VG Regensburg, Urteil v. 24.11.2020 – RN 6 K 20.998
Titel:

Abstandsflächenrechtliche Privilegierung einer Garage

Normenketten:
BayBO Art. 6 Abs. 9
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
Leitsatz:
Voraussetzung für das Vorliegen einer privilegierten Garage ist, dass es sich um ein als Garage selbstständig benutzbares Gebäude handelt. Dabei darf die Garage auch an ein auf dem Baugrundstück vorhandenes Hauptgebäude angebaut sein, wobei dies selbst dann gilt, wenn das Hauptgebäude und die Garage optisch und baulich eine geschlossene Einheit bilden, solange die selbstständige Benutzbarkeit der Garage als solche nicht aufgehoben wird. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abstandsfläche, Garage, selbstständige Benutzbarkeit, Privilegierung, Hauptgebäude, Längenbegrenzung, Bestimmtheit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 14.09.2021 – 15 ZB 21.463
Fundstelle:
BeckRS 2020, 51154

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Durchführung mehrerer baulicher Maßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr. 612 der Gemarkung … in … Die Beigeladenen sind Eigentümer besagten Grundstücks, an das südlich und teilweise östlich das im Eigentum des Klägers stehende Grundstück Fl.Nr. 611, teilweise östlich und nördlich das Grundstück Fl.Nr. 614 und westlich das Grundstück Fl.Nr. 613 der Gemarkung … angrenzen. Die über eine gemeinsame Zufahrtsstraße erschlossenen Grundstücke liegen bis auf einen kleinen Teil im Westen des Grundstücks der Beigeladenen im Geltungsbereich der Ortsabrundungssatzung „…“, in Kraft seit 16.05.1997.
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Auf dem klägerischen Grundstück wurde mit Bescheid vom 11. Februar 1969 die Errichtung eines Einfamilienhauses genehmigt. Mit Bescheid vom 7. März 1980 wurde sodann die Errichtung zweier Garagen, die eine südlich und die andere östlich an das Einfamilienhaus angrenzend, genehmigt. Die entsprechenden Bauvorhaben auf dem Grundstück wurden im weiteren Verlauf realisiert. Die südlich gelegene Garage wurde in Absprache mit den damaligen Nachbarn - anders als ursprünglich geplant - nicht direkt entlang der Grenze, sondern ein Stück weit davon abgerückt errichtet. An die Garage schließt auf Höhe des Garagendaches westlich eine Gartenanlage an, die um das Jahr 1970 durch Aufschüttung entstanden war. Im Zuge der Aufschüttungsarbeiten war dabei auch entlang der Grenze eine kleine Mauer errichtet worden, die im Jahre 2002 aus Gründen des Hochwasserschutzes geringfügig erhöht worden war. In dieser Form besteht die Mauer bis heute.
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Aufgrund einer anonymen Anzeige führte das LRA Passau (LRA) am 9. Juli 2019 eine Baukontrolle am klägerischen Grundstück durch. Dabei wurde festgestellt, dass diverse, vom genehmigten Bestand abweichende bzw. nicht genehmigte Bauvorhaben durchgeführt worden waren. Die Beigeladenen wurden daraufhin aufgefordert, Bauantrag für alle nicht genehmigten baulichen Änderungen und Erweiterungen zu stellen, die vorgenommen wurden.
