VG München, Urteil v. 23.09.2020 – M 9 K 19.109
Titel:
Unzulässige Klage gegen Baubehörde da die Straßenverkehrsbehörde (hier: Autobahndirektion) zuständig ist: Werbeanlage
Normenketten:
Bay BO § 56 S. 2
StVO § 33 Abs. 1 S. 2
StVO § 46
Schlagwort:
Unzulässige Klage gegen Baubehörde da die Straßenverkehrsbehörde (hier: Autobahndirektion) zuständig ist: Werbeanlage
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 30.09.2021 – 1 ZB 20.3135
Fundstelle:
BeckRS 2020, 51629
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung eines Vorbescheids für einen Werbepylon zur Eigenwerbung auf dem Grundstück seines Autohauses.
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Der Kläger betreibt auf dem Grundstück Flur Nr. 4786/3 (I.) ein Autohaus. Das Grundstück liegt im Gebiet des Bebauungsplans 177A vom 19.07.1984, der dort ein Gewerbegebiet festsetzt. Der Bebauungsplan trifft keine Regelungen für Werbeanlagen. Festgesetzt wird lediglich eine maßgebliche Wandhöhe von 15 m für bauliche Anlagen. Der vorgesehene Standort liegt in einer Entfernung 170 m Luftlinie vom Rand der befestigten Fahrbahn der Autobahn A9. Diese Angabe stammt von der Autobahndirektion Südbayern in ihrer Stellungnahme vom 23.07.2018 (Bl. 14 Behördenakte).
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Mit Antrag vom 12.04.2018 beantragte der Kläger einen Vorbescheid für einen Werbepylon mit einer Höhe von 60 m, zwei beleuchteten Werbeflächen 7x14 m, sowie einer Werbefläche 3x10 m. Gefragt wurde nach der grundsätzlichen Zustimmung zu einer Werbeanlage auf diesem Grundstück (Nr.1). Die entsprechende Zustimmung wurde erteilt und ist nicht Verfahrensgegenstand. Gefragt wurde weiter nach der Zulässigkeit eines Werbepylons wie im beigefügten Plan dargestellt (Nr.2) und nach der Genehmigungsfähigkeit der Höhe von 60 m (Nr.3).
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Die Autobahndirektion Südbayern nahm am 23.07.2018 Stellung. Das Vorhaben liege bereits außerhalb der Anbaugrenzen in einer Entfernung von 170 m vom Rand der befestigten Fahrbahn der A9 entfernt. Nach der Richtlinie zur Werbung an Autobahnen aus straßenverkehrs- und straßenrechtlicher Sicht sowie dem Einführungserlass des Staatsministeriums des Innern vom 16.10.2002 dürfe die Werbeanlage eine maximale Höhe von 20 m haben und nur Namen und Logo der Firma enthalten. Bilder und Lichtlaufbänder und Ähnliches seien ausgeschlossen. Die Zustimmung werde erteilt für eine Werbeanlage mit einer Höhe von 20 m. Die Schriftgröße der Werbetafel müsse 1/50 Entfernung zur Autobahn haben. Eine Wechselwerbung sei ausgeschlossen. Es dürfe nur der Firmenname oder das Firmenlogo auf der Werbetafel stehen. Die Werbefläche dürfe nur so groß sein wie die Schriftgröße es erfordere.
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Mit Bescheid 06.12.2018 lehnte die Beklagte den beantragten Vorbescheid ab. Nach dem Bebauungsplan Nr. 177A seien nach § 30 Abs. 1, 31 BauGB Werbeanlagen grundsätzlich im Gewerbegebiet zulässig. Maßgeblich sei nach dem Bebauungsplan eine Wandhöhe von 15 m. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 StVO habe die Autobahndirektion wegen der negativen Fernwirkung eine Höhe von 20 m festgelegt.
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Mit Schriftsatz vom 07.01.2019 erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage und beantragte,
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Der Bescheid der Beklagten wird aufgehoben und dem Kläger ein positiver Vorbescheid für dessen Voranfrage zur Errichtung eines Werbepylons (Höhe 60 m) erteilt.
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Die Autobahndirektion sei nicht zuständig, da der Standort außerhalb der Anbau Verbotszone von 100 m ab dem Fahrbahnrand liege. Der Bebauungsplan treffe keine einschlägigen Regelungen für Werbeanlagen. Es bestehe ein Anspruch auf eine Ausnahme nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO, da der Blick des Verkehrsteilnehmers nicht von der Fahrbahn abwende, um die Werbung zu sehen. Es stünden dort eh bereits Gebäude. Es handle sich um ein Gewerbegebiet im Bereich der Ortseinfahrt der Stadt. Es gäbe in anderen Bundesländern eine Vielzahl von Bezugsfällen. Auch nach der ermessenslenkenden Regelung der Richtlinie zur Werbung an Bundesautobahnen aus straßenverkehrs- und straßenrechtlicher Sicht vom 17.09.2001, beigefügt als Anlage K 6, ergäbe sich die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit.
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Die Beklagte beantragte,
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Klageabweisung.
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Nach dem Bebauungsplan sei hier grundsätzlich die maßgebliche Höhe von 15 m für bauliche Anlagen anzuwenden, da im Bebauungsplanbereich keine Festsetzung für Werbeanlagen getroffen wurde. Die beantragte Höhe der dreiseitigen Werbeanlage mit 60 m überschreite dieses Maß vierfach und überrage damit die bebauungsplankonformen baulichen Anlagen im Gewerbegebiet um ein Vielfaches. Die geplante Werbeanlage sei von der A 9 aus weithin sichtbar und ein regelrechter Blickfang. Dadurch würden die Verkehrsteilnehmer abgelenkt und es bestehe eine Gefahr für Leib und Leben. Wegen der drei unterschiedlich großen beleuchteten Werbeflächen auf drei Seiten reiche kein flüchtiger Blick der Verkehrsteilnehmer um die Inhalte der Werbeflächen aufzunehmen. Daran ändere auch die auf der Autobahn festgesetzte Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h nichts, da diese Geschwindigkeitsbeschränkung dem dauerhaft erhöhten Verkehrsaufkommen geschuldet sei.
