LArbG München, Urteil v. 09.12.2020 – 5 Sa 434/20
Titel:

Neue Entgeltordnung, Stufenlaufzeit, Endstufe TVöD-VKA

Normenketten:
TVöD-VKA §§ 16, 17
TVÜ-VKA §§ 29 ff
Schlagworte:
Neue Entgeltordnung, Stufenlaufzeit, Endstufe TVöD-VKA
Vorinstanz:
ArbG München, Endurteil vom 26.02.2020 – 8 Ca 8870/18
Rechtsmittelinstanz:
BAG Erfurt, Urteil vom 25.11.2021 – 6 AZR 150/21
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 53356

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 26.02.2020, Az.: 8 Ca 8870/18 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die zutreffende Einstufung des Klägers und die daraus resultierende Vergütungspflicht.
2
Der Kläger ist seit dem 01.03.1991 bei der Beklagten als Schichtmeister im E. beschäftigt. Vor Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung (EGO) war der Kläger vom 01.10.2007 bis 31.12.2016 in die Entgeltgruppe (EG) 9 Stufe 5 TVöD (Endstufe) eingruppiert (sog. kleine 9).
3
Zum 01.01.2017 wurde der Kläger in die neue EGO des TVöD-VKA übergeleitet. Die hierfür maßgeblichen Vorschriften des TVÜ-VKA lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 29 Grundsatz
(1) 1Für die in den TVöD übergeleiteten Beschäftigten (§ 1 Abs. 1) sowie für die zwischen dem Inkrafttreten des TVöD und dem 31. Dezember 2016 neu eingestellten Beschäftigten (§ 1 Abs. 2), deren Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 2016 hinaus fortbesteht, gelten ab dem 1. Januar 2017 für Eingruppierungen § 12 (VKA) und § 13 (VKA) TVöD in Verbindung mit der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD. 2Diese Beschäftigten sind zum 1. Januar 2017 gemäß den nachfolgenden Regelungen in die Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) übergeleitet. …
§ 29 a Besitzstandsregelungen
(1) 1Die Überleitung erfolgt unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit. 2Eine Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierungen findet aufgrund der Überleitung in die Entgeltordnung für den Bereich der VKA nicht statt.“
Protokollerklärung zu Absatz 1:
Die Zuordnung zu der Entgeltgruppe des TVöD nach der Anlage 1 oder 3 TVÜ-VKA in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung gilt als Eingruppierung.
(2) Hängt die Eingruppierung nach § 12 (VKA) und § 13 (VKA) TVöD in Verbindung mit der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD von der Zeit einer Tätigkeit oder Berufsausübung ab, wird die vor dem 1. Januar 2017 zurückgelegte Zeit so berücksichtigt, wie sie zu berücksichtigen wäre, wenn § 12 (VKA) und § 13 (VKA) TVöD sowie die Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD bereits seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses gegolten hätten.
§ 29 b Höhergruppierungen
(1) 1Ergibt sich nach der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD eine höhere Entgeltgruppe, sind die Beschäftigten auf Antrag in der Entgeltgruppe eingruppiert, die sich nach § 12 (VKA) TVöD ergibt. 2Der Antrag kann nur bis zum 31. Dezember 2017 gestellt werden (Ausschlussfrist) und wirkt auf den 1. Januar 2017 zurück; nach dem Inkrafttreten der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD eingetretene Änderungen der Stufenzuordnung in der bisherigen Entgeltgruppe bleiben bei der Stufenzuordnung nach den Absätzen 2 bis 5 unberücksichtigt. 3Ruht das Arbeitsverhältnis am 1. Januar 2017, beginnt die Frist von einem Jahr nach Satz 1 mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit; der Antrag wirkt auf den 1. Januar 2017 zurück.