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Die Beigeladenen stellten sodann einen am 28. Oktober 2019 beim LRA eingegangenen Bauantrag für die Bauvorhaben „Ausbau Dachgeschoss mit Einbau einer Dachgaube“, „Erweiterung Garage/Werken im Untergeschoss“ und „Abgrenzung Terrasse Erdgeschossebene“. Die Eigentümer des Nachbargrundstücks Fl.Nr. 614 hatten diesbezüglich für den Vorhabensteil „Erweiterung Garage/Werken im Untergeschoss“ an der Ostseite des Einfamilienhauses, sowie für die nördlich gelegenen Außenwände des Hauses schon mit Erklärung vom 1. Oktober 2019 ihre Zustimmung zu Abstandsübernahme und Abstandsflächenübernahme erklärt. Mit am 29. Januar 2019 beim LRA eingegangenen Bauantrag erweiterten die Beigeladenen ihren vorliegenden Bauantrag um das Bauvorhaben „Ergänzung Kellergeschoss und Errichtung einer grenznahen Garage“. Ausweislich des dazugehörigen Eingabeplans und im Vergleich mit den Eingabeplänen aus den Genehmigungsverfahren der Jahre 1969 und 1980 sollten mithin neben dem Dachausbau und der Erweiterung der östlichen Garage insbesondere ein Ausbau der Räumlichkeiten im Keller sowie die Errichtung einer neuen Grenzgarage auf der Südseite von der Genehmigung erfasst sein. Am 29. April 2020 wurde der Eingabeplan um Angaben zur Dachkonstruktion der geplanten Garage auf der Südseite ergänzt und ausgeführt, dass das Dach aus einer Stahlbetondecke bestehen solle, auf der wiederum Waschbetonplatten angebracht seien.
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Mit Bescheid vom 7. Mai 2020, der dem Kläger am 11. Mai 2019 mittels Übergabeeinschreiben zugestellt wurde, erteilte das LRA die Genehmigung für die oben beschriebenen Bauvorhaben.
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Mit am 8. Juni 2020 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenen Schriftsatz seiner Bevollmächtigten ließ der Kläger Klage gegen die Baugenehmigung vom 7. Mai 2020 erheben.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Baugenehmigung rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze. Dies sei einerseits deswegen der Fall, weil die Baugenehmigung im Hinblick auf nachbarschützende Rechte zu unbestimmt sei. Es sei für den Kläger als Nachbarn nicht ersichtlich, was das mit der Bezeichnung „Abgrenzung Terrasse/Erdgeschossebene“ benannte und als solches genehmigte Bauvorhaben genau umfasse. Auf dem Dach der genehmigten Garage seien Waschbetonplatten vorgesehen. Die Waschbetonplatten würden sich aber über das Garagendach, das aus einer Stahlbetonplatte bestehe, insbesondere in westlicher Ausrichtung fortsetzen. Daher sei nicht ersichtlich, inwiefern das Dach der Garage, welches schon lange als Terrasse genutzt worden sei, auch in Zukunft für eine Nutzung als Terrasse vorgesehen sei. Darüber hinaus seien keine genauen Maße des Garagendaches im Eingabeplan vorhanden. Außerdem ergebe sich die Unbestimmtheit der Baugenehmigung auch daraus, dass ein Teil der Bauvorhaben als „Ergänzung Kellergeschoss und Errichtung einer grenznahen Garage“ betitelt worden sei. Somit sei unklar, ob die Garage nicht nur unselbstständiger Bestandteil des Vorhabens der Erweiterung des Kellergeschosses sein solle und nur deswegen separat aufgeführt sei, um den Eindruck einer Garage zu vermitteln und das Vorhaben so genehmigungsfähig zu machen. Andererseits sei die Baugenehmigung auch deswegen rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten, weil ein Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht der BayBO gegeben sei. Die in der Begründung zur Baugenehmigung enthaltene Feststellung, dass die südliche Garage als „Grenzgarage“ entsprechend Art. 6 Abs. 9 S. 1 Nr. 1 BayBO ohne Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen zulässig sein solle, treffe nicht zu. Es handele sich nämlich nicht um eine „Grenzgarage“ im Sinne der Vorschrift. Die Garage sei mit dem Hauptgebäude verbunden, was im Rahmen des Art. 6 Abs. 9 BayBO zwar grundsätzlich zulässig sei. Nicht mehr unter die Vorschrift subsumierbar sei jedoch der hier vorliegende Fall, dass die Grenzbebauung sich als Einheit mit dem Hauptgebäude darstelle und von diesem ihr Gepräge erhalte. Die Stahlbetonplatte, welche das Dach der Garage bilde, sei schon vor Errichtung der Garage vorhanden gewesen und die Garage somit über die in das Wohngebäude integrierte Dachplatte mit diesem zu einer Einheit verbunden. Auch die auf dem Dach vorgesehenen