VGH München, Beschluss v. 09.03.2020 – 11 ZB 19.991
Titel:

isolierter Prozesskostenhilfeantrag - Fahrtenbuchauflage

Normenketten:
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 121 Abs. 1
StVZO § 31a Abs. 1 S. 1, Abs. 3
VO (EU) 2016/679 Art. 5 Abs. 1 lit. d, Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f, Art. 23 Abs. 1 lit. d
Leitsätze:
1. Erledigt sich ein beabsichtigtes Rechtsschutzbegehren vor Rechtshängigkeit und kommt auch die etwaige Erhebung einer Fortsetzungsfeststellungsklage nicht in Betracht, ist für Prozesskostenhilfe kein Raum mehr und bleibt ein isolierter Prozesskostenhilfeantrag ohne Erfolg. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist insoweit nicht der der Bewilligungsreife, sondern der der gerichtlichen Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung begründet die Benachrichtigung über einen mit einem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß für dessen Halter die Obliegenheit, im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren an der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers mitzuwirken; dies gilt auch dann, wenn er nicht dazu verpflichtet ist, den Fahrer zu benennen, etwa weil ihm ein Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht zusteht (vgl. BayVGH BeckRS 2019, 8672 Rn. 16 mwN). Die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs setzt weder ein rechtswidriges Verhalten noch ein Verschulden des Fahrzeughalters an der Nichtfeststellbarkeit des Fahrzeugführers voraus. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Weitergabe persönlicher Daten des verantwortlichen Fahrers an die Polizei ist nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. f der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bei Abwägung mit den Interessen des Fahrzeugführers zur Wahrung des berechtigten Interesses der Polizeibehörde zulässig, die ihr im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgaben zu erfüllen, zu denen nach Art. 23 Abs. 1 lit. d DSGVO u.a. die Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten einschließlich Ordnungswidrigkeiten gehören. Die Übermittlungsbefugnis ist bei einer im Zusammenhang mit der Fahrzeugführung erfolgten Datenspeicherung auch mit dem Grundsatz der Zweckbindung iSd Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO vereinbar. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
isolierter Prozesskostenhilfeantrag, Fahrtenbuchauflage, Erledigung des beabsichtigten Rechtsschutzbegehrens, maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt, Mitwirkungsobliegenheit des Fahrzeughalters, Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht, rechtswidriges Verhalten, Verschulden, Datenschutz-Grundverordnung, Übermittlungsbefugnis, behördliche Aufgabenerfüllung, Grundsatz der Zweckbindung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 17.04.2019 – RN 3 K 19.267
Fundstelle:
BeckRS 2020, 4488

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für den beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung, die eine Klage gegen eine Fahrtenbuchauflage zum Gegenstand hat.
2
Am 10. September 2018 wurde mit dem auf den Kläger zugelassenen Kraftfahrzeug … * … … auf der Bundesautobahn A3 bei einer Geschwindigkeit von 116 km/h lediglich ein Abstand von 20 m und damit weniger als 4/10 des halben Tachowerts (58 m) eingehalten. Auf dem von der Polizei gefertigten Lichtbild war eine Frau als Fahrzeugführerin zu erkennen.
3
Ein an den Kläger zur Ausfüllung übersandter Zeugenfragebogen vom 31. Oktober 2018 kam nicht in Rücklauf. Bei einer telefonischen Befragung des Klägers durch die Polizei am 22. November 2018 gab er an, eine ehemalige Mitarbeiterin wiederzuerkennen, weigerte sich jedoch aus datenschutzrechtlichen Gründen, deren Personalien mitzuteilen.
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Mit Verfügung vom 10. Dezember 2018 wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt.
5
Im Rahmen der Anhörung zu einer beabsichtigten Fahrtenbuchauflage trug der Kläger mit Schreiben vom 21. Januar 2019 vor, die auf ihn zugelassenen Fahrzeuge verfügten über ein elektronisches Fahrtenbuch. Nach Maßgabe der EU-DatenschutzGrundverordnung dürften Mitarbeiterdaten auch in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren nur nach ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung an Dritte weitergegeben werden. Neue Arbeitsverträge sähen diesen Passus bereits vor. Bei alten Verträgen müsse diese Genehmigung jeweils eingeholt werden. Bei Mitarbeitern, die nicht mehr im Unternehmen tätig seien, gestalte sich dies teilweise schwierig.