(2) 1Die Stufenzuordnung in der höheren Entgeltgruppe richtet sich nach den Regelungen für Höhergruppierungen (§ 17 Abs. 4 TVöD in der bis zum 28. Februar 2017 geltenden Fassung). 2War die/der Beschäftigte in der bisherigen Entgeltgruppe der Stufe 1 zugeordnet, wird sie/er abweichend von Satz 1 der Stufe 1 der höheren Entgeltgruppe zugeordnet; die bisher in Stufe 1 verbrachte Zeit wird angerechnet.
(3) 1Sind Beschäftigte, die eine Besitzstandszulage nach § 9 erhalten, auf Antrag nach Absatz 1 höhergruppiert, entfällt die Besitzstandszulage rückwirkend ab dem 1. Januar 2017. 2Abweichend von Absatz 2 Satz 1 wird für die Anwendung des § 17 Abs. 4 Satz 1 und 2 TVöD in der bis zum 28. Februar 2017 geltenden Fassung zu dem jeweiligen bisherigen Tabellenentgelt die wegfallende Zulage hinzugerechnet und anschließend der Unterschiedsbetrag ermittelt.
Protokollerklärung zu Absatz 3:
Im Falle einer Höhergruppierung über mehr als eine Entgeltgruppe wird die Besitzstandszulage nach § 9 nur in der Ausgangsentgeltgruppe dem Tabellenentgelt hinzugerechnet.
(4) 1Sind Beschäftigte, die eine Besitzstandszulage nach § 29 a Abs. 3 erhalten, auf Antrag nach Absatz 1 höhergruppiert, entfällt die Besitzstandszulage rückwirkend ab dem 1. Januar 2017. 2Ergibt sich durch die Höhergruppierung die Zuordnung zu einer niedrigeren Stufe als in der bisherigen Entgeltgruppe, wird abweichend von Absatz 2 Satz 1 die in der bisherigen Stufe zurückgelegte Stufenlaufzeit auf die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe angerechnet. 3Ist dadurch am Tag der Höhergruppierung in der höheren Entgeltgruppe die Stufenlaufzeit zum Erreichen der nächsthöheren Stufe erfüllt, beginnt in dieser nächsthöheren Stufe die Stufenlaufzeit neu. 4§ 29 a Abs. 4 findet keine Anwendung.
§ 29 c Besondere Überleitungsregelungen …
(3) 1Beschäftigte der Entgeltgruppe 9, für die gemäß des Anhangs zu § 16 (VKA) TVöD in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung die Stufe 5 Endstufe ist, sind unter Mitnahme der in ihrer Stufe zurückgelegten Stufenlaufzeit in die Stufe der Entgeltgruppe 9 a übergeleitet, deren Betrag dem Betrag ihrer bisherigen Stufe entspricht. 2Für Beschäftigte, die am 31. Dezember 2016 der Stufe 2 zugeordnet sind, finden bis zum 31. Januar 2017 die Tabellenwerte der Stufe 2 nach dem Stand vom 31. Dezember 2016 Anwendung. 3Ist bei Beschäftigten, die am 31. Dezember 2016 der Stufe 4 zugeordnet sind, bei der Überleitung am 1. Januar 2017 in die Entgeltgruppe 9 a die Stufenlaufzeit zum Erreichen der Stufe 5 erfüllt, werden sie der Stufe 5 zugeordnet. 4Ist in der bisherigen Stufe 4 eine über vier Jahre hinausgehende Stufenlaufzeit zurückgelegt, wird die darüber hinaus zurückgelegte Stufenlaufzeit auf die Stufenlaufzeit in der Stufe 5 der Entgeltgruppe 9 a angerechnet.
Protokollerklärung zu den Absätzen 2 und 3:
Die Zuordnung zu einer individuellen Zwischen- oder Endstufe bleibt unberührt.
(5) Fallen am 1. Januar 2017 ein Stufenaufstieg und die Höhergruppierung nach § 29 b Abs. 1 zusammen, erfolgt erst der Stufenaufstieg und anschließend die Höhergruppierung.