Pflanztröge seien für eine Grenzgarage sehr untypisch. Außerdem werde deutlich, dass die Garage vielmehr eigentlich als weiterer Kellerraum gedacht und von daher nicht als eigenständig zu betrachten sei. Dies bestätige auch die Tatsache, dass eine Verbindungstür zum übrigen Keller vorgesehen sei. Selbst wenn man allerdings davon ausginge, dass eine „Grenzgarage“ im Sinne des Art. 6 Abs. 9 BayBO vorliege, würde gegen das Abstandsflächenrecht verstoßen. Die nicht zu überschreitende Außenwandlänge von 9 m sei überschritten. Dabei sei nicht nur die Außenwand des Grenzbaus als solchem relevant, sondern es müssten auch die durch die sich vom Garagendach aus weiter fortsetzenden Waschbetonplatten ausgelösten, fiktiven Abstandsflächen einberechnet werden. Insgesamt dürften dies mehr als 9 m sein. Daneben dürfe die Länge der die Abstandsflächen gegenüber den Grundstücksgrenzen nicht einhaltenden Bebauung auf dem Grundstück 15 m nicht überschreiten. Diese Länge sei wegen der östlich liegenden weiteren Garage selbst dann überschritten, wenn man für die südlich liegende Garage eine Länge von nur 7,26 m annehmen würde.
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Der Kläger beantragt,
die Baugenehmigung des LRA Passau vom 7. Mai 2020 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Baugenehmigung rechtmäßig sei und den Kläger nicht in nachbarschützenden Rechten verletze. Zum einen sei die Baugenehmigung, insbesondere hinsichtlich der Abgrenzung der Terrasse auf der Erdgeschossebene nicht zu unbestimmt. Aufgrund der Genehmigung grenze das Dach der Garage nun unmittelbar an die Terrasse an. Eine Nutzung des Garagendaches sei bei der hier vorliegenden „Grenzgarage“ unzulässig. Dies ergebe sich bereits aus dem Gesetz in Art. 6 Abs. 9 S. 1 Nr. 1 BayBO. Im Eingabeplan sei bestimmt genug dargestellt, wo die Terrasse ende und wo das Garagendach, bezüglich dessen keine Nutzung als Terrasse genehmigt sei, beginne. Die Abgrenzung werde entsprechend der Genehmigung durch Pflanztröge und eine Absturzsicherung durchgeführt. Beide Abtrennungsvarianten befänden sich nicht auf dem Garagendach. Genauso wenig lasse sich ein Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht feststellen, da die erforderlichen Abstandsflächen eingehalten würden. Es handele sich bei der südlichen Garage um eine „Grenzgarage“ im Sinne des Art. 6 Abs. 9 S. 1 Nr. 1 BayBO. Voraussetzung für deren Vorliegen sei lediglich, dass es sich um ein selbständig benutzbares Gebäude handele. Dies sei hier der Fall. Die Tatsache, dass sich die Garage an das Hauptgebäude anschließe sei unschädlich, da sie zumindest nicht vollständig in das Wohnhaus integriert sei. Auch der Zugang zur weiteren Garage ändere daran nichts. Die Garage sei auch als solche genehmigt und nicht lediglich als weiterer Kellerraum, der eigentlich keine Garage sein solle. Die Waschbetonplatten, die nun das Garagendach bildeten, seien zum Zeitpunkt der Errichtung der Garage noch nicht vorhanden gewesen. Gleichsam habe dies keinen Einfluss auf die Frage des Vorliegens einer „Grenzgarage“. Auch sei die bei der Grenzgarage zulässige Gebäudelänge von 9 m nicht überschritten. Relevant sei die Länge von 7,26 m. Die Betonplatten, die sich nach Westen hin fortsetzten, könnten keine weiteren, fiktiven Abstandsflächen auslösen. Zudem sei ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 9 S. 2 BayBO nicht erkennbar, wonach die Länge der die Abstandsflächentiefe gegenüber den Grundstücksgrenzen nicht einhaltenden Bebauung 15 m nicht überschreiten dürfe. Der Anbau auf der östlichen Seite sei, da es sich hierbei nicht um eine „Grenzgarage“ im Sinne des Art. 6 Abs. 9 BayBO handele, nicht in die Berechnung einzubeziehen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des LRA Passau vom 7. Mai 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 59 f. Bayerische Bauordnung (BayBO) ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Einem Nachbarn des Bauherrn steht ein Anspruch auf Versagung der Baugenehmigung grundsätzlich nicht zu. Er kann eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf das Grundstück des Nachbarn fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1994 - 4 B 94/94 - juris; BVerwG, U.v. 19.9.1986 - 4 C 8.84 - juris; BVerwG, U.v. 13.6.1980 - IV C 31.77 - juris). Es ist daher unerheblich, ob die Baugenehmigung einer vollständigen Rechtmäßigkeitsprüfung standhält.