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Mit Bescheid vom 11. Februar 2019 gab das Landratsamt Freyung-Grafenau dem Kläger gestützt auf § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … * … … und ein etwaiges Ersatzfahrzeug die Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer von zwölf Monaten auf und verpflichtete ihn, das Fahrtenbuch dem Landratsamt jederzeit auf Verlangen zur Prüfung auszuhändigen und es sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es zu führen ist, aufzubewahren.
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Diesen Bescheid focht der Kläger am 18. Februar 2019 beim Verwaltungsgericht Regensburg an. Gleichzeitig beantragte er, ihm vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren. Mit Beschluss vom 15. März 2019 (RN 3 S 19.266) lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag ab. Nach Verzicht auf mündliche Verhandlung wies es auch die Klage ab. In den Urteilsgründen wird ausgeführt, die Voraussetzungen des § 31a StVZO seien erfüllt. Mit dem Fahrzeug des Klägers sei ein erheblicher Verkehrsverstoß begangen worden, der nach Nr. 3.2.3 der Anlage 13 zur FeV, Nr. 12.6 des Bußgeldkatalogs und Nr. 12.6.2 der Tabelle 2 des Anhangs zum Bußgeldkatalog mit der Eintragung eines Punkts in das Fahreignungsregister und einem Bußgeld von 100,- EUR zu ahnden gewesen wäre. Die Feststellung des Fahrzeugführers sei innerhalb der Verjährungsfrist nicht möglich gewesen. Zwar sei der Kläger als Fahrzeughalter hier nicht innerhalb von zwei Wochen nach Begehung des Verkehrsverstoßes benachrichtigt worden. Dies sei jedoch unschädlich, wenn die Überschreitung des Zeitrahmens für die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers nicht ursächlich gewesen sei, wenn z.B. der Halter den Fahrzeugführer nicht benenne, obwohl er sich erkennbar an ihn erinnern könne, wenn ihm ein zur Identifizierung ausreichendes Foto vorgelegt worden oder die Zuwiderhandlung mit einem Firmenfahrzeug in geschäftlichem Zusammenhang begangen worden sei. Dies sei hier der Fall gewesen. Die ermittelnde Behörde dürfe regelmäßig auf zeitraubende, kaum erfolgversprechende weitere Aufklärungsmaßnahmen verzichten, wenn der Fahrzeughalter erkennbar nicht gewillt sei, an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes mitzuwirken. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) finde für die Ermittlungen der Polizei wohl schon keine unmittelbare Anwendung oder es handle sich wenigstens um eine nach den Anforderungen dieser Verordnung auch ohne Einwilligung des Betreffenden gerechtfertigte Datenverarbeitung. Die Ausnahme vom Anwendungsbereich (Art. 2 Abs. 2 Buchst. d DSGVO) umfasse auch Ordnungswidrigkeiten. Außerdem wäre eine Datenerhebung beim Kläger auch nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e DSGVO i.V.m. Art. 2, 28 Abs. 2 Nr. 2 BayDSG ohne Einwilligung der betroffenen Person gerechtfertigt, da die Verarbeitung im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich sei, die im öffentlichen Interesse liege oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolge, die dem Verantwortlichen übertragen worden sei. Bei Anwendbarkeit der DSGVO wäre der Kläger nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO auch ohne Einwilligung des Betroffenen zur Herausgabe der personenbezogenen Daten berechtigt gewesen, da dies zur Erfüllung seiner rechtlichen Mitwirkungspflicht bei der Feststellung des Fahrzeughalters erforderlich gewesen wäre. Er habe sich gegenüber der ermittelnden Polizei nicht auf die DSGVO berufen können. Auch dem präventiv angeordneten Führen eines Fahrtenbuchs stehe die DSGVO nicht entgegen. Die angeordnete Dauer von zwölf Monaten sei im Hinblick darauf, dass es sich um ein Firmenfahrzeug handle, das in beachtlichem Umfang von mehreren Personen genutzt werden könne, nicht unverhältnismäßig.
