rn. 28, juris; vgl. VG München, U.v. 2.11.2010, a.a.O. Rn. 23).
24
Dies gilt nicht nur für die Auswahlentscheidung unter mehreren Bewerbern um einen ausgeschriebenen Dienstposten. Auch die „Regelbeförderung“ eines Beamten setzt seine gesundheitliche Eignung für dieses Amt voraus (BVerfG B.v. 10.12.2008 - 2 BvR 2571/07 - juris Rn. 11). Bei der Regelbeförderung handelt es sich um eine echte Beförderung, bei der der Leistungsgrundsatz nicht außer Acht gelassen werden darf. Ein Dienstherr ist nicht berechtigt und kann erst recht nicht verpflichtet sein, unter Missachtung des öffentlichen Interesses an möglichst effektiver Aufgabenerfüllung und bestmöglicher Besetzung der Beamtenstellen ein Beförderungsamt einem Beamten zu übertragen, der für das Amt gesundheitlich nicht geeignet ist (BVerwG B.v. 28.7.1970 - II B 7.70 - juris; U.v. 12.5.1977 - II C 46.73 - juris). Eine mangelnde gesundheitliche Eignung rechtfertigt deshalb die Zurückstellung einer Beförderung (BayVGH B.v. 9.11.2005 - 3 CE 05.2648 - juris Rn. 21; BayVGH B.v. 17.12.2013 - 3 CE 13.2171 -, Rn. 25, juris).
25
Berechtigte nachvollziehbare Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Beamten für das Beförderungsamt reichen aus, um ihn von der Beförderung zurückzustellen (vgl. BayVGH B.v. 9.11.2005 a.a.O.; OVG NRW B.v. 8.12.1998 - 6 B 2211/98 - juris Rn. 5; SächsOVG B.v. 15.3.2010 - 2 B 516/09 - juris Rn. 1). Hierfür ist eben nicht Voraussetzung, dass im Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung die Polizeidienstunfähigkeit i.S.d. Art. 128 Abs. 1 Satz 1 BayBG bzw. die Dienstunfähigkeit i.S.d. § 26 BeamtStG i.V.m. Art. 65 BayBG bereits feststeht. Sinn und Zweck der Zurückstellung ist es gerade, Zweifeln hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung nachgehen zu können und sich unter Hinzuziehung des ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei ein fachlich kompetentes Urteil einzuholen (vgl. VG München, U.v. 20.9.2006 a.a.O. Rn. 19). Es ist daher nicht zu beanstanden, bei Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung des Beamten die Beförderung zunächst zurückzustellen, um den Gesundheitszustand und damit auch die zu treffende Prognose im Rahmen der Ermessensentscheidung über die künftige Fähigkeit, die Dienstpflichten weiterhin erfüllen zu können, richtig einschätzen zu können (vgl. VG München U.v. 2.11.2010 a.a.O. Rn. 24). Ist - wie im vorliegenden Fall - ein Beamter bereits längere Zeit dienstunfähig erkrankt, geht der Dienstherr der Frage der Dienstfähigkeit durch Einholung eines polizeiärztlichen Zeugnisses nach und lässt sich im Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung keine sichere Prognose darüber anstellen, dass und ggf. wann der Beamte die (Polizei-) Dienstfähigkeit wieder erlangen wird, steht dies einer Beförderung daher entgegen (vgl. VG Regensburg U.v. 31.10.2012 - RO 1 K 11.776; BayVGH, B.v. 17.12.2013 - 3 CE 13.2171 -, Rn. 30, juris).
26
Vorliegend lagen und liegen berechtigte Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Klägers für das Beförderungsamt, welches höhere Anforderungen stellt als das gegenwärtige Amt des Klägers, vor. Bei dem Kläger liegt aufgrund seiner erheblichen Fehlzeiten in den letzten Jahren eine längere Erkrankung vor. Diese langen Fehlzeiten berechtigten den Dienstherren bereits, die Frage der gesundheitlichen Eignung vor einer Beförderung durch einen Polizeiarzt abklären zu lassen, auch wenn bereits polizeiärztliche Untersuchungen zuvor stattfanden, die lediglich bestimmte Verwendungseinschränkungen vorsahen. Insbesondere auch vor dem Hintergrund des Ansteigens der krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers im Jahr 2019 auf 278 Tage lagen berechtigte Zweifel an der gesundheitlichen Eignung für ein höherwertiges Amt vor, die eine erneute Abklärung durch einen Polizeiarzt erforderten. Diese Zweifel konnten bislang auch nicht ausgeräumt werden. Zwar wurde in dem Gutachten vom 12. Februar 2020 festgehalten, dass eine Verwendung im Innendienst möglich sei. Zugleich wurde aber auch festgehalten, dass zur Abklärung der Auffälligkeiten und der neuropsychologischen Defizite eine externe Begutachtung mit neuropsychologischen Zusatzgutachten notwendig sei, das Ergebnis der weiterführenden Untersuchung abzuwarten sein werde und dieses für die weitere Verwendbarkeit des Beamten mitbestimmend sein werde. Überdies wurde ein Verdacht auf beginnende dementielle Entwicklung sowie differentialdiagnostisch sonstige neuropsychologische Defizite und/oder akzentuierte Persönlichkeit und nicht näher bezeichnete Verhaltensstörung beim Kläger diagnostiziert.