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Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Bauplanungs- und Bauordnungsrechts ist nicht gegeben.
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1. Ein Verstoß gegen die Vorschrift des Art. 6 BayBO über die Einhaltung von Abstandsflächen ist trotz des Umstandes, dass sich das auf der Südseite als „Garage“ genehmigte Gebäude in unmittelbarer Nähe zur Grundstücksgrenze befindet und somit wiederum auf der Südseite das sich nach Art. 6 BayBO ergebende Maß von 1H nicht einhält, nicht gegeben, denn es liegt ein abstandsflächenrechtlich privilegiertes Gebäude im Sinne von Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO vor. Gem. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO sind Garagen, mithin gem. Art. 2 Abs. 8 Satz 2 BayBO Gebäude oder Gebäudeteile zum Abstellen von Kraftfahrzeugen, einschließlich deren Nebenräume mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne die Einhaltung eigener Abstandsflächen zulässig.
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a) Mit Bescheid vom 7. Mai 2020 wurde auf der Südseite eine Garage in diesem Sinne genehmigt.
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Zunächst ergibt sich dies daraus, dass ausweislich des Eingabeplanes eine Garage als solche und kein anderweitig zu nutzender Raum genehmigt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass von der Genehmigung eine darüber hinausgehende Nutzung schlicht als erweiterter Kellerraum umfasst sein sollte, sind für das Gericht nicht ersichtlich.
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Der Einwand der Klägerseite, es handele sich deswegen nicht um eine Garage im Sinne des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO, weil die Räumlichkeit nicht nur an das Hauptgebäude angeschlossen, sondern vielmehr auch in dieses integriert sei und daher mit diesem eine bauliche Einheit bilde, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Voraussetzung für das Vorliegen einer privilegierten Garage im Sinne des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO ist, dass es sich um ein als Garage selbstständig benutzbares Gebäude (Art. 2 Abs. 2 BayBO) handelt (vgl. Simon/Busse/Hahn, 139. EL Oktober 2020, BayBO Art. 6 Rn. 511). Dabei darf die Garage auch an ein auf dem Baugrundstück vorhandenes Hauptgebäude angebaut sein, solange dieses selbst die nötigen Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO einhält, wobei dies selbst dann gilt, wenn das Hauptgebäude und die Garage optisch und baulich eine geschlossene Einheit bilden, solange die selbstständige Benutzbarkeit der Garage als solche nicht aufgehoben wird (vgl. Simon/Busse/Hahn, 139. EL Oktober 2020, BayBO Art. 6 Rn. 511). Lediglich im Falle einer vollumfänglich in das Hauptgebäude integrierten Garage, die ihre selbstständige Benutzbarkeit dadurch verlieren würde, kann keine Privilegierung im Sinne der Vorschrift mehr angenommen werden (vgl. Simon/Busse/Hahn, 139. EL Oktober 2020, BayBO Art. 6 Rn. 511). Die genannten Voraussetzungen für die Privilegierung sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Garage auf der Südseite ist zwar direkt an das Hauptgebäude angebaut, zudem über eine Zugangstür mit der auf der Ostseite vorhandenen Garage verbunden. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die selbstständige Benutzbarkeit des Raumes als Garage aufgehoben wird. Die Räumlichkeit ist nämlich nicht vollumfänglich in das Gebäude integriert, sondern stellt sich als eigens zu betrachtendes, separates Gebilde dar, welches lediglich an das Haupthaus angebaut, im Übrigen aber selbstständig ist. Auch der von der Klägerseite vorgetragene Umstand, die Stahlbetondecke der Garage fungiere nicht lediglich als Garagendach, sondern bilde zugleich auch einen Teil der Basis des Wohnhauses, da die Betonplatte unter anderem auch Teile des Kellers, wie den Kompressorraum bedecke, ändert nichts daran, dass mit der Garage eine vom Haupthaus in ausreichendem Maße separierte Räumlichkeit vorliegt, die unter anderem gerade dadurch, dass sie über drei eigene Außenwände verfügt, einen optisch eigenständigen Eindruck vermittelt und zudem auch als Garage selbstständig benutzbar bleibt. Eine vollumfängliche Integrierung in das Hauptgebäude kann hier nach Auffassung des Gerichts nicht angenommen werden. Das Hauptgebäude für sich wiederum hält die nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen ein.