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Am 14. Mai 2019 legte der Kläger „Berufung“ ein und beantragte gleichzeitig hierfür „Verfahrenskostenhilfe“. Er könne aufgrund eines Arbeitsunfalls und damit verbundener eingeschränkter Arbeitsfähigkeit die Verfahrenskosten nicht eigenständig aufbringen. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Nr. 1 BDSG seien nicht erfüllt und auch keine sonstige Rechtsgrundlage einschlägig. Somit sei eine Datenübermittlung an die Strafverfolgungsbehörde unzulässig. Da diese Vorschrift nur die Zulässigkeit der Übermittlung, aber keine Pflicht hierzu vorsehe und die Polizeibehörde anders als etwa die Staatsanwaltschaft zur Datenübermittlung nicht gesetzlich verpflichtet sei, habe darauf vorerst verzichtet werden müssen. Selbst wenn eine Pflicht zur Übermittlung personenbezogener Daten an die Strafverfolgungsbehörden bestünde, würde neben § 24 BDSG auch Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO greifen. Wäre eine Datenübermittlung nach der DSGVO möglich gewesen, so hätte die Information nach Art. 13 Abs. 3 DSGVO zunächst an die Betroffene erfolgen müssen. Weder die Polizei noch die Strafverfolgungsbehörde könnten eine Gefährdung der Ermittlungsmaßnahmen erläutern oder eine Rechtsgrundlage nennen, nach der auf die vorherige Information der Betroffenen hätte verzichtet werden können. Aufgrund der Komplexität der Sache und des Fehlens richtungsweisender Judikatur zu diesem Thema sei ihm Verfahrenskostenhilfe zu gewähren.
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Der Beklagte erwiderte, der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Zulassungsverfahren sei abzulehnen. Denn der Kläger gehe fehl in seiner Annahme, dass für die Übermittlung des Namens der Fahrerin an das Polizeiverwaltungsamt zum Zweck der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit keine Übermittlungsbefugnis bzw. kein Übermittlungsrecht bestanden habe. Zwar sei die DSGVO auf die Übermittlung von Fahrerdaten an das Polizeiverwaltungsamt anwendbar, wenn unterstellt werde, dass die Ordnungswidrigkeit tatsächlich im Rahmen der geschäftlichen Nutzung des Fahrzeugs begangen worden sei. Hier sei Art. 2 Abs. 2 Buchst. c DSGVO nicht einschlägig. Die Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates finde keine Anwendung, da bei dieser Datenübermittlung an eine Behörde keine Datenverarbeitung durch eine Behörde inmitten stehe (Art. 1 Abs. 1 RL (EU) 2016/680, § 45 Satz 1 BDSG). Die Übermittlungsbefugnis folge aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. f DSGVO, wonach für einen Privaten (vgl. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 DSGVO e contrario) die Verarbeitung, d.h. auch die Übermittlung (vgl. Art. 4 Nr. 2 DSGVO), zur Wahrung der berechtigten Interessen eines Dritten zulässig sei, sofern nicht die Interessen der betroffenen Person, hier der Fahrzeugführerin, überwögen. Dritte seien juristische Personen oder Behörden (vgl. Art. 4 Nr. 10 DSGVO), mithin auch das hier ermittelnde Polizeiverwaltungsamt. Es liege auf der Hand, dass Behörden ein berechtigtes Interesse hätten, die ihnen im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben seien insbesondere die in Art. 23 Abs. 1 Buchst. d DSGVO genannten Aufgaben (vgl. Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DSGVO, wo von sonstigen wichtigen Zielen des öffentlichen Interesses die Rede sei), mithin auch die Verfolgung von Straftaten. Straftaten im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Buchst. d DSGVO seien - worauf das Erstgericht auf Seite 10 der Urteilsgründe in anderem Zusammenhang zutreffend hingewiesen habe - auch Ordnungswidrigkeiten. Die Abwägung gehe zulasten der Fahrzeugführerin, da niemandem ein überwiegendes Interesse daran zugebilligt werde, von einer Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verschont zu bleiben. Nicht einschlägig sei Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO. Privatpersonen könnten sich auf diese Bestimmung nur berufen, wenn ihnen die Befugnis, auf personenbezogene Daten zuzugreifen, im öffentlichen Interesse oder als Ausübung öffentlicher Gewalt übertragen sei. Sie müssten mithin - was hier nicht der Fall sei - anstelle einer Behörde tätig werden. Der Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO könne nicht entgegengehalten werden, die Aussagepflicht eines Zeugen bestehe nicht gegenüber dem Polizeiverwaltungsamt bzw. der Polizei, sondern nur vor Gericht (§ 48 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG), vor der Staatsanwaltschaft (§ 161a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG) und bei zugrundeliegender Ladung der Staatsanwaltschaft (§ 163 Abs. 3 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG). Bei den genannten Aussagepflichten handle es sich um bereichsspezifische Regelungen („spezifischere Bestimmungen“) im Sinne des Art. 6 Abs. 2 DSGVO, die als Durchführungsvorschriften den Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO ausfüllten. Die Normen regelten aber nur die weitergehenden Aussageverpflichtungen, nicht die hier im Raum stehende vorherige Stufe der Aussageberechtigung. Die Übermittlungsbefugnis (das Übermittlungsrecht) kollidiere auch nicht mit dem Grundsatz der Zweckbindung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. b DSGVO), da schon kein anderer Zweck vorliege. Zweck der im Zusammenhang mit der Fahrzeugführung erfolgten (mentalen oder tatsächlichen) Datenspeicherung sei die Durchführung dieser Fahrzeugführung. Dazu gehörten auch eventuelle Folgeverfahren, wie etwa die Abwicklung von Schadensregulierungen im Zusammenhang mit Unfällen oder die Abwicklung von behördlichen oder gerichtlichen Ahndungen. Selbst wenn man aber von einer Zweckänderung ausgehen wollte, wäre diese jedenfalls infolge einer Kompatibilitätsprüfung nach Art. 6 Abs. 4 Alt. 3 DSGVO zulässig, denn eine solche Datenverarbeitung sei für den Betroffenen aufgrund des Sachzusammenhangs (Art. 6 Abs. 4 Buchst. b DSGVO) jedenfalls ohne weiteres vorhersehbar (Art. 6 Abs. 4 Buchst. a DSGVO). Der von Seiten des Klägers erwähnte § 24 Abs. 1 Nr. 1 BDSG stelle eine Durchführungsvorschrift im Sinne des Art. 6 Abs. 4 Alt. 2 DSGVO dar, die national zusätzliche Zweckabweichungen ermögliche, die unmittelbar in der DSGVO verankerte Kompatibilitätsprüfung nach Art. 6 Abs. 4 Alt. 3 DSGVO aber unberührt lasse und kompetenzrechtlich auch unberührt lassen müsse. Aus § 24 Abs. 1 Nr. 1 BDSG könne kein Gegenschluss gezogen werden. Die vom Kläger angeführten Informationspflichten könnten seine Übermittlungsbefugnis von vornherein nicht berühren. Solche Informationspflichten wären im Übrigen durch die Übermittlung auch nicht ausgelöst worden. Für den Kläger schieden sie aus, weil keine Zweckänderung nach Art. 13 Abs. 3 DSGVO vorliege. Für die Polizei bestünden sie gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 BayDSG nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
11
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren hat keinen Erfolg.
