Inhalt

LG München II, Beschluss v. 06.04.2020 – 2 T 1161/20
Titel:

Keine Leistungsverfügung auf die Beseitigung von Pferdemist

Normenkette:
ZPO § 935, § 940
Leitsätze:
1. Die Rechtsprechung lässt über die Sicherung eines Anspruchs und die vorläufige Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses hinaus ausnahmsweise eine teilweise Befriedigung zu, wenn der Antragsteller auf die sofortige Erfüllung so dringend angewiesen ist, dass er ein ordentliches Verfahren nicht abwarten kann, ohne unverhältnismäßig großen, gar irreparablen Schaden zu erleiden. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Leistungsverfügung ist insbesondere bei Not-/Zwangslage oder Existenzgefährdung außer auf Zahlung auch bei sonstigen Handlungen, z.B. bei Lieferung von Gas, Wasser und Strom und in den Fällen zulässig, in denen die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist, die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Antragsteller ist hier auf eine sofortige Erfüllung durch den Antragsgegner nicht angewiesen. Er kann nach erfolgloser Fristsetzung gegenüber dem Antragsgegner den Mist selbst beseitigen und die Kosten im Falle des Bestehens eines Anspruchs vom Antragsgegner verlangen und klageweise durchsetzen.  (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Pferdemist, Beseitigung, Leistungsverfügung, Verfügungsgrund
Vorinstanz:
AG Weilheim, Beschluss vom 20.02.2020 – 3 C 89/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 5231

