SG München, Beschluss v. 13.05.2020 – S 57 AL 433/19
Titel:

Arbeitslosengeld, Bewilligung, Arbeitnehmer, Bescheid, Arbeit, Jobcenter, Leistungsanspruch, Anwartschaftszeit, Widerspruch, Arbeitslosigkeit, Anspruch, Rahmenfrist, Klage, Anmeldung, Bewilligung von Arbeitslosengeld, Anspruch auf Arbeitslosengeld

Schlagworte:
Arbeitslosengeld, Bewilligung, Arbeitnehmer, Bescheid, Arbeit, Jobcenter, Leistungsanspruch, Anwartschaftszeit, Widerspruch, Arbeitslosigkeit, Anspruch, Rahmenfrist, Klage, Anmeldung, Bewilligung von Arbeitslosengeld, Anspruch auf Arbeitslosengeld
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 11.06.2021 – L 9 AL 77/20
BSG Kassel, Beschluss vom 19.08.2021 – B 11 AL 45/21 B
Fundstelle:
BeckRS 2020, 50943

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1
Streitig ist die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg).
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Dem Kläger war auf seine Arbeitslosmeldung hin mit Bescheid vom 4.11.2015, geändert durch Bescheid vom 14.11.2016 Arbeitslosengeld für die Zeit ab 1.10.2015 für die Dauer von 667 Kalendertagen bewilligt worden. Dieses bezog er zunächst bis 31.3.2016. Vom 1.4.2016 bis 15.8.2016 stand der Kläger in einem Arbeitsverhältnis als Maschinenbediener, ebenso in einem Arbeitsverhältnis stand er in der Zeit vom 03.04. bis 07.04.2017. Dazwischen sowie im Anschluss daran bezog der Kläger zu verschiedenen Zeiten Alg, zuletzt bis vom 12.09.2017 bis 24.12.2017. In der Zeit vom 25.12.2017 bis 20.06.2018 bezog er Krankengeld. Zuletzt standen dem Kläger damit noch ein Rest von 39 Kalendertagen an Arbeitslosengeld zu.
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Am 29.04.2018 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg.
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Mit Bescheid vom 08.05.2019 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alg mit der Begründung ab, dass der Kläger in den letzten zwei Jahren vor dem 29.04.2019 weniger als 12 Monate versicherungspflichtig gewesen sei und daher die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe.
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Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er könne sich nicht erklären, weshalb ihm kein Arbeitslosengeld bewilligt worden sei. Er habe sich am 29.5.2019 (gemeint wohl 29.4.2019) bei der Agentur für Arbeit gemeldet, um sein restliches Arbeitslosengeld von 39 Tagen zu beantragen. Man habe ihm gesagt, dass er noch einen Restanspruch von 39 Tagen Arbeitslosengeld habe. Er habe kein neues Arbeitslosengeld beantragt sondern die Bewilligung der Resttage.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
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Als Begründung führte sie an, dass ein Anspruch auf Alg nicht bestehe. Der Kläger habe am 10.1.2015 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben, nachdem er die Anwartschaftszeit erfüllt habe. Er habe sich erneut mit Wirkung zum 29.4.2019 arbeitslos gemeldet, innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist vom 29.4.2017 bis 28.4.2019 habe er jedoch keine 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Der restliche Leistungsanspruch hätte nicht mehr geltend gemacht werden können, weil er gemäß § 161 Abs. 2 SGB III erloschen sei, da nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen seien.
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Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Klage vom 29.07.2019.
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Er begehrt die Bewilligung von 39 Tagen Rest-Arbeitslosengeld.
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Er trägt vor, dass ihm noch 39 Tage Arbeitslosengeld zustünden. Er habe dreimal beim Telefon-Service der Beklagten angerufen. Am 3.12.2018 habe er dann an die Arbeitsagentur München geschrieben, worauf er jedoch keine Antwort erhalten habe. Am 29.4.2019 sei er dann zur Arbeitsagentur München gegangen. Dort habe man ihm gesagt, dass er noch einen Anspruch auf 39 Tage Rest-Arbeitslosengeld habe. Er fügt eine Kopie seines Schreibens vom 3.12.2018 bei, worin er um Mitteilung bittet, ob er einen neuen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen solle und in diesem Falle um Zusendung eines Antragsformulars bittet.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2019 zu verurteilen, Arbeitslosengeld ab 29.04.2019 für die Dauer von 39 Tagen zu bewilligen.
12