4
§ 16 TVöD-VKA in der bis zum 28.02.2017 geltenden Fassung lautete auszugsweise:
§ 16 (VKA) Stufen der Entgelttabelle
(1) 1Die Entgeltgruppen 2 bis 15 umfassen sechs Stufen. 2Die Abweichungen von Satz 1 sind im Anhang zu § 16 (VKA) geregelt.
(3) 1Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe - von Stufe 3 an in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 17 Abs. 2 - nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):
- -Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,
- -Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,
- -Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3,
- -Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4 und
- -Stufe 6 nach fünf Jahren in Stufe 5.
2Die Abweichungen von Satz 1 sind im Anhang zu § 16 (VKA) geregelt.
5
Der Anhang zu § 16 (VKA) in der vom 01.01.2010 bis 31.12.2016 gültigen Fassung lautete auszugsweise wie folgt:
„Besondere Stufenregelungen für vorhandene und neu eingestellte Beschäftigte (VKA)
I.“
(1) Abweichend von § 16 (VKA) Abs. 1 Satz 1 ist Endstufe …
c) in der Entgeltgruppe 9 die Stufe 5 bei Tätigkeiten entsprechend
- Vergütungsgruppe V b BAT/BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen ohne Aufstieg nach IV b,
- Vergütungsgruppe V b BAT/BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen nach Aufstieg aus V c,
- Vergütungsgruppe V b BAT/BAT-O nach Aufstieg aus VI b (Lehrkräfte), …
6
Gem. § 29c Abs. 3 S. 1 TVÜ-VKA wurde der Kläger zunächst zum 01.01.2017 von der EG 9 Stufe 5 TVöD (Endstufe) in die neue EGO in EG 9a Stufe 6 TVöD übergeleitet, da dieser Betrag dem bisherigen Bruttobetrag entsprach. Eine bis dahin gewährte Meisterzulage wurde ab 01.01.2017 besitzstandsweise fortgezahlt.
7
Der Kläger stellte am 05.10.2017 einen Höhergruppierungsantrag in die EG 9b. Eine Höhergruppierung erfolgte sodann rückwirkend zum 01.01.2017 in die EG 9b Stufe 5 TVöD. Gemäß § 29b Abs. 4 S. 1 TVÜ entfiel aufgrund der beantragten Höhergruppierung die besitzweise gewährte Meisterzulage rückwirkend zum 01.01.2017.
8
Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass er in die EG 9b Stufe 6 statt Stufe 5 einzugruppieren ist. Bei der Höhergruppierung sei er in eine niedrigere Stufe als in der bisherigen EG eingruppiert worden. In diesem Fall sei die in der bisherigen Stufe zurückgelegte Stufenlaufzeit auf die Stufenlaufzeit in der höheren EG anzurechnen (§ 29b Abs. 4 S. 2 TVÜ-VKA). Gleichzeitig ergebe sich aus § 29c Abs. 3 S. 1 TVÜ-VKA, dass für die Berechnung der bisher in Stufe 6 zurückgelegten Stufenlaufzeit die bis zum 31.12.2016 in der EG 9 Stufe 5 TVöD (Endstufe) zurückgelegten Zeiten hinzuzurechnen seien. Da diese bereits mehr als 5 Jahre betragen hätten, wäre er zum 01.01.2017 bereits in die EG 9b Stufe 6 einzustufen gewesen. Die Beklagte verkenne die Regelung des § 29b Abs. 4 S. 2 u. 3 TVÜVKA, die eine Anrechnung seiner Stufenlaufzeit zum 01.01.2017 vorsehe. Die Zuordnung zu einer niedrigeren Stufe ergebe sich aus dem Vergleich mit der ursprünglich zum 01.01.2017 erfolgten Eingruppierung in die EG 9a Stufe 6.
9
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.01.2017 in die Entgeltgruppe 9b Stufe 6 EGO einzustufen und den Kläger ab dem 01.01.2017 gem. Entgeltgruppe 9b Stufe 6 EGO zu vergüten und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der Entgeltgruppe 9b Stufe 6 und der Entgeltgruppe 9b Stufe 5 beginnend ab dem 01.01.2017 und zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt an in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen hat.