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weilheim i.OB vom 20.02.2020, Az. 3 C 89/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung vom Antragsgegner die Beseitigung von Pferdemist.
2
Der Antragsteller beantragte mit Schriftsatz vom 12.02.2020, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, den auf der Flurnummer 2310 der Gemarkung Burggen befindlichen Pferdemist, der in dem Unterstand in dem südlich gelegenen Garagengebäude, mit der Nr. 1 im Lageplan (Anlage A3) bezeichnet, lagert sowie den auf dem Paddock südlich der mit Nr. 1 bezeichneten Garage gemäß Lageplan (Anlage A3) an der Garagenmauer gelagerten Pferdemist zu beseitigen und ihm für den Fall der Nichtvornahme ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu 250.000 € ersatzweise Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten anzudrohen.
3
Zur Begründung führt er aus: Der Antragsgegner sei Pächter der Reitanlage des Antragstellers. Im Rahmen des Pachtvertrages stehe dem Antragsgegner eine Mistlege für den Pferdemist zur Verfügung. Der Antragsteller habe mit dem Antragsgegner vereinbart, gegen Entgelt den Mist aus der Mistlege wegzubringen. Er habe dies ab Februar 2019 nicht mehr gemacht, weil der Antragsgegner den Mist mit einem Hoflader vom Feld hole und dabei faustgroße Steine mit erfasse. Die Steine hätten in der Vergangenheit beim Ausbringen des Mists durch den Antragsteller einen Schaden an der Scheibe des Traktors verursacht als sie durch die Rotation der Streuwalzen des Mistbreiters weggeschleudert worden seien. Außerdem habe der Antragsteller die Entsorgungskosten für den Mist nicht voll bezahlt. Da der Antragsteller also die Mistentsorgung eingestellt habe, sei nun die Mistlege voll. Daher habe der Antragsgegner begonnen, den Pferdemist auf den neben der Mistlege befindlichen Flächen, die teilweise unbefestigt seien, abzulagern. Dies habe zur Folge, dass bei Regen die Gülle unmittelbar in den Boden und damit ins Grundwasser gespült werde. Es komme zu einer erheblichen Bodenverunreinigung der gesamten Flächen, die sich in der Nähe des unsachgemäß und wasserrechtswidrig abgelagerten Pferdemists befänden. Mit Schreiben vom 27.06.2019 habe er den Antragsgegner aufgefordert worden, den rechtswidrig abgelagerten Pferdemist bis spätestens 30.06.2019 von den unbefestigten Flächen zu entfernen und es zukünftig zu unterlassen, den Pferdemist unsachgemäß abzulagern. Bereits mit Antrag vom 26.07.2019 habe er beim Amtsgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Der Antrag sei zunächst abgelehnt worden mit dem Hinweis, dass der Antragsteller zunächst die zuständigen Behörden, insbesondere das Wasserwirtschaftsamt unterrichten solle. Dies habe er getan. Der Antragsgegner habe daraufhin den Mist auf eine Wiese ausgebracht. Kurz vor Weihnachten 2019 habe der Antragsgegner dann angefangen, den Pferdemist in dem Unterstand neben der Garage abzuladen, der von ihm nicht angepachtet sei. Weiter habe er den Pferdemist auf dem überdachten, von ihm angemieteten Paddock, das sich neben dem Unterstand der Garage befinde, abgeladen. Hierdurch laufe die gesamte Gülle durch das Mauerwerk der Garage des Antragstellers. Zudem komme es durch die Dämpfe des Mists zu erheblicher Feuchtigkeit und Schimmelbildung an dem Holzgebälk des Gebäudes. Es entstehe also eine nachhaltige Substanzbeeinträchitgung des Gebäudes, wenn der Pferdemist nicht umgehend aus der unsachgemäßen Lagerung entfernt werde. Weiter werde das Mauerwerk durch die eindringende Gülle in der Substanz tagtäglich geschädigt. Auch sei die Nutzung der Garage durch den Antragsteller aufgrund der durchdringenden Gülle erheblich beeinträchtigt. Zudem komme es zu einer erheblichen Geruchsbelästigung durch den unsachgemäß abgelagerten Pferdemist. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass der Antragsgegner tagtäglich weiteren Pferdemist auf den benannten Flächen ablagere. Hierdurch drohten auch zukünftig erhebliche Substanzbeeinträchtigungen und Schäden am Eigentum des Antragstellers. Er müsse die Nutzungsbeeinträchtigungen und Schäden an seinem Eigentum und Besitz nicht hinnehmen. Der Antrag stelle keine Vorwegnahme der Hauptsache dar, da es nur um die Beseitigung des Pferdemists an den jetzigen Gebäudeteilen gehe.
4
Das Amtsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 20.02.2020 zurück gewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass bereits kein Verfügungsgrund (Eilbedürftigkeit) gemäß §§ 936, 920 II, 937 II ZPO vorliege. Auf die weiteren Ausführungen wird Bezug genommen.
5
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 18.03.2020 gegen den diesem formlos zugestellten Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt er aus, dass durch die anhaltenden Dämpfe, die Nässe und die Schimmelbildung das Gebäude in seiner Standhaftigkeit konkret gefährdet sei. Die Standpfeiler seien dauerhaften Beeinträchtigungen ausgesetzt. Demnach liege die Gefahr eines irreparablen Schadens vor, der entsprechend durch ein Schreiben der Firma H. glaubhaft gemacht worden sei.
6
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 19.03.2020 nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
II.
7
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
8
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung eine Leistung des Antragsgegners.
9
1. Nach § 940 ZPO sind einstweilige Verfügungen auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
10
2. Die Rechtsprechung lässt über die Sicherung eines Anspruchs und die vorläufige Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses hinaus ausnahmsweise eine teilweise Befriedigung zu, wenn der Antragsteller auf die sofortige Erfüllung so dringend angewiesen ist, dass er ein ordentliches Verfahren nicht abwarten kann, ohne unverhältnismäßig großen, gar irreparablen Schaden zu erleiden (Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 40. A., § 940 Rz. 6). An die Glaubhaftmachung sind strenge Anforderungen zu stellen (Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 40. A., § 940 Rz. 6).
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3. Die auf Erfüllung gerichtete einstweilige Verfügung setzt einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund nach Maßgabe der §§ 935, 940 voraus, dh es muss ein „dringendes Bedürfnis“ für die Eilmaßnahme bestehen (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 940 ZPO, Rn. 6). Der Gläubiger muss auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen sein (Verfügungsgrund), was darzulegen und glaubhaft zu machen ist (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 940 ZPO, Rn. 6).
12
4. Die Leistungsverfügung ist insbesondere bei Not-/Zwangslage oder Existenzgefährdung außer auf Zahlung (OLG Jena NJW-RR 2012, 862) auch bei sonstigen Handlungen, zB bei Lieferung von Gas, Wasser und Strom (LG Rottweil Justiz 83, 453; StJ/Grunsky vor § 935 Rn 54) und in den Fällen zulässig, in denen die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist (OLG Köln NJW-RR 95, 1088; Schuschke/Walker § 938 Rn 12), die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (OLG Jena NJW-RR 2012, 862). Bsp: Ankündigung von Erfüllungsverweigerung bei Fixgeschäft kurz vor Leistungszeit (LG München I NJW-RR 87, 958); unberechtigte Verweigerung der Übergabe von bezugsfertigen Wohnraum (KG NJW 2018, 31).
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6. Der Antragsteller ist hier auf eine sofortige Erfüllung durch den Antragsgegner nicht angewiesen. Er kann nach erfolgloser Fristsetzung gegenüber dem Antragsgegner den Mist selbst beseitigen und die Kosten im Falle des Bestehens eines Anspruchs vom Antragsgegner verlangen und klageweise durchsetzen. Durch geeignete Maßnahmen kann er auch verhindern, dass der Antragsgegner die betreffenden Flächen erneut in Anspruch nimmt. Ein Verfügungsgrund besteht somit nicht.
14
7. Zudem hat der Antragsteller den Verfügungsgrund nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Das Schreiben der Firma H. genügt nicht. Es stellt keine eidesstattliche Versicherung dar. Die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers enthält nichts zu den behaupteten Schäden.
15
8. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Leistungsverfügung nicht vor.
III.
16
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.