27
Gegen das polizeiärztliche Gutachten vom 12. Februar 2020 bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Einschätzung des Ärztlichen Dienstes der Polizei fehlerhaft oder gar willkürlich war. Die Krankheitsgeschichte des Klägers war dem Polizeiarzt, insbesondere auch aufgrund der vielen vorangegangenen polizeiärztlichen Untersuchungen, bekannt. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Polizeiarzt das Gutachten nicht objektiv erstellt hat. Zwar ließ der Kläger hierzu ausführen, der Polizeiarzt habe sich nur auf die Aussagen der Beklagten verlassen und nicht auf die von ihm vorgelegten Atteste. Festzuhalten bleibt dabei zunächst, dass den Polizeiärzten bezüglich der Frage der Dienstfähigkeit eines Polizisten aufgrund des bei ihnen vorhandenen besonderen Wissens um die Anforderungen des Polizeidienstes, Vorrang einzuräumen ist vor den Angaben von behandelnden Ärzten. Zudem lagen dem Polizeiarzt ausweislich des Gutachtens die vom Kläger vorgelegten Schreiben des Dr. S. vom 23. Dezember 2019 sowie zwei Schreiben des Dr. D. vom 19. Dezember 2019 vor, deren Inhalt er in dem Gutachten beschreibt. Somit hat der Polizeiarzt sich nicht nur auf die Aussagen des Beklagten verlassen, sondern auch die Aussagen der behandelnden Ärzte zur Kenntnis genommen. Insbesondere war der Kläger dem Polizeiarzt auch bereits aus vorangegangen Untersuchungen persönlich bekannt. Auch bei den vorangegangenen polizeiärztlichen Untersuchungen wurden Schreiben der behandelnden Ärzte zur Kenntnis genommen. Das Gutachten vom 12. Februar 2020 ist nachvollziehbar und schlüssig und beruht insbesondere auch auf eigenen Testungen des Arztes, die die Befunde des Arztes bestätigen, sodass auch nicht der Ansicht des Klägers zu folgen ist, dass der Arzt seine Meinung nicht durch Tatsachen untermauert hat.
28
Das Ergebnis der weiterführenden Untersuchung, welche im Klinikum N. stattfand, stand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht fest, sodass eine endgültige Klärung der gesundheitlichen Eignung noch nicht erfolgte. Jedoch bleibt zu berücksichtigen, dass der Kläger bereit seit dem 17. Februar 2020 bis über den Tag der mündlichen Verhandlung hinaus weiterhin dienstunfähig krankgeschrieben ist. Allein dieser lange krankheitsbedingte Fehlzeitraum führt zu berechtigten Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung des Klägers für das Beförderungsamt. Dieser lange krankheitsbedingte Fehlzeitraum konnte in dem Gutachten vom 12. Februar 2020 denk-notwendig noch keine Berücksichtigung finden, sodass der Zurückstellung von der Beförderung auch über den Februar hinaus nicht entgegensteht, dass das Gutachten vom 12. Februar 2020 davon ausgeht, dass eine Verwendung im Innendienst möglich ist. Aufgrund der langen Erkrankung des Klägers ist es nicht zu beanstanden, die Beförderung bis zu einer endgültigen Klärung über die gesundheitliche Eignung zurückzustellen. Bis zur endgültigen Klärung der gesundheitlichen Eignung besteht kein Anspruch des Klägers, dass neu über seine Beförderung entschieden wird.
29
Soweit der Kläger beantragt hat, dass über die Beförderung rückwirkend zum 1. Januar 2020 neu entschieden werde solle, so steht dem zudem § 8 Abs. 4 BeamtStG entgegen. Aus § 8 Abs. 4 BeamtStG folgt, dass eine rückwirkende Beförderung unzulässig ist (BayVGH, B.v. 27. März 2015 - 3 ZB 14.727 -, Rn. 6, juris). Wegen der konstitutiven Wirkung der Aushändigung der Urkunde ist die Ernennung erst mit dem tatsächlichen Aushändigen der Urkunde wirksam (vgl. BT-Drs. 16/4027, 23). Ist in der Urkunde gleichwohl ein vor dem Zeitpunkt der Aushändigung liegendes Wirksamkeitsdatum genannt, so ist die Ernennung nur „insoweit“ unwirksam, das heißt sie ist nicht etwa nichtig, sondern wird (erst) ab dem Zeitpunkt der Aushändigung wirksam (BeckOK BeamtenR Bund/Thomsen, 20. Ed. 1.4.2020, BeamtStG § 8 Rn. 29). Sollte sich nach der endgültigen Klärung der gesundheitlichen Eignung herausstellen, dass der Kläger bereits zu einem Zeitpunkt ab dem 1. Januar 2020 für das höherwertige Amt gesundheitlich geeignet war, so bleibt es dem Kläger unbenommen eventuelle Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Für das hiesige Verfahren sind diese jedoch nicht von Bedeutung.
30
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.