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b) Zudem scheitert das Vorliegen der Privilegierung des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO auch nicht etwa daran, dass für das Dach der Garage eine Nutzung als Dachterrasse genehmigt worden wäre. Die Zulassung von Terrassenflächen zum Aufenthalt auf Garagen steht einer Privilegierung im oben genannten Sinn entgegen, da die Sondervorschrift des Art. 6 Abs. 9 BayBO nach ihrem Sinn und Zweck allein auf Garagen ohne Aufenthaltsräume anzuwenden ist und eine solche Nutzung ausschließt (vgl. Simon/Busse/Hahn, 139. EL Oktober 2020, BayBO Art. 6 Rn. 546; BayVGH, Urt.v. 16.4.1975 - 168 I 72; BayVBl. 1976, 207; Urt.v. 18.2.1970 - 257 II 67; Urt. v. 4.4.1979 - 69 XV 75; offen gelassen in B.v. 10.7.2015 - 15 ZB 13.2671 - juris Rn.15). Eine Dachterrasse ist jedoch im vorliegenden Fall nicht genehmigt worden. Dem Eingabeplan lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, wonach auf dem Garagendach eine Aufenthaltsnutzung genehmigt sein könnte. Vielmehr macht nach Auffassung des Gerichts der Umstand, dass die Genehmigung ausweislich des Eingabeplans eindeutig nur den Zustand genehmigt, in welchem ein Rückbau der ursprünglich am Rand des Daches vorhandenen Blumentröge erfolgt und nunmehr Pflanztröge sowie eine Absturzsicherung das Dach der Garage von der Südterrasse des Wohnhauses separieren, deutlich, dass gerade keine Nutzung als Dachterrasse genehmigt sein soll. Inwiefern in der Vorzeit eine Nutzung als Dachterrasse stattgefunden hat, kann hierbei dahinstehen, da streitgegenständlich lediglich der Inhalt der vorliegenden Baugenehmigung zu betrachten ist.