12
Soweit sich die Hauptsache, wie hier die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs, zwischenzeitlich durch Zeitablauf erledigt hat (vgl. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG; BayVGH, B.v. 9.12.2013 - 11 ZB 13.1748 - juris Rn. 12 f.), ist unabhängig davon, ob eine Klageerhebung noch erfolgen soll, für Prozesskostenhilfe kein Raum mehr (vgl. OVG NW, B.v. 12.1.2010 - 18 E 1195/09 - DÖV 2010, 572 = juris Rn. 3; NdsOVG, B.v. 6.11.2009 - 11 PA 290/09 - juris Rn. 3; OVG Berlin-Bbg., B.v. 12.1.2009 - 10 M 56.08 - juris Rn. 3). Prozesskostenhilfe wird grundsätzlich für die Zukunft bewilligt. Erledigt sich das beabsichtigte Rechtsschutzbegehren vor Rechtshängigkeit, bleibt der isolierte Prozesskostenhilfeantrag ohne Erfolg (Wache in MK zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 114 Rn. 102; Fischer in Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 114 Rn. 17; Bader in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 166 Rn. 32). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist insoweit nicht der der Bewilligungsreife, sondern der der gerichtlichen Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch, weil Kosten für das beabsichtigte und bereits erledigte Klageverfahren bisher gar nicht angefallen sind (vgl. OVG NW, B.v. 12.1.2010 a.a.O. Rn. 7). Im Übrigen wäre ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Erhebung einer Klage, die sich in der Hauptsache erledigt hat und somit unzulässig wäre, unbegründet, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichenden Erfolgsaussichten mehr bietet. Auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die etwaige Erhebung einer Fortsetzungsfeststellungsklage kommt hier nicht in Betracht, weil Anhaltspunkte für das Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses insbesondere unter den anerkannten Gesichtspunkten der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses oder eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs durch einen Verwaltungsakt, der sich typischerweise vor der Möglichkeit der Erlangung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes erledigt (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2013 - 8 C 22.12 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 41 = juris Rn. 12 ff.; BayVGH, B.v. 18.7.2016 - 11 ZB 16.299 - juris Rn. 15 f.), nicht ersichtlich sind.
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Soweit sich die Hauptsache, hier hinsichtlich der Aushändigungs- und Aufbewahrungspflichten, nicht erledigt hat, ist der Prozesskostenhilfeantrag unbegründet, weil die beabsichtigte Zulassungsantrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO). Auf die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Klägers kommt es daher nicht an.
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Der Senat hat das Schreiben des anwaltlich nicht vertretenen Klägers vom 10. Mai 2019 entgegen seinem Wortlaut nicht als Einlegung der nicht statthaften Berufung gegen das ihm am 14. April 2019 zugestellte erstinstanzliche Urteil ausgelegt, sondern als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen durch einen Prozessbevollmächtigten zu stellenden Antrag auf Zulassung der Berufung. Gegen diese Auslegung hat der Kläger keine Einwände erhoben. Sie liegt in seinem Interesse, denn die Einlegung der Berufung wäre unzulässig, weil sie vom Verwaltungsgericht nicht zugelassen worden ist (§ 124 Abs. 1, § 124a Abs. 4 VwGO) und der Kläger mangels Postulationsfähigkeit die Berufung persönlich weder einlegen noch beantragen könnte (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO). Wird Prozesskostenhilfe bewilligt, ist grundsätzlich auch Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO zu gewähren, da das Kostenrisiko bis zur Entscheidung über einen frist- und formgerechten Prozesskostenhilfeantrag regelmäßig als Hinderungsgrund im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO anzuerkennen ist (Bier/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 60 Rn. 17, 35).
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Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt es regelmäßig, dass die Erfolgsaussichten offen sind oder es entscheidungserheblich auf schwierige Rechtsfragen ankommt, die höchstrichterlich noch nicht geklärt sind (BVerfG, B.v. 13.3.1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347 = juris 2. Ls.). Hinreichende Erfolgsaussichten liegen allerdings dann nicht vor, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist oder konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.2.2002 - 1 BvR 1450/00 - NJW-RR 2002, 1069 = juris Rn. 12; B.v. 29.9.2004 - 1 BvR 1281/04 - NJW-RR 2005, 140 = juris Rn. 14).
16
Hieran gemessen liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vor, da der vom Kläger der Sache nach geltend gemachte Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) nicht gegeben ist und andere Zulassungsgründe nicht erkennbar sind.
17
Nach § 31a Abs. 3 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl I S. 679), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. März 2017 (BGBl I S. 522), hat der Fahrzeughalter der das Fahrtenbuch anordnenden oder der von ihr bestimmten Stelle oder sonst zuständigen Personen das Fahrtenbuch auf Verlangen jederzeit an dem von der anordnenden Stelle festgelegten Ort zur Prüfung auszuhändigen und es sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es geführt werden muss, aufzubewahren. Diese Nebenverpflichtungen teilen das rechtliche Schicksal der Fahrtenbuchauflage, deren Anordnung gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO voraussetzt, dass die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.
