Titel:
Ausweisung eines wiederholt straffälligen Ausländers
Normenkette:
EMRK Art. 8 Abs. 1
Leitsatz:
DAs Verfahren gegen die Ausweisung ist erfolglos, da der Beschwerdeschriftsatz keine Argumente enhält, die zu einer anderen Entscheidung führen würden. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausländer, straffällig
Fundstelle:
BeckRS 2020, 46689
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung.
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Der Kläger ist ein im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener türkischer Staatsangehöriger. Seit 26. Februar 2002 war er in Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.
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Aus der Aktenlage ergibt sich, dass der Kläger zwar die Schule besucht, jedoch keinen Schulabschluss erworben hat. Allerdings will er eigenen Angaben zufolge in Haft den Mittelschulabschluss erfolgreich nachgeholt haben und eine Ausbildung beginnen. Außerhalb des Freiheitsentzuges hatte er wohl immer wieder Gelegenheits- bzw. Aushilfsjobs, bezog aber auch verschiedentlich Sozialleistungen. Er war mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet, von der er bereits seit 2. Juni 2011 geschieden ist.
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Bereits ab dem Jahr 2000 fiel der Kläger polizeilich bzw. strafrechtlich auf, v.a. in Bezug auf Betäubungsmitteldelikte bei eigener Abhängigkeit, hauptsächlich von Cannabis und Heroin. Dies führte aufgrund entsprechender strafrechtlicher Entscheidungen zunächst zu am 23. Februar 2007 angetretener Untersuchungshaft, sodann zur Unterbringung im Bezirkskrankenhaus P … ab dem 22. Mai 2007, anschließender Verlegung in den Strafvollzug ab 4. Oktober 2007 und Haftentlassung gemäß § 88 JGG am 27. Oktober 2008.
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Das strafrechtlich gewürdigte Verhalten des Klägers nahm die Beklagte unter dem 14. November 2007 zum Anlass, den Kläger erstmals zu einer beabsichtigten Ausweisung anzuhören. Mit Schreiben vom 27. November 2007 beteuerte der Kläger, sich wie ein Deutscher zu fühlen. Er bereue seine Fehler. Er bedauere die Therapie abgebrochen zu haben, wolle aber voraussichtlich ab Juni 2008 freiwillig auf Therapie gehen. Seine Mutter, sieben Geschwister und Ehefrau lebten ebenfalls in Deutschland. Ein Ausweisungsbescheid erging nicht.
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Nach Auskunft der damaligen Therapieeinrichtung vom 13. Februar 2009 befand sich der Kläger seit dem 24. Dezember 2008 wegen Fehlverhaltens nicht mehr in stationärer Therapie. Mit Beschluss des Amtsgerichts N … vom 23. Januar 2009 wurde die durch Beschluss des Vollstreckungsleiters für die Justizvollzugsanstalt W … vom 22. Oktober 2008 bewilligte Aussetzung der Reststrafe von 122 Tagen aus dem Urteil des Amtsgerichts K … vom 22. Mai 2007 wegen gröblichen Verstoßes gegen Weisungen (zweiter Abbruch der stationären Drogentherapie, kein Kontakt zum Bewährungshelfer) widerrufen und die Strafvollstreckung angeordnet. Der Kläger trat den Strafvollzug am 16. Juni 2009 an und wurde am 12. April 2010 entlassen.
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Gleichwohl sah die Beklagte ausweislich eines Aktenvermerks vom 22. Juni 2009 im Rahmen einer Gesamtabwägung aller ermessensrelevanten Aspekte erneut von einer Ausweisung des Klägers ab. Mit Schreiben vom 22. Juni 2009 erging eine ausländerrechtliche Verwarnung. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass er bei Begehung weiterer Straftaten mit einer unverzüglichen Aufenthaltsbeendigung zu rechnen habe.
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Infolge weiterer begangener Straftaten kann der Kläger am 7. August 2013 wieder in Untersuchungshaft. Am 23. April 2014 wurde er in das Bezirksklinikum R … verlegt. Am 3. bzw. 10. Juni 2015 kam es zum weiteren Haftvollzug in den Justizvollzugsanstalten R … bzw. S … Am 3. Februar 2017 wurde er entlassen. Hintergrund der Verlegung in den Haftvollzug war nach einem Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts R … vom 26. Mai 2015 der Abbruch der angeordneten Unterbringung in der Entziehungsanstalt. Es bestehe nach dortiger Aktenlage keine Aussicht auf erfolgreichen Abschluss der Therapie im Maßregelvollzug. Der Kläger sei wiederholt rückfällig geworden, was für eine fragile Abstinenzmotivation spreche. Er habe zahlreich gegen Regeln verstoßen, auch verbotene Medikamente in die Klinik verbracht.