10
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
11
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Anrechnung einer Stufenlaufzeit vor dem 01.01.2017 auf die Einstufung nach dem Antrag auf Höhergruppierung rückwirkend zum 01.01.2017 nicht möglich ist, da es bis zum 31.12.2016 in der Stufe 5 als Endstufe keine Stufenlaufzeiten gegeben habe. Die Beklagte habe auch nicht die Regelung des § 29b Abs. 4 TVÜ übersehen. Diese käme ihrer Ansicht nach im vorliegenden Sachverhalt aber nicht zum Tragen, da je nach Auslegung der Vorschrift entweder eine Stufenlaufzeit in Stufe 6 von Null bestanden habe oder eine Zuordnung zu einer niedrigeren Stufe nicht erfolgt sei. Betrachte man den Zeitraum ab 01.01.2017, so wäre der Kläger lediglich für eine juristische Sekunde in der Stufe 6 gewesen, da die Höhergruppierung rückwirkend erfolgte und es schon deshalb keine Stufenlaufzeit gebe. Vergleiche man die Zeiträume bis 31.12.2016 und nach der Höhergruppierung ab 01.01.2017, so fehle es an einer Zuordnung in eine niedrigere Stufe, da der Kläger in beiden Zeiträumen jeweils in Stufe 5 eingruppiert gewesen ist.
12
Mit Endurteil vom 26.02.2020, Az.: 8 Ca 8870/18 auf das hinsichtlich seiner tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht München die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass sich weder aus der Regelung des § 29b Abs. 4 S. 2 TVÜ-VKA noch aus einem Zusammenspiel von § 29b Abs. 4 S. 2 TVÜ-VKA mit § 29c Abs. 3 S.1 TVÜ-VKA ein Anspruch des Klägers auf eine Eingruppierung in die EG 9b Stufe 6 ergebe.
13
Für die vorliegende antragsgemäße Höhergruppierung treffe § 29b TVÜ-VKA eine eigenständige Regelung. Es möge zwar sein, dass durch die Höhergruppierung in die EG 9b Stufe 5 im Vergleich zu der zunächst zum 01.01.2017 erfolgten Eingruppierung in die EG 9a Stufe 6 eine Zuordnung zu einer niedrigeren Stufe erfolgt sei, wenn man davon ausgehe, dass die Regelung des § 29b TVÜ-VKA eine bereits erfolgte Überleitung voraussetzt. Der Kläger habe jedoch in der Stufe 6 keinerlei anrechenbare Stufenlaufzeit vorzuweisen. Bei einer rückwirkenden Höhergruppierung zum 01.01.2017 sei allein aus zeitlicher Sicht keine Stufenlaufzeit absolviert.
14
Auch aus tarifsystematischer Sicht liege keine anrechenbare Stufenlaufzeit vor. Die Beschäftigungszeiten in der bisherigen Endstufe 5 könnten nicht auf die Stufe 6 angerechnet werden. § 29c Abs. 3 S. 1 TVÜ-VKA regele die Überleitung für Beschäftigte, die bislang in der sog. kleinen 9 eingruppiert waren. Die darin geregelte Mitnahme der in der jeweiligen Stufe zurückgelegten Stufenlaufzeiten gelte für den Kläger nicht, da in einer Endstufe keine tarifvertraglich anrechenbaren Stufenlaufzeiten zurückgelegt würden. Dies folge daraus, dass bei Erreichen einer Endstufe ein weiterer Aufstieg innerhalb der jeweiligen Entgeltgruppe nicht mehr möglich ist. Die Tarifvertragsparteien hätten keine Formulierung gewählt, die sämtliche in den jeweiligen Stufen verbrachten Zeiten erfassen solle. Daher könne auch kein dahingehender Wille erkannt werden, ausnahmsweise auch rückwirkend für die bisherige Endstufe 5 eine Stufenlaufzeit zu definieren. Um dem Antrag des Klägers stattgeben zu können, müsse im Ergebnis eine nachträgliche Stufenlaufzeit in einer Endstufe konstruiert werden. Dafür enthielten die Regelungen im TVÜ-VKA keine Anhaltspunkte.