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Hiervon ist das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Mit dem klägerischen Fahrzeug ist ein erheblicher Verkehrsverstoß (§ 4 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO, § 24 StVG, Nr. 3.2.3 der Anlage 13 zur FeV i.V.m. § 1 BKatV i.V.m. Nr. 12.6 Anlage zur BKatV (Bußgeldkatalog), Nr. 12.6.2 der Tabelle 2 des Anhangs zur BKatV) begangen worden. Die Polizei konnte die verantwortliche Fahrerin innerhalb der Verjährungsfrist nicht ermitteln, wobei ihre Ermittlungen angesichts der fehlenden Mitwirkung des Klägers ausgereicht haben.
19
Wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ging es vorliegend nicht darum, ob der Kläger zur Übermittlung der Daten seiner für den Verkehrsverstoß verantwortlichen ehemaligen Mitarbeiterin verpflichtet war, sondern darum, ob er hierzu berechtigt war. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung begründet die Benachrichtigung über einen mit einem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß für dessen Halter die Obliegenheit, im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren an der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers mitzuwirken (BayVGH, B.v. 3.5.2019 - 11 ZB 19.213 - juris Rn. 16; SächsOVG, B.v. 10.1.2020 - 6 B 297/19 - juris Rn. 3; OVG NW, B.v. 10.9.2019 - 8 B 774/19 - juris Rn. 5; B.v. 15.5.2018 - 8 A 740/18 - DVBl 2018, 961 = juris Rn. 33; ThürOVG, B.v. 20.9.2018 - 2 EO 378/18 - VRS 134, 317 = juris Rn. 7). Dies gilt auch dann, wenn er nicht dazu verpflichtet ist, den Fahrer zu benennen, etwa weil ihm ein Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht zusteht (vgl. BayVGH, a.a.O. m.w.N.). Die Anordnung nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO setzt weder voraus, dass sich der Fahrzeughalter rechtswidrig verhält, noch, dass ihn ein Verschulden an der Nichtfeststellbarkeit des Fahrzeugführers trifft (vgl. NdsOVG, B.v. 14.1.2019 - 12 ME 170/18 - NJW 2019, 1013 = juris Rn. 17 m.w.N.). Mit einer unzureichenden Mitwirkung schneidet er sich „lediglich“ den Einwand ab, die Feststellung des Fahrzeugführers wäre nach der Verkehrszuwiderhandlung möglich gewesen, wenn die Verfolgungsbehörde weiter ermittelt hätte (NdsOVG, a.a.O.).
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Es ist auch nicht zweifelhaft, dass die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO; ABl L 119 vom 4.5.2016, S. 1) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vom 30. Juni 2017 (BGBl I S. 2097) der Übermittlung der Fahrerdaten an das Polizeiverwaltungsamt, einer Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO, nicht entgegenstanden. Insoweit kann auf die ausführliche Erwiderung des Beklagten vom 12. Juni 2019 Bezug genommen werden, wonach - ungeachtet der Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs der DSGVO - jedenfalls eine Weitergabe der persönlichen Daten des verantwortlichen Fahrers an die Polizei nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. f DSGVO zur Wahrung der berechtigten Interessen des Polizeiverwaltungsamts, eines Dritten im Sinne von Art. 4 Nr. 10 DSGVO, bei Abwägung mit den Interessen der Fahrzeugführers zulässig gewesen wäre. Behörden haben ein berechtigtes Interesse daran, die ihnen im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgaben zu erfüllen, zu denen nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. d DSGVO u.a. die Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten einschließlich Ordnungswidrigkeiten gehören. Die Übermittlungsbefugnis ist auch mit dem Grundsatz der Zweckbindung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. b DSGVO) vereinbar, da der Zweck der im Zusammenhang mit der Fahrzeugführung erfolgten Datenspeicherung die Abwicklung von behördlichen oder gerichtlichen Ahndungen mitumfasst. Nach einer Kompatibilitätsprüfung gemäß Art. 6 Abs. 4 DSGVO wäre sogar eine Zweckänderung zulässig. Entgegen der Auffassung des Klägers trafen ihn in diesem Zusammenhang auch keine Informationspflichten.
21
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).