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Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 23. Juni 2014 wiederum zu einer beabsichtigten Ausweisung an. Der Kläger äußerte sich am 2. Juli 2014. Ein Ausweisungsbescheid erging nicht.
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Der Kläger blieb nach seiner zweiten Haftentlassung wieder nicht straffrei. Infolge entsprechender Entscheidungen der Strafjustiz wurde er nach Aufnahme in das Bezirksklinikum R … am 2. April 2019 in die Justizvollzugsanstalt S … verlegt. Seit 1. Oktober 2019 befindet er sich im Bezirkskrankenhaus M … Ausweislich des letzten aktenkundigen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 26. Februar 2019 sind folgende Verurteilungen aktenkundig:
AG R … vom 15. Mai 2006
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Diebstahl in 3 tatmehrheitlichen Fällen
1 Jahr Jugendstrafe und Unterbringung in eine Entziehungsanstalt, jeweils zur Bewährung
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AG N … vom 11. August 2008
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Gemeinschädliche Sachbeschädigung
6 Monate Freiheitsstrafe, Strafvollstreckung erledigt am 12. April 2010
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AG K … vom 22. Mai 2007
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Vorsätzlicher unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln in 40 Fällen, vorsätzliche unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln und vorsätzlicher unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln
2 Jahre Jugendstrafe und Unterbringung in eine Entziehungsanstalt.
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AG R … vom 5. April 2011
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Vorsätzlicher unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln
60 Tagessätze zu je 15 EUR Geldstrafe
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AG R … vom 24. August 2011
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Vorsätzlicher unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln
40 Tagessätze zu je 15 EUR Geldstrafe
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AG R … vom 11. Januar 2012
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Vorsätzlicher unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln
65 Tagessätze zu je 15 EUR Geldstrafe unter Einbeziehung der Entscheidung vom 24. August 2011
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LG R … vom 8. April 2014
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Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Waffe
3 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe, Unterbringung in eine Entziehungsanstalt.
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AG R … vom 12. Oktober 2018
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Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht sowie unerlaubter Besitz und des Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in 4 selbständigen Fällen
10 Monate Freiheitsstrafe, Unterbringung in eine Entziehungsanstalt.
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LG R … vom 2. November 2018
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Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
3 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe, Unterbringung in eine Entziehungsanstalt. Einbeziehung der Entscheidung des AG R … vom 12. Oktober 2018
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Die Beklagte nahm mit Schreiben vom 16. Mai 2019 die Entscheidungen des Landgerichts R … vom 8. April 2014 sowie vom 2. November 2018 unter Hinweis auch auf frühere einschlägige Verurteilungen zum Anlass, den Kläger abermals zu einer beabsichtigten Ausweisung anzuhören. Jener antwortete am 20. Mai 2019, dass er seit 2007 damit kämpfe, trotz seiner Suchtproblematik ein normales Leben zu führen und sich drogen- und straffrei in die Gesellschaft einzugliedern. Es sei zu berücksichtigen, dass sein Vater bereits 1968 nach Deutschland gekommen sei. Er als dessen Sohn sei gesetzlich als deutscher Staatsbürger anzusehen. Nur weil er einen türkischen Pass habe, bedeute das nicht, dass er ein Türke sei. Er sei in Deutschland geboren, aufgewachsen und fühle sich zu 100% mehr als deutscher als als türkischer Staatsbürger. In der Türkei habe er nur Probleme, da er seine Frau in Deutschland gleich verlassen und abgestoßen habe. Seine Ex-Schwager hätten Blutrache geschworen. Daher