15
Die Regelung des § 29c Abs. 3 S. 1 TVÜ-VKA werde durch diese einschränkende Auslegung auch nicht sinnentleert. Für die bisherigen Stufen 1 bis 4 wirke sich der Regelungsgehalt voll aus. In diesen Stufen habe die Aussicht bestanden, nach Ablauf der erforderlichen Jahre in der jeweiligen Stufe, eine Stufe höher zu steigen. Für diese Beschäftigten habe es deshalb einer expliziten Regelung bedurft, dass die bisherigen Stufenlaufzeiten fortgelten und nicht durch die möglicherweise eintretende Höherstufung aufgrund Betragsidentität die Stufenlaufzeiten erneut beginnen, wie es § 17 Abs. 4 S. 2 TVöD vorsieht. Dies wollten die Tarifvertragsparteien bei der Eingruppierung in die neue EGO explizit verhindern. Grundsätzlich ziehe jede Höhergruppierung den Neubeginn der Stufenlaufzeit nach sich (§ 17 Abs. 4 S. 3 TVöD). Ausnahmen müssten explizit geregelt werden.
16
Dem Kläger entstehe durch diese Auslegung auch kein Nachteil, da er betragsmäßig in die EG 9a Stufe 6 und damit ebenfalls in die Endstufe übergeleitet worden ist. Der Kläger habe vor der Überleitung in die neue EGO - anders als die Beschäftigten in den unteren Stufen - keine Aussicht auf eine Gehaltserhöhung durch einen Stufenaufstieg gehabt. Gleiches habe auch für die Eingruppierung in 9a Stufe 6 gegolten. Durch die Höhergruppierung in die EG 9b Stufe 5 erhalte der Kläger nun erstmalig die Chance, nach Ablauf der Stufenlaufzeit in der Stufe 5 eine Gehaltserhöhung durch den Stufenaufstieg in die Endstufe 6 zu erhalten.
17
Ein Wille der Tarifvertragsparteien dahingehend, eine etwaige Ungerechtigkeit bei der Einstufung dienstälterer Arbeitnehmer zu beseitigen und ihnen zu einem Gehaltssprung zu verhelfen, sei nicht erkennbar. Vielmehr zeichne sich die Überleitung in die neue EGO dadurch aus, dass häufig auf eine betragsmäßige Gleichstellung abgestellt wird. Bereits die Regelung des § 29c Abs. 3 S. 1 TVÜ-VKA stelle auf eine Überleitung in die Stufe ab, deren Betrag dem Betrag der bisherigen Stufe entspreche. Auch ein Vergleich innerhalb der Höhergruppierungen zeige für die Stufen 1, 3 und 4 eine lediglich betragsmäßig identische Höhergruppierung zwischen den EG 9a und 9b. Die Tarifvertragsparteien hätten somit gerade keine allgemeinen Gehaltserhöhungen regeln wollen.
18
Gegen dieses ihm am 16.03.2020 zugestellte Endurteil wendet sich der Kläger mit seiner am 02.04.2020 eingelegten und innerhalb verlängerter Frist am 05.06.2020 begründeten Berufung.
19
Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger im Wesentlichen unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor, dass das Urteil des Arbeitsgerichts die relevanten Vorschriften nicht richtig ausgelegt habe und bei zutreffender Anwendung der §§ 29 c Abs. 3 Satz 1 und 29 b Abs. 4 Satz 2 TVÜ-VKA rückwirkend zum 01.01.2017 eine Eingruppierung in die EG 9b Stufe 6 erfolgen müsse. § 29 c Abs. 3 Satz 1 TVÜ-VKA sei schon vom Wortlaut her anders zu verstehen und enthalte für Beschäftigte der EG 9 eine Ausnahmereglung von der grundsätzlichen Regelung des § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD. Aus den Regelungen ergebe sich, dass ein bisheriger Beschäftigter der sog. „kleinen 9“ in die EG 9a unter Mitnahme der in seiner Stufe zurückgelegten Stufenlaufzeit übergeleitet werde und anschließend aufgrund eines Höhergruppierungsantrages für die EG 9 b unter Wegfall der Besitzstandszulage in die EG 9 b unter Anrechnung der in der bisherigen Stufe zurückgelegten Stufenlaufzeit höhergruppiert. Damit sei auch erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien für diese Ausnahmefälle mit der entsprechenden Wirkung eine Regelung treffen wollten und getroffen haben. Hätten die Tarifvertragsparteien bestimmte Stufen von dieser Regelung wiederum ausnehmen wollen, hätten sie dies wiederum explizit regeln müssen.