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2. a) Die in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO enthaltene Längenbegrenzung für die privilegierten Grenzgebäude für deren den Grundstücksgrenzen zugewandte Außenwände von maximal 9 m wird von der genehmigten Garage eingehalten. Insbesondere überschreitet auch die südliche Außenfassade die Längenbegrenzung nicht. Hier ist im Eingabeplan eine Länge von 7,26 m vorgesehen und somit weniger als 9 m. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn man die als Bedeckung des Garagendaches vorgesehenen Waschbetonplatten in den Blick nimmt, auch wenn sich diese über den Bereich des Garagendaches nach Westen hin fortsetzen. Zwar ist es möglich, dass in Fällen, in denen bestimmte Bauteile über die eigentliche Außenwand hinaustreten, von denen abstandsflächenrechtlich relevante Wirkungen, die denen einer Außenwand gleichkommen, eine fiktive Außenwand zu bilden ist (vgl. Simon/Busse/Hahn, 139. EL Oktober 2020, BayBO Art. 6 Rn. 9; BeckOK BauordnungsR Bayern/Schönfeld, 16. Ed. 1.6.2020, BayBO Art. 6 Rn. 16, 17). Dies kann unter anderem bei nicht nach Art. 6 Abs. 8 BayBO unbeachtlichen Bauteilen der Fall sein, also beispielsweise auch bei nicht untergeordneten Dachüberständen (vgl. Simon/Busse/Hahn, 139. EL Oktober 2020, BayBO Art. 6 Rn. 9; BeckOK BauordnungsR Bayern/Schönfeld, 16. Ed. 1.6.2020, BayBO Art. 6 Rn. 16, 17). Im vorliegenden Fall kann dies jedoch nicht zum Tragen kommen. Die sich über den Bereich des Garagendaches fortsetzenden Waschbetonplatten sind in die Geländeoberfläche eingebaut. Sie bilden gleichsam einen Bodenbelag des Gartens in dem Bereich, der ca. im Jahr 1970 durch Aufschüttung entstanden war. Der durch die Aufschüttung entstandene Boden bildet aufgrund der Tatsache, dass diese nun seit über 25 Jahren so vorliegt und deren Bestehen während des Zeitraums hingenommen wurde, die neue natürlich Geländeoberfläche (vgl. vgl. Simon/Busse/Hahn, 139. EL Oktober 2020, BayBO Art. 6 Rn. 169; OVG Saarlouis, Urt.v. 30.9.97 - BRS 59, 392; BayVGH, B.v.14.1.1991 - 14 CS 90.3270; B.v. 2.3.1998 - 20 B 97.912). Befinden sich die Platten aber gleichsam als Pflaster im Boden, so kann man nicht davon sprechen, dass sie sozusagen als Dachfortsatz in irgendeiner Form die Wirkung haben, die sonst Außenwänden zukommt. Für die abstandflächenrechtlich relevanten Belange der Belichtung, Besonnung und Belüftung können von den Waschbetonplatten insofern keine negativen Folgen ausgehen. Eine fiktive Außenwand, die im Stande wäre, die vorhandene Außenwandlänge von 7,26 m über die relevante Länge von 9 m hinaus zu verlängern, kann daher nicht angenommen werden.
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b) Auch die Regelung des Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO, wonach die Länge der die Abstandsflächentiefe nicht einhaltenden Bebauung nach den Nr. 1 und 2 des Satzes 1 der Vorschrift 15 m nicht überschreiten darf, wird nicht verletzt. Insbesondere geschieht dies nicht durch die auf der Ostseite nahezu grenzständig errichtete Garage, die in diesem Fall die Gesamtlänge der privilegierten Bebauung nicht vergrößern kann. Dies ist deswegen nicht der Fall, weil es sich bei dieser Garage nicht um einen die Privilegierung des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO beanspruchenden Grenzbau handelt. Obwohl die östlich gelegene Garage unstreitig das Maß von 1H nicht einhält, bedarf es hier zur Einhaltung des Abstandsflächenrechts nicht der Inanspruchnahme des Privilegs des Abs. 9, da die Eigentümer des östlich angrenzenden Grundstückes FlNr. für den relevanten Bereich eine ausreichende Abstandsflächenübernahme Im Sinne von Art. 6 Abs. 2 BayBO erklärt haben. Für die Längenbegrenzung des Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO sind jedoch nur die Teile der Bebauung relevant, bei denen die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften auf die Privilegierung des Abs. 9 gestützt wird (vgl. Simon/Busse/Hahn, 139. EL Oktober 2020, BayBO Art. 6 Rn. 568).