sei er seit seiner Hochzeit nicht mehr in die Türkei geflogen oder gefahren. Bei Rückkehr in die Türkei würden diese mit Sicherheit Rache nehmen. In der Türkei habe er niemanden, der ihn aufnehmen, auffangen und ihm helfen würde, um dort Fuß zu fassen. Er sei der türkischen Sprache nicht mal mächtig und wüsste nicht, wo er schlafen bzw. leben könnte. Er wisse nur, dass es in ihrem Dorf in der Türkei sehr viele Felder mit Schlafmohn gebe. Er würde so leicht an starke Drogen kommen oder durch die geschworene Blutrache keine Woche in der Türkei überleben. Er probiere mit seiner ganzen Kraft von den Drogen wegzukommen und wolle seine Sucht endlich in den Griff bekommen, um endlich ein straf- und drogenfreies Leben zu führen. Er wolle mithilfe der Therapie, die er am 1. Oktober 2019 antrete, sich langsam in die Gesellschaft integrieren und sich resozialisieren. Er wolle nicht an den Drogen kaputtgehen. Er wolle arbeiten, eine Familie gründen und ein glückliches Leben führen. Er wolle der deutschen Gesellschaft weder zur Last fallen noch schaden. Er wolle und werde die vor ihm liegende Therapie erfolgreich abschließen und auch ein resozialisiertes Leben führen. Mit Schreiben vom 1. September 2019 gab der Kläger weiter an, wenn er ehrlich sei, könne er leider nicht mal selbst mit Sicherheit sagen, dass er nie wieder illegale Drogen konsumieren und somit keine Straftaten mehr begehen werde. Es sei Fakt, dass er seit Jahren immer wieder versuche, ein drogen- und straffreies Leben zu führen. In der Vergangenheit habe er sich nach Haftentlassungen sofort in Substitutionsprogramm begeben und falls das nicht gereicht habe, sei er zum Entgiften in das Bezirkskrankenhaus gegangen. Er habe somit schnellstens versucht wieder drogenfrei zu werden. Er feiere keine Partys und habe keinen Spaß, wenn er konsumiere. Er vegetiere vor sich hin und füge nur sich und seiner Familie Leid zu. Er wolle seit Jahren aufhören und gebe trotz der Rückschläge nicht auf. In der Türkei würde er sehr schnell sterben. Dort habe er niemand. Ihm drohe Blutrache, weil er seine Exfrau wegen seiner Exfreundin verlassen habe. Bei seinem letzten Aufenthalt in der Türkei anlässlich seiner Hochzeit sei er mit starken Drogen in Berührung gekommen, da dort legal Schlafmohn angebaut werde, woraus er sich einen Opiumtee gekocht habe. Wenn er nur Drogen nehmen wolle, würde er sich für die Türkei und ihr Dorf entscheiden. Die seien dort kostenlos und einfach erhältlich. Der türkischen Sprache sei er nicht mächtig. Er habe sie schon früher schon fast nicht gekonnt und das bisschen mit der Zeit komplett verlernt. Er sei in Deutschland geboren und fühle sich mehr deutsch als türkisch. In der Türkei könne er niemals überleben. Eine schnelle Abschiebung in die Türkei sei für ihn keine Option, obwohl dies für ihn vordergründig einfacher sein könnte. Eine Therapie sei für ihn tausendmal unangenehmer und schwieriger als Gefängnis. Er wolle diesen leichteren Weg der Abschiebung aber nicht gehen, zumal ihn dieser sehr schnell wegen Obdachlosigkeit und grenzenlosen Drogenkonsums, jedenfalls aber wegen Blutrache töten würde. Er werde auch seit einem Jahr wegen ADHS/ADS medikamentös behandelt. Dies habe ihm sehr geholfen, was ihm das Angehen der Therapie sehr erleichtere.
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Der frühere Bewährungshelfer des Klägers nahm am 19. Juli 2019 dahingehend Stellung, dass sich jener insbesondere in den letzten beiden Jahren trotz vieler Misserfolge immer wieder als therapiewillig und auch -suchend gezeigt habe. Gescheitert sei er überwiegend, wenn es auf der Station zu Rückfälligkeit gekommen sei und er sich davon nicht ausreichend habe distanzieren können. Genau diese Misserfolge in Verbindung mit der Dauer und Schwere seiner chronischen Suchterkrankung verringerten jedoch immer wieder seine Erfolgsaussichten und das Durchhaltevermögen in therapeutischen Maßnahmen. In der JVA S … sei er medizinisch angebunden und könne so mit seiner Suchterkrankung besser zurechtkommen. Er sei in Deutschland integriert, seine Familie unterstütze ihn immer wieder in seinen Abstinenzbemühungen. Dies bilde immer wieder Motivation für ihn, es immer wieder zu versuchen, dauerhaft auf Suchtmittel verzichten zu können und zu wollen. Der Kläger werde immer sehr niedrigschwellig zu begleiten sein, er nehme jedoch Unterstützung an und versuche so gut es gehe, seine ihm auferlegten Auflagen und Weisungen zu erfüllen.