20
Der Kläger beantragt,
1.
Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 26.02.2020 wird aufgehoben.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.01.2017 in die Entgeltgruppe 9b Stufe 6 EGO einzustufen und den Kläger ab dem 01.01.2017 gem. Entgeltgruppe 9b Stufe 6 EGO zu vergüten und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der Entgeltgruppe 9b Stufe 6 und der Entgeltgruppe 9b Stufe 5 beginnend ab dem 01.01.2017 und zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt an in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen hat.
21
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
22
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Bei der Stufe 5 der EG 9 des TVöD handele es sich um eine Endstufe (sog. „kleine EG 9“). In einer Endstufe könnten keine tarifvertraglich anrechenbaren Stufenlaufzeiten zurückgelegt werden.
23
Zum 01.01.2017 sei der Kläger auf der Grundlage des § 29 c Abs. 3 Satz 1 TVÜ-VKA in die neue EGO des TVöD übergeleitet und zunächst in die neue EG 9a Stufe 6 TVöD eingruppiert worden. Nachdem der Kläger am 05.10.2017 einen Höhergruppierungsantrag in die EG 9 b TVöD gestellt habe, sei entsprechend § 29 b Abs. 4 TVÜ-VKA rückwirkend zum 01.01.2017 seine Höhergruppierung in die EG 9 b Stufe 5 TVöD erfolgt. Die Auslegung des Klägers sei rechtsirrig und treffe auch aus tarifsystematischer Sicht nicht zu, weil der Kläger in der ursprünglichen (kleinen) EG 9 Stufe 5 TVöD überhaupt keine Stufenlaufzeit zurückgelegt habe, da zum damaligen Zeitpunkt diese Stufe 5 eine Endstufe war.
24
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 04.06.2020 und 04.08.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
I.
26
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
27
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Einstufung in die EG 9b Stufe 6 statt Stufe 5 der neuen Entgeltordnung TVöD-VKA und dementsprechende Bezahlung.
28
1. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf das Zusammenspiel von §§ 29 b Abs. 4 Satz 2 und 29 c Abs. 3 Satz 1 TVÜ-VKA. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf eine höhere Einstufung setzt daher voraus, dass er bei seiner Überleitung zum 01.01.2017 über eine Stufenlaufzeit verfügt hat, die er gem. § 29 c Abs. 3 Satz 1 TVÜ-VKA als Beschäftigter der sog. „kleinen 9“ in die neue EG 9a mitnehmen konnte. Nur dann kommt eine Höhergruppierung rückwirkend zum 01.01.2017 in Betracht, die gem. § 29 b Abs. 4 Satz 2 TVÜ-VKA als Ausnahme von der grundsätzlichen Regelung in § 29 b Abs. 2 S. 1 TVÜ-VKA i.V.m. des § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD in der bis zum 28. Februar 2017 geltenden Fassung unter Anrechnung der in der bisherigen Stufe zurückgelegte Stufenlaufzeit auf die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe, hier EG 9b erfolgt. Wären auf diese Weise die Zeiten einer Tätigkeit des Klägers in der Endstufe 5 der „kleinen 9“ von mehr als fünf Jahren als Stufenlaufzeit für die Stufenzuordnung in der EG 9b zu berücksichtigen gewesen, hätte dies eine Einstufung bereits zum 01.01.2017 in die EG 9b Stufe 6 zur Folge gehabt.