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt sie vor, dass das in der Klageschrift beigefügte Schreiben vom 3.12.2018 bei der Agentur für Arbeit München nicht eingegangen sei bzw. nicht vorliege. Lediglich die Anmeldung des Jobcenters München vom 30.11.2018 sei am 5.12.2018 bei der Agentur für Arbeit München eingegangen. Aus den Gesprächsvermerken (Verbis-Vermerke) sei zu entnehmen, Dass der Kläger in der fraglichen Zeit von Mitte Oktober 2018 bis zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit München am 29.4.2019 ausschließlich Kontakt mit dem Jobcenter gehabt habe. Es seien auch keine der erwähnten drei telefonischen Anrufe beim Servicecenter der Agentur für Arbeit dokumentiert. Der am 10.1.2015 erworbene Neuanspruch sei daher am 11.1.2019 erloschen und könne nicht mehr geltend gemacht werden, da der Kläger erst am 29.4.2019 sich erneut persönlich arbeitslos gemeldet habe und die Anwartschaftszeit ebenfalls nicht erfüllt worden sei.
14
Die Beteiligten wurden mit Schreiben des Gerichts darüber informiert, dass das Gericht beabsichtigt, gem. § 105 SGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
17
Das Gericht hat im vorliegenden Fall einen Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG erlassen, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt, sofern er entscheidungserheblich ist, geklärt ist.
18
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 08.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2019, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 29.04.2019 abgelehnt hat.
19
Der Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg ab 29.04.2019, da der Restanspruch wegen wegen Zeitablaufs erloschen ist und der Kläger auch keine neue Anwartschaftszeit erfüllt hat.
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Anspruch auf Arbeitslosengeld haben gem. § 137 Abs. 1 SGB III (in der seit 01.04.2012 geltenden Fassung vom 20.12.2011) Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben.
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Der Kläger hat sich am 29.04.2019 für die Zeit ab 29.04.2019 arbeitslos gemeldet.
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Die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist, d.h. grundsätzlich innerhalb der letzten zwei Jahre vor Eintritt der Arbeitslosigkeit (§ 143 Abs. 1 SGB III), mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 142 Abs. 1 SGB III). Dabei entspricht ein Monat 30 Kalendertagen (§ 339 Satz 2 SGB III), so dass folglich 12 Monate 360 Kalendertagen entsprechen.
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Die Rahmenfrist beginnt gem. § 143 Abs. 1 SGB III mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, so dass die Rahmenfrist vorliegend - ausgehend von der Arbeitslosmeldung zum 29.04.2019 - vom 29.04.2017 bis 28.04.2019 reicht.
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In diesem Zeitraum stand der Kläger nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis im Sinne des SGB III, so dass eine neue Anwartschaftszeit und somit ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht entstanden ist.
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Zwar besaß der Kläger noch einen Restanspruch von 39 Tagen Arbeitslosengeld aus seinem am 10.01.2015 entstandenen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
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Gem. § 161 Abs. 2 SGB III kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld jedoch nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen sind. Damit konnte der Restanspruch nicht mehr geltend gemacht werden, da am 29.4.2019 bereits mehr als vier Jahre seit der Entstehung des Anspruchs verstrichen waren.
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In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die persönliche Arbeitslosmeldung vom 29.04.2019 auch nicht vorverlegt werden kann (etwa auf den Zeitpunkt der angeblichen, im Übrigen nicht belegten Anrufe bei der Beklagten oder dem Schreiben an die Beklagte vom 3.12.2018, dessen Eingang bei der Beklagten vom Kläger auch nicht belegt werden kann). Denn gem. § 141 Abs. 1 SGB III hat die Arbeitslosmeldung persönlich zu erfolgen. Die Arbeitslosmeldung ist dabei eine Tatsachenerklärung und kann weder telefonisch noch schriftlich bzw. per E-Mail erfolgen, sondern nur durch persönliches Erscheinen. Sie ist auch nicht der Gestaltung durch Verwaltungshandeln zugänglich (vgl. BSG v. 11.03.2004 - B 13 FJ 16/03). Notwendig ist zumindest, dass der Arbeitslose in der Arbeitsagentur erscheint und jedenfalls sinngemäß zum Ausdruck bringt, er sei arbeitslos (BSG, Urteil v. 19.01.2005 - B 11a/11 AL 41/04 R). Nur wenn die zuständige Arbeitsagentur am ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit des Arbeitslosen nicht dienstbereit ist, wirkt eine persönliche Meldung an dem nächsten Tag, an dem die Agentur für Arbeit dienstbereit ist, auf den Tag zurück, an dem die Agentur für Arbeit nicht dienstbereit war (§ 141 Abs. 3 SGB III).
28
Die Klage ist daher als unbegründet abzuweisen.
29
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
30
3. Die Berufung ist statthaft, da der dem Klagebegehren zugrundeliegende Streitgegenstand die Berufungssumme von 750 EUR überschreitet (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).