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Das Bundesamt für ... nahm auf Bitten der Beklagten am 18. November 2019 zum Aspekt „zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote“ Stellung. Hiernach könne der Kläger wegen der von ihm befürchteten Blutrache Schutz bei den türkischen Behörden erlangen. Dies gelte insbesondere in Bezug auf Blutrache, die vom türkischen Staat hart geahndet werde. Im Übrigen könne der Kläger seinen Wohnsitz in der Türkei frei wählen und damit einer etwaigen lokalen Gefährdung entgehen. In wirtschaftlicher Hinsicht verfüge der Kläger in Deutschland über einen Familienverband, auf den er zwecks finanzieller Unterstützung verwiesen werden könne. Gegebenenfalls könne er Sozialleistungen für Bedürftige beantragen. Selbst wenn der Kläger nur über rudimentäre Kenntnisse der türkischen Sprache verfüge, fänden sich auch in der Türkei im landwirtschaftlichen Bereich bzw. im Dienstleistungsbereich das Existenzminimum gewährleistende Beschäftigungsmöglichkeiten. Deutsche Sprachkenntnisse in den Touristenregionen der Türkei dürften die Suche nach einer Beschäftigung in der Touristikbranche erleichtern. Ferner seien türkeiweit ausreichend Möglichkeiten vorhanden, die türkische Sprache zu erlernen. In gesundheitlicher Hinsicht seien psychische Erkrankungen in der Türkei ebenfalls behandelbar, etwa auch Drogenabhängigkeit. Es gebe 32 entsprechende therapeutische Zentren. Die Behandlung von ADHS sei nach der Erkenntnislage in der Türkei ebenfalls möglich.
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Das Bezirksklinikum M … äußerte sich am 16. Januar 2020 zunächst dahingehend, dass eine differenzialdiagnostische Abgrenzung eines ADHS nicht möglich sei, da der Kläger zu keinem Zeitpunkt der Unterbringung substanzfrei gewesen sei. Die gezeigten Verhaltensauffälligkeiten seien schlüssig mittels der unzweifelhaft vorliegenden Abhängigkeitserkrankung erklärbar. Die Tatsache, dass der Kläger im Verlauf der Entwöhnungsbehandlung mit einem Amphetaminpräparat behandelt worden sei, welches für die Behandlung eines ADHS zugelassen sei, erlaube keinesfalls vom Therapieerfolg her die Diagnose eines ADHS. Vielmehr wäre im Falle des tatsächlichen Vorliegens eines ADHS die Primärtherapie mit einem Amphetaminpräparat kontraindiziert gewesen, da Alternativpräparate mit einem günstigeren Risiko-Nutzen-Profil vorlägen. Die Einnahme ärztlicherseits nicht verordneter Substanzen sei während des Aufenthalts nicht feststellbar gewesen. Jedoch habe sich der Kläger auch nicht bereit gezeigt, einer substantiellen Reduktion abhängigkeitserzeugender Substanzen zuzustimmen, die ärztlicherseits verordnet würden, um ein Entzugssyndrom zu vermeiden. Unter diesen Voraussetzungen sei eine erfolgversprechende Entwöhnungsbehandlung nicht möglich bzw. bedürfe weiterer Veränderungen bei der Mitarbeit, um die geforderte Medikation zu reduzieren. Aus psychiatrischer Sicht sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit annehmbar, dass es dem Kläger in Freiheit nicht möglich sein werde, ein „geregeltes drogenfreies“ Leben zu führen. Als realistisches Therapieziel käme angesichts der psychiatrischen Vorgeschichte eine Substitutionstherapie mit einem hierfür zugelassenen Opiat infrage. Ohne lockerungsbedingte Erprobung außerhalb des Maßregelvollzugs könne derzeit nicht abgeschätzt werden, ob der Kläger in einem weniger gesicherten Rahmen bereit sein werde, auf illegalen Beikonsum zu verzichten.
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Mit Bescheid vom 25. Februar 2020 wies die Beklagte den Kläger aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte ihm die Abschiebung aus der Haft bzw. dem öffentlichen Gewahrsam heraus in die Türkei oder einen anderen übernahmebereiten Staat an. Für den Fall der Haftentlassung wurde er zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen aufgefordert. Widrigenfalls werde er in die Türkei oder einen anderen übernahmebereiten Staat abgeschoben. Schließlich wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot mit einer Dauer von sechs Jahren erlassen. Die Ausweisung stütze sich auf § 53 Abs. 1 AufenthG. Dabei besitze der Kläger durchaus besonderen Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG i.V.m. Art. 7 ARB 1/80. Hiernach sei eine Ausweisung nur dann möglich, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich sei. Bei Berücksichtigung aller maßgeblichen Aspekte könne die Ausweisung verfügt werden. So sei zunächst die Sozialisation des Klägers in Deutschland, obwohl er hier geboren sei, vollkommen gescheitert. Er konsumiere bereits seit seinem 13. Lebensjahr Drogen, sei durch die Begehung unterschiedlichster Straftaten in Erscheinung getreten und habe sich auch von strafrechtlichen Sanktionen einschließlich Freiheitsentzug nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten lassen. Im Urteil zur Anlasstat sei zu seinen Lasten gewertet worden, dass er mit harten Drogen mit hohem Gefährdungs- und Suchtpotenzial Handel getrieben habe, bereits 13-mal strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, eine hohe Rückfallgeschwindigkeit vorliege und die Taten während laufender Führungsaufsicht begangen habe. Der Handel mit illegalen Betäubungsmitteln stelle unstrittig eine tatsächliche hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Der Äußerung des Bezirksklinikums M … lasse sich entnehmen, dass die vom Kläger ausgehende Gefahr auch gegenwärtig sei, da nicht anzunehmen sei, dass er seine Drogensucht jemals in den Griff bekommen werde. Seine Weigerung, Reduktion suchtmindernder Substanzen zuzustimmen, stütze diese Ansicht. Da auch die frühere Androhung ausländerrechtlicher Maßnahmen kein Umdenken ausgelöst und keinen positiven Einfluss auf sein Verhalten genommen habe, bestehe aufgrund der defizitären Persönlichkeitsstruktur, der nach wie vor ungelösten Drogenproblematik und der damit verbundenen mangelnden wirtschaftlichen Integration weiterhin die Gefahr, dass er massiv gegen Rechtsvorschriften verstoßen werde und so auch in Zukunft im Bundesgebiet strafrechtlich auffalle. Darüber hinaus werde im Falle der Untätigkeit der Ausländerbehörde auf die aktuelle Verurteilung der Anschein erweckt, dass im Fall der weiteren Begehung von Straftaten keine Konsequenzen drohten. In seiner Äußerung vom 20. Mai 2019 habe der Kläger moniert, es sei eine große Belastung, wenn das Ausländeramt „immer wieder“ androhe, ihn abzuschieben. Ganz offensichtlich verkenne er bis heute den Ernst der ergangenen Verwarnungen, da beim Kläger bis heute kein Umdenken zu erkennen sei. Aufgrund seiner Strafbiografie und seiner Drogenabhängigkeit sei eine Ausweisung zur Wahrung gesellschaftlicher Grundinteressen unerlässlich. Das Ausweisungsinteresse sei im Lichte des Urteils des Landgerichts R … vom 2. November 2018 mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besonders schwerwiegend. Des Weiteren habe er damit zugleich den Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 1 und 9 AufenthG verwirklicht. Vom Kläger gehe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Sein Handeln habe nachweislich die öffentliche Sicherheit und Ordnung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Seit 2001 trete er regelmäßig in sich steigender Form strafrechtlich in Erscheinung. Aus dem Urteil des Amtsgerichts R … vom 15. Mai 2006 gehe hervor, dass er ab diesem Zeitpunkt auch vermehrt der Beschaffungskriminalität anheimgefallen sei, um dadurch seine Drogensucht zu finanzieren. Zuletzt sei er am 2. November 2018 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt worden. Der Kläger habe wiederholt und andauernd gezeigt, dass er nicht gewillt sei, sich an die geltende Rechtsordnung zu halten. Erstmalig sei