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3. Darüber hinaus verstößt die Baugenehmigung nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
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Gemäß Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) muss eine Baugenehmigung inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die getroffene Regelung muss zumindest durch Auslegung für jeden Beteiligten eindeutig sein (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2018 - 15 CS 17.2523 - juris; VG München, U.v. 26.2.2018 - 8 K 16.1293 - beck-online). Maßgeblich für den Rechtsschutz des Nachbarn ist dabei, dass er feststellen kann, ob und in welchem Umfang er betroffen ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2017 - 9 CS 17.603 - juris; VG München, U.v. 26.2.2018 - 8 K 16.1293 - beck-online). Ein Nachbar kann die Unbestimmtheit einer Baugenehmigung nur geltend machen, soweit durch die Unbestimmtheit eine Einhaltung der dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften nicht gewährleistet ist (Simon/Busse/Lechner, BayBO, Stand: Januar 2020, Art. 68 Rn. 472 - beck-online).
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Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Baugenehmigung vom 7. Mai 2020 als bestimmt genug. Eine Unbestimmtheit im Hinblick auf die aus drittschutzrechtlicher Sicht relevante Einhaltung des Abstandsflächenrechts des Art. 6 BayBO lässt sich nicht erkennen. Der Inhalt der Baugenehmigung muss sich in ausreichender Bestimmtheit aus einer Zusammenschau von Baugenehmigungsbescheid und Eingabeplänen ergeben, da dieser aus den Bezeichnungen und Regelungen im Baugenehmigungsbescheid hergeleitet wird, welcher dann stets zu konkretisieren ist durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (BayVGH, B.v. 28.10.2015 - 9 CS 15.1633 - juris Rn.18; B.v. 5.7.2017 - 9 CS 17.603 - juris Rn.13). Hier ergibt sich nach Auffassung des Gerichts bei Betrachtung von Bescheid und Eingabeplan, dass auf der Südseite eine Garage im Sinne des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO genehmigt sein soll. Der im Bescheid für die Bezeichnung des Vorhabens verwendete Begriff „Abgrenzung Terrasse/Erdgeschossebene“ wird im Eingabeplan mit hinreichender Deutlichkeit konkretisiert. Durch den Rückbau der Blumentröge an den Rändern des Garagendaches und deren Ersatz durch Pflanztröge und eine Absturzsicherung entlang der südlichen Terrasse soll ausweislich des Planes der Terrassenbereich von dem Bereich des Garagendaches abgegrenzt werden. Insofern ist nach Auffassung des Gerichts Klarheit darüber gegeben, dass eben keine Nutzung als Dachterrasse zulässig sein soll. Auch dadurch, dass bei der Aufzählung der Bauvorhaben in der Nummer 4 neben der Formulierung „Errichtung einer grenznahen Garage“ der Terminus „Ergänzung Kellergeschoss“ verwendet wird, ergibt sich keine Unbestimmtheit der Baugenehmigung. Blickt man auf den Eingabeplan, ergibt sich trotz der gewählten Umschreibung klar, dass, entsprechend den obigen [II. 1. a)] Erläuterungen, eine selbstständig nutzbare, eigens zu betrachtende Garage im Sinne des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO genehmigt sein soll. Es sind nach Auffassung des Gerichts im Plan keine Unklarheiten gegeben, die in irgendeiner Form das Merkmal der selbstständigen Benutzbarkeit der Garage in Frage stellen könnten. Wie schon oben [II. 1. a) ] dargelegt, führt lediglich die vollständige Integrierung der Garage in das Hauptgebäude zum Entfallen der Privilegierung. Dies ist hier eindeutig nicht der Fall. Der Anbau an das Hauptgebäude und ein vorhandener Durchgang sind unschädlich [vgl. II. 1. a) ]. Es ist somit klar zu erkennen, dass der Begriff „Ergänzung Kellergeschoss“, der nach Auffassung des Gerichts die von den früheren Genehmigungen noch nicht umfassten, die Erweiterung der Räumlichkeiten im Keller betreffenden Maßnahmen umschreiben soll, selbstständig neben den Begriff der „Errichtung einer grenznahen Garage“ tritt.
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4. Weitere Anhaltspunkte, wonach die Baugenehmigung gegen im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende, drittschützende Normen des Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts verstößt, sind für das Gericht nicht ersichtlich.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren dem Kläger nicht aufzuerlegen, da die Beigeladenen keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. den §§ 708 ff. der ZPO.