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Nach dem Ergebnis des Augenscheins war im Blickfeld zur beabsichtigten Werbeanlage des Klägers der Turm einer örtlichen Brauerei zu sehen, in dessen obersten Bereich an allen vier Seiten Eigenwerbung angebracht war, die deutlich zu sehen war und die nach Angaben des Klägers nachts beleuchtet sei. Die Vertreterinnen der Beklagten wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dieser Turm in vergleichbarer Richtung läge, aber nicht mehr im Geltungsbereich des hier maßgeblichen Bebauungsplans stünde. Auf das Protokoll des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung vom 23.09.2020 wird verwiesen.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Vorliegend fehlt die sachliche Zuständigkeit der Beklagten. Die Klage ist deshalb wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
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Nach Art. 56 Satz 1 Nr. 5 Bay BO ist keine Baugenehmigung zu erteilen, wenn eine Werbeanlage eine Ausnahmegenehmigung nach Straßenverkehrsrecht braucht. In diesem Falle ist nach Art. 56 Satz 2 Bay BO die Autobahndirektion zuständig. Maßstab für die Abgrenzung ist, ob hinsichtlich der Werbeanlage eine straßenverkehrsrechtliche Relevanz besteht und deshalb der Anwendungsbereich des § 33 StVO berührt ist. Nach § 33 Abs. 1 Satz 2 und Satz 1 StVO darf durch innerörtliche Werbung der Verkehr außerhalb geschlossener Ortschaften nicht in solcher Weise gestört werden, dass am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Über die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO entscheidet die zuständige Landesbehörde, d. h. die Autobahndirektion. Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Anwendungsbereich des § 33 StVO keine konkrete Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs voraus. Es genügt eine abstrakte Verkehrsgefährdung. Maßstab ist, dass ganz allgemein nach der Erfahrung des täglichen Lebens mit gewisser Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs eintreten kann, wobei an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts geringe Anforderungen zu stellen sind, da im Straßenverkehr der möglicherweise eintretende Schaden sehr groß ist (Vergleich BVerwG, U. vom 20.10.1993 - 11 C 44.92; .OVG Münster, B. vom 31.01.2000 - 8 B 58/00).
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Gemessen daran fehlt der Klage als Verpflichtungsklage auf Erteilung der Baugenehmigung bereits das allgemeine Rechtschutzbedürfnis, da sie gegen den falschen Beklagten und auf Erteilung einer rechtlich unzulässigen Genehmigung gerichtet ist. Da eine abstrakte Verkehrsgefährdung durch die geplante Werbeanlage zu bejahen ist wird der Schutzbereich des § 33 StVO berührt. Dies hat zur Folge, dass die Autobahndirektion nach § 56 Satz 2 BayBO iVm §§ 33, 46 Abs. 1 StVO für eine ggf. notwendige Ausnahmegenehmigung zuständig ist.
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Nach dem Ergebnis des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung sowie der Stellungnahme der Autobahndirektion im Baugenehmigungsverfahren vom 23.07.2018 ist eine Zulassung nach Straßenverkehrsrecht notwendig, da der Werbepylon von den Verkehrsteilnehmern der 170 m entfernten A 9 gut zu sehen sein wird. Dies ergibt sich bereits daraus, dass von der Autobahn aus auch andere Gebäude des Gewerbegebiets zu sehen sind und insbesondere der hohe Turm der Brauerei, bestückt mit Eigenwerbung, deutlich zu erkennen ist. Auch die Stellungnahme der Autobahndirektion, die detailliert eine Höhe von 20 m, eine Schriftgröße von 1/50 in Entfernung zur Autobahn, Inhalt der Eigenwerbung sowie die Werbefläche regelt, zeigt, dass die Werbeanlage straßenverkehrsrechtlich nicht völlig irrelevant ist. Da nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichthofs für die Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörde allein die straßenverkehrsrechtliche Relevanz für den Anwendungsbereich des § 33 StVO maßgeblich ist (U vom 28.07.2015 - 11B15.76), fehlt es an einer sachlichen Zuständigkeit der Beklagten als Baugenehmigungsbehörde und damit am Rechtschutzbedürfnis für eine Klage gegen diese.
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Da es bereits an der Zulässigkeit der Klage fehlt, ist für die vorliegende Entscheidung unerheblich, dass und warum die Autobahndirektion Südbayern am 23.07.2018 von der Zuständigkeit der Beklagten ausging. Für den Anwendungsbereich des § 33 StVO ist unerheblich, ob die Werbeanlage wie hier in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiet an der Grenze zum innerstädtischen Bereich errichtet werden soll. Ebenfalls ist für die hier getroffene Entscheidung unerheblich, dass sich die festgesetzte Höhe von 20 m im Hinblick auf die Umgebungsbebauung nicht erschließt. Ebenfalls unerheblich ist in diesem Verfahren, dass die Autobahndirektion ihrer Stellungnahme rechtlich zweifelhaft zugrunde legt, dass sie den Inhalt der Eigenwerbung regulieren darf (Firmenname oder Logo).
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Die Klage war mit Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm § 708 ff. ZPO.