bei ihm im Mai 2006 die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden. Seitdem habe er sich mehrmals in ambulanter und stationärer Entzugsbehandlung befunden. Bis zum heutigen Zeitpunkt sei bei ihm keine Besserung aufgetreten. Er habe regelmäßig der Beschaffungskriminalität zuzuordnende Straftaten verübt. Der gerichtliche Sachverständige habe weiter ausgeführt, dass beim Kläger der Hang bestehe, Betäubungsmittel im Übermaß zu nehmen und es gerade aufgrund dieses Suchtdrucks auch zu erheblicheren Straftaten als den bisher angeklagten komme. Das Bezirksklinikum M … komme in seinem Bericht ebenfalls zu dem Schluss, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit bestehe, dass er in Freiheit nicht in der Lage sein werde, ein drogenfreies Leben zu führen. Nach Einschätzung der Beklagten decke sich diese Prognose auch mit der Diagnose der Vergangenheit des Klägers. Unbestritten stellten illegale Betäubungsmittel und das damit verbundene Handeltreiben ein enormes Ausmaß an möglichen drohenden Schaden für die Allgemeinheit dar. Insbesondere das Handeltreiben mit harten Drogen wie Heroin gefährde die körperliche Unversehrtheit Dritter im höchsten Maße. Erschwerend komme hier noch hinzu, dass der mit 1,5 g festgesetzte Grenzwert zur nicht geringen Menge mit 16,6 g deutlich überschritten worden sei. Für die Beklagte stehe somit zweifelsfrei fest, dass vom Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen werde. Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass er erneut rückfällig und deswegen auch nicht davor zurückschrecken werde, weitaus erheblichere Straftaten als bisher zu begehen, um die finanziellen Mittel für seine Drogensucht zu beschaffen. Demgegenüber bestehe mit Blick auf die Niederlassungserlaubnis und den Aufenthalt von mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet ein besonders schweres Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Die Interessenabwägung führe zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Ausreise des Klägers. Private Interessen, die die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufwiegen könnten, seien nicht ersichtlich. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass er es zu keinem Zeitpunkt geschafft habe, sich in die hiesigen Lebensverhältnisse einzugliedern, sich sozial zu integrieren und einen ordnungsgemäßen rechtschaffenden Lebenswandel zu führen. Unter anderem habe er es im Grunde zu keinem Zeitpunkt für nötig erachtet, einem geregelten Arbeitsverhältnis nachzugehen. Stattdessen sei er seit dem Jahr 2001 regelmäßig in sich steigender Form strafrechtlich in Erscheinung getreten und habe eine Vielzahl von schwerwiegenden Strafdelikten begangen. Von einer Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse könne daher nicht ausgegangen werden. Bis heute habe er es nicht geschafft, seine Drogensucht in den Griff zu bekommen, obwohl ihm eine Vielzahl von Gelegenheiten dazu gegeben worden sei. Mehrmals habe das Gericht im Laufe der zahlreichen Strafverfahren positiv auf ihn einzuwirken versucht, indem Unterbringungen in Entziehungsanstalten angeordnet worden seien. Nach Einholung der aktuellen Stellungnahme des Bezirksklinikums M … vom Januar 2020 könne sich die Beklagte allerdings nicht der Einschätzung des Landgerichtes R … anschließen, welches im Urteil vom November 2018 noch zu der Einschätzung gekommen sei, dass eine erneute Unterbringung Erfolg verspreche. Der Kläger sei nicht einmal bereit, einer substantiellen Reduktion abhängigkeitserzeugender Substanzen zuzustimmen, weshalb eine erfolgversprechende Entwöhnungstherapie nicht möglich sei. Zudem könne hiernach aktuell nicht abgeschätzt werden, ob er in einem weniger gesicherten Rahmen bereit sein werde, auf illegalen Beikonsum zu verzichten. Daher überwiege die Wahrscheinlichkeit, dass er nicht in der Lage sein werde, ein geregeltes, drogenfreies Leben zu führen. Dies decke sich auch mit seinem bisherigen Werdegang, wonach er es nie geschafft habe, sein Leben so zu ordnen, dass er es schaffe, ohne die Begehung von Straftaten im Bereich der Beschaffungskriminalität auszukommen. Eine positive Prognose komme deshalb nicht mehr in Frage. Aus Art. 8 EMRK ergebe sich nichts anderes. Der Eingriff in diese Schutznorm sei gerechtfertigt. Der Kläger sei bereits im Alter von 15 das erste Mal strafrechtlich in Erscheinung getreten und regelmäßig geblieben. In Betracht des Verlaufs der Drogensucht und der damit einhergehenden Rechtsverletzungen seien sämtliche Versuche, ihm zu helfen, ins Leere gelaufen. Zu keiner Zeit habe er den Sinn seiner Aufenthalte in Entziehungsanstalten verstanden oder die Verwarnungen von ausländerrechtlicher Seite ernst genommen. Außerdem habe er gröblich gegen die am 26. September 2016 verordnete Führungsaufsicht verstoßen, da er nach Haftentlassung aus der JVA S … Termine bei seinem Bewährungshelfer nicht wahrgenommen habe. Stattdessen habe er in diesem Zeitraum wieder Drogen verkauft, weswegen er zu den jüngeren Straftaten verurteilt worden sei. Dies habe er getan, obwohl er gewusst habe, dass er gerade erst wegen derartiger Straftaten eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt gehabt und deswegen auch unter Führungsaufsicht gestanden habe. Seit seinem 15. Lebensjahr sei kaum ein Jahr vergangen, indem er nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei. Die Schwere der Verstöße sei kontinuierlich angestiegen, sodass Jahre ohne Verstoß im Grunde nur noch dann zu verzeichnen gewesen seien, wenn er aufgrund von Haftstrafen hierzu keine Möglichkeit gehabt habe. Aktuell befinde er sich wieder in einer Entziehungsanstalt und weigere sich, der Reduktion abhängigkeitserzeugender Substanzen zuzustimmen, um ihn langfristig auf ein Leben ohne Drogen vorzubereiten. Dies tue er in Kenntnis des Ausweisungsverfahrens. Es werde gesehen, dass sich Mutter und Geschwister im Bundesgebiet aufhalten. Allerdings sei es nicht unverhältnismäßig, wenn Eltern und volljährige Kinder bzw. Geschwister getrennt voneinander in zwei verschiedenen Ländern lebten. Letztendlich müsse es seiner Familie und ihm im Hinblick auf die Schwere der von ihm begangenen Straftaten und der von ihm ausgehenden Wiederholungsgefahr zumutbar sein, eine räumliche Trennung - welche aufgrund andauernder Inhaftierung ohnehin bestehe - in Kauf zu nehmen. Nach Abwägung aller Interessen komme die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen zum Ergebnis, dass die vom Kläger ausgehende Gefahr nur durch seine Ausweisung und Entfernung aus dem Bundesgebiet von der Allgemeinheit abgewendet werden könne. Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG seien in Anbetracht der entsprechenden Stellungnahme des Bundesamtes für ... nicht erkennbar. Duldungsgründe seien ebenfalls nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG werde erlassen und auf die Dauer von sechs Jahren befristet. Diese Frist halte die Beklagte aufgrund der Schwere der Rechtsverstöße für geeignet, erforderlich und angemessen. Der Kläger habe wiederholt gezeigt, nicht gewillt zu sein, sich an die deutsche Rechtsordnung zu halten. Bis heute hätten weder Straftaten noch Entziehungsaufenthalte ihn zu einem sorgenfreien Leben bewegen können. Gerade nach der langen Vorhaftzeit, in welcher auch wieder eine Entziehung durchgeführt worden sei, sei für die Beklagte nicht ersichtlich, warum er nach Entlassung am 3. Februar 2017 derartig schnell wieder straffällig geworden sei. Am 4. Juli habe er 76,42 g Haschisch besessen, um diese gewinnbringend weiterzuverkaufen. Am 3. Januar 2018 habe er 1,58 g Heroin an Dritte verkaufen wollen. Am 24. Januar 2018 habe er geplant, 16,6 g Heroin an Dritte zu verkaufen. Er habe gewusst, dass er unter Führungsaufsicht gestanden habe. Wiederum sei er deswegen verurteilt worden, wiederum sei die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden. Auch die Ausführungen des Bezirksklinikums M … stellten mehr als deutlich dar, dass von ihm auch in Zukunft eine exorbitant hohe Wiederholungsgefahr im Bereich der Beschaffungskriminalität ausgehen werde. Diese Einschätzung werde jetzt noch zusätzlich von der Tatsache getragen, dass er in seinem Leben so gut wie nie gearbeitet habe, keine Aussicht auf einen geregelten Arbeitsplatz erkennbar sei und er deswegen über kein Einkommen verfüge. Die Beklagte gehe deswegen davon aus, dass die von ihm ausgehende Gefahr noch lange anhalten werde. Ein schützenswertes besonderes Befristungsinteresse des Klägers sei nicht ersichtlich. Er sei ledig und habe keine Kinder.
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Mit am 11. März 2020 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ließ der Kläger Klage gegen diesen Bescheid erheben. Mit Schriftsatz vom 1. April 2020 wurde zur Begründung ausgeführt, dass nach dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts D … vom 13. März 2020 das angestrebte Ziel der Therapie, den Kläger therapeutisch zu heilen und zu bessern sowie die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen, noch nicht erreicht sei. Es seien weitere therapeutische Einwirkungen im Rahmen der gesicherten Unterbringung notwendig. Die Unterbringung in der Anstalt sei noch erfolgversprechend und stehe auch in einem angemessenen Verhältnis zu Anlass und Zweck. Der Kläger sei mit der Unterbringung einverstanden und vermittle den Eindruck, dass er therapie- und abstinenzmotiviert sei. Auch das Bezirksklinikum M … habe am 16. Januar 2020 eine Substitutionstherapie mit einem zugelassenen Opiat als realistisches Therapieziel angesprochen. Zudem stehe eine ADHS/ADS-Erkrankung im Raum. Schließlich sei der Kläger im Falle der Abschiebung in die Türkei lebensbedrohlich gefährdet. Familienangehörige seiner Exfrau würden ihn umbringen, sobald er in die Türkei einreise. Er habe die „Ehre“ befleckt. Er habe weder einen Unterkunftsplatz in der Türkei noch Verwandte, die ihm helfen würden. Die sozialen Bindungen seien aufgrund hier lebender Familie (Mutter sowie fünf Geschwister) in Deutschland. Erfolgversprechend erscheine nur die Weiterführung einer Therapie in einer Einrichtung in Deutschland.
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Mit zwei Schreiben vom 22. und 23. April 2020 vertieft der Kläger persönlich auch unter Bezugnahme auf ein Attest des Bezirksklinikums R … vom 26. April 2017 seine Sichtweise. Sein früherer Bevollmächtigter verwies mit Schriftsatz vom 24. April 2020 ebenfalls auf das genannte Attest sowie Gefahren im Falle der Rückkehr in die Türkei.
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Die aktuelle Bevollmächtige wies in Schriftsätzen vom 31. Mai und 7. Juni 2020 zusammenfassend darauf hin, dass der Kläger faktischer Inländer sei, der in seiner Kindheit die deutsche Staatsangehörigkeit hätte erwerben können. Dieser Umstand sei bei der Entscheidung über eine Ausweisung allgemein zu berücksichtigen. Zudem verfüge der Kläger nur über rudimentäre Kenntnisse der türkischen Sprache. Ihn verbinde mit der Türkei nur seine Staatsangehörigkeit. In dieser Konstellation verstoße die Ausweisung auch gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK.
den Bescheid vom 25. Februar 2020 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den streitgegenständlichen Bescheid,
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Mit Beschluss vom 27. April 2020 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Auf einen Gerichtsbescheid vom 27. April 2020 wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der damit verbundene Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung wurde mit Beschluss vom 3. Juni 2020 abgelehnt.
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Zur Ergänzung der Sachverhaltswiedergabe wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere der gewechselten Schriftsätze, der vorgelegten Behördenakte sowie des Protokolls der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht sowohl auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid vom 27. April 2020 als auch im Prozesskostenhilfebeschluss vom 3. Juni 2020 Bezug. Die Argumente aus dem Beschwerdeschriftsatz vom 7. Juni 2020 führen zu keiner anderen Entscheidung. Es bleibt festzuhalten, dass der Kläger unabhängig vom Aspekt „Staatsangehörigkeitserwerb“ nach Auffassung des Gerichts auch heute noch hinreichende Beziehungen zum Heimatstaat besitzt bzw. aktivieren kann. Nichtsdestotrotz ist erneut hervorzuheben, dass das Bundesverfassungsgericht allein die im dortigen Einzelfall spezifisch gegebene Problematik eines wegen verfassungswidrigen Gesetzesrechts nicht erfolgten Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes nach dem Abstammungsprinzip problematisiert hatte. Diese Konstellation ist im hier zu entscheidenden Fall, in dem die Klägerseite auf einen antragsgebundenen Einbürgerungsanspruch verweist, nicht gegeben. Der von der Klägervertreterin aufgestellte Rechtssatz, wonach bei der Entscheidung über eine Ausweisung der mögliche Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit allgemein zu berücksichtigen sei, besteht nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgericht nicht. Letztlich ist die dieser Thematik innewohnende Problematik der Integration im Bundesgebiet bei gleichzeitiger Entwurzelung vom Heimatstaat dem Themenkomplex „faktischer Inländer“ zuzuordnen. Hierauf ist das Gericht aber bereits in Gerichtsbescheid und Prozesskostenhilfebeschluss eingegangen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.