29
2. Eine solche anrechenbare Stufenlaufzeit für die Höhergruppierung bestand für den Kläger nicht.
30
2.1 Zunächst ist mit dem Arbeitsgericht und den Parteien nach dem Wortlaut des Tarifvertrages davon auszugehen, dass die Regelung des § 29b TVÜ-VKA eine bereits erfolgte Überleitung voraussetzt und diese zunächst zum 01.01.2017 gem. der speziellen Regelung in § 29c Abs. 3 S. 1 TVÜ-VKA in die EG 9a Stufe 6 erfolgt ist.
31
Für die Auslegung von Tarifnormen ist genauso, wie für die Auslegung von Gesetzesnormen zunächst vom Wortlaut auszugehen. Außerdem ist über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, wie er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Für die bei Zweifeln darüber hinaus mögliche Heranziehung weiterer Auslegungskriterien (Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages) gibt es keinen Zwang zu einer bestimmten Reihenfolge (BAG 14.08.1991, 4 AZR 649/90 und BAG 12.09.1984, 4 AZR 336/82, NZA 1985, 160).
32
Für die Anwendung von § 29b TVÜ-VKA auf der Basis einer bereits nach den einschlägigen Vorschriften stattgefundenen Überleitung spricht die Formulierung in §§ 29 Abs. 1 S. 2 und 29c Abs. 3 S. 1 TVÜ-VKA „… sind … übergeleitet“. Entsprechend dem tariflichen Gesamtzusammenhang folgt nach der automatischen Überleitung sodann für eine nach den neuen Eingruppierungsregelungen berechtigte Höhergruppierung die Notwendigkeit eines Antrages gem. § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA.
33
Die auf Antrag des Klägers erfolgte Höhergruppierung in die EG 9b Stufe 5 ist daher in Vergleich zu setzen mit der betragsmäßigen Überleitung in die EG 9a Stufe 6 und nicht mit der bis 31.12.2016 geltenden Eingruppierung in EG 9 Stufe 5 („kleine 9“). Im Verhältnis zu der EG 9a Stufe 6 ist die Höhergruppierung in die EG 9b Stufe 5 auf einer niedrigeren Stufe erfolgt, so dass grundsätzlich § 29b Abs. 4 S. 2 TVÜVKA zur Anwendung kommt und hiernach die in der bisherigen Stufe zurückgelegte Stufenlaufzeit auf die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe angerechnet wird.
34
2.2 Entgegen der Ansicht des Klägers bestand dennoch für ihn keine anrechenbare Stufenlaufzeit i.S. dieser Regelung, die er mitnehmen konnte.
35
2.2.1 Der Kläger hatte nach seiner Überleitung zum 01.01.2017 in die EG 9a Stufe 6 in dieser Stufe rein faktisch keine Stufenlaufzeit vorzuweisen. Bei einer rückwirkenden Höhergruppierung zum 01.01.2017 gab es keinen Zeitraum, den der Kläger in dieser Entgeltgruppe zurückgelegt hat.
36
2.2.2 Zudem konnte der Kläger auf der Stufe 6 als Endstufe der EG 9a gem. § 16 Abs. 1 TVöD-VKA keine Stufenlaufzeit zurücklegen. Das ergibt sich aus dem Begriff „Stufenlaufzeit“ und dem Tarifzusammenhang.
37
Was unter „Stufenlaufzeit“ zu verstehen ist, ist in § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöDVKA umschrieben. Darin heißt es, dass die Beschäftigten „die jeweils nächste Stufe … nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit)“ erreichen. Unter „Stufenlaufzeit“ sind dementsprechend Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe zu verstehen, die zum Erreichen der nächst höheren Stufe führen, also quasi zwischen zwei Stufen liegen. Bei Erreichen einer Endstufe ist ein weiterer Aufstieg innerhalb der jeweiligen Entgeltgruppe nicht mehr möglich. Wenn es keine nächste Stufe mehr gibt, kann auf dieser Stufe (Endstufe) auch keine Stufenlaufzeit zurückgelegt werden. Gem. § 16 Abs. 1 TVöD-VKA ist die Stufe 6 die Endstufe der EG 9a.
38
2.2.3 In die Stufe 6 der EG 9a konnte der Kläger auch gem. § 29c Abs. 3 S. 1 TVÜ-VKA keine Stufenlaufzeit mitbringen, die er zuvor in der EG 9 Stufe 5 (Endstufe) zurückgelegt hatte. Zwar sieht § 29c Abs. 3 S. 1 TVÜ-VKA für Beschäftigte der Entgeltgruppe 9, für die gem. des Anhangs zu § 16 (VKA) TVöD in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung die Stufe 5 Endstufe ist, grundsätzlich vor, dass sie unter Mitnahme der in ihrer Stufe zurückgelegten Stufenlaufzeit in die Stufe der Entgeltgruppe 9 a übergeleitet werden, deren Betrag dem Betrag ihrer bisherigen Stufe entspricht. Diese Regelung fand auch auf den Kläger als Beschäftigten der sog. „kleinen 9“ gem. I. Abs. 1 c) des Anhangs zu § 16 (VKA) in der vom 01.01.2010 bis 31.12.2016 gültigen Fassung Anwendung und er wurde betragsmäßig in die Stufe 6 (Endstufe) der EG 9a übergeleitet. Allerdings war der Kläger zuvor bereits in Stufe 5 und damit in der Endstufe der „kleinen 9“ eingruppiert, in der es aus den unter 2.2.2 genannten Gründen keine Stufenlaufzeit mehr gibt.
39
Es ist entgegen der Ansicht des Klägers unschädlich, dass der Wortlaut keine eigene Regelung für die Stufe 5 enthält. Da es in einer Endstufe keine Stufenlaufzeit geben kann, scheidet eine Mitnahme dieser nicht vorhandenen Stufenlaufzeit ohnehin aus. Daher kommt eine Mitnahme der Stufenlaufzeit nur für die Stufen 1-4 in Betracht (s. auch Burger-Spengler/Dick, TVöD AT § 17, Rn 34; BeckOK TVöD-Felix TVöD-AT § 17 Rn. 101). Dementsprechend enthält auch § 29c Abs. 3 S. 4 TVÜVKA nur eine Regelung dafür, dass für den Fall, dass in der bisherigen Stufe 4 eine über vier Jahre hinausgehende Stufenlaufzeit zurückgelegt wird, diese auf die Stufenlaufzeit in der Stufe 5 der EG 9a angerechnet wird. Eine Regelung für die Anrechnung von Stufenlaufzeiten, die sich auf eine Endstufe bezieht, wie z.B. die bisherige Stufe 5 der „kleinen 9“ oder die Regelendstufe - die Stufe 6 -, findet sich folgerichtig im Tarifvertrag und in den Überleitungsregelungen nicht. Diese Systematik bestätigt, dass eben in der bisherigen Stufe 5 keine „Stufenlaufzeiten“ bis zum Erreichen der nächsten Stufe zurückgelegt werden konnten.
40
2.3 Gründe für eine Unwirksamkeit der tariflichen Regelungen bestehen nicht. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, entsteht für den Kläger hierdurch auch kein Nachteil, da er zunächst betragsmäßig in die EG 9a Stufe 6 und damit ebenfalls in die Endstufe übergeleitet worden ist. Vielmehr hat der Kläger durch die Höhergruppierung in die EG 9b Stufe 5 nun erstmalig die Chance, nach Ablauf der Stufenlaufzeit in der Stufe 5 eine Gehaltserhöhung durch den Stufenaufstieg in die Endstufe 6 zu erhalten.
III.
41
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
42
Die Revision wird gem. § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen, da die streitgegenständliche Frage der Bedeutung des Begriffs „Stufenlaufzeit“ im Bereich des TVöD-VKA von grundsätzlicher